Skip to content
Menü

Mietzahlungspflicht des Mieters trotz noch nicht vertragsgemäßer Wohnung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 U 102/17 – Urteil vom 13.11.2018

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 30.06.2017, Az. 13 O 40/16, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

3. Der Berufungsstreitwert beträgt 12.150,- €.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Mietzinszahlung für ein an sie zur Unterbringung von Asylbewerbern vermietetes Gewerbeobjekt und insbesondere darüber, welche Partei die für die entsprechende Herrichtung sowie Nutzung des Gebäudes erforderlichen Genehmigungen und Umbauten einzuholen hatte.

In dem eine monatliche Mietzinszahlung von 24.300 € netto vorsehenden, am 14.11.2015 geschlossenen Mietvertrag (Bl. 11 ff GA) vereinbarten die Parteien u.a. Folgendes:

㤠1 Mietobjekt

1. Vermietet wird das Bestandsgebäude in der … Str. 79, … … Insgesamt werden 2.025 qm Bruttogeschossfläche zzgl. der im Lageplan gekennzeichneten Außenflächen nachfolgend Mietobjekt genannt, vermietet. …

3. Die gemäß Absatz 1 und 2 erfolge Beschreibung des Mietobjekts steht unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen oder Auflagen in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vorliegenden Baugenehmigung. Aus der Baugenehmigung folgende Änderungen sind dem Nutzer unverzüglich anzuzeigen.

§ 7 Genehmigungen

1. Der Nutzer hat auf seine Kosten sämtliche mit der durch ihn vorgesehenen Nutzung zusammenhängenden Auflagen zu erfüllen und die notwendigen Genehmigungen zu besorgen. Die Gültigkeit dieses Mietvertrages ist unabhängig von einer etwa erforderlichen behördlichen Zulassung der durch den Nutzer vorgesehenen Nutzung. Werden hierfür notwendige Genehmigungen versagt oder Auflagen erteilt, begründet dies weder ein Kündigungs- noch ein Rücktrittsrecht. Solche Genehmigungen und Auflagen sind auch nicht Geschäftsgrundlage dieses Nutzungsvertrages.

2. Die Regelungen gemäß des vorstehenden Absatzes 1 gelten nicht für die grundsätzliche bauliche Eignung zum Vertragszweck gemäß § 2 Absatz 1 [d.i. die „Nutzung zur temporären Unterbringung für soziale Zwecke, insbesondere der vorübergehenden Unterbringung von 100 Asylsuchenden und Migranten oder Personen mit dringendem Wohnbedarf“.] Für diese steht der Überlasser ein.“

Als Übergabetermin war der 01.11.2015, spätestens der 01.02.2016, vorgesehen. Jedoch scheiterten in der Folgezeit mehrere Übergabetermine, weil die Beklagte den baulichen Zustand der Anlage, das Fehlen einer baurechtlichen Genehmigung zur Nutzungsänderung und eines Brandschutzkonzeptes rügte.

Am 25.01.2016 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Mietvertrag, wobei sie darauf hinwies, der Kläger habe es zu vertreten, dass sich die Übergabe über den 01.02.2016 hinaus verzögere, weil das Mietobjekt nicht die bauliche Eignung für den vereinbarten Nutzungszweck aufweise.

In der Folgezeit bot der Kläger der Beklagten mehrere Übergabetermine an, hinsichtlich derer die Beklagte um Verlegung bat; zu einer Übergabe der Mietsache kam es gleichwohl nicht, worauf der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 18.02.2015 mitteilte, dass er die Übergabe als erfolgt betrachte und die Schlüssel zu dem Mietobjekt nunmehr zur Abholung bereitlägen.

Mit Schreiben vom 30.03.2016 kündigte die Beklagte den Mietvertrag (Bl. 145 GA).

Der die Miete für Februar 2016 fordernde Kläger hat bereits erstinstanzlich behauptet, in der Lage gewesen zu sein, die Mietsache bis zum 01.02.2016 in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen; wenige Restarbeiten hätten zeitnah durchgeführt werden können; einem Dach- und Sanitärausbau habe allerdings die fehlende Baugenehmigung entgegengestanden und auch ein Brandschutzkonzept habe er nicht erstellen müssen, da hierzu die Beklagte vor Bauantragstellung verpflichtet gewesen wäre.

