Skip to content
Menü

Mietwohnung in greller Farbe zurückgegeben – Schadensersatzpflicht

AG Paderborn – Az.: 57 C 44/20 – Urteil vom 03.12.2020

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 214,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 39 % und die Beklagte zu 61 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem inzwischen beendeten Mietverhältnis geltend. Die Beklagte verlangt von der Klägerin widerklagend die Rückzahlung der Mietkaution.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung Nr. … im T, Q. Unter dem 15.04.2018 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über die vorbezeichnete Wohnung zu einem Mietzins in Höhe von 580,00 EUR monatlich inklusive einer Betriebskostenvorauszahlung.

Das Mietverhältnis begann am 01.07.2018 und wurde einvernehmlich zum 29.02.2020 durch die Parteien beendet. Die Beklagte leistete an die Klägerin zu Mietbeginn eine Sicherheitsleistung in Höhe von 900,00 EUR.

In dem Mietvertrag vom 15.04.2018 ist unter anderem Folgendes geregelt:

§ 11 Ziffer 1.3

„Der Mieter hat sicherzustellen, dass die Schönheitsreparaturen bei Ende des Mietverhältnisses und Rückgabe der Mietsache in einer zurückhaltenden, dem allgemeinen Geschmack entsprechenden Farbgebung vorgenommen worden sind […].“

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf die Anlage K1 verwiesen.

Bei Übergabe der Wohnung an die Beklagte im Juli 2018 waren die gesamten Wände und Decken in weißer Farbe gestrichen. Während des laufenden Mietverhältnisses überstrich die Beklagte in der gesamten Wohnung die ursprünglich weißen Wände mit einem Farbton, dessen genaue Bezeichnung und konkrete Farbgebung zwischen den Parteien streitig ist. Hinter den bei Einzug bereits in der Wohnung befindlichen Möbeln, einem Schrank im Büro sowie der Einbauküche, strich die Beklagte nicht.

Vor Ende des Mietverhältnisses forderte die Klägerin die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 12.02.2020 auf, die Wohnung in hellen, neutralen oder dezenten Farben herauszugeben und wies sie darauf hin, dass die derzeitige Farbgestaltung nicht als neutral angesehen werden könne.

Die Beklagte nahm keinen erneuten Anstrich der Wände vor. Die Wohnungsübergabe erfolgte am 29.02.2020.

Nachdem die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 09.03.2020 zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 640,50 EUR zur Beseitigung der Wandfarbe unter Fristsetzung bis zum 23.03.2020 aufforderte, ließ die Klägerin die Wände und Decken der Wohnung durch einen Malerfachbetrieb mit weißer Farbe streichen. Dieser stellte der Klägerin dafür am 20.03.2020 einen Betrag in Höhe von 1.833,20 EUR in Rechnung.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe ihr diesen Betrag zu ersetzen. Sie meint, die Beklagte sei dazu verpflichtet gewesen, die Mietsache in einem Dekorationszustand zurückzugeben, der dem Geschmack eines größeren Interessentenkreises entspreche und einer baldigen Weitervermietung nicht entgegenstehe. Der verwendete Blauton sei – so behauptet die Klägerin weiter – weder dezent noch neutral. Es würde sich eher um einen „türkisen“ Farbton handeln. Es sei notwendig gewesen, den vorhandenen bläulichen Farbton zweimal zu streichen, um eine neutrale leicht getönte Farbe (altweiß) zu erhalten.

Da die Beklagte in der Küche und im Büro um die bei Einzug bereits vorhandenen Möbel herumgestrichen habe, sei auch ein einheitlicher Anstrich bei Auszug der Beklagten nicht vorhanden gewesen.

Von dem in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 1.833,20 EUR habe sie – die Klägerin – die durch die Beklagte zu Beginn des Mietverhältnisses gezahlte Kaution in Höhe von 900,00 EUR bereits in Abzug gebracht. Darüber hinaus sei ein weiterer Abzug nicht vorzunehmen.

Die Klägerin beantragt,

1.)

die Beklagte zu verurteilen, an sie 933,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2020 zu zahlen;

2.)

die Beklagte zu verurteilen, an sie die ihr für ihre Prozessbevollmächtigten außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt die Beklagte, die Klägerin zu verurteilen, an sie die Kaution in Höhe von 900,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2020 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,  die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte stellt die klägerischen Ansprüche in Abrede.

