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Mietvertragskündigung wegen unzumutbarer Geruchsbelästigung

LG Hannover – Az.: 17 S 20/18 – Urteil vom 19.10.2018

1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 08.03.2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover (506 C 10432/17) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30.04.2019 gewährt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.607,56 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der von der Klägerin nach § 546 BGB geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch besteht.

Das zwischen den Parteien ursprünglich bestehende Mietverhältnis ist nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch ordentliche Kündigung der Klägerin zum 31.05.2018 beendet worden. Die Klägerin als Vermieterin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, da der Beklagte seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht nur unerheblich verletzt hat.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass von der Wohnung des Beklagten eine ganz erhebliche und für die anderen Bewohner des Hauses unzumutbare Geruchsbelästigung ausgeht. Der Gestank geht hierbei auf Müll, Exkremente und/oder sonstige in der Wohnung des Beklagten liegende Quellen zurück. Aus der Wohnung des Beklagten entweichen immer dann erheblich belästigende Gerüche in das Treppenhaus, wenn die Wohnungstür geöffnet wird. Neben der dadurch entstehenden Geruchsbelästigung – vornehmlich im Erdgeschoss und in der ersten Etage – führt die Geruchsentwicklung insbesondere an warmen Tagen dazu, dass die über dem Beklagten wohnende Zeugin P. ihre Wohnungsfenster nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt öffnen kann.

Ihre nach § 286 ZPO gewonnene Überzeugung stützt die Kammer auf die tatrichterlichen Feststellungen des Amtsgerichts – namentlich die Inaugenscheinnahme der Wohnung am 16.02.2018 – sowie auf die wiederholende bzw. ergänzende Vernehmung sämtlicher von beiden Parteien benannten Zeugen in der Berufungsverhandlung. Nachvollziehbar und uneingeschränkt glaubhaft haben die Zeugin P. und der Zeuge X. bekundet, dass die festgestellten Belästigungen bereits seit mehreren Jahren auftreten und trotz entsprechender Ansprachen und Beschwerden von Mitmietern angehalten haben. Während die Zeugin P. detailliert und anschaulich geschildert hat, wie sie der Gestank aus der Wohnung des Beklagten beeinträchtigt und sie etwa gerade in den Sommermonaten ihre Fenster weitgehend geschlossen halten müsse, hat der Zeuge X in auch persönlich sehr nachvollziehbarer Weise angegeben, den Beklagten in seiner Funktion als Hausverwalter lange Zeit bewusst geschont zu haben. Seine Hinweise bzw. in der Wohnung wahrgenommene Ortstermine hätten allerdings nicht dazu geführt, dass die Geruchsbelästigung geringer geworden sei. Besonders anschaulich war in diesem Zusammenhang die Schilderung der Wohnungsbesichtigung vom 27.07.2017. Unter Bezugnahme auf den entsprechenden Aktenvermerk (Anlage K10; Bl. 42 d.A.) hat der Zeuge X seinen damaligen Eindruck bekräftigt und näher ausgeführt, dass der von ihm wahrgenommene schlechte Geruch eindeutig auf Exkremente zurückzuführen sei.

An die den klägerischen Vortrag bestätigenden Zeugenaussagen schließt sich das Ergebnis des richterlichen Augenscheins vom 16.02.2018 an. Anschaulich hat der zuständige Richter in dem Protokoll (Bl. 94 ff. d.A.) niedergelegt, dass es ihm wegen des ganz erheblichen Uringeruchs nicht möglich gewesen sei, das Badezimmer der Wohnung zu betreten. Hierbei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Augenscheinstermin den Prozessbeteiligten am Vortag angekündigt worden und die Wohnung nach der Wahrnehmung des Abteilungsrichters zuvor umfangreich gelüftet worden war. Auch der vom Abteilungsrichter gezogene Schluss auf eine noch deutlich stärkere Geruchsentwicklung in den Sommermonaten begegnet vor diesem Hintergrund keinen Bedenken.

