LG Kleve, Az.: 6 S 150/15, Urteil vom 14.01.2016
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 01.09.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Geldern unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Mitbesitz an der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des Wohnhauses mit der postalischen Anschrift xx, 4xx xx dadurch einzuräumen, dass er dem Kläger einen geeigneten Schlüssel zur Haupteingangstüre aushändigt.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, den Grundbesitz Grundbuch von xx xx, G, Flur X, Flurstück X, Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, Wasserfläche, Erholungsfläche, Gxx x, xx, 20374 qm und G, Flur X, Flurstück X, Landwirtschaftsfläche, Gxx x, 2574 qm mit aufstehendem Wohnhaus nebst Scheune und Schweinestall (postalische Anschrift Gxx x, 4xx xx) bis zum 30.11.2015 zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 15 Prozent und der Beklagte zu 85 Prozent zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der ausgeurteilten Einräumung von Mitbesitz gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500 Euro, die Vollstreckung der ausgeurteilten Räumung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000 Euro und die Vollstreckung im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Geldern die Klage abzuweisen sowie ihm Räumungsschutz zu gewähren, da er mit zahlreichen exotischen Tieren auf dem Gelände lebe.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat nur hinsichtlich des Räumungszeitpunktes einen geringen Teilerfolg.
1. Das Amtsgericht hat zu Recht über die vom Kläger mit Schriftsatz vom 29.06.2015 gestellten Anträge entschieden. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, diese seien erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt worden, verkennt er, dass das Amtsgericht mit Zustimmung beider Parteien im schriftlichen Verfahren entschieden und gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO als Zeitpunkt den 29.07.2015 bestimmt hat, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können und der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht (Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 128, Rn. 14). Der Kläger konnte innerhalb dieser Frist seine Klage erweitern, indem er einen vormals hilfsweise erhobenen Klageantrag unbedingt gestellt hat. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der gerichtlichen Verfügung vom 30.10.2015 Bezug genommen.
2. Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, den Beklagten zur Einräumung von Mitbesitz verurteilt.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch gemäß § 985 BGB auf Einräumung von Mitbesitz an den Räumen im Erdgeschoss, denn § 1 des Mietvertrages berechtigt den Beklagten insoweit nur zur gemeinsamen Benutzung zusammen mit dem Kläger als Eigentümer.
Soweit sich der Beklagte darauf beruft, abweichend vom Mietvertrag sei eine mündliche Vereinbarung getroffen worden, wonach Zutritt und zeitweilige Nutzung von Räumlichkeiten nur nach Absprache und mit ausdrücklicher Genehmigung des Mieters hätten erfolgen dürfen, ist für diese Behauptung – entgegen dem Berufungsangriff – kein Beweisantritt erfolgt. Es kann daher dahinstehen, dass der Vortrag zu dieser Vereinbarung unsubstantiiert ist, da nicht vorgetragen ist, wann und in welchem Zusammenhang die Regelung getroffen sein soll und warum diese weder im schriftlichen Mietvertrag noch in einer schriftlichen Ergänzung niedergelegt worden ist.
3. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts gemäß § 546 BGB, doch besteht dieser Anspruch nicht zum 30.09.2015, sondern erst mit Ablauf des 30.11.2015, denn das Mietverhältnis endet durch Kündigung erst zu diesem Zeitpunkt.
a) Das Mietverhältnis ist wirksam wegen Eigenbedarfs gemäß § 573 BGB gekündigt.
Nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Vermieter ein Mietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, wobei ein berechtigtes Interesse nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB insbesondere dann besteht, wenn der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt (Eigenbedarf).
aa) Das Amtsgericht hat überzeugend festgestellt, dass der Kläger über ein berechtigtes Interesse an der Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB durch Eigenbedarf für sich, seine Ehefrau und sein Kind verfügt, da er aus einer Mietwohnung in das in seinem Eigentum stehende Haus ziehen will. Dies wird von der Berufung nicht angegriffen.
bb) Die Kündigungserklärung muss gemäß § 568 Abs. 1 BGB schriftlich erfolgen und nach § 573 Abs. 3 BGB die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters enthalten.