Die Beklagte behauptet, der von ihr verwendete Farbanstrich sei dezent und würde einer Weitervermietung nicht im Wege stehen. Sie sei daher bei Beendigung des Mietverhältnisses zur Beseitigung der Farbe nicht verpflichtet gewesen. Es würde sich um einen üblichen Farbton handeln, welcher für möglichst viele Mietinteressenten akzeptabel sei. Die Farbe sei als hellblaue Pastellfarbe zu bewerten.

Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Wände doppelt gestrichen werden mussten, um einen einheitlichen weißen Farbton zu erhalten. Die streitgegenständliche Farbgestaltung sei mit wesentlich geringerem Arbeit- und Materialaufwand zu beseitigen gewesen.

Sie ist weiter der Ansicht, § 11 Ziffer 3 des Mietvertrages sei unwirksam. Der sogenannte Summierungseffekt stünde der Wirksamkeit der Vereinbarung entgegen. Außerdem hätte die Klägerin ihr eine Frist zur Durchführung der Schönheitsreparaturen setzen müssen.

Hinsichtlich der Widerklage ist die Beklagte der Ansicht, dass die Klägerin ihr nach Beendigung des Mietverhältnisses zur Rückzahlung der bei Mietbeginn geleisteten Kaution in Höhe von 900,00 EUR verpflichtet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen T, S und C. Wegen der Ergebnisse der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.11.2020 Bezug genommen.

Die Klageschrift ist der Beklagten am 27.05.2020 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, während die zulässige Widerklage unbegründet ist.

A.

Die Klage ist teilweise begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gegen die Beklagte aus §§ 535 Abs. 1, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 11 Ziffer 1.3 des Kaufvertrages in Höhe von 1.114,59 EUR abzüglich der von der Beklagten geleisteten Kaution in Höhe von 900,00 EUR, mithin 214,59 EUR zu.

Die Beklagte hat eine ihr gegenüber der Klägerin obliegende Rücksichtnahmepflicht verletzt.

I.

Die vorbenannten Normen verpflichten die Parteien eines Mietvertrages zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils und sprechen dem anderen Teil bei deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch zu.

Während der Mietzeit steht es dem Mieter aufgrund seines gesteigerten Interesses an der Gestaltung der Wohnung frei, die Wände in jeder gewünschten Farbgestaltung zu dekorieren. Zum Zeitpunkt der Rückgabe der Mietwohnung sind die Wände aber in einer unauffälligen Farbe zurückzugeben. Der Vermieter hat vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Weitervermietung ein schutzwürdiges Interesse daran, die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird (BGH, Urteil vom 06. November 2013 – VIII ZR 416/12 -, Rn. 13, juris m.w.N.). Der Mieter verletzt somit seine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB wenn er die in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird (BGH, Urteil vom 06. November 2013 – VIII ZR 416/12 -, Rn. 18, juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte dadurch, dass sie die streitgegenständliche Wohnung mit einem farbigen Anstrich an den gesamten Wänden übergeben hat, ihre Rücksichtnahmepflicht gegenüber der Klägerin verletzt.

1.

Zunächst richtet sich der der Klageforderung zugrundeliegende Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.

Zwar ist es – wie von der Beklagten angeführt – grundsätzlich zutreffend, dass sich der Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Renovierungspflichten nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB richtet, sodass dieser eine erfolglose Fristsetzung erfordert. Vorliegend steht jedoch nicht tatsächlich die Verletzung von Renovierungspflichten bzw. Schönheitsreparaturen im engeren Sinne im Streit. Denn streitgegenständlich sind nicht aufgrund von Abnutzungserscheinungen bzw. Renovierungsbedürftigkeit durch die Beklagte durchzuführende Arbeiten. Es handelt sich vielmehr um eine Rücksichtnahmepflichtverletzung der Beklagten. Denn die Beklagte hat auf das berechtigte Interesse der Klägerin an einer baldigen Weitervermietung der zurückgegebenen Wohnung nicht in der gebotenen Weise Rücksicht genommen. Der Schaden des Vermieters besteht darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss (vgl. BGH, Urteil vom 06. November 2013 – VIII ZR 416/12 -, Rn. 18, juris).

2.

Diese in dem Mietverhältnis geltenden Rücksichtnahmepflichten werden durch § 11 Ziffer 1.3 des Kaufvertrages dahingehend konkretisiert, dass der Mieter, wenn er die Wohnung renoviert übernommen hat, dafür Sorge zu tragen hat, dass die Schönheitsreparaturen bei Ende des Mietverhältnisses und Rückgabe der Mietsache in einer zurückhaltenden, dem allgemeinen Geschmack entsprechenden Farbgebung vorgenommen worden sind.

Es kann dahinstehen, ob diese Vereinbarung einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff BGB standhält, denn wie bereits dargelegt, folgt die Pflicht, die Mietsache in einem neutralen Zustand zurückzugeben, wenn sie auch in einem neutralen Zustand dekoriert erhalten wurde, bereits aus § 241 Abs. 2 BGB und gilt daher auch dann, wenn vertraglich keine besondere Vereinbarung über die Farbgebung getroffen wurde.

Die Beklagte hat die Wohnung indes nicht in einer zurückhaltenden, dem allgemeinen Geschmack entsprechenden Farbgebung zurückgegeben, obwohl sie die Wohnung in neutralen Farben übernommen hat.

a)

Die Beklagte hat die Wohnung in einem neutral dekorierten Zustand übernommen.

Unstreitig war die Wohnung bei Übergabe an die Beklagte komplett in weiß gestrichen. Darüber hinaus hat die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Decke im Bereich der Küche und des Wohnzimmers teilweise leichte Unebenheiten in dem weißen Farbton aufgewiesen hätte. Dass jedoch weitere durch den Vormieter hervorgerufene Abnutzung- und Gebrauchsspuren vorhanden gewesen seien hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Das Vorliegen kleiner farblicher Unterschiede führt jedoch nicht dazu, dass nicht mehr von einer neutralen Dekoration auszugehen ist.

b)

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Beklagte die Wohnung in einer ungewöhnlichen und nicht neutralen Dekoration zurückgegeben hat. Die von der Beklagten für die Wände verwendete Dekoration ist nicht als unauffällige und dem allgemeinen Geschmack möglichst vieler Mietinteressenten entsprechende Farbe anzusehen.

Das Gericht konnte sich durch die Inaugenscheinnahme der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Muster sowie durch die von der Klägerin vorgelegten Fotos und unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen ein ausreichendes Bild von der in der Wohnung während der Mietzeit der Beklagten und bei deren Auszug bestehende Wandfarbe machen. Nach dem Gesamteindruck der Beweisaufnahme bewertet das Gericht die Farbe nicht als zurückhaltend und unauffällig, § 286 Abs. 1 ZPO.

Die Farbgebung mag sicherlich den Geschmack der Beklagten getroffen haben. Bereits unter Berücksichtigung der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Muster vermag das Gericht jedoch nicht festzustellen, dass es sich um eine Farbwahl handelt, die dem allgemeinen Geschmack entspricht und von möglichst vielen Mietinteressenten akzeptiert wird.

Zwar ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Mustertapete einen Farbton aufweist, der als hell und womöglich auch als Pastellton zu bezeichnen ist. Allerdings weicht die Farbgebung – unabhängig von der genauen Bezeichnung als hellblau, pastellfarben oder türkis – aufgrund ihrer bläulich/grünen Erscheinung doch deutlich von üblichen dezenten Farben ab.

Außerdem ist das Gericht nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die von der Beklagten verwendete Farbe in der Wohnung zumindest teilweise dunkler wirkte und teilweise auch dunkler war, als auf den von der Beklagten nachträglich angefertigten Mustern, welche mithin nicht Teil der Originaltapete waren.

So hat die Beklagte selber eingeräumt, dass sie aufgrund des geringen Lichteinfalles für die Wandfarbe in der Diele einen dunkleren Farbton verwendet habe. Im Übrigen vermitteln auch die von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder den Eindruck einer nicht dezenten Wandfarbe. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass die Lichtbilder naturgemäß aufgrund der unterschiedlichen Lichtverhältnisse nicht zwingend den tatsächlich bestehenden Zustand darstellen können und auch eine Fotografie von der tatsächlichen Wirkungsweise der Wandfarbe abweichen kann.