Die Beklagte hat diesen Sachvortrag bestritten und sich ferner darauf berufen, der Kläger habe auf Erteilung der erforderlichen baurechtlichen Erlaubnisse antragen müssen.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Potsdam vom 30.06.2017 (Bl. 310 ff GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der hälftigen Miete (12.150 €) nebst anteiliger Zinsen verurteilt und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Beklagte habe sich seit 15.02.2016 in Annahmeverzug mit der Übernahme der Mietsache befunden; die Vereinbarung zu § 7 des Mietvertrages sei in der Weise zu verstehen, dass der Kläger zwar die Maßnahmen zur Herstellung der grundsätzlichen baulichen Eignung des Objekts zur Erreichung des Vertragszwecks geschuldet habe, die Beklagte jedoch zur Einholung der ggf. erforderlichen Erlaubnisse verpflichtet gewesen sei und somit das Risiko für deren Versagung tragen sollte; Bedenken gegen die Zulässigkeit entsprechender Vereinbarungen bestünden nicht; die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass das Vertragsobjekt auch über den 01.02.2016 hinaus zur Unterbringung von Asylbewerbern baulich ungeeignet gewesen sei, hätten doch nach diesem Zeitpunkt keine Übergabetermine mehr stattgefunden; der am 25.01.2016 erklärte Rücktritt sei unwirksam gewesen, weil der Kläger noch bis zum 01.02.2016 Zeit gehabt habe, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen.

Wegen der weiteren Begründung der Entscheidung wird ebenfalls gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf den Urteilsinhalt Bezug genommen.

Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt, die Zivilkammer habe den Mietvertrag unzutreffend ausgelegt; die Auslegung ergebe stattdessen, dass sich der Kläger, der unstreitig die notwendigen Umbauarbeiten habe durchführen sollen, auch um die Einholung der dafür erforderlichen Erlaubnisse, sie hingegen nur um die persönlich benötigten Genehmigungen, etwa die Anerkennung des Objekts nach dem Landesaufnahmegesetz, habe kümmern sollen: dies entspreche auch den gesetzlichen Grundgedanken der §§ 536 ff, 543 ff BGB, wonach der Vermieter die Mietsache im zum vertraglich geschuldeten Zweck geeigneten Zustand zu übergeben habe; auch der Kläger habe die Vereinbarungen zunächst im dargestellten Sinne verstanden, habe er doch Ende Dezember 2015 einen Vorbescheid für die bauliche Anpassung des Streitobjekts in Bezug auf Fassadengestaltung, Balkonein- und Dachgeschoßausbau beantragt; vor dem Hintergrund des Vereinbarten habe es der Kläger zu Unrecht unterlassen, sich die geschuldeten Aus- und Umbauleistungen genehmigen zu lassen, und die Meinung vertreten, zur Herstellung eines bestimmten Ausbauzustandes nicht verpflichtet zu sein; der vertraglich geschuldete Miet-zweck habe danach nicht mehr erreicht werden und eine Übergabe in diesem Zustand nicht mehr stattfinden können, zumal der Kläger sie, die Beklagte, auch nicht zur Vornahme etwaiger Mitwirkungshandlungen – etwa mit Blick auf fehlende Bauanträge etc. – aufgefordert habe; im Übrigen seien nach dem im Ergebnis der Besichtigungstermine vom 18./21.01.2016 noch ganz erhebliche bauliche Restarbeiten zu erledigen gewesen, die – wie bereits erstinstanzlich unter Beweis gestellt (Bl. 204 GA) – nicht mehr bis zum vereinbarten spätesten Übergabetermin hätten erledigt werden können, wobei der Kläger am 21.01.2016 ein weiteres Tätigwerden auch abgelehnt, mithin die geschuldete Leistung ernsthaft und endgültig verweigert habe, ohne dass weitere Verhandlungen stattgefunden hätten; sie, die Beklagte, schulde demzufolge die vereinbarte Miete gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht; davon abgesehen habe der Mietsache auch im Sinne von § 536 Abs. 2 BGB eine vertraglich zugesicherte Eigenschaft – die Nutzbarkeit des Objekts zu dem vertraglich vereinbarten Zweck – gefehlt; mit Blick auf den am 25.01.2016 erklärten Rücktritt gelte, dass ihr ein weiteres Zuwarten bis zum 01.02.2016 angesichts der klaren Haltung des Klägers, keine weitergehenden Um- und Ausbaumaßnahmen zu realisieren, nicht zuzumuten gewesen sei; zudem enthalte auch das Schreiben vom 30.03.2016 zumindest sinngemäß eine Rücktrittserklärung, was das Landgericht übersehen habe.

