Gerichtsentscheidung zur Berechnung der Balkonfläche bei Mietverhältnissen
In dem Fall Az.: 14 S 31/23 weist das Landgericht Lübeck die Berufung der Beklagten zurück und bestätigt die Entscheidung des Amtsgerichts Lübeck zur Mieterhöhung, basierend auf der Übereinstimmung der geforderten Miete mit der ortsüblichen Vergleichsmiete laut dem Lübecker Mietspiegel 2021.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Landgericht Lübeck bestätigt die Entscheidung des Amtsgerichts zur Mieterhöhung (Az.: 14 S 31/23).
- Die Mieterhöhung wurde auf Grundlage des Lübecker Mietspiegels 2021 als ortsüblich anerkannt.
- Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 726,00 Euro.
- Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens; das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Die Wohnfläche inklusive Balkon wird mit 85,76 m² berechnet, wobei der Balkon nur zu 25% berücksichtigt wird.
- Ein Sachverständigengutachten war entbehrlich, da die Miete mit dem Mietspiegel festgestellt werden konnte.
- Der Mietspiegel von 2021 wurde angewendet, obwohl das Mieterhöhungsverlangen zunächst mit dem Mietspiegel 2018 begründet wurde.
- Die ortsübliche Vergleichsmiete wurde unter Berücksichtigung von Wohnwert erhöhenden und mindernden Merkmalen der Wohnung ermittelt.
- Die Berufung der Beklagten auf Fehler im Sachverständigengutachten und historische Mietspiegel wird abgewiesen.
- Die Sache bedarf keiner Zurückverweisung an das Amtsgericht, da keine weitere Beweisaufnahme nötig ist.
Mietvertragliche Flächenberechnung
Bei Mietverträgen für Wohnungen spielt die korrekte Berechnung der Wohnfläche eine wichtige Rolle. Von ihr hängen meist entscheidende Faktoren wie die Miethöhe und Betriebskostenabrechnung ab. Neben der Fläche der eigentlichen Räumlichkeiten sind oft auch Balkon- und Terrassenflächen zu berücksichtigen.
Die Wohnflächenverordnung regelt hier, in welchem Umfang Außenflächen wie Balkone in die Gesamtwohnfläche einzubeziehen sind. Für Mieter und Vermieter ist das Wissen um die geltenden Bestimmungen wichtig, um Unstimmigkeiten bei Mietvertragsabschluss oder -anpassungen zu vermeiden.
➜ Der Fall im Detail
Streit um Mieterhöhung und Balkonflächenberechnung in Lübeck
In einem bemerkenswerten Fall vor dem Landgericht Lübeck, Aktenzeichen 14 S 31/23, drehte sich alles um die Zulässigkeit einer Mieterhöhung. Die Berufung der Beklagten gegen das vorherige Urteil des Amtsgerichts Lübeck, welches die Mieterhöhung genehmigte, wurde abgewiesen. Die Kläger forderten eine Mieterhöhung, die das Amtsgericht aufgrund eines Vergleichs mit der ortsüblichen Miete für gerechtfertigt hielt. Die Beklagten kritisierten vor allem die Methodik des herangezogenen Sachverständigengutachtens sowie die Anwendung des Mietspiegels 2021.
Kern der rechtlichen Auseinandersetzung
Der Hauptstreitpunkt lag in der Angemessenheit der geforderten Mieterhöhung. Die Kläger stützten ihr Verlangen auf den Mietspiegel von 2021 und ein Sachverständigengutachten, während die Beklagten die methodischen Mängel des Gutachtens und die Anwendbarkeit des Mietspiegels bestritten. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Frage, wie die Balkonfläche bei der Wohnflächenberechnung zu berücksichtigen sei. Hierzu entschied das Gericht, dass die Balkonfläche gemäß der Wohnflächenverordnung nur mit 25% einzubeziehen ist.
Entscheidungsgründe des Landgerichts Lübeck
Das Landgericht Lübeck bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und erklärte, dass die geforderte Miete der ortsüblichen Vergleichsmiete entspreche und das Mieterhöhungsverlangen formal wirksam sei. Das Gericht wies darauf hin, dass die Berechnung der Vergleichsmiete sowohl auf dem aktuellen Mietspiegel basieren könne als auch auf einem Sachverständigengutachten, obwohl letzteres im vorliegenden Fall nicht notwendig war.
