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Mietwohnung – Herausgabeanspruch bei entzogenem Besitz

Rechtliche Klärung: Herausgabeanspruch einer Mietwohnung

Die rechtliche Auseinandersetzung um den Herausgabeanspruch einer Mietwohnung hat in jüngster Zeit erhebliche Aufmerksamkeit erregt. Im Mittelpunkt steht die Frage, unter welchen Umständen ein Vermieter oder eine andere berechtigte Partei den Anspruch auf Rückgabe einer Wohnung geltend machen kann, insbesondere wenn der aktuelle Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 64 S 331/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Mietwohnung – Herausgabeanspruch bei entzogenem Besitz: Das Landgericht Berlin befasst sich mit dem Herausgabeanspruch einer Wohnung.
  • Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg: Das Amtsgericht ordnete durch eine einstweilige Verfügung die Räumung und Herausgabe der Wohnung an.
  • Berufung der Verfügungsbeklagten: Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg wird voraussichtlich zurückgewiesen.
  • Besitzrecht im Fokus: Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr der Besitz der Wohnung durch verbotene Eigenmacht entzogen wurde.
  • Kein gutgläubiger Erwerb: Die Beklagten konnten nicht nachweisen, dass sie den Besitz an der Wohnung gutgläubig erworben hatten.
  • Eigentumsfrage irrelevant: Für den Anspruch aus § 861 BGB ist es unerheblich, wer Eigentümer der Wohnung ist.
  • Dringlichkeit des Anliegens: Das Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht rechtfertigt die Vermutung der Dringlichkeit, den rechtswidrigen Eingriff zu korrigieren.

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin

Mietwohnung – Herausgabeanspruch bei entzogenem Besitz
(Symbolfoto: fotogestoeber /Shutterstock.com)

Das Landgericht Berlin hat kürzlich in einem Fall entschieden, in dem es um den Herausgabeanspruch einer Wohnung ging. Die Kammer des Gerichts beabsichtigte, die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen ein früheres Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg zurückzuweisen. Das Amtsgericht hatte zuvor durch eine einstweilige Verfügung die Räumung und Herausgabe der Wohnung angeordnet. Die Berufungsbeklagten hatten gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, jedoch ohne Erfolg.

Die Kammer stützte ihre Entscheidung auf verschiedene rechtliche Gründe. Erstens war sie überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hatte. Zweitens war das Amtsgericht korrekt in seiner Entscheidung, die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnung zu verpflichten. Die Tatsachenfeststellung des Amtsgerichts wurde nicht angezweifelt, und das Berufungsgericht fühlte sich an diese gebunden.

Die Rolle des Besitzrechts

Ein zentrales Element in dieser Auseinandersetzung war das Besitzrecht. Das Amtsgericht hatte die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verpflichtet, da die Verfügungsklägerin glaubhaft gemacht hatte, dass ihr der Besitz der Wohnung durch verbotene Eigenmacht entzogen worden war. Die Beklagten konnten nicht schlüssig darlegen, dass sie den Besitz an der Wohnung gutgläubig erworben hatten. Sie hatten auch nicht dargelegt, wer ihnen die Wohnung überlassen hatte und auf welcher rechtlichen Grundlage.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil des Landgerichts Berlin hat erhebliche rechtliche und praktische Auswirkungen. Es stellt klar, dass der Herausgabeanspruch einer Wohnung nicht nur auf dem schuldrechtlichen Verhältnis zwischen den Parteien basiert, sondern auch auf dem tatsächlichen Besitz der Wohnung. Wenn der Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt wurde, kann der rechtmäßige Besitzer die Rückgabe der Wohnung verlangen, unabhängig von anderen schuldrechtlichen Verpflichtungen.

Bedeutsame Erkenntnisse

Das Urteil des Landgerichts Berlin unterstreicht die Bedeutung des Besitzrechts im Mietrecht. Es zeigt, dass der rechtmäßige Besitzer einer Wohnung den Anspruch auf Rückgabe der Wohnung geltend machen kann, wenn der aktuelle Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt wurde. Dieses Urteil dürfte als wichtiger Präzedenzfall in zukünftigen rechtlichen Auseinandersetzungen um den Herausgabeanspruch von Mietwohnungen dienen.

