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Mietzinszurückbehaltungsrecht des mietenden Miterben

LG Saarbrücken, Az.: 10 S 3/16, Urteil vom 26.08.2016

1. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 4. Dezember 2015 – 42 C 47/14 (10) – in Ziff. 1 Satz 1 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, 4.781,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.998,70 EUR seit dem 24.7.2013, aus einem Betrag von weiteren 264,10 EUR seit dem 4.7.2013, aus einem Betrag in Höhe von jeweils weiteren 187,41 EUR seit dem 5.8.2013, 5.9.2013, aus jeweils weiteren 157,41 EUR seit dem 5.10.2013, 6.11.2013, 5.12.2013, aus jeweils weiteren 227,41 EUR seit dem 7.1.2014, 5.2.2014, 5.3.2014, aus jeweils weiteren 247,41 EUR seit dem 4.4.2014, 6.5.2014, 5.6.2014 und 4.7.2014 an die Erbengemeinschaft nach ………., bestehend aus ….. ……., …… ……., ….. ….. und …… ……. zu zahlen.

2. Die Klägerinnen tragen 25%, die Beklagte 75% von den Kosten des ersten Rechtszugs. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bilden die ungeteilte Erbengemeinschaft …….. Das Hausanwesen ………………. in …….. ist wesentlicher Bestandteil des Vermögens dieser Erbengemeinschaft. Aufgrund testamentarischer Anordnung sollten der Beklagten die derzeit von ihr bewohnten Räume mit Ausnahme eines kleinen Zimmers im Dachgeschoss zustehen. Die Beklagte zahlte in der Vergangenheit eine Nutzungsentschädigung für die von ihr bewohnten Räume.

Im vorliegenden Rechtsstreit nehmen die Klägerinnen die Beklagte auf Zahlung von Nutzungsentschädigung/Miete für den Zeitraum Dezember 2012 bis Juli 2014 in Anspruch, nachdem die Beklagte im Zeitraum Dezember 2012 bis Juli 2013 keine Miete/Nutzungsentschädigung zahlte und ab August 2013 lediglich einen monatlichen Betrag von 76,69 EUR entrichtete.

Die Klägerinnen haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, 5.694,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 2.408,70 EUR seit dem 24.7.2013, aus einem Betrag in Höhe von 344,10 EUR seit dem 2.7.2013, aus einem Betrag in Höhe von jeweils 267,41 EUR seit dem 2.8.2013, 2.9.2013, 2.10.2013, 2.11.2013, 2.12.2013, 2.1.2014, 2.2.2014, 2.3.2014, 2.4.2014, 2.5.2014, 2.6.2014, 2.7.2014 an die Erbengemeinschaft nach ……, bestehend aus Frau …… ……, Frau ……. ……-……., Frau …. ….. und Frau ….. ….. zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Räumlichkeiten die monatlich vereinbarte Bruttomiete in Höhe von 344,10 EUR jeweils bis spätestens zum dritten Werktag eines jeden Monats im Voraus an die Erbengemeinschaft zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf eine Minderung des Mietzinses und auf Zurückbehaltungsrechte wegen der folgenden Mängel berufen:

Die Beklagte hat behauptet, dass sich das Garagentor nicht mehr öffnen lasse.

Wegen einer Undichtigkeit des Daches sei Regenwasser von außen in das Wohnzimmer eingedrungen. Nach Durchführung der Reparatur im Januar 2014 sei ein unansehnlicher Wasserfleck in der Mitte der Decke des Wohnzimmers zurückgeblieben, weshalb – so die Rechtsauffassung der Beklagten – die Beklagte zur Minderung des Mietzinses berechtigt sei.

Der Garten des Hausanwesens sei verwildert, weshalb die Beklagte den Garten nicht mehr nutzen könne. Um den Garten wieder in Ordnung zu bringen, sei ein Kostenaufwand von 10.000 EUR erforderlich. Für Grünschnittarbeiten durch ihren Sohn habe die Beklagte in dem Zeitraum 2005-2012 808 EUR aufgewandt.