Details zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete
Die ortsübliche Vergleichsmiete wurde letztendlich auf Basis des Mietspiegels 2021 festgestellt, der bereits zum Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens gültig war. Das Gericht betonte, dass der neueste Mietspiegel heranzuziehen ist, wenn dieser zuverlässigere und aktuellere Daten bietet, auch wenn das Erhöhungsverlangen ursprünglich mit einem älteren Mietspiegel begründet wurde.
Konsequenzen und Kosten des Verfahrens
Die Beklagten wurden zur Zustimmung der Mieterhöhung verpflichtet und tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass die Entscheidung umgesetzt werden kann, auch wenn weitere rechtliche Schritte eingeleitet werden könnten. Der Streitwert des Verfahrens wurde auf 726,00 Euro festgesetzt, was die finanziellen Auswirkungen des Falles unterstreicht.
Dieser Fall zeigt deutlich die Komplexität von Mietstreitigkeiten und die Bedeutung von Mietspiegeln und Sachverständigengutachten in der juristischen Praxis. Es verdeutlicht auch, wie wesentlich präzise rechtliche Rahmenbedingungen und deren korrekte Anwendung in solchen Verfahren sind.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Wie wird die Balkonfläche bei der Berechnung der Wohnfläche berücksichtigt?
Bei der Berechnung der Wohnfläche wird die Balkonfläche nicht vollständig berücksichtigt, sondern nur zu einem bestimmten Prozentsatz. In der Regel wird die Balkonfläche zu 25% zur Wohnfläche hinzugerechnet. Dies ist in der Wohnflächenverordnung (WoFlV) geregelt, die seit dem 1. Januar 2004 in Deutschland gilt. Allerdings kann in Ausnahmefällen, wenn der Balkon eine besondere Qualität aufweist, wie zum Beispiel eine überdachte oder seitlich wettergeschützte Terrasse, die Balkonfläche auch zu 50% angerechnet werden.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Berücksichtigung der Balkonfläche bei der Wohnflächenberechnung direkten Einfluss auf die Mietpreisberechnung hat. Daher sollten Vermieter und Mieter sich über die genaue Berechnung der Wohnfläche im Klaren sein.
In der Vergangenheit wurden Wohnflächenberechnungen gemäß der II. Berechnungsverordnung (II. BV) vorgenommen. Wohnflächenberechnungen, die vor dem 1. Januar 2004 getätigt wurden, haben weiterhin Gültigkeit. Wurden allerdings nachträglich bauliche Veränderungen vorgenommen, die sich auf die Größe der Wohnfläche auswirken, ist eine Neuberechnung nach der Wohnflächenverordnung erforderlich.
Neben der Wohnflächenverordnung gibt es noch die DIN-Norm 277 „Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau“ zur Berechnung der Wohnfläche. Hier werden die Balkon-Grundflächen zu 100 Prozent in die Nutzfläche eingerechnet, während sie nach der Wohnflächenverordnung lediglich zu einem Viertel als Wohnfläche Berücksichtigung finden.
In jedem Fall sollten Vermieter und Mieter die genaue Berechnung der Wohnfläche und die Berücksichtigung der Balkonfläche im Mietvertrag festhalten, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Welche Rolle spielt der Mietspiegel bei der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete?
Der Mietspiegel spielt eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Er ist ein wesentliches Instrument, um die zulässige Miethöhe für eine Wohnung zu ermitteln und bietet eine objektive Grundlage für Mieterhöhungen. Die ortsübliche Vergleichsmiete, auch als „ortsübliche Miete“ bezeichnet, ist die maximal zulässige Miethöhe einer Wohnung mit bestimmter Ausstattung in einer bestimmten Region. Sie lässt sich am aktuellen Mietspiegel einer Stadt oder Gemeinde ablesen.
Die ortsübliche Vergleichsmiete wird durch einen qualifizierten Mietspiegel bestimmt, der von der Gemeinde erstellt oder anerkannt wird. Alternativ kann sie auch durch die Benennung von mindestens drei Vergleichswohnungen oder durch ein Sachverständigengutachten begründet werden. Die Miete muss bei Eintritt der Erhöhung seit 15 Monaten unverändert sein, und es darf die ortsübliche Vergleichsmiete, die sich u.a. aus einem qualifizierten Mietspiegel ergibt, sowie die gesetzliche Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von 20 % nicht überschritten werden.