Gleichwohl hat die Beklagte auf Nachfrage des Gerichts selber angegeben, dass der Farbton, wie er auf der kleinen Fotografie der Küche zu sehen ist, am ehesten dem tatsächlichen Zustand entsprochen habe. Auf diesem Bild ist der Farbton der Wand zwar grundsätzlich als hell zu bezeichnen, nichtsdestotrotz entspricht er aufgrund des deutlichen Blautons nicht dem allgemein anzunehmenden Geschmack und hebt sich deutlich von der ebenfalls ersichtlichen weißen Wand ab.

Soweit die Beklagte einwendet, dass die Bilder bei schlechten Lichtverhältnisses angefertigt worden seien, sodass die Wohnung künstlich dunkler wirke, ist zu berücksichtigen, dass die Wohnung auch bei schlechten Lichtverhältnissen dem allgemeinen Geschmack möglichst vieler Mietinteressenten entsprechen muss, denn auch ein potentieller Nachmieter bewohnt die Wohnung sowohl bei guten als auch schlechten Lichtverhältnissen.

Diese Wertung des Gerichts wird außerdem durch die glaubhafte Aussage des Zeugen S gestützt. Dieser hat angegeben, dass der auf den Mustern vorhandene Farbton im Wesentlichen dem vor Ort befindlichen entsprochen hätte, jener allerdings etwas dunkler gewesen sei. Die Aussage des Zeugen S ist glaubhaft. Dieser schilderte nachvollziehbar seine eigenen Wahrnehmungen und legte zur Veranschaulichung des von ihm beschriebene Farbtons eine Farbpalette vor. Ein Eigeninteresse des Zeugen am Rechtsstreit ist nicht erkennbar.

Die dem entgegenstehende Aussage der Zeugen C, welche vorgetragen hat, dass der Farbton in der gesamten Wohnung dem auf den vorgelegten Mustern entsprochen habe, trägt insoweit nicht zur Überzeugungsbildung des Gerichts bei. Die von ihr gemachten Angaben stimmen bereits nicht mit dem Vortrag der Partei überein, welche sie als Zeugin benannt hat. Denn die Beklagte hat selber angegeben, dass in der Diele ein dunklerer Farbton vorhanden gewesen sei.

Schließlich ist der Farbton allerdings bereits deswegen nicht als neutral zu qualifizieren, weil sich in dem Farbton Glitzerpartikel befinden. So hat die Beklagte selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben – was versehentlich nicht auf den Tonträger aufgezeichnet wurde -, dass in der Farbe Glitzerpartikel vorhanden seien. Dies ist auch auf den vorgelegten Mustern ersichtlich.

Glitzernde Wände entsprechen jedoch, auch dann wenn es sich lediglich um ein geringes Glitzern bei bestimmten Lichteinfall handeln sollte, nicht dem allgemeinen Geschmack durchschnittlicher Mietinteressenten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Farbe an den Wänden der gesamten Wohnung vorhanden gewesen ist.

Es bedurfte keiner Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen G. Dieser war lediglich für die „angenehme Farbgestaltung“ benannt. Da dieses Beweisangebot lediglich auf die Schilderung subjektiver Eindrücke und Bewertungen gerichtet war, war dem nicht nachzugehen.

3.

Die Beklagte hat diese Pflichtverletzung auch zu vertreten. Sie hat die nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB geltende Vermutung nicht widerlegt. Ein etwaiger Irrtum darüber, zum Überstreichen nicht verpflichtet zu sein, schließt das Vertretenmüssen nicht aus, da ein solcher (Rechts-)Irrtum jedenfalls nicht unverschuldet wäre und daher zumindest ein fahrlässiges Verhalten anzunehmen ist.

4.

Die Beklagte hat daher im Grundsatz der Klägerin den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen.

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB ist derjenige Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die Klägerin statt der Naturalrestitution denjenigen Geldbetrag ersetzt verlangen, der hierfür erforderlich ist. Es ist das zu ersetzen, was vom Standpunkt eines vernünftig, wirtschaftlich denkenden Vermieters für die Schadensbeseitigung zweckmäßig und angemessen erscheint (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 385).

Dies bedeutet, dass die Beklagte denjenigen angemessenen Geldbetrag auszugleichen hat, den die Klägerin zur Herstellung einer Dekoration die dem allgemeinen Geschmack möglichst vieler Mietinteressenten entspricht zahlen musste.

Die Klägerin kann den mit ihrer Klage geltend gemachten Schaden allerdings nur teilweise ersetzt verlangen. Das Gericht schätzt die Kosten für die zur Beseitigung des Schadens objektiv notwendigen Arbeiten auf 1.466,56 EUR, § 287 ZPO. Nach Abzug des Vorteilsausgleichs und der Mietkaution verbleibt ein von der Beklagten zu zahlender Betrag in Höhe von 214,59 EUR.

Im Einzelnen:

a)

Mietwohnung in greller Farbe zurückgegeben - Schadensersatzpflicht
(Symbolfoto: Von Robert Kneschke /Shutterstock.com)

Durch die Beauftragung der Handwerker ist der Klägerin ein Schaden in Höhe von 1.833,20 EUR entstanden.

Anhaltspunkte dafür, dass diese Kosten grundsätzlich überhöht sind, sind nicht ersichtlich. Der Zeuge S hat darüber hinaus glaubhaft angegeben, dass eine zweifache Übermalung der vorhandenen Wandfarbe notwendig gewesen sei, um eine einheitliche neutrale Farbgebung zu erhalten. Daher war die Fachfirma auch nicht darauf zu verweisen, eine günstigere Farbe von minderer Qualität und Deckkraft zu verwenden. Obwohl die von der Malerfirma verwendete Farbe bereits eine überdurchschnittliche Deckkraft aufwies, war ein doppelter Anstrich vorzunehmen.

Die Klägerin war auch nicht gehalten, eine andere Firma mit der Durchführung der Arbeiten zu betrauen. Die Beklagten haben bereits nicht substantiiert dargelegt, dass eine andere Fachfirma die gleiche Arbeit zu deutlich günstigeren Konditionen durchgeführt hätte. Insoweit liefert der in der Rechnung vom 20.03.2020 ausgewiesene Betrag im Rahmen von § 287 ZPO ein Indiz für den zur Herstellung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Betrag (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2016 – VI ZR 612/15 -, Rn. 10, juris; MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 385).

Ebenfalls war die Klägerin nicht darauf zu verweisen, die erforderlichen Arbeiten selbst durchzuführen.

Zwar ist der Geschädigte, wenn mehrere Möglichkeiten der Naturalrestitution bestehen, gehalten, sich für denjenigen Weg zu entscheiden, der den geringsten Aufwand erfordert. Allerdings setzt dies voraus, dass die bestehenden Möglichkeiten gleichermaßen geeignet sind, das Integritätsinteresse des Geschädigten zu befriedigen (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 387). Dies ist bei der Durchführung durch eine Fachfirma und der Beseitigung durch den fachunkundigen Vermieter jedoch nicht anzunehmen. Aus Sicht eines fachunkundigen Vermieters ist es daher angemessen und zweckmäßig eine Fachfirma mit der Durchführung von Malerarbeiten zu beauftragen.

Es steht nach der Beweisaufnahme auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin die durch die Firma S am 20.03.2020 ausgestellte Rechnung beglichen hat.

Dies hat zum einen der Zeuge S in seiner Vernehmung bestätigt und zum anderen hat die Klägerin den Kontoauszug vom 24.03.2020 vorgelegt, auf welchen die Zahlung zu erkennen ist.

b)

Von den entstandenen Kosten in Höhe von 1.833,20 EUR ist jedoch ein Abzug in Höhe von 20 % vorzunehmen, denn diese Kosten beruhen nicht auf der Pflichtverletzung der Beklagten. Der Zeuge R hat in seiner Vernehmung angegeben, dass die Bearbeitung der Decken ca. 20 % der Kosten in Anspruch genommen hat. Dieser Einschätzung folgt das Gericht. Ausweislich des übereinstimmenden Vortrages der Parteien waren indes lediglich die Wände in dem streitgegenständlichen Farbton durch die Beklagte gestrichen worden. Die Firma S hat über die Wände hinaus jedoch auch die gesamten Decken der Wohnung gestrichen.