Zeitweise befinde sich ein Marder im Kellergeschoss des Hauses.

Bis Februar 2014 habe sich die Haustür nicht richtig betätigen lassen und die zugehörige Sprechanlage habe nicht funktioniert.

Mit Schreiben vom 23.7.2013 hat die Beklagte ein umfassendes Zurückbehaltungsrecht an der Kaltmiete bis zur Durchführung der Sanierung der Garage, Beseitigung des Wasserschadens im Flachdach des Anbaus und Durchführung eines radikalen Grünschnitts sowie der Sanierung der Balkone und Erneuerung des Wasserleitungsnetzes geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 28.12.2012 (GA I Bl. 123) erklärte die Beklagte die Aufrechnung in Höhe von 1.806,04 EUR. Zur Aufrechnung gestellt wurden behauptete Auslagen der Beklagten in Höhe von 808 EUR für Winterdienst und Arbeiten im Bereich des Grünschnitts, die erforderlich gewesen seien, um insbesondere den Zugang zum Hausanwesen zu ermöglichen und um das Zuwuchern des angrenzenden Bürgersteigs zu vermeiden. Darüber hinaus rechnete die Beklagte auf mit verauslagten Anwalts- und Gerichtskosten, die sich nach dem Vortrag der Beklagten auf 998,04 EUR beliefen (Sachvortrag GA I Bl. 120).

Gegenüber den zur Aufrechnung gestellten Forderungen haben die Klägerinnen die Einrede der Verjährung erhoben.

Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung in Höhe eines weiteren Betrages von 483 EUR. Sie trägt hierzu vor, dass für die Dachsanierung abweichend von dem ursprünglichen Kostenvoranschlag wegen der Verzögerung der Zustimmung durch die Klägerinnen ein Mehrbetrag von 1.054,03 EUR angefallen sei, wovon die Beklagte ein Drittel habe übernehmen müssen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 5.181,72 EUR nebst Zinsen verurteilt. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Die Beklagte wendet sich gegen die Feststellung, wonach im streitgegenständlichen Zeitintervall ein Kaltmietzins von 267,41 EUR und Nebenkosten in Höhe von 76,69 EUR geschuldet seien. Die Miete habe sich seit 2002 tatsächlich auf 324 EUR belaufen.

Zudem habe das Amtsgericht verkannt, dass die Beklagte als Miteigentümerin und Miterbin ein Mitbenutzungsrecht am gesamten Hausanwesen inklusive Außenflächen, Garten und Garage besitze. Aus diesem Gemeinschaftsverhältnis resultiere zugleich ein Zurückbehaltungsrecht mit Blick auf den am Grundstück aufgetretenen Renovierungsstau.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts stünden der Beklagten Minderungsansprüche hinsichtlich des Garagentores zu, das sich allein wegen der unterlassenen Pflege und Wartung nur noch mit Mühe öffnen lasse. Das Entgelt für die Benutzung der Garage sei in der Miete enthalten.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei die Beklagte auch wegen des zurückgebliebenen Wasserflecks zur Minderung des Mietzinses berechtigt, da dieser Fleck eine optische Beeinträchtigung darstelle. In jedem Fall stehe der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Die Beklagte erneuert ihren Vortrag, wonach sie zur Minderung berechtigt sei, weil die Klägerinnen beim Verlassen des Hauses die Haustür nicht abgeschlossen hätten. Selbst die Terrassentür sei nicht zugeschlossen worden. Allein die Angst zu wissen, ob die Tür verschlossen sei, rechtfertige eine Minderung.

Soweit das Amtsgericht Aufwendungserstattungsansprüche wegen der vom Sohn der Beklagten durchgeführten Gartenarbeiten nicht für hinreichend substantiiert erachtet habe, habe das Amtsgericht die Prozessleitungspflicht verletzt. Der Sohn der Beklagten habe von Zeit zu Zeit Gartenarbeiten durchgeführt und Rückschnitt etc. vorgenommen. Dieser Aufwand sei dem Sohn auch erstattet worden.