Mieter können den jeweils geltenden Mietspiegel bei der zuständigen Stadtverwaltung einsehen. Wenn eine Mieterhöhung angestrebt wird, muss der Vermieter den Mieter fristgerecht über die Erhöhung informieren und die Höhe des neuen Mietbetrags, das Datum der erstmaligen Fälligkeit, den Zeitpunkt der letzten Erhöhung sowie eine konkrete Begründung zur Erhöhung der Miete inklusive der entsprechenden Gesetzesnormen und Nachweise nennen.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Mietspiegel ursprünglich für Mieter gedacht war, um sich davor zu schützen, zu überhöhten Preisen zu mieten. Mittlerweile wird er jedoch auch von Vermietern gern genutzt, um die Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete anzupassen.
Was versteht man unter einer formal wirksamen Mieterhöhung?
Eine formal wirksame Mieterhöhung muss verschiedene rechtliche Kriterien erfüllen, um gültig zu sein. Zunächst muss der Vermieter die Mieterhöhung schriftlich begründen und dabei auf die ortsübliche Vergleichsmiete verweisen, die durch den Mietspiegel oder durch Vergleichswohnungen belegt wird. Die Mieterhöhung muss dem Mieter in Textform mitgeteilt werden, wobei der Vermieter die neue Miete, die Differenz zur bisherigen Miete und den Zeitpunkt, ab wann die neue Miete gilt, klar angeben muss.
Des Weiteren muss die Mieterhöhung eine Überlegungsfrist für den Mieter beinhalten, die ihm erlaubt, innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Mieterhöhung zu entscheiden, ob er der Erhöhung zustimmt oder nicht. Während dieser Zeit darf die erhöhte Miete noch nicht gefordert werden. Der Vermieter muss auch die gesetzlichen Sperrfristen einhalten, die besagen, dass eine Mieterhöhung frühestens 15 Monate nach der letzten Erhöhung oder nach Beginn des Mietverhältnisses wirksam werden darf.
Zusätzlich muss die Mieterhöhung die gesetzlichen Kappungsgrenzen beachten, die regional variieren können und festlegen, um wie viel Prozent die Miete innerhalb von drei Jahren höchstens steigen darf.
Wenn der Mieter der Mieterhöhung zustimmt, wird diese wirksam. Verweigert der Mieter die Zustimmung, hat der Vermieter die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Überlegungsfrist eine Zustimmungsklage zu erheben.
Eine formal wirksame Mieterhöhung muss also nicht nur die genannten inhaltlichen und formellen Anforderungen erfüllen, sondern auch innerhalb der gesetzlichen Fristen bleiben und dem Mieter ausreichend Zeit zur Prüfung und Entscheidung geben.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 558 BGB – Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete: Regelung, wie und unter welchen Voraussetzungen eine Mieterhöhung rechtlich zulässig ist. Im vorliegenden Fall bezieht sich das Gericht auf diesen Paragraphen, um die Zulässigkeit der Mieterhöhung auf Grundlage des Mietspiegels zu beurteilen.
- Wohnflächenverordnung, § 4 – Berechnung der Wohnfläche: Dieser Paragraph ist entscheidend für die Berechnung der Wohnfläche unter Berücksichtigung von Balkonen und Terrassen, wobei im konkreten Fall nur 25% der Balkonfläche zur Wohnfläche hinzugerechnet wurden.
- § 558a BGB – Form und Begründung der Mieterhöhung: Beschreibt die Anforderungen an die Form und den Inhalt einer Mieterhöhungserklärung, einschließlich der Notwendigkeit, Vergleichswohnungen anzugeben oder auf einen Mietspiegel zu verweisen.
- § 558d BGB – Mietspiegel: Erläutert die Erstellung und Anwendung von Mietspiegeln als Grundlage für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete, was im Fall relevant ist, da der Mietspiegel 2021 zur Bestätigung der Mieterhöhung herangezogen wurde.
- § 97 ZPO – Kostenentscheidung bei teilweiser Klageabweisung: Bestimmt, wie die Kosten des Rechtsstreits verteilt werden, was relevant ist, da die Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens tragen mussten.