Die von der Kammer gewonnene Überzeugung wird auch durch die zum Teil erstmalig im Berufungsverfahren vernommenen und von dem Beklagten benannten Zeugen nicht erschüttert. Während sowohl der Zeuge H. als auch die Zeugin K. zunächst eingeräumt haben, die Wohnung des Beklagten nur unregelmäßig und in größeren Abständen von etwa 6 Wochen aufgesucht zu haben, waren ihre Aussagen nicht im Beklagtensinne ergiebig. Beide Zeugen haben wenn auch erst auf Nachfrage und zögerlich eingeräumt, dass es in der Wohnung bzw. aus ihr heraus einen gewissen Geruch gebe. Insoweit die Zeugen den Geruch dabei deutlich weniger störend und insgesamt wenig intensiv dargestellt haben, folgt die Kammer ihren Aussagen nicht. Ersichtlich waren beide Zeugen darum bemüht, dem Beklagten den Verbleib in der Wohnung zu ermöglichen, was vor dem Hintergrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses und ihrer Tätigkeit als Sozialarbeiter nachvollziehbar erscheint. Der Zeuge H. konnte bereits keine plausiblen Angaben gegen eine Geruchsentwicklung machen: So musste er einräumen, sich bei seinen Besuchen vornehmlich im Flur oder im Wohnzimmer aufgehalten und die Wohnung manchmal sogar gar nicht betreten zu haben; das Bad habe er nicht aufgesucht. Die Zeugin K. antwortete auf die Konfrontation mit dem von den klägerischen Zeugen geschilderten Urin- und Exkrementgeruch eher ausweichend und zog sich darauf zurück, dass Geruchswahrnehmung eher subjektiv sei. Wenig Verständnis hat die Kammer in diesem Zusammenhang für die Angabe, die Zeugin habe anlässlich des Ortstermins vom 16.02.2018 anders als der Abteilungsrichter keinen besonderen Uringeruch wahrgenommen. Die Aussage steht in eklatantem Widerspruch zu dem Ergebnis des richterlichen Augenscheins. Wenig belastbar war auch die Angabe, das Badezimmer sei jedenfalls „nutzbar“ gewesen bzw. habe sich in einem „akzeptablen“ hygienischen Zustand befunden. Auch auf Nachfrage war die Zeugin nicht bereit, ihre sehr pauschalen Angaben zu präzisieren und zu erklären, welche Gegenstände sich tatsächlich auf dem Boden der Wohnung des Beklagten befanden. Auch die Aussage der Zeugin W. war nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer zu erschüttern: Einerseits hat die Zeugin vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Betreuertätigkeit erklärt, die Wohnung liege auf einer Skala der unangenehmen Wohnungen eher im oberen Bereich. Andererseits hat sie einen von dem Beklagten häufig ausgehenden Geruch bestätigt und erklärt, aus der Küche öfter „gärigen Geruch“ wahrgenommen zu haben. Vor diesem Hintergrund konnte auch die Relativierung, der Gesamtzustand der Wohnung sei insgesamt „nicht so schlecht“, die Kammer nicht überzeugen.

b) Die in dem geschilderten schuldhaften Verhalten des Beklagten liegende Pflichtverletzung beeinträchtigt die Wohn- und Lebensqualität der anderen Mieter so erheblich, dass ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht.