Hinsichtlich der Gerichts- und Anwaltskosten sei dem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums zu entnehmen, dass bei den dortigen Beklagten Kosten verblieben seien. Diese seien von der hiesigen Beklagten für die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft aufgewandt worden, woraus ein Kostenerstattungsanspruch resultiere.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 4.12.2015 – 42 C 47/14 (10) – die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts an das Amtsgericht Saarbrücken zurückzuverweisen.

Die Klägerinnen beantragen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerinnen verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 2.3.2016 (GA II Bl. 281 ff.), auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 20.4.2016 (GA II Bl. 308 ff.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 21.7.2016 (GA II 385 ff.) verwiesen.

II.

A. Die zulässige Berufung hat nur in anteiligem, geringem Umfang Erfolg: Die Beklagte ist unter Zugrundelegung eines monatlichen Mietzinses von lediglich 324,10 EUR gegenüber den Klägerinnen gem. § 535 Abs. 2 BGB zur Zahlung des zuerkannten Mietzinses verpflichtet.

1. Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht im rechtlichen Ausgangspunkt erkannt, dass zwischen den aus den Klägerinnen und der Beklagten bestehenden Erbengemeinschaft und der Beklagten ein Mietverhältnis i.S.d. § 535 BGB über die der Beklagten testamentarisch zugewiesenen Räume besteht.

a) Zwar besitzt die Erbengemeinschaft des § 2032 BGB keine eigene Rechtspersönlichkeit, da die vom Bundesgerichtshof im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (etwa BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056) auf die Erbengemeinschaft nicht zu übertragen sind (Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., vor § 2032 Rn. 1). Indessen steht es der Gesamthandsgemeinschaft im Wege der Verwaltung des Nachlasses offen, Rechtsgeschäfte abzuschließen, die die Gesamthandsgemeinschaft binden. In Ausübung dieser Verwaltungsbefugnisse ist es auch möglich, dass sich ein einzelner Miterbe gegenüber der Gesamthandsgemeinschaft vertraglich verpflichtet. Insbesondere stellt eine Regelung zur Nutzung von Nachlassgegenständen durch einzelne Miterben eine zulässige Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung dar (Palandt/Weidlich, aaO, § 2038 Rn. 7). Diese Regelung kann auch in Gestalt des Abschlusses eines Mietvertrages vollzogen werden, der allerdings nicht die Erbengemeinschaft als solche, sondern die Mitglieder der Gemeinschaft gesamthänderisch bindet (BGH, Urt. v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389).

b) Der Abschluss eines solchen Mietvertrages wird im vorliegenden Rechtsstreit nicht durch Urkunden belegt. Auch legen die Klägerinnen keinen konkreten Lebenssachverhalt dar, anlässlich dessen zwischen den Parteien des Rechtsstreits explizite Willenserklärungen ausgetauscht worden seien, die auf den Abschluss eines Mietvertrages gerichtet gewesen seien. Im erstinstanzlichen Rechtszug haben die Kläger indessen vorgetragen, dass die Beklagte seit geraumer Zeit Miete zahle, die im Jahr 1999 auf 344,10 EUR erhöht worden sei. Zur Substantiierung ihres Vortrags haben die Klägerinnen einen Kontoauszug (GA I Bl. 37) vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Beklagte unter dem Verwendungszweck „MNK“ 618,30 EUR auf ein Konto der Erbengemeinschaft überweise. Unter „MNK“ sind bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen objektiven Auslegung aus Sicht des Erklärungsempfängers unschwer „Miete und Nebenkosten“ verstehen. Da auch die Beklagte im Berufungsrechtszug der Einschätzung nicht entgegengetreten ist, dass Miete gezahlt werde und die Rechtsstellung der Beklagten eine Doppelnatur aus Miete und ihrer Stellung als Mitglied der Erbengemeinschaft besitze, steht auch auf der tatsächlichen Ebene der Abschluss eines Mietvertrages zwischen den Mitgliedern der Erbengemeinschaft und der Beklagten mit hinreichender Gewissheit fest.