- § 538 Abs. 2 ZPO – Zurückverweisung im Berufungsverfahren: Regelt die mögliche Zurückverweisung eines Falles an das erstinstanzliche Gericht, was hier vom Berufungskläger beantragt, aber abgelehnt wurde, da keine weiteren Beweisaufnahmen notwendig waren.
Das vorliegende Urteil
LG Lübeck – Az.: 14 S 31/23 – Urteil vom 15.02.2024
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 09.02.2023, Az. 26 C 1900/21, wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Lübeck ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 726,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 09.02.2023.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagten zur Erteilung der Zustimmung zur Mieterhöhung verurteilt. Zur Begründung führte das Amtsgericht insbesondere aus, dass die geforderte Miete der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht. Hierfür bezog sich das Amtsgericht zum einen auf das eingeholte Sachverständigengutachten und zum anderen auf den Mietspiegel 2021.
Die Beklagten wenden mit ihrer Berufung ein, das Sachverständigengutachten genüge nicht den notwendigen Anforderungen. Insbesondere habe der Sachverständige keine Vergleichswohnungen ermittelt und die ergänzenden Fragen nicht beantwortet. Auch sei sein Punktesystem nicht nachvollziehbar und der Sachverständige gehe von falschen Tatsachen aus. Das Amtsgericht habe darüber hinaus nicht den Mietspiegel von 2021 zugrunde legen dürfen, da dieser zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens nicht veröffentlicht war. Die Beklagten wenden weiter ein, dass für die Einordnung in den Mietpreisspiegel nicht das Jahr 2002, sondern das Baujahr des Gebäudes (1936) maßgeblich sei. Auch habe die Balkonfläche bei der Berechnung der Wohnfläche nur mit 25% berücksichtigt werden dürfen. Darüber hinaus sei der Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen zu Unrecht abgelehnt worden.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsrechtszug wird im Übrigen auf die von ihnen in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Die Berufungskläger beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 09.02.2023, zugegangen am 14.02.2023, Az.: 26 C 1900/21, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Hilfsweise, das Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 09.02.2023, zugegangen am 14.02.2023, Az.: 26 C 1900/21, aufzuheben und den Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 2 ZPO an das Amtsgericht Lübeck zurückzuverweisen.
Die Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Der in zulässiger Weise eingelegten Berufung ist in der Sache der Erfolg versagt.
1. Zu Recht hat das Amtsgericht die Beklagten in der Hauptsache zur Erteilung der Zustimmung zur Mieterhöhung verurteilt.
a. Das Mieterhöhungsverlangen ist formal wirksam. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen werden. Die Klägerin hat in der Begründung insbesondere nicht nur auf den alten Mietpreisspiegel Bezug genommen, sondern auch drei Vergleichswohnungen benannt.
b. Die geforderte Miete entspricht auch der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Ob das eingeholte Sachverständigengutachten als Grundlage für die Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden kann, kann dahinstehen, da die erforderlichen Feststellungen bereits anhand des Lübecker Mietspiegels 2021 getroffen werden können und die Einholung eines Sachverständigengutachtens daher entbehrlich war (vgl. hierzu bereits LG Lübeck, Urteil vom 29. Juni 2023 – 14 S 95/22 -, Landesrechtsprechungsdatenbank Schleswig-Holstein).
i. Dabei ist die ortsübliche Vergleichsmiete unter Bezugnahme des Mietspiegels 2021 zu ermitteln. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin ihr Erhöhungsverlangen unter anderem mit dem Mietspiegel 2018 begründete. Allerdings galt zum Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens vom 20.07.2021 bereits der Mietspiegel 2021 mit Stichtag zum 01.05.2021. In den Fällen, in denen – wie hier – das Mieterhöhungsverlangen noch mit einem älteren Mietspiegel begründet wurde, aber zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein neuerer Mietspiegel vorliegt, dessen Erhebungsstichtag vor dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens lag, ist im Zivilprozess auf die Werte des neueren Mietspiegels zurückzugreifen, um die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln. Maßgeblich ist, dass die ortsübliche Vergleichsmiete zum relevanten Zugangszeitpunkt des Erhöhungsverlangens möglichst rechtssicher ermittelt wird. Der aktuellere Mietspiegel stellt eine bessere Erkenntnisquelle zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete dar. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob dieser Mietspiegel zum Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens bereits gedruckt war. Die Veröffentlichung und Drucklegung sind gerade keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BeckOGK/Fleindl, 1.1.2024, BGB § 558b Rn. 62, Schmidt-Futterer/Börstinghaus BGB § 558d Rn. 62-64).