Dass das Streichen der Decken erforderlich war, um einen gleichmäßigen und einheitlichen Gesamteindruck zu erhalten, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Insgesamt sind daher 366,64 EUR (20 % von 1.833,20 EUR) von der Forderung in Abzug zu bringen, sodass sich ein restlicher Betrag in Höhe von 1.466,56 EUR ergibt.

c)

Dennoch ist ein ersatzfähiger Schaden nicht in Höhe von 1.466,56 EUR gegeben. Denn von dem Schaden in Höhe der Malerkosten ist ein Vorteilsausgleich (Abzug neu für alt) in Höhe von 351,97 EUR vorzunehmen, weil die Klägerin durch die Zahlung des Schadensersatzes im Ergebnis eine vollständig renovierte Wohnung zurückerhält, obwohl sie keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Durchführung der Schönheitsreparaturen oder auf Zahlung eines anteiligen Betrages hierfür bei Beendigung des Mietverhältnisses hatte (vgl. LG Gießen Urt. v. 7.11.2012 – 1 S 71/12, BeckRS 2013, 18160, beck-online). Die Klägerin hätte deshalb ohne die farbliche „Verunstaltung“ der Beklagten eine unrenovierte Wohnung mit normalen Gebrauchsspuren nach einer Nutzungsdauer von rund 26 Monaten zurückerhalten.

Eine Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen der Beklagten bestand zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses nicht. Die in § 11 Nr. 1, Nr. 1.1 enthaltene Regelung, wonach der Mieter verpflichtet ist, Schönheitsreparaturen nach Bedarf durchzuführen, wenn die in Ziffer 1.1 genannten Zeitfolgen seit der Übergabe verstrichen sind, ist schon nicht einschlägig, da die genannten Zeitfolgen (3, 5, 7 Jahre) bei Beendigung des Mietverhältnisses nicht abgelaufen waren.

Darüber hinaus hat die Klägerin selbst schriftsätzlich vorgetragen, dass die Durchführung von Schönheitsreparaturen bei Auszug der Beklagten – ohne die vorgenommene farbliche Veränderung der Wände – nicht notwendig gewesen wäre.

Der Umfang der Vorteilsanrechnung (Abzug neu für alt) bemisst sich nach der bisherigen Nutzungsdauer im Verhältnis zu der durchschnittlichen Nutzungszeit.

Ausweislich seiner glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge T die streitgegenständliche Wohnung im Dezember 2017 komplett in weiß gestrichen. Bei Auszug der Beklagten am 29.02.2020 wäre die ursprünglich vorhandene weiße Wandfarbe mithin ca. 26 Monate vorhanden gewesen.

Das Gericht geht weiter davon aus, dass die Wandfarbe in der gesamten Wohnung nach durchschnittlich ca. 4,5 Jahren (54 Monate) hätte erneuert bzw. renoviert werden müssen. Dabei legt das Gericht zugrunde, dass Räume wie das Wohnzimmer, das Schlafzimmer und die Diele nach ungefähr 5 Jahren zu renovieren sind. Dem entspricht auch die in § 11 Nr. 1.1 des Mietvertrages angenommene Frist. Daneben sind die Küche und das Bad regelmäßig bereits nach drei Jahren zu streichen. Unter Berücksichtigung, dass das Bad und die Küche einen gegenüber dem Wohnzimmer, Schlafzimmer und der Diele kleinere Fläche ausmachen, geht das Gericht durchschnittlich von einer Nutzungsdauer von 4,5 Jahren (54 Monate) aus.

Die tatsächliche Nutzungsdauer in Verhältnis zu der durchschnittlichen Nutzungsdauer ergibt daher einen vorzunehmenden Abzug in Höhe von ca. 48 %.

Der Abzug ist jedoch nur von den Kosten einer normalen Renovierung durch Anstreichen vorzunehmen. Die Mehrkosten, welche zur Beseitigung des ungewöhnlichen Dekorationszustands aufgewendet werden, sind vollumfänglich zu ersetzen (LG Gießen Urt. v. 7.11.2012 – 1 S 71/12, BeckRS 2013, 18160, beck-online; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 14. Aufl. 2019, BGB § 538 Rn. 43).

Nach den Angaben des Zeugen S, welchen das Gericht folgt, entfielen ca. 40 % der Kosten (733,28 EUR) auf den aufgrund der ungewöhnlichen Dekoration zusätzlich notwendigen Anstrich.

Von den „normalen“ Renovierungskosten, welche somit ebenfalls einen Anteil von 40 % ausmachen, ist somit ein Abzug in Höhe von 351,97 EUR (48 % von 733,28 EUR) vorzunehmen, sodass letztlich für die „normalen“ Renovierungskosten ein durch die Beklagte zu zahlender Betrag in Höhe von 381,31 EUR verbleibt.

d)

Nicht schadensmindernd hat das Gericht berücksichtigt, dass zumindest die hinter der Küchenzeile befindliche Wand nach den Angaben des Zeugen T, denen das Gericht folgt, weil sie nachvollziehbar sind und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen, durch diesen bei der Renovierung im Jahr 2017 nicht gestrichen wurde und die Klägerin insoweit einen noch älteren Wandanstrich zurückerhalten hätte. Denn das Gericht geht nach lebensnaher Betrachtung davon aus, dass zur Herstellung eines einheitlichen Gesamtbildes und damit zur Schadensbeseitigung auch das Überstreichen der weiterhin weißen Flächen notwendig war.

Der Umstand, dass die Klägerin insoweit bei Rückgabe der Wohnung auch ohne Tätigwerden der Beklagten möglicherweise hätte streichen müssen, ist durch den Abzug des Vorteilsausgleichs hinreichend berücksichtigt.

e)

Insgesamt ergibt sich daher ein von der Beklagten zu ersetzender Betrag in Höhe von

Rechnung Nr. 5020198 vom 20.03.2020     1833,20 EUR

abzüglich Kosten Malerarbeiten Decken – 366,64 EUR

abzüglich Vorteilsausgleich – 351,97 EUR

Restsumme 1.114,59 EUR

Von diesem Betrag ist die durch die Beklagte geleistete Kaution in Höhe von 900,00 EUR in Abzug zu bringen, sodass daraus ein noch durch die Beklagte zu zahlender Restbetrag in Höhe von 214,59 EUR folgt.

II.

Die Zinsforderung folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Die Beklagte befand sich seit dem 21.03.2020 mit der Leistung in Verzug. Nach § 308 ZPO waren die Zinsen wie beantragt erst ab dem 04.04.2020 zuzusprechen.

Trotz der als Mahnung zu qualifizierende Leistungsaufforderung der Klägerin im anwaltlichen Schriftsatz vom 09.03.2020 unter Fristsetzung bis zum 20.03.2020 erfolgte eine Leistung der Beklagten nicht.

Dass die Klägerin in diesem Schreiben die Zahlung von 640,50 EUR und mithin Zuviel forderte, steht der Mahnung nicht entgegen. Eine Zuvielforderung stellt die Wirksamkeit der Mahnung und damit den Verzug hinsichtlich der verbleibenden Restforderung nur dann in Frage, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falls nicht als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger nicht zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist  (NJW 2006, 3271 Rn. 6, beck-online).

Dass die Klägerin eine geringere Leistung durch die Beklagte nicht angenommen hätte, ist indes nicht ersichtlich.

III.

Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB zu.

Zum Zeitpunkt der Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten befand sich die Beklagte mit ihrer Leistung noch nicht in Verzug. Vielmehr erfolgte die außergerichtliche Mandatierung bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses.

Aufgrund des zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden Schuldverhältnisses wäre es der Klägerin jedoch zuzumuten gewesen, zunächst von der Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes abzusehen.

B.

Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

Der Beklagten steht kein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution in Höhe von 900,00 EUR zu. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist die Kaution im Rahmen der Klageforderung vollumfänglich angerechnet worden.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

D.

Der Streitwert wird auf 1.833,20 EUR festgesetzt. Dieser setzt sich zusammen aus dem Wert der Klage und der Widerklage, § 45 Abs. 1 GKG.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!