2. Allerdings bedarf die angefochtene Entscheidung insoweit einer Korrektur, als die Klägerinnen die Höhe des vereinbarten monatlichen Mietzinses mit 344,10 EUR beziffern: Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.7.2016 die Fotokopie eines Schreibens der Klägerin zu 1) vom 4.4.2011 vorgelegt, das in der Schlusszeile die an die Beklagte gerichtete Aufforderung enthält, bis zum 18.4.2011 „3 Monatsmieten á 324,10 EUR auf das Konto der Erbengemeinschaft zu bezahlen“ (GA II Bl. 384). Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurde die Authentizität dieses Schreibens zugestanden. Indessen ist es den Klägerinnen nicht gelungen darzulegen, wie sich die im Schreiben vom 4.4.2011 enthaltene geringere Mietzinsangabe zu ihrem Klagevortrag verhält. Da die zum Beweis des Klagevorbringens vorgelegten Kontoauszüge zeitlich vor dem Schreiben vom 18.4.2011 datieren, sind sie nicht geeignet, den Aussagegehalt des authentischen Schreibens vom 18.4.2011 zu widerlegen, weshalb der Berechnung der Klageforderung lediglich ein monatlicher Mietzins von 324,10 EUR zugrunde zu legen war.

3. Auch hinsichtlich der Berechnung des Minderungseinwandes hält die angefochtene Entscheidung den Angriffen der Berufung stand.

a) Hinsichtlich der geltend gemachten Mängel am Garagentor scheitert ein Minderungsanspruch jedenfalls mit den Erwägungen der vom Amtsgericht vorgetragenen Hilfsbegründung: Die Beklagte hat nicht schlüssig vorgetragen, dass die Nutzung der Garage Gegenstand der mietvertraglichen Einigung war.

Soweit die Beklagte die Doppelnatur ihrer Rechtsstellung bemüht und vorträgt, dass sie aufgrund ihrer Stellung als Miterbin ein Recht zur Mitbenutzung des Gartens und der Garage habe, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg: Eine Minderung des Mietzinses nach § 536 Abs. 1 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Mangel auf den Gebrauch der Mietsache auswirkt. „Mietsache“ im Sinne des Gesetzes sind indessen im vorliegenden Sachverhalt nur diejenigen Räume, die die Beklagte aufgrund der schuldrechtlichen Absprache mit der Erbengemeinschaft als Korrelat für den Mietzins nutzt. Ein außerhalb der Mietsache aufgetretener Mangel stört das vertragliche Synallagma nicht und berechtigt nicht zur Minderung. Dass bei der Kalkulation des Mietzinses auch die Nutzung des Gartens und der Garage einbezogen worden sei, sich der mündlich abgeschlossene Mietvertrag mithin nicht lediglich auf die in der testamentarischen Verfügung erwähnten Räume beziehe, hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen.

b) Aus den soeben dargelegten Gründen steht der Beklagten auch kein Anspruch auf Minderung des Mietzinses wegen des verwilderten Gartens zu.

c) Wegen der gelegentlich unverschlossenen Wohnungstür stehen der Beklagten keine Minderungsansprüche zu: Zwar mag der Vermieter seine vertraglichen Nebenpflichten verletzen, wenn er das gemeinsam mit dem Mieter bewohnte Haus verlässt, ohne die Haustüre abzuschließen. In jedem Fall haftet ein solches Versäumnis nicht der Sachsubstanz der Mietsache als Mangel an, der die Tauglichkeit der Mietsache herabsetzt und eine Minderung des Mietzinses rechtfertigen könnte.

