Skip to content
Menü

Mietwohnung – Wertungskriterien für Einordnung im Mietspiegel?

AG Hamburg – Az.: 40a C 163/20 – Urteil vom 03.12.2020

Die Beklagten werden verurteilt, der Erhöhung der Netto-Kaltmiete für die Wohnung […]straße, 2. OG rechts von bisher 1.097,00 Euro über die bereits erklärte Teilzustimmung zu 1.171,85 Euro hinaus auf einen Betrag von 1.247,00 Euro mit Wirkung ab dem 01.05.2020 zuzustimmen.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 901,80 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin fordert von den Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung.

Die Klägerin als Vermieterin und die Beklagten als Mieter sind seit 1999 durch einen Mietvertrag über eine 118,97 m² große 5-Zimmer-Wohnung im 2. OG rechts in der […]straße 80 in Hamburg verbunden. Die Beklagten übernahmen die Wohnung unrenoviert. Das Gebäude, in welchem die Wohnung belegen ist, gehört der Baualtersklasse vor 1918 an. Die Wohnung ist mit einem Bad und einer Sammelheizung ausgestattet. Sie hat zwei nach hinten liegende Balkone. Bad und WC sind getrennt. Es befindet sich ein Aufzug im Gebäude. Mitvermietet ist ein Dachboden. Küche, Flur, Toilette und Mädchenkammer der Wohnung verfügen über keine Heizung. In den restlichen Räumen sind die Heizungen an den Innenwänden montiert. Die Wohnung verfügt über 230V Steckdosen.

Die Wohnung ist seit 2017 nach dem Wohnlagenverzeichnis der Freien und Hansestadt Hamburg in die gute Wohnlage eingeordnet, nachdem sie zuvor in der normalen Wohnlage eingeordnet worden war. Der Wohnlagenkennwert beträgt 0,265.

Mit Schreiben vom 20.02.2020 (Anlage K3, Bl. 20 f. d. A.) forderte die Klägerin die Beklagten auf, einer Mieterhöhung auf Euro 1.247,00 Euro ab dem 01.05.2020 zuzustimmen, welcher einer Miete von Euro 10,48/m² entspricht.

Die Beklagten erklärten eine Teilzustimmung mit Schreiben vom 26.03.2020 auf Euro 1.171,85, welcher einer Miete von Euro 9,85/m² entspricht (Anlage K4, Bl. 22 f. d. A.).

Die Klägerin behauptet, die von ihr geltend gemachte Miete übersteige die ortsübliche Miete nicht. Die nunmehrige Einordnung in die Wohnlage „gut“ sei zutreffend.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Netto-Kaltmiete für die Wohnung […]straße 80, 2. OG rechts von bisher EUR 1.097,00 (Euro 9,22/m²) – über einen Betrag von EUR 1.171,85 (Euro 9,85/m²) gemäß Teilzustimmung vom 26.03.2020 – auf EUR 1.247,00 (Euro 10,48/m²) ab dem 01.05.2020 zuzustimmen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Wohnung sei der normalen Wohnlage zuzuordnen. Die Umgebung habe sich in den letzten 10 Jahren nicht verbessert.

Die Wohnung sei unterdurchschnittlich belegen. Dies ergebe sich aus dem Wohnlagenkennwert Der Straßenlärm sei aufgrund der Nähe zur Kreuzung […]straße /[…]straße in der Wohnung erheblich wahrzunehmen.

Die Ausstattung der Wohnung rechtfertige ein Überschreiten einer Miete von Euro 9,85/m² nicht. Sie sei deutlich unterdurchschnittlich. Die Wohnung sei sehr hellhörig. Die vermieterseits gestellte Küchenausstattung sei einfachster Art gewesen. Im Bad verursache Kondenswasser Stockflecken an der Wand.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf die eingereichten Schriftsätze einschließlich Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Das von der Klägerin am 20.02.2020 an die Beklagten gestellte Verlangen auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete ist unstreitig formell ordnungsgemäß.

Die Miete ist zum Zeitpunkt, zu welchem die Erhöhung eintritt, unstreitig seit mehr als 15 Monaten unverändert gewesen (§ 558 Abs. 1 S. 1, 3 BGB); das Mieterhöhungsverlangen vom 20.02.2020 liegt unstreitig mindestens 12 Monate nach der letzten Mieterhöhung (§ 558 Abs. 1 S. 2 BGB).

Für die streitgegenständliche Wohnung liegt die von der Klägerin verlangte Miete von Euro 10,48/m² nicht über der ortsüblichen Miete.

Bei der Einordnung der streitgegenständlichen Wohnung ist von einer Belegenheit in der guten Wohnlage nach dem Hamburger Wohnlagenverzeichnis von 2019 auszugehen.

Die Klägerin stützt ihr Begehren auf den Mietspiegel 2019 iVm dem Wohnlagenverzeichnis 2019. Beide Dokumente werden aufgrund von erhobenen Daten aktualisiert und im Fall des Wohnlagenverzeichnisses wird anhand von im dazugehörigen Bericht offengelegten Kriterien eine Einordnung in die normale und gute Wohnlage vorgenommen. Da die Daten dynamisch sind, ist auch die Einordnung dynamisch.

Aufgrund der Belegenheit der Wohnung ergibt sich nicht, dass diese entgegen der widerleglichen Vermutung des Wohnlagenverzeichnisses, in der normalen statt der guten Wohnlage einzuordnen wäre.

Mit den zwei in der Tabelle ausgewiesenen Wohnlagenkategorien »normal« und »gut« wird der überwiegende Eindruck des näheren Wohnumfeldes, d. h. dessen typische Merkmale, beschrieben. Die maßgeblichen, der Einordnung zugrunde liegenden Wertungskriterien sind der Bodenwert, die soziale Zusammensetzung des Stadtteils (Bevölkerungsstruktur), die Bebauungs- und Einwohnerdichte nebst Stockwerkzahl, der Grünflächenanteil im Umfeld sowie die Lärmbelastung, wobei die ersten beiden Kriterien zur Hälfte den Wohnlagenwert bestimmen, während die Lärmbelastung, auf welche sich die Beklagten u. a. berufen, lediglich mit 5% ins Gewicht fällt. Die Wohnlageneinstufungen können zwar im Einzelfall überprüft werden. Es ist jedoch zum einen die im Wohnlagenverzeichnis selbst vorgenommene Wertung zu beachten. Eine Einzelfallbezogene abweichende Einordnung kommt daher lediglich bei einer offensichtlich nicht sachgerechten Einordnung in Betracht kommt, sofern nicht auch die beiden erst genannten Werte in Zweifel gezogen werden, da ansonsten die dem Wohnlagenverzeichnis innewohnende Wertung unterlaufen wird. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Wohnlagenqualitäten, z. B. bei Eckbebauungen, durch Zu- oder Abschläge innerhalb der Spanne berücksichtigt werden können.

Der von der Klägerin verlangte Mietzins von Euro 10,48/m² liegt nicht über der ortsüblichen Miete.

Die Mietspiegelspanne liegt bei Einordnung in das Rasterfeld C 8 des Hamburger Mietenspiegels 2019 bei Euro 9,00/m² bis Euro 13,88/m². Der Mittelwert beträgt Euro 11,14/m². Der von der Klägerin begehrte Mietzins von Euro 10,48/m², der die Kappungsgrenze nicht überschreitet, liegt unter dem unteren Drittelwert.

Nach § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB wird die ortsübliche Vergleichsmiete aus dem üblichen Entgelt für vergleichbaren Wohnraum gebildet. Nach der Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht um einen punktgenauen Wert, die Vergleichsmiete bewegt sich vielmehr innerhalb einer bestimmten Spanne (BGH, Urteil vom 06.07.2005, VIII ZR 322/04). Ist – wie streitgegenständlich – ein qualifizierter Mietspiegel nach § 558d BGB vorhanden, bei dem gemäß § 558d Absatz 3 BGB vermutet wird, er gebe die ortsübliche Vergleichsmiete wieder, ist der Maßstab für die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens die Bandbreite der konkreten ortsüblichen Vergleichsmiete innerhalb der Mietspiegelspanne. Der Tatrichter hat, so der BGH (BGH, Urteil vom 04.05.2011, VIII ZR 227/10, Rn. 16), innerhalb der in einem qualifizierten Mietspiegel ausgewiesenen Spanne die ortsübliche Vergleichsmiete für die konkrete Wohnung – das heißt die Einzelvergleichsmiete – festzustellen und hierfür die Wohnung innerhalb der Spanne des Mietspiegels einzustufen. Dabei darf das Gericht die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete durch Schätzung gemäß § 287 ZPO ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2011, VIII ZR 227/10, Rn. 20).

Der Vermieter, der die Zustimmung zu einer Mieterhöhung begehrt, hat die, den von ihm geforderten Mietzins begründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen.

Auch bei Zugrundelegen aller von den Beklagten vorgetragen und nachvollziehbaren wohnwertmindernden Tatsachen ist der verlangte Mietzins, der deutlich unter dem unteren Drittelwert von 10,6 Euro/m² liegt, nicht ortsunüblich.

Behebbare Mängel, wie vorliegend etwa die behaupteten Flecken an der Wand im Badezimmer sowie das abgenutzte Fliesenschild und die Steckdosenversorgung, sind im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens nicht zu berücksichtigen.

Die Ausstattung der streitgegenständlichen Wohnung rechtfertigt in der Gesamtschau jedenfalls die hier begehrte Miete von 10,48 Euro/m². Die Wohnung weist einerseits im Verhältnis zu einer Normalwohnung entsprechend Ziffer 6.3.2 des Mietenspiegels Merkmale einer besseren Ausstattung wie etwa die Trennung von Bad und WC und einen Aufzug auf.

Andererseits ist zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Wohnung unrenoviert vermietet wurde. Ein Abschlag ergibt sich auch daraus, dass in der Küche eine Heizung fehlt und dass das Bad im Innenbereich der Wohnung liegt..

Soweit sich die Beklagten auch auf fehlende Heizungen in WC, Mädchenkammer und im Flur berufen, so handelt es sich um baualterstypische Erscheinungen, die nicht wohnwertmindernd ins Gewicht fallen. Gleiches gilt für die Hellhörigkeit der Wohnung und die Tatsache, dass die Heizungen an den Innenwänden der Wohnung montiert sind.

Neutral zu bewerten ist außerdem die einfache Ausstattung der vermieterseits gestellten Küche. Es war unstreitig jedenfalls eine Mindestausstattung vorhanden, die zur Ausstattung einer Normalwohnung gehört.

Die Lage der Wohnung ordnet das Gericht für eine gute Wohnlage als durchschnittlich ein. Die unmittelbare Nähe zum Isebekkanal sowie die gute Verkehrsanbindung sind positiv zu werten. Ein gewisser Straßenlärm ist bei einer innerstädtischen Lage unvermeidbar.

Andererseits hat das Gericht zugunsten der Mieter berücksichtigt, dass die nahe gelegene […]straße stark befahren ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!