Die Beklagte beantragt, das am 30.06.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 13 O 40/16, aufzuheben (abzuändern) und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er stützt mit näheren Ausführungen die landgerichtliche Entscheidung, rügt insbesondere die Verspätung weiterführenden Tatsachenvortrages des Beklagten im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO; insbesondere führt er aus, einen Antrag auf Bauvorbescheid habe er nur gestellt, um sich für die Zeit nach Ablauf des vorliegenden (für 5 Jahre fest abgeschlossenen) Mietvertrages vorzubereiten, wobei dessen Gegenstand keinen Bezug zu dem im streitgegenständlichen Vertrag vereinbarten Nutzungszweck gehabt habe; ihm, den Kläger, sei es bei Vertragsschluss gerade darum gegangen, keine öffentlich-rechtlichen Erlaubnisse einholen zu müssen, was die Beklagte auch respektiert habe; insofern seien die Parteien vom gesetzlichen Leitbild abgewichen, dass der Vermieter für die rechtliche Zulässigkeit der vorgesehenen Nutzung der Mietsache einzustehen habe; was die Vornahme weiterer Um- und Ausbaumaßnahmen anbelange, habe die Beklagte das Streitobjekt nach dem 21.01.2016 nicht mehr besichtigt und bleibe es, da sie keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt habe, dabei, dass der am 01.02.2016 bestehende Zustand nicht mehr festgestellt werden könne und die Klägerin insoweit beweisfällig geblieben sei; tatsächlich habe er, der Kläger, jedoch Nachbesserungen vorgenommen, die eine Nutzung durch Asylbewerber zugelassen hätten, wodurch sich auch der für den 02.02.2016 vereinbarte weitere Besichtigungstermin erkläre; im Übrigen sei insoweit eine Beweislastumkehr eingetreten, nachdem die Beklagte die im Februar 2016 vereinbarten Besichtigungstermine nicht wahrgenommen habe; was die verlangten Mitwirkungshandlungen der Beklagten angehe, hätten sich die Parteien, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, im regen Kontakt dahingehend befunden, dass die Beklagte diese Genehmigungen einhole; der Beklagten sei auch klar gewesen, dass es einer Nutzungsänderungsgenehmigung bedürfe; mit Blick auf angebliche Mietmängel habe die Beklagte schließlich nur unsubstantiiert vorgetragen, welche Gebrauchseinschränkungen in den einzelnen Mieträumen bestanden hätten, und dem gegnerischen Schreiben vom 30.03.2016 könne auch bei wohlwollender Auslegung keine Rücktrittserklärung entnommen werden, wobei die darin tatsächlich erklärte Kündigung angesichts des hiesigen Streitgegenstandes (Miete 2/2016) irrelevant sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen und Zeugen T… B…, A… E… und A… R…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 30.01.2018 (Bl. 396 ff GA) Bezug genommen.

II.

Die Berufung bleibt erfolglos. Dem Kläger steht der erstinstanzlich tenorierte Zahlungsanspruch zu.

Zwischen den Parteien ist am 01.12.2015 unstreitig ein Mietvertrag über das streitgegenständliche Objekt wirksam geschlossen worden. In diesem Zusammenhang haben sich die Parteien nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme, anders als nach dem Wortlaut der §§ 1 Abs. 3, 7 des verschrifteten Vertrages naheliegend, darauf geeinigt, dass die Beklagte verpflichtet sein sollte, die zur Herrichtung des streitbefangenen Gebäudes entsprechend dem Vertragszweck erforderlichen Genehmigungen einzuholen, während es dem Kläger lediglich obliegen sollte, etwaige zur Genehmigungserteilung notwendige Umbauarbeiten durchzuführen. Sowohl der Zeuge T… B… als auch die von der Gegenseite benannte Zeugin A… E… haben dies letztlich bestätigt. Der Zeuge B… hat explizit ausgeführt, der Kläger und er als dessen Vermittler hätten aufgrund negativer Erfahrungen im Zusammenhang mit einem anderen, ähnlich gelagerten Bauprojekt im Zuge der Vertragsverhandlungen stets klargestellt, dass sie „keine Genehmigungen übernehmen bzw. einholen würden, sondern nur vermieten wollten“. Dies hat die Zeugin E… nicht in Abrede gestellt, vielmehr eingeräumt, der Zeuge B… habe jedenfalls mit Blick auf den Umnutzungsantrag ausdrücklich erklärt, dass dieser von der Stadt zu stellen wäre; an Weiteres konnte sie sich zwar nicht erinnern, es ist umgekehrt aber nicht ersichtlich, weshalb die eindeutigen und überzeugenden weiterführenden Angaben des Zeugen B…, die den Umfang einer insgesamt einzuholenden Baugenehmigung näher umrissen haben, unrichtig sein sollten. Der Zeuge T… B… hat auch die Divergenzen zu dem verschrifteten Vertragsinhalt (dort insbesondere §§ 1 Absatz 3 Satz 2, 7 Abs. 1 und 2) zwanglos damit erklären können, die Parteien hätten aufgrund der gebotenen Eile (rasche Fertigstellung von Flüchtlingsunterkünften) die Bestimmungen einer früheren beiderseitigen Vereinbarung zugrunde gelegt und nur flüchtig auf Plausibilität kontrolliert sowie modifiziert. Die Zeugin R… war mit den streitbefangenen Vorgängen demgegenüber nicht befasst, ihre Vernehmung daher unergiebig.

Der Senat versteht den Vertragsinhalt im Ergebnis der Beweisaufnahme allerdings nicht in der Weise, dass die Beklagte auch für die Herrichtung des Gebäudes entsprechend den bauordnungs-, denkmalschutzrechtlichen und den Vorgaben nach dem Landesaufnahmegesetz insgesamt zuständig sein sollte. Auch wenn der Zeuge B… unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 2 des Vertrages dargelegt hat, der Kläger habe insofern lediglich für die bereits durch das Bauamt bestätigte grundsätzliche Eignung des Gebäudes … Straße 79 einstehen wollen, hat er doch in anderem Zusammenhang selbst ausgeführt, die Höhe des vereinbarten Mietzinses sei dadurch bedingt gewesen, dass der Kläger Umbaumaßnahmen habe vornehmen sollen, und zwar nach dem klägerischen Sachvortrag zumindest den Einbau von zusätzlichen Sanitäranlagen und Bodenbelägen (Vinyl, Laminat). Das Vorbringen des Klägers gemäß erstinstanzlichem Schriftsatz vom 22.07.2016 (dort S. 4 oben, Bl. 163 GA), der Umbau der Bäder in dem Objekt sei an eine bereits ab November 2015 beginnende Mietzinszahlung geknüpft gewesen, ist irrelevant, da es einen vorvertraglichen Zustand (von Oktober 2015) abbildet. Vereinbarungen nach Art der skizzierten sind sowohl individual- als auch formularvertraglich zulässig (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2006, 1277; Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 3. Aufl., Rz. 124).

Danach ist die Beklagte in Höhe der erstinstanzlich tenorierten Forderung dem Kläger gegenüber zahlungspflichtig, es sei denn, dieser wäre für den vertragswidrigen Ausbauzustand der Mietsache verantwortlich. Der Kläger hat das Objekt unstreitig bis zum vorgesehenen Übernahmetermin nicht in einen baulichen Zustand versetzt, der nach den einschlägigen Vorschriften genehmigungsfähig gewesen wäre; die Beklagte hat es versäumt, das Umbauvorhaben zu planen und entsprechende Anträge zu stellen.

Die Vorschriften über die Sachmängelhaftung des Mietrechts sind vorliegend nicht anwendbar. Es gelten vielmehr, da eine Überlassung der Mietsache an den Mieter nicht stattgefunden hat, die allgemeinen Regelungen des Leistungsstörungsrechtes (vgl. BGH NJW 1999, 635; NJW 1997, 2813, h.M.; a.A. noch BGH NJW 1985, 1025).

Ob Verzug oder Unmöglichkeit vorliegt, richtet sich danach, ob die geschuldete Leistung noch nachholbar ist. Bei der Miete kommt es also darauf an, ob nach den Abreden der Vertragsparteien die verstrichene Zeit noch nachgeholt werden kann. Unmöglichkeit ist anzunehmen, wenn die Überlassung der Mietsache zu einem bestimmten Zeitpunkt so vertragswesentlich war, dass die Leistung nicht mehr nachgeholt werden kann, weil sie für den Mieter keinen Sinn mehr hat (Münch. Komm. Zum BGB /Häublein, 6. Aufl., vor § 326 BGB Rz. 20), oder bei der Überlassung von Räumlichkeiten zu einem bestimmten Zweck (z.B. Wohnraum für die Dauer eines Messebesuches). Für Räume sind wegen des nicht nachholbaren Zeitablaufs die Verzugsregeln selten einschlägig. Generell wird man daher bei der Überlassung von Räumen von einem absoluten Fixgeschäft auszugehen haben, so dass die Leistung nicht mehr nachgeholt werden kann. In diesem Fall liegt also regelmäßig Unmöglichkeit vor (BGH NJW-RR 1991, 267; Staudinger/Emmerich, BGB, 2012, vor § 536 Rz. 12; Bub/Treier/Martius, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, III B Rz. 1435; Günter, Der Einfluss öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen auf mietvertragliche Vereinbarungen, NZM 2016, 569 ff). Unter Berücksichtigung dessen sieht der Senat die Vereinbarung der Parteien vom 14.11./01.12.2015 als absolutes Fixgeschäft an, da das streitbefangene Gebäude der Beklagten nach dem Vertragsinhalt (angesichts der damaligen Flüchtlingsströme) bis spätestens 01.02.2016 zur Nutzung als Unterkunft für Migranten bzw. Personen mit dringendem Wohnbedarf zur Verfügung stehen sollte (anders im Fall BGH NJW 1992, 3226).

Entsprechend den gesetzlichen Regelungen wird der Vermieter, dem die Erfüllung seiner Vertragspflicht zur Gebrauchsüberlassung durch nachträgliche Leistungshindernisse unmöglich wird, von seiner Primärleistungspflicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB frei. Er verliert allerdings zugleich den Anspruch auf die Gegenleistung (die Miete), § 326 Abs. 1 BGB (Günter aaO). Etwas anderes gilt jedoch nach § 326 Abs. 2 BGB, wenn der Mieter für den Umstand, aufgrund dessen der Vermieter nach § 275 Abs. 1 BGB nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder sich im Annahmeverzug befindet. Ein weit überwiegendes Verschulden ist nach der amtlichen Begründung zur Gesetzesfassung anzunehmen, wenn im Rahmen eines Schadenersatzverlangens § 254 Abs. 1 BGB den Anspruch des Gläubigers ausschlösse (BT-Drs. 14/6040, S. 187). Dafür ist in der Regel eine Verantwortungsquote von mindestens 80 % erforderlich (vgl. OLG Hamm VersR 1971, 914). Hat der Gläubiger (hier: Mieter) demgegenüber das Unvermögen überwiegend, aber nicht weitaus überwiegend, zu vertreten, bleibt es beim Wegfall der Gegenleistungspflicht (auf Mietzahlung); dem Schuldner (Vermieter) steht indes wegen des Verlusts seines Anspruches auf die Gegenleistung gemäß §§ 280 Abs. 3, 283 BGB Schadenersatz zu, der jedoch nach § 254 BGB um seinen Verantwortungsteil zu kürzen ist; mithin hat er Anspruch auf eine reduzierte „Miete“ (Canaris FS E. Lorenz 70. Geb., 2004, S. 147; Schulze/Ebers, Streitfragen im neuen Schuldrecht, JuS 2004, 366, 368; Jauernig/Stadler, BGB, 16. Aufl. § 326 Rz. 22; Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, 22. Aufl. 2015, Rz. 449; Bamberger/Roth/Grothe, BGB 3. Aufl., § 326 Rz. 25; Nomos Kommentar/Dauner-Lieb u.a., BGB, 3. Aufl., § 326 Rz. 19; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Aufl. § 14; Huber, Leistungsstörungen, Bd. II, § 57 II).

Die Beklagte befand sich vorliegend zwar nicht im Sinne von § 326 Abs. 2 BGB in Annahmeverzug, weil der Kläger bis zum Zeitpunkt der angebotenen Übernahme des Gebäudes … Str. 79 unstreitig noch nicht alle geschuldeten und ihm bereits ansatzweise bekannten Umbaumaßnahmen durchgeführt hatte. Es liegt indes ein weit überwiegendes Verschulden der Beklagten nach den Vorgaben derselben Norm vor, weil der Kläger erst auf der Grundlage einer erteilten Baugenehmigung und der aufnahmerechtlichen Erlaubnisse sowie nach Aufhebung des denkmalschutzrechtlichen Bauverbots in der Lage gewesen wäre, den Umbau des Mietobjekts zur Herstellung des vertraglich vereinbarten Zwecks unter Beachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften umfassend durchzuführen und die dafür notwendigen Maßnahmen, vor allem den Einbau weiterer Sanitäreinrichtungen, rechtskonform in die Wege zu leiten. Etwas anderes gälte auch nicht unter der Prämisse, dass sich der Kläger der Beklagten gegenüber am 21.01.2016 geweigert hätte, weitere Leistungen zu erbringen. Denn der Beklagten ist es als Primärverschulden anzulasten, dass sie die erforderlichen Genehmigungen nicht eingeholt hat, die aber erforderlich waren, worauf bereits die Bauamtsleiterin N… im Nachgang der gemeinsamen Begehung des Objekts am 18.01.2016 (Bl. 142 f GA) und auch mit E-Mail vom 21.01.2016 die untere Denkmalschutzbehörde (Bl. 222 GA) hingewiesen hatte, so dass der Kläger eine Vorleistung nur mindestens formell bauordnungswidrig hätte erbringen können, was ihm von Rechts wegen nicht zugemutet werden kann. Im Übrigen war der Beklagten ausweislich der entsprechenden E-Mail der Zeugin E… schon am 14.10.2015 bewusst, in diesem Umfang verpflichtet zu sein (vgl. Bl. 169 GA). Auf eine Weigerung des Klägers, noch dazu erst unmittelbar vor der beabsichtigten Übergabe erklärt, kommt es danach angesichts der vorausgegangenen monatelangen Untätigkeit der Beklagten nicht mehr an; ein damit verbundenes Fehlverhalten tritt jedenfalls hinter dem Gewicht des Verstoßes der Beklagten gegen die übernommenen Vertragspflichten vollständig zurück, zumal der Kläger seinen Verpflichtungen mit Blick auf die übernommenen Fußbodenverlegearbeiten zumindest bereits teilweise nachgekommen war, wie die Besichtigungsprotokolle vom 18.01.2016 und 21.01.2016 belegen. Dass die Bauamtsvertreterin im Besichtigungstermin der Parteien vom 18.01.2016 auf notwendige weitere bauliche Umgestaltungen hingewiesen hatte, steht dieser Wertung nicht entgegen, waren die Hinweise schließlich noch unverbindlich, weil weder hinreichend konkret noch Gegenstand einer aufsichtsbehördlichen Entscheidung, und konnten dem Kläger deshalb auch nicht die notwendige Planungssicherheit geben. Wenn der Kläger von sich aus denkmalschutzrechtswidrig Treppenabbrucharbeiten vorgenommen hat, kann die Beklagte hieraus am Ende ebenfalls nichts für sie Günstiges ableiten, da die vorzunehmende Bewertung des beiderseitigen Verschuldens hiervon nicht beeinflusst wird, sollten die Abbrucharbeiten doch gerade dem vereinbarten Nutzungszweck dienen, während die entsprechende Nutzbarkeit aber zunächst und in erster Linie von den o.a. Genehmigungen abhing, um die sich die Beklagte nicht bemüht hatte.

Mithin haftet die Beklagte im berufungsgegenständlichen Umfang auf Zahlung in Höhe der zwischen den Parteien vereinbarten Miete, und auch im Übrigen ist das angegriffene landgerichtliche Urteil nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.

 

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!