➨ Herausgabeanspruch bei Mietwohnungen: Was Sie wissen müssen

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Unterschied Besitzrecht und Eigentumsrecht – kurz erklärt


Eigentum und Besitz sind zwei verschiedene Konzepte im deutschen Recht. Ein Besitzer ist derjenige, in dessen Einflussbereich sich eine Sache befindet und der deshalb auf sie zugreifen kann. Das bedeutet, dass er die tatsächliche Kontrolle oder Sachherrschaft über die Sache hat. Eigentum hingegen bezieht sich auf das Recht an einer Sache. Der Eigentümer hat die rechtliche Verfügungsgewalt über die Sache und kann beispielsweise darüber entscheiden, sie zu verkaufen. In der Regel hat der Eigentümer gegenüber dem Besitzer das Recht zur Herausgabe der Sache gemäß § 985 BGB. Es ist also möglich, dass jemand Besitzer einer Sache ist, ohne ihr Eigentümer zu sein und umgekehrt.


Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 64 S 331/22 – Beschluss vom 30.03.2023

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 18. November 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 238 C 226/21 – durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Zu Recht hat das Amtsgericht durch einstweilige Verfügung auf Räumung und Herausgabe der Wohnung erkannt. Die Einwände der Berufung greifen nicht durch. Zweifel an der Tatsachenfeststellung des Amtsgerichts bestehen nicht, so dass das Berufungsgericht gemäß § 529 ZPO an diese gebunden ist.

In prozessualer Hinsicht zu Recht hat das Amtsgericht die Beklagten am 9. September 2022 durch Versäumnisurteil zur Räumung sowie Herausgabe der Wohnung verpflichtet und das Versäumnisurteil auf den Einspruch der Beklagten durch das angefochtene Urteil bestätigt. Die Beklagten mögen selbst prozessunfähig sein, sind aber gemäß §§ 51 ZPO, 1902 BGB a. F. gesetzlich durch ihren – unter anderem für die Bereiche Wohnungsangelegenheiten und Vertretung vor Behörden und Gerichten bestellten – Betreuer Rechtsanwalt L… vertreten gewesen. Diesem sind zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 9. September 2022 sowohl die Antragsschrift vom 19. November 2021 als auch die anderen verfahrensrelevanten Dokumente zugestellt worden; das ist durch das bei den Akten befindliche Empfangsbekenntnis vom 26. August 2022 (vgl. Bl. II/39 d. A.) belegt und steht auch deswegen außer Zweifel, weil der Betreuer zum Termin der mündlichen Verhandlung erschienen ist und im Namen der Verfügungsbeklagten einer Teilrücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugestimmt hat, ohne im Sinne des § 295 Abs. 1 ZPO zu rügen, dass ihm die Antragsschrift gar nicht zugestellt worden sei. Sollte der Betreuer es anlässlich der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten tatsächlich versäumt haben, diesen vollständig über die ihm zugestellten Unterlagen zu informieren, so wäre dieses Versäumnis den Verfügungsbeklagten als eigenes zuzurechnen; für das Amtsgericht ist zudem nicht erkennbar geworden, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sich unzureichend über Ablauf und Stand des Verfahrens informiert gesehen haben könnte.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch in materieller Hinsicht nichts zu erinnern; es hat die Verfügungsbeklagten gemäß §§ 940a Abs. 1 1. Alt. ZPO, 861 BGB zu Recht zur Wiedereinräumung des der Verfügungsklägerin durch verbotene Eigenmacht entzogenen Besitzes an der Wohnung verurteilt; denn die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr der Besitz im Zeitraum zwischen 3. März 2020 und März 2021 durch verbotene Eigenmacht entzogen worden war sowie dass der Besitz der Beklagten ihr gegenüber fehlerhaft war. Dass die Beklagten den Besitz an der Wohnung im Sinne des § 858 Abs. 2 BGB gutgläubig erworben hätten, haben sie nicht schlüssig dargetan; vielmehr haben sie überhaupt nicht dazu vorgetragen, wer ihnen die Wohnung wann zu welchen Konditionen überlassen haben soll, auf welche Rechte an der Wohnung sich diese Personen beriefen und von wem diese ein Recht zum Besitz der Wohnung abgeleitet haben sollen. Nachdem die Verfügungsbeklagten ausweislich des Gutachtens über ihre mangelnde Prozessfähigkeit selbst gar nicht in der Lage gewesen sein dürften, eine wirksame Entscheidung über ihren Einzug in die Wohnung zu treffen und die Rechtmäßigkeit ihrer Inbesitznahme der Wohnung zu beurteilen, dürfte es außerdem auch darauf ankommen, ob diejenigen Personen, die die Verfügungsbeklagten in die Wohnung verbrachten und sie dort quasi als ihre Besitzmittler installierten, ihrerseits der Verfügungsklägerin gegenüber fehlerfreien Besitz an der Wohnung erworben hatten. Dazu fehlt ebenfalls jeglicher Vortrag.

Auf die von den Verfügungsbeklagten aufgeworfene Frage, wer Eigentümer der Wohnung ist, kommt es für den Anspruch aus § 861 BGB nicht an.

Unerheblich ist gemäß §§ 863, 864 BGB auch, ob die Verfügungsklägerin schuldrechtlich verpflichtet sein mag, die Wohnung an einen Dritten zu übereignen und/oder herauszugeben; denn zum einen bleiben solche petitorischen Ansprüche unbeachtlich, solange sie nicht rechtskräftig festgestellt werden, und zum anderen machen die Beklagten auch nicht glaubhaft, dass sie im Interesse oder mit Zustimmung der Grundstückskäuferin handelten.

Auch der zum Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liegt vor. Da ein Anspruch nach § 861 BGB auf Wiederherstellung des durch verbotenen Eigenmacht entzogenen Besitzes gemäß § 859 BGB sogar im Wege der Selbsthilfe mit Gewalt durchgesetzt werden kann, muss der Gläubiger die Dringlichkeit seines Anliegens nicht besonders begründen; vielmehr rechtfertigt das Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht die Vermutung der Dringlichkeit, den rechtswidrigen Eingriff zu korrigieren.

Die Kammer regt deshalb an, die Berufung zurückzunehmen und weist vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren in diesem Falle halbieren würden (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz).

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

II.

Der Antrag vom 8. März 2023 auf Gewährung einer Räumungsfrist ist zurückzuweisen, da es der Verfügungsklägerin nicht zuzumuten ist, dass das Gericht den durch verbotene Eigenmacht begründeten Besitz der Verfügungsbeklagten auch nur vorübergehend perpetuiert; die Verfügungsklägerin dürfte sich einer verbotenen Eigenmacht schließlich gemäß § 859 BGB sogar durch Gewalt erwehren. Das Amtsgericht weist zu Recht darauf hin, dass in Fällen des Erlasses einer einstweiligen Verfügung nach § 940a Abs. 1 ZPO wegen durch verbotene Eigenmacht indizierter Dringlichkeit die Gewährung einer Räumungsfrist nicht in Betracht kommt.

Ohnehin ist nicht anzunehmen, dass den Verfügungsbeklagten für den Fall der Zwangsräumung Obdachlosigkeit drohen würde, was aber allein die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO rechtfertigen könnte; denn ihre zwischenzeitlich als Betreuerin eingesetzte Tochter hat gegenüber der gerichtlich bestellten Sachverständigen angegeben, dass die Verfügungsbeklagten über zwei weitere Wohnsitze verfügten – nämlich über eine weitere Wohnung in H… und vor der Nutzung der hiesigen Wohnung über Raum in der Wohnung der Tochter in der …straße ….

Soweit die Verfügungsbeklagten behaupten, für den Fall der Zwangsräumung bestehe Suizidgefahr, fehlt es an einem hinreichend ausführlichen und inhaltlich nachvollziehbaren Attest. Angesichts der durch das eingeholte Sachverständigengutachten belegten geistigen Einschränkungen der Verfügungsbeklagten geht die Kammer davon aus, dass ihr Lebenswille nicht maßgeblich davon abhängt, in welcher Wohnung ihre Krankenbetten aufgestellt werden; entscheidend dürfte es vielmehr darauf ankommen, dass die Verfügungsbeklagten weiterhin gepflegt und durch ihre Angehörigen betreut und begleitet werden. Wie oben bereits ausgeführt liegt fern, dass die Verfügungsbeklagten selbst eine informierte Entscheidung getroffen hätten, in die Wohnung einzuziehen und sich dort aufzuhalten; vielmehr dürften die Verfügungsbeklagten durch Dritte dazu instrumentalisiert worden sein, der Verfügungsklägerin den Besitz an der Wohnung möglichst nachhaltig zu entziehen.

Soweit die Verfügungsbeklagten anregen, ihr Antrag möge hilfsweise als Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO behandelt werden, sieht sich die Kammer dazu nicht in der Lage; denn einen Antrag nach § 765a ZPO müssten die Verfügungsbeklagten beim Vollstreckungsgericht stellen, nicht aber beim Landgericht anbringen.

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