d) Auch hinsichtlich des zurückgebliebenen, abgetrockneten Wasserflecks stehen der Beklagten keine weitergehenden Minderungsansprüche zu:

aa) Das Amtsgericht hat eine Minderung wegen eindringenden Wassers im Zeitraum Dezember 2012 bis Dezember 2013 anerkannt und die Minderung zeitanteilig für die Monate Dezember 2012 bis Februar 2013 mit jeweils 30 EUR, im Zeitraum März 2013 bis September 2013 mit je 40 EUR und von Oktober bis Dezember 2013 mit monatlich 70 EUR berechnet. Die Steigerung des Minderungsbetrages beruht naheliegend auf der nicht ausgesprochenen Prämisse, dass die Feuchtigkeitseinwirkungen mit fortdauernder Zeit eine Steigerung erfahren haben. Ab Januar 2014 hat das Amtsgericht eine Minderung nicht mehr für berechtigt erachtet, da der abgetrocknete Wasserfleck nach Auffassung des Amtsgerichts nur noch eine unerhebliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung darstelle.

bb) Entgegen der Auffassung der Berufung (GA II Bl. 396) enthält die Darstellung des Amtsgerichts keinen logischen Bruch: Die Zusammenschau der Urteilsgründe legt es vielmehr nahe, dass das Amtsgericht die Minderung für den gesamten Zeitraum der Feuchtigkeitseinwirkungen zuerkennen wollte.

cc) Weiterhin tritt die Berufung der Bewertung des Amtsgerichts entgegen, dass der (abgetrocknete) Wasserfleck die Tauglichkeit der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB nur unerheblich mindere. Auch dem vermag sich die Kammer nicht anzuschließen:

aaa) Das Amtsgericht hat sich durch Inaugenscheinnahme der von der Beklagten selbst vorgelegten Lichtbilder (GA I Bl. 98) ein Bild vom Umfang der Beeinträchtigung gemacht und ist dabei zu der Einschätzung gelangt, dass der dort abgebildete Zustand nur eine unerhebliche, optische Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit darstelle. Diese tatrichterliche Bewertung hält – soweit sie auf tatsächlichen Feststellungen beruht – im eingeschränkten Prüfungsrahmen des § 529 ZPO den Angriffen der Berufung stand. Auch in der rechtlichen Bewertung lässt die Entscheidung keine Rechtsfehler erkennen.

bbb) Gemäß § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB bleibt eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit außer Betracht. Unerheblich ist ein Mangel insbesondere dann, wenn er leicht erkennbar und schnell mit geringen Mitteln zu beseitigen ist (Palandt/Weidenkaff, aaO, § 536 Rdnr. 17). Der Einschränkung des Minderungsrechts liegt die Intention des Gesetzgebers zugrunde, den Rechtsfrieden der Hausgemeinschaft nicht zu stören (BT-Drucksache IV/2195, 2), weshalb – unabhängig von den Kriterien der Erkennbarkeit und der Frage, welcher Aufwand zur Beseitigung des Mangels betrieben werden muss – die Erheblichkeitsgrenze auch dann nicht überschritten wird, wenn der Mangel die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Nutzung nur in ganz geringem Umfang beeinträchtigt. Unter diesem wertenden Aspekt kann für die Beurteilung der Erheblichkeit auch der Standard der Mietsache und die Höhe des Mietzinses von Bedeutung sein (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 12. Aufl., § 536 Rdnr. 48). In der Kasuistik werden insbesondere das Vorliegen von Haarrissen, kleinere Schimmelflecken (AG Trier, WuM 2008, 665) und Wasserflecken in einer Badezimmerecke (AG Tiergarten GE 2005, 999) als unerhebliche Mängel anerkannt (Nachweise bei Schmidt-Futterer/Eisenschmid, aaO, § 536 Rdnr. 62; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11. Aufl., § 536 Rdnr. 3).

ccc) Unter Beachtung dieser Kriterien bedarf die angefochtene Entscheidung keiner Korrektur: Zwar steht der Umstand, dass ein Mangel lediglich das ästhetische Erscheinungsbild der Wohnung – das Amtsgericht argumentiert insoweit mit dem Begriff des optischen Mangels – beeinträchtigt, der Annahme eines erheblichen Mangels nicht grundsätzlich entgegen: