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Mietzinsklage – unzulässige Miet-Saldoklage

LG Frankfurt/Main, Az.: 2-11 S 220/16, Urteil vom 16.05.2017

In dem Rechtsstreit hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2017 für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 09.06.2016, Az. 33 C 132/15 (94), wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.514,75 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Mietrückständen.

Mietzinsklage - unzulässige Miet-Saldoklage
Foto: Oixabay

Die Klägerin macht mit der Klage ausstehende Zahlungen aus dem Zeitraum Oktober 2013 bis Oktober 2014 geltend und legte hierfür eine Mietrückstandsaufstellung als Tabelle vor, die mit einem Guthaben der Beklagten in Höhe von 113,47 Euro beginnt und nach Saldierung von Bruttomietforderungen, Mahngebühren, einer Gutschrift Betriebskosten und Zahlungseingängen mit einem Rückstand zu Lasten der Beklagten in Höhe von 1.514,75 Euro endet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung auf Seite 2 der Anspruchsbegründung (Bl. 10 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin hat auf den Hinweis des Amtsgerichts, dass es sich möglicherweise um eine unzulässige Saldoklage handele, die Ansicht vertreten, sie mache einen einheitlichen Gesamtanspruch im Sinne der Entscheidung des BGH zu Az. VIII ZR 94/12 geltend. Es sei im Zweifel die gesetzliche Tilgungsreihenfolge anzuwenden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.514,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 639,06 Euro seit Rechtshängigkeit und aus 875,69 Euro seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Aktivlegitimation der Klägerin gerügt und zudem Minderungsansprüche geltend gemacht.

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.06.2016 abgewiesen, da es sich um eine unzulässige Miet-Saldoklage handele. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO).

Gegen das der Klägerin am 14.06.2016 zugestellte Urteil richtet sich die von dieser am 08.07.2016 eingelegte und am 15.08.2016 begründete Berufung.

Sie hat in der Berufungsbegründung ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die von der Beklagten erbrachten Zahlungen zunächst auf die Monatsmieten anzurechnen seien, in denen die Zahlungen erfolgt seien, die vorhandenen Gutschriften seien mit den ältesten bestehenden Mietrückständen verrechnet worden. Die Frage der Abrechnungsreife spiele keine Rolle, da die Zahlungen im Zweifel auf die Nebenkostenvorauszahlungen zu verrechnen seien. Auf den Hinweis der Kammer, dass in einem vergleichbaren Verfahren die Berufung der Klägerin zurückgewiesen wurde, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 31.03.2017 weiter zu der Verrechnung der Zahlungen vorgetragen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 09.06.2016 zum Aktenzeichen 33 C 132/15 (94) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.514,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 639,06 Euro seit Zustellung des Mahnbescheides sowie aus weiteren 875,69 Euro seit Zustellung der Anspruchsbegründung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien einschließlich der eingereichten Anlagen sowie den Inhalt der mündlichen Verhandlungen in erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Die auf einem fortgeschriebenen Mieterkonto basierende Klage ist bereits unzulässig, weil entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO der geltend gemachte Gegenstand nicht hinreichend bestimmt ist. Anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.01.2013 (Az. VIII ZR 94/12 – NZM 2013, 422; ZMR 2013, 271), liegen dem Saldo der Klägerin keine gleichartigen Forderungen zugrunde. Vielmehr werden in das Mieterkonto Mietzinsforderungen, Mahngebühren, Zahlungseingänge sowie ein Guthaben und eine Gutschrift Betriebskosten eingestellt. Stellt ein Vermieter diese Kosten allesamt in das Mieterkonto ein und verrechnet er diese mit Zahlungen bzw. Guthaben oder Gutschriften ohne jegliche Differenzierung lediglich nach dem aktuellen Saldo, ist der Streitgegenstand nicht ausreichend bestimmt. Es ist nicht erkennbar, welche der aufgeführten Forderungen in welcher Höhe streitgegenständlich sind. Weiter stellt sich das Problem, dass das dem Klagebegehren zugrunde liegende Mieterkonto, welches einen Zeitraum von Oktober 2013 bis Oktober 2014 umfasst, keine Differenzierung zwischen Nettomieten und Betriebskostenvorauszahlungen enthält und hinsichtlich der insoweit somit auch geltend gemachten Vorauszahlungsansprüche bereits die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 BGB abgelaufen ist. Soweit in einer Kontoaufstellung jedoch Vorauszahlungen enthalten sind, muss der Vermieter darlegen, ob er seinen Klageantrag auf die vertraglich geschuldete Vorauszahlung oder den Nachzahlungssaldo stützt, nachdem erstere mit Ablauf der Abrechnungsfrist entfällt und ein Nachzahlungssaldo eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung voraussetzt (Blank/Börstinghaus Miete, § 543 BGB Rn. 181). Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung ausgeführt hat, die Frage der Abrechnungsreife spiele keine Rolle, da die Zahlungen im Zweifel auf die Nebenkostenvorauszahlungen zu verrechnen seien, ist dieser Vortrag bereits unschlüssig, da ausnahmslos Bruttomieten in das zur Begründung der Klage vorgelegte tabellarisch geführte Mietkonto eingestellt wurden und als Mietrückstand jeweils die Differenz zwischen der Bruttomietforderung und den tatsächlich eingegangenen Zahlungen angegeben wurde. Zudem kann dem pauschalen Vortrag, wonach eine Verrechnung zunächst mit den Vorauszahlungen und im Übrigen mit der geschuldeten Grundmiete verrechnet wurde, auch nicht entnommen werden, welche Nettobeträge für welche Monate die Klägerin geltend macht. Auch der pauschale Vortrag, es sei im Zweifel die gesetzliche Tilgungsreihenfolge anzuwenden und die vorhandenen Gutschriften seien mit den ältesten bestehenden Mietrückständen verrechnet worden, hat keinen Aussagegehalt. § 366 Abs. 2 BGB gibt nur im rechtlichen Sinne vor, wie der Gläubiger zu verrechnen hat, er muss dann aber vortragen, was tatsächlich worauf verrechnet wurde und welche Ansprüche noch Teil der Klage sind. Dann kann das Gericht prüfen, ob den Anforderungen des § 366 Abs. 2 BGB tatsächlich nachgekommen wurde. Es ist hingegen weder Aufgabe des Gerichts, noch überhaupt möglich, dieses selbst zu eruieren dahingehend, was die Klägerin wohl als „ältesten Mietrückstand“ ansieht.

Damit bleibt es im Ergebnis unklar, welche behaupteten Ansprüche zum Gegenstand der Klage gemacht werden sollen. Dies ist aber für die Zulässigkeit der Klage erforderlich, weil durch die Bestimmung des Gegenstands der Klage der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt sowie der Inhalt und Umfang der Rechtshängigkeit (§ 261 ZPO) und der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) festgelegt werden. Die Kammer folgt insoweit der Ansicht des Amtsgerichts Hanau in der Entscheidung vom 28.10.2015 (Az. 37 C 44/15), wonach eine derartige Klage keine zulässige Saldoklage über einen einheitlichen Anspruch im Sinne der Entscheidung des BGH vom 09.01.2013 (BGH NZM 2013, 422; ZMR 2013, 271) darstellt.

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 31.03.2017 erstmals konkreter zu den erfolgten Verrechnungen vorgetragen hat, ist dieses Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zuzulassen. Die Klägerin war bereit erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 auf die Problematik der unzulässigen Saldoklage hingewiesen worden und hatte dazu noch mit Schriftsatz vom 11.05.2016 vorgetragen. Der nunmehr erfolgte Vortrag hätte daher bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorgetragen werden können.

Damit war die Berufung zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 GKG.

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