Hierdurch soll der Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt über seine Rechtsposition informiert und in die Lage versetzt werden, seine Interessen wahrnehmen bzw. seine Rechtsverteidigung darauf einstellen zu können (BGH, Urteil vom 30.04.2014, Az. VIII ZR 284/13, Rn. 7; Rolfs in Staudinger, BGB, Stand 25.10.2014, § 573, Rn. 202). Erforderlich ist daher, dass das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so genau bezeichnet, dass er von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden kann (BGH, a.a.O).
Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs bedarf es grundsätzlich der Angabe der Personen, für die der Wohnraum benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Personen an dem Wohnraum haben (BGH, a.a.O; Urteil vom 17.03.2010, Az. VIII ZR 70/09, Rn. 8; Urteil vom 23.09.2015, Az. VIII ZR 297/14, Rn. 12).
Auch wenn an die Darlegung der Tatsachen, auf die der Eigenbedarf gestützt wird, keine hohen Anforderungen zu stellen sind, reicht allein die Angabe „Eigenbedarf“ oder die Aussage, die Wohnung werde für die eigene Nutzung benötigt, nicht aus (Rolfs in Staudinger, BGB, Stand 25.10.2014, § 573, Rn. 204, 208 ff.).
(1) Die rechtsanwaltliche Kündigung mit Schriftsatz vom 14.07.2014 genügt den Anforderungen nicht, da zwar als Personen der Kläger und sein Betrieb angeführt werden, das Interesse am Mietobjekt jedoch nur mit „(betrieblicher) Eigenbedarf“ dargetan wird.
(2) Die Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 17.07.2014 ist ebenfalls unwirksam, da als Interesse am Mietobjekt wiederum nur „(betrieblicher) Eigenbedarf“ angegeben wird.
(3) Auch die Kündigung in der Klageschrift ist unwirksam, da als Interesse am Mietobjekt nur angeführt wird, mit Familie und Firma in das ersteigerte Objekt einziehen zu wollen.
(4) Erst die Kündigung mit Schriftsatz vom 21.05.2015 ist wirksam, denn in dem Schriftsatz werden sowohl die Personen, für die Eigenbedarf geltend gemacht wird, als auch deren Interesse an dem Objekt ausgeführt. So führt das Schreiben den Kläger und seine hochschwangere Frau sowie den Betrieb des Klägers als Personen an, für die Eigenbedarf geltend gemacht wird. Das Interesse wird mit der Ersparnis von Miete und der teilweisen Betriebsauslagerung für Lager und Ausstellungsräume angegeben.
cc) Die Kündigung mit Schriftsatz vom 21.05.2015 wird mit Ablauf des 30.11.2015 wirksam, denn die Kündigungsfrist ist gemäß § 573c Abs. 1 BGB auf Grund einer Mietdauer von mehr als fünf Jahren um drei Monate verlängert. Einer Angabe dieses Zeitpunkts in der Kündigung bedurfte es nicht, da die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt wirksam wird.
Da sich die Kündigungsfrist aus dem Gesetz ergibt, gehen die Ausführungen des Beklagten in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.01.2016 ins Leere, wonach allenfalls die Formulierung “ … zum nächst möglichen rechtlich zulässigen Zeitpunkt“ zulässig sei.
dd) Das Recht zur ordentlichen Kündigung ist – entgegen der Ansicht des Beklagten – durch den Mietvertrag nicht für die Dauer von 15 Jahren ausgeschlossen. Nach § 5 des Mietvertrages ist „von Seiten des Mieters für die Dauer von 15 Jahren kein Mietzins zu entrichten.“ Ein Kündigungsverzicht liegt in dieser Regelung nicht. Die Regelung bezieht sich ausschließlich auf den Mietzins und statuiert eine Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Miete über einen Zeitraum von 15 Jahren. Sie enthält indes keine – auch nicht im Wege der Auslegung zu ermittelnde – Regelung über einen Kündigungsausschluss oder Kündigungsverzicht. Die mietvertragliche Regelung ist eindeutig. Insoweit geht der Hinweis des Beklagten in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.01.2016 auf das Urteil des BGH vom 24.07.2013, Az. XII ZR 104/12, ins Leere. Anders als in dem von dem BGH entschiedenen Fall geht es hier gerade nicht um Unklarheiten und eine (nicht) hinreichende Bestimmbarkeit eines konkreten (Beginn- oder End-) Termins. Dass ein Kündigungsausschluss bzw. -verzicht nicht vereinbart ist, ist eindeutig.
Soweit der Beklagte anführt, der Verzicht auf Mietzins sei Gegenleitung für von ihm in das Mietobjekt getätigten Investitionen, so verliert er diese im Falle der Kündigung nicht, da er einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegenüber demjenigen geltend machen kann, gegenüber dem er die Leistungen erbracht hat, soweit die Leistungen noch nicht abgewohnt sind.
b) Zu einer Beendigung des Mietverhältnisses vor dem 30.11.2015 ist es auf Grund der (weiteren) Kündigungen nach § 57a ZVG nicht gekommen, denn auch bei Kündigungen nach § 57a ZVG muss das berechtigte Interesse des Vermieters an der Kündigung gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB angegeben werden (Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 57a, Rn. 6). Dieses Interesse ist in den Kündigungsschreiben vom 14.07.2014 und 17.07.2014 nicht angegeben.
Soweit mit Klageerhebung erneut nach § 57a ZVG gekündigt worden ist, war diese Kündigung verfristet, denn nach § 57a Satz 2 ZVG ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist. Dabei kann dahinstehen, wann genau der Kläger Kenntnis von dem Mietverhältnis erhalten hat, denn jedenfalls bei Ausspruch der Kündigungen im Juli 2014 hatte er Kenntnis, so dass die Frist bei Klageerhebung abgelaufen war.
c) Die Räumung ist zum 30.11.2015 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu titulieren, denn die Klage ist als Klage auf zukünftige Räumung gemäß § 259 ZPO zulässig.
Entgegen der in seinem Schriftsatz vom 12.01.2016 geäußerten Auffassung des Beklagten ist es auch zulässig, im Rahmen einer – wie hier – auf zukünftige Räumung gerichteten Klage einen späteren als den beantragten Räumungstermin auszusprechen. Dabei handelt es sich gegenüber dem Klageantrag lediglich um ein „Weniger“, so dass dem auch nicht die Vorschrift des § 308 ZPO entgegen steht. Auch wenn sich der Klageantrag auf eine Räumung zum 30.09.2015 bezieht, ist dem gesamten Klägervorbringen zu entnehmen, dass ein solches „Weniger“ von seinem Antrag auch umfasst sein soll.
4. Dem Beklagten ist keine weitere Räumungsfrist gemäß § 721 Abs. 1 ZPO zu gewähren. Im Hinblick auf das ihm durch die Kündigung, das erstinstanzliche Urteil und die in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2015 erteilten Hinweise bekannte Räumungserfordernis war der Beklagte gehalten, sich um Ersatzwohnraum zu kümmern. Es bestehen keine Anhaltspunkte und es ist auch nicht konkret vorgetragen, dass dem Beklagten bei ausreichenden Anstrengungen auch unter Berücksichtigung der von ihm gehaltenen Tiere die Beschaffung von Ersatzwohnraum nicht zeitnah möglich ist. Dahinstehen kann daher, ob die Tierhaltung, die vom Beklagten als besondere Erschwernis bei der Wohnungssuche angeführt wird, überhaupt Wohnraum im Sinne von § 721 Abs. 1 ZPO oder lediglich Stallungen betrifft.
5. Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, gibt der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 12.01.2016 nicht. Auf die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Klägers vom 03.12.2015 sowie vom 08.12.2015 hat die Kammer ihre Entscheidung nicht gestützt.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 Abs. 1, 269 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 7, 10, 711 ZPO.
Der Gegenstandswert wird für den Rechtsstreit in beiden Instanzen auf 9.600 Euro festgesetzt, denn dieser richtet sich gemäß § 41 Abs. 2 GKG nach dem Jahresmietwert, den der Kläger ausweislich der von ihm entworfenen Räumungsvereinbarung (Blatt 55 f. der Gerichtsakte) mit 12 x 800 Euro ansetzt.