Skip to content
Menü

Mietvertragskündigung wegen Zahlungsverzug – Rückstand innerhalb der Schonfrist zurückgezahlt

AG Charlottenburg – Az.: 225 C 93/20 – Urteil vom 01.09.2020

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Charlottenburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2020 für Recht erkannt:

Das Versäumnisurteil vom 31.10.2019 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten haben vorab die Kosten ihrer Säumnis als Gesamtschuldner zu tragen. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 75% und die Beklagten als Gesamtschuldner 25% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10% abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Vermieterin und Eigentümerin, der von den Beklagten aufgrund des Mietvertrages vom 27.11.1972, auf den wegen der weiteren Einzelheiten – Blatt 4 ff. d.A.- verwiesen wird, gemieteten Wohnung in XXXXXX in Berlin. Im Jahre 2005 hat der verstorbene Ehemann der Klägerin das Mehrfamilienhaus käuflich erworben und mit Schreiben vom 6.12.2006, auf das wegen der weiteren Einzelheiten – Blatt 103 d.A.- verwiesen wird, einen Termin zur Aufnahme der „berechtigten Mängel und Schäden in der Wohnung mit den Beklagten vereinbart.

Seit April 2019 mindern die Beklagten die Miete und zahlten im April 2019 216,94 Euro weniger an Miete und in den Monaten Mai bis August 2019 jeweils 200 Euro weniger an Miete.

Mit Schreiben vom 7.6.2019 forderte die Klägerin die Beklagten zur Begleichung des Rückstandes erfolglos auf und kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 12.8.2019 fristlos, hilfsweise fristgemäß und forderte die Beklagten auf, die Mietsache unverzüglich zu räumen. Mit E-Mail vom 14.8.2019, auf die -Blatt 69 d.A.- verwiesen wird, widersprachen die Beklagten der Kündigung und wiesen darauf hin, dass ihnen nichts anderes übriggeblieben sei, um die Beseitigung der substantiellen Schäden in der Wohnung in Angriff zu nehmen.

Nach Zustellung der Klageschrift am 14./18.9.2019 und Erlass eines Versäumnisurteils aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2019, bei dem das Gericht darauf hinwies, dass ein Minderungsanspruch mangels Aufforderung zu Mängelbeseitigung schon dem Grunde nach nicht gegeben sein könne, zahlte die Beklagte am 31.10.2019 den gesamten rückständigen Mietzins von 1509,95 Euro an die Klägerin.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Mietverhältnis sei aufgrund der hilfsweise erklärten fristgemäßen Kündigung vom 12.8.2019 trotz Zahlung des rückständigen Mietzinses beendet. Dieses sei auch nicht im Hinblick auf den langen Zeitraum zwischen der Kündigung und der Zahlung durch die Beklagten und dem Verhalten des Beklagten mit Übersendung der E-Mail vom 14.8.2019 treuwidrig.

Auf Antrag der Klägerin ist am 30.10.2019 ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem die Beklagten zur Zahlung von 1016,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.8.2019 sowie dazu verurteilt worden, die von Ihnen gehaltene 5-Zimmer-Wohnung im Hause XXXXXX in Berlin, 2. OG rechts, geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Dagegen haben die Beklagten mit einem am 11.11.2019 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Nachdem die Beklagten den Rückstand am 31.10.2019 gegenüber der Klägerin ausgeglichen haben, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache bezüglich des Antrags zu 1 aus der Klageschrift vom 14.08.2019 für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil im Übrigen aufrecht zu halten.

Die Beklagten beantragen, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der am 19.12.1937 geborene Beklagte zu 2 habe im Jahre 2013 einen schweren Herzinfarkt und im Frühjahr 2015 darüber hinaus noch einen Schlaganfall mit bleibenden Schäden erlitten und befinde sich seit Februar 2013 in regelmäßiger radiologischer Behandlung und leide an einer schweren koronaren Herzkrankheit mit Zustand nach Reanimation im akuten Herzinfarkt. Seine psychische und physische Belastbarkeit sei stark eingeschränkt, das Überleben des Herz-Kreislaufs-Stillstands wirke als psychisches Trauma im Sinne einer reaktiven Depression nach. Auch die Beklagte zu 1 habe im Frühjahr 2014 einen schweren Schlaganfall mit bleibenden Lähmungserscheinungen auf der linken Seite erlitten. Sie benötige zur Lebensführung fremde Hilfe und halte sich deshalb immer öfter wieder in der streifigen Wohnung auf. Die Wohnung weise im Zimmer vorne rechts und links vorn Wohnungseingang aus gesehen, im vorderen Flur, im 1. Zimmer, im Balkonzimmer, im Berliner Zimmer, im Bad, in der Kammer hinten, in der Küche und im Kellerraum verschiedene Mängel auf, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 31.3.2020 – BI. 100-102 d.A,- verwiesen wird und die im gemeinsamen Besichtigungstermin im Jahre 2005 aufgrund des Schreibens durch den verstorbenen Ehemann der Klägerin vom 6.12.2005 aufgenommen worden sein sowie gegenüber der Klägerin mit Mängelliste vom Dezember 2012 im Schriftsatz vom 31. Oktober weil 1011 im Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg, 218 C 192/11 und der Klageerwiderungsschrift vom 17.12.2015 im Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg, 200 2C 410115 sowie mit der E-Mail des Beklagten zu 2 vom 25.10.2012 angezeigt worden sein. Die Mängel, so meinen sie, rechtfertigten eine Mietzinsminderung von mehr als 50 %. Alleine durch die jahrelange vorbehaltlose Zahlung der Miete in Kenntnis der Mängel dürfte die Minderung verwirkt sein. Dies sei ihnen, den Beklagten, jedoch als juristische Laien nicht bekannt gewesen. Sie hätten somit die Miete nicht mutwillig und vorsätzlich, sondern rechtsirrig gemindert und darüber aufgeklärt, unstreitig die gesamten einbehaltenen Beträge nachgezahlt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Aufgrund des Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 30.10.2019 ist der Rechtsstreit in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden, § 342 ZPO. Der Einspruch ist form- und fristgerecht durch die Beklagten eingelegt worden.

Die Klägerin kann von den Beklagten die Räumung und Herausgabe der Wohnung weder aufgrund der fristlosen Kündigung vom 12.8.2019 noch aufgrund der hilfsweise erklärten fristgemäßen Kündigung vom 12.8.2019 verlangen.

Die fristlose Kündigung ist bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagten den gesamten rückständigen Mietzins unstreitig innerhalb von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit gezahlt haben, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

Die fristgemäße Kündigung ist ebenfalls unwirksam, weil es an einem den Anforderungen der §§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB genügenden Kündigungsgrund fehlt bzw. das Berufen auf die Kündigung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstieße.

Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, auch wenn den Beklagten wegen des von Ihnen zu vertretenden Zahlungsverzugs eine schuldhafte Pflichtverletzung zu Last fällt. Ihre Pflichtverletzung ist jedoch nicht hinreichend erheblich, um eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch die Klägerin zu rechtfertigen.

Allerdings bestehen im Ausgangspunkt keine Zweifel, dass der Mieter, der mit der Zahlung der laufenden Miete in Verzug gerät, seine Kardinalpflichten verletzt. Der Verzug mit laufenden Zahlungen, die sogar den Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erlaubt, zieht aber nicht zwingend die Wirksamkeit einer darauf gestützten ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nach sich. Die Pflichtverletzung des Mieters, der innerhalb der Schonfrist den gesamten rückständigen Mietzins begleicht, kann nämlich die Pflichtverletzung in einem milderen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 16.2.2005, VIII ZR 6/04; BGH, Beschluss vom 6.10.2015, VIII ZR 321/14). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dies im Rahmen der Wirksamkeit der Kündigung oder im Rahmen von § 242 BGB zu prüfen ist, weil sich die Berufung auf eine wirksam ausgesprochene Kündigung aufgrund nachträglicher eingetretener Umstände im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellen kann. Denn die Zahlung in der Schonfrist – im vorliegenden Fall direkt nach dem gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung – lässt die Pflichtverletzung der Beklagten nachträglich in einem milderen Licht erscheinen. Die nachträgliche Zahlung steht damit dem Räumungsbegehren der Klägerin sowohl unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit der Kündigung als auch mit Rücksicht auf Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen.

Abzustellen ist dabei auf sämtliche für die allgemeinen kündigungsrechtliche Beurteilung des rechtswidrigen, schuldhaften Verhaltens eines Vertragspartners heranzuziehenden Umstände. Zu berücksichtigen sind deshalb bei einem wegen Zahlungsverzugs gekündigten Mieter stets die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Vertragsverhältnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 6.10.2015, VIII ZR 321/14), das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2012 VIII ZR 107/12), eine mögliche Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, Beschluss vom 6.10.2015, VIII ZR 321/14) und der dem Mieter zu Last zu liegende Grad des Verschuldens (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2007, VIII ZR 145/07). Zugunsten des Mieters können dessen besondere persönliche Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 21, 10. 2009, VIII ZR 64/09) oder ein pflichtwidriges (Vor-)Verhalten des Vermieters (vgl. BGH, Urteil vom 4.6.2014, VIII ZR 2.89/13) zusätzlich Berücksichtigung finden.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Wohnung tatsächlich mit Mängel behaftet ist, die die vorgenommene Mietminderung rechtfertigen würde, und ob die Mängel vor Minderung durch die Beklagten gegenüber der Klägerin angezeigt wurden oder dieser bekannt waren. Die nachträgliche Zahlung steht dem Räumungsbegehren der Klägerin jedenfalls aufgrund der unten genannten Umstände entgegen.

Vorliegend haben die Beklagten den gesamten Mietrückstand ca. 2 1/2 Monaten nach Zugang der Kündigung und damit zeitnah ausgeglichen, Zudem haben die Beklagten beanstandungsfrei 46 1/2 Jahre in der Wohnung gewohnt und haben – wie sich gerade auch aus ihrem auf die Kündigung erfolgten Schreiben vom 14.8.2019 ergibt geglaubt, sie seien zu der Minderung berechtigt. Denn sie haben dort ausgeführt, dass ihnen nichts weiter übrigbliebe, um die Beseitigung, der substantiellen Schäden in ihrer Wohnung in Angriff zu nehmen. Zudem haben sie auf eine Verabredung im September/ Oktober 2019 verwiesen, wo alles überprüft und in Ordnung gebracht werden könne. Ferner ist das hohe Alter der Beklagten – der Beklagte zu 2 ist am 19.12.1937 geboren – zu berücksichtigen. Auch der im Zeitpunkt der Kündigung bestehende Rückstand von 1016,94 Euro ist zumindest angesichts der erheblichen Dauer des Mietverhältnisses und des baldigen Ausgleichs durch die Beklagten unmittelbar nach dem gerichtlichen Hinweis zu gering, um zu einer hinreichend spürbaren Gefährdung der Interessen der Klägerin zu führen. Dabei kann auch von einer Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91 a, 344 ZPO. Soweit die Beklagten den Rechtsstreit übereinstimmend bezüglich des Zahlungsantrags für erledigt erklärt haben, waren die Kosten den Beklagten als Gesamtschuldner aufzuerlegen, da sie die Zahlung erst nach Rechtshängigkeit vorgenommen haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!