Mietvertragskündigung wegen unzumutbarer Geruchsbelästigung
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen kann der Klägerin die Fortführung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden. Im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Gesamtabwägung verkennt die Kammer zwar nicht, dass die Geruchsbelästigung möglicherweise nicht dauerhaft bzw. in unterschiedlicher Intensität und teils unregelmäßig auftritt. Dennoch stellt das Verhalten des Beklagten wegen der Beeinträchtigung der anderen Mieter, etwaig bestehender Minderungsansprüche und der Klägerin gegenüber den anderen Mietern obliegenden vertraglichen Pflichten einen Kündigungsgrund dar. Die durch das Verhalten des Beklagten verursachte Belästigung geht weit über das im Rahmen eines nachbarschaftlichen Verhältnisses auszuhaltende Maß hinaus. Die Verletzung der dem Beklagten obliegenden Rücksichtnahmepflicht und die daraus resultierende Störung des Hausfriedens wiegen dabei so schwer, dass sie in Kombination mit der anhaltenden Dauer nicht mehr zu tolerieren sind (zu den Voraussetzungen allgemein BGH, Urteil vom 18.02.2015 – VIII ZR 186/14, NJW 2015, 1239 Rn. 16 ff.). Wegen seiner Rücksichtnahmepflicht wäre der Beklagte gehalten gewesen, die Geruchsbelästigung und den aus seiner Wohnung ausgehenden Gestank durch einfache und ihm ohne weiteres zumutbare Maßnahmen (etwa Lüftung über die Fenster) sowie durch Vermeidung und/oder Beseitigung der entsprechenden Geruchsquellen zu unterbinden. Auch nach dem Eindruck der informatorischen Anhörung des Beklagten in der Berufungsverhandlung sind für die Kammer keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Beklagten solche Maßnahmen nicht möglich oder unzumutbar wären. Hierbei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der zwar in seiner Mobilität eingeschränkte Beklagte in der mündlichen Verhandlung geduscht oder zumindest hygienisch einwandfrei auftrat und nach dem Eindruck der Kammer nicht unangenehm roch.

2. Das infolge der Kündigung beendete Mietverhältnis war auch infolge des Widerspruchs des Beklagten nicht nach §§ 574, 574a BGB fortzusetzen. Nach § 574 BGB kann der Mieter einer Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar hat der Beklagte vorgetragen, dass er in Anwesenheit anderer Personen in der Vergangenheit geäußert habe, nicht mehr leben zu wollen, wenn er die Wohnung verliere. Dieser Vortrag ist indes nicht substantiiert genug. Auch nach entsprechendem Hinweis hat der Beklagte nicht konkret dargelegt, dass tatsächlich eine Suizidgefahr bestehe. Die von der Zeugin Keil in einer E-Mail dokumentierte Äußerung des Beklagten vom 16.08.2017 genügt insoweit nicht. Über den darin zum Ausdruck kommenden Wunsch, in der Wohnung zu verbleiben, vermag die Kammer keine belastbaren Anhaltspunkte für eine Suizidalität des Beklagten zu erkennen. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass es dem Mieter nach der Rechtsprechung in derartigen Fällen obliegt, an der Beseitigung des Räumungshindernisses mitzuwirken und sich ggf. in Behandlung zu begeben (so etwa LG Berlin, Urteil vom 07.05.2015 – 67 S 117/14, NJW-RR 2016, 18). Für eine fehlende Einsichtsfähigkeit infolge psychischer Erkrankung hat der Beklagte nichts vorgetragen (hierzu BGH, Urteil vom 08.12.2004 – VIII ZR 218/03, NZM 2005, 300). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich selbst nach dem Vortrag des Beklagten eine etwaige Suizidgefahr nicht bereits durch den Erlass eines Räumungsurteils, sondern erst durch dessen potentielle Vollstreckung manifestieren würde. In einem solchen Fall steht auch eine potentielle Suizidgefahr dem Erlass des Räumungsurteils jedoch nicht entgegen (vgl. nur Blank in Schmidt/Futterer, Mietrecht 13. Aufl. 2017, § 574 Rn. 48 m.w.N.). Ob und wie ein Verlassen der Wohnung insoweit tatsächlich die vom Beklagten behaupteten Wirkungen hätte, wäre ggf. im Verfahren nach § 765a ZPO zu belegen und glaubhaft zu machen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, während die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO folgt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Bei der nach § 721 ZPO zu bestimmenden Räumungsfrist hat die Kammer die gerichtsbekannt angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt und den Umstand berücksichtigt, dass der Beklagte aufgrund seiner eingeschränkten Mobilität gewissen Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche ausgesetzt sein dürfte.

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