Vielmehr geht es im gerichtlichen Zustimmungsverfahren gerade darum, die ortsübliche Vergleichsmiete möglichst Tag genau festzustellen und nicht darum zu klären, ob der Vermieter gemessen an seiner Begründung des Mieterhöhungsverlangens einen Anspruch auf Zustimmung hatte. Auch ein Sachverständiger stellt die ortsübliche Vergleichsmiete zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens fest. Die Verwendung der Daten des alten Mietspiegels, der zu einem weit in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt erstellt wurde, führte faktisch zu einem Mietpreisstopp und ist daher rechtlich nicht begründbar. Auf der anderen Seite ist ein Vermieter auch nicht verpflichtet, im laufenden Zustimmungsprozess sein Mieterhöhungsverlangen an einen ggf. im Laufe des Prozesses veröffentlichten, weiteren Mietspiegel anzupassen, der weit nach dem Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens ansetzt (Schmidt-Futterer/Börstinghaus BGB § 558b Rn. 121).
ii. Für die Einordnung in den Mietspiegel ist die Fläche der streitgegenständlichen Wohnung mit 85,76 m² heranzuziehen. Hierfür können zunächst die unstreitig gebliebenen Messungen des Sachverständigen zugrunde gelegt werden. Abweichend von seinen Feststellungen ist die Fläche des Balkons jedoch nur mit 25% zu berücksichtigen. Gemäß § 4 der Wohnflächenverordnung ist die Grundfläche von Balkonen in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte anzusetzen.
Weiterhin können Balkone, die aufgrund ihrer Lage und Ausstattung im Vergleich zu „normalen“ Balkonen einen sehr hohen Wohnwert besitzen, zur Hälfte bei der Wohnfläche berücksichtigt werden (Grundmann: Neuregelungen zu Betriebskosten und Wohnflächenberechnung (NJW 2003, 3745)). Ein höherer Wohnwert ist jedoch nicht zu erkennen. Zwar gibt der Sachverständige an, dass der Balkon für den Nutzungswert der Wohnung von Bedeutung ist. Es ist allerdings nicht zu erkennen, inwiefern sich dieser Balkon von anderen „normalen“ Balkonen unterscheidet und insoweit eine Abweichung von der regelmäßigen Ansetzung von nur 25% der Balkonfläche rechtfertigt.
iii. Dahinstehen kann im Ergebnis, welche Baualtersklasse für die Einordnung in den Mietspiegel zu berücksichtigen ist. Denn die von der Klägerin geforderte Miete stellt sowohl unter Zugrundelegung einer Baualtersklasse von 2002 als auch von 1936 eine ortsübliche Vergleichsmiete dar.
Die Klägerin fordert eine neue Miete in Höhe von 645,00 Euro kalt, woraus sich unter Heranziehung einer Wohnungsgröße von 85,76 m² eine Miete von 7,52 m² pro Quadratmeter errechnet. Die Klägerin ist in ihrem Erhöhungsverlangen zwar von einer geringeren Wohnfläche ausgegangen. Die Angabe einer zu kleinen Wohnungsgröße führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Erhöhungsverlangens (Schmidt-Futterer/Börstinghaus BGB § 558a Rn. 29-31a).
(a) Unter Heranziehung einer Baualtersklasse von 2002 läge – so auch das Amtsgericht – das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese liegt nach dem Mietspiegel 2021 für die streitgegenständliche Wohnung bei 7,50 Euro – 9,89 Euro / m² (Mittelwert 8,39 Euro/m²). Unter Berücksichtigung der von der Beklagtenseite eingewandten Wohnungseigenschaften, wie der Küche, der Lage der Wohnung oder der energetischen Gebäudequalität läge das Mieterhöhungsverlangen selbst unter Zugrundlegung der höchst möglichen Abschläge von je 20% unterhalb der ortsüblichen Miete. Dann wäre von einer ortsüblichen Vergleichsmiete in Höhe von 7,85 Euro/m² auszugehen. Die hier geforderte Miete übersteigt diesen Wert nicht.
(b) Auch unter Heranziehung einer Baualtersklasse von 1936 liegt die geforderte Miete im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete. In diesem Fall wäre die Wohnung in die Stufe „B4“ einzuordnen, welche die ortsüblichen Mieten im Bereich 6,80 Euro – 9,14 Euro/ m² ansetzt. Der Mittelwert beträgt 7,81 Euro/m².
(i) Für die Beurteilung der ortsüblichen Vergleichsmiete sind vorliegend zum einen auch Abschläge hinsichtlich der Ausstattung der Küche und der Lage der Wohnung anzunehmen. Ein Abschlag hinsichtlich der energetischen Gebäudequalität käme jedoch selbst unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrages nicht in Betracht. Die Beklagten führten aus, dass ein Abschlag hinsichtlich der energetischen Gebäudequalität vorzunehmen sei, da der Energiebedarf des Hauses einen Wert von 114,02 kWh/(m²a) aufweisen würde. Aus der Orientierungshilfe des Mietspiegels ergibt sich jedoch, dass ein Abschlag bei Gebäuden dieser Altersklasse erst ab einem Wert vorzunehmen ist, der höher als 160 kWh/(m²a) liegt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Hingegen sind Abschläge für die Küche und die Lage der Wohnung vorzunehmen.
Die Küche der streitgegenständlichen Wohnung hat zum einen kein Fenster und zum anderen keine Dunstabzugshaube, sondern nur einen sog. Umwälzer. Hinsichtlich der regelmäßig in der Küche stattfindenden Geruchsbildung ist eine fehlende oder eingeschränkte Entlüftung für einen Abschlag zu berücksichtigen.
Ein Abschlag ist ebenfalls aufgrund der Lage der Wohnung vorzunehmen, da eine Beeinträchtigung durch den Verkehrslärm vorliegt. Zwar ist hier zu berücksichtigen, dass die Wohnung nicht direkt an einer viel befahrenen Straße liegt. Allerdings liegt sie so nah an einer Straße mit hoher Verkehrsbelastung, dass von einer Lärmbelästigung auszugehen ist.
(ii) Zum anderen sind für die Beurteilung der ortsüblichen Miete aber auch solche Faktoren zu berücksichtigen, welche den Wohnwert erhöhen. So ist dem Gutachten zu entnehmen, dass im Schlaf-, und Wohnzimmer sowie einem weiteren Zimmer Stäbchenparkett verlegt ist. Außerdem befindet sich in der Wohnung ebenfalls ein Gäste-WC. Diese Eigenschaften, welche ebenfalls im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2024 erörtert wurden, liegen unstreitig vor. Ein hochwertiger Bodenbelag, wie Parkett, und ein Gäste-WC stellen nach der Orientierungshilfe des Mietspiegels (Bl. 84 d.A.) wohnwerterhöhende Faktoren dar.
(iii) Unter Berücksichtigung der wohnwertmindernden und -erhöhenden Merkmale ist ein Abschlag in Höhe von höchstens 25% gerechtfertigt, wodurch die ortsübliche Miete bei 7,56 Euro/ m² liegt. Die geforderte Miete in Höhe von 7,51 Euro/ m² übersteigt diese nicht.
c. Darüber hinaus liegen auch die weiteren materiellen Voraussetzungen einer Mieterhöhung, wie insbesondere die Einhaltung der Kappungsgrenze vor.
2. Auf die Beurteilung, ob das Amtsgericht den Befangenheitsantrag gegenüber dem Sachverständigen zu Unrecht abgelehnt hat, kommt es nicht an, da eine Beurteilung der ortsüblichen Miete gemäß den obigen Ausführungen bereits aufgrund des vorhandenen Mietspiegels möglich war. Einer Beurteilung durch den Sachverständigen bedurfte es dabei nicht.
3. Die Sache war daher auch nicht nach § 538 Abs. 2 ZPO an das Amtsgericht zurück zu verweisen. Ein Grund für eine Zurückverweisung liegt nicht vor, insbesondere ist keine weitere Beweisaufnahme notwendig.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
4. Gründe, aus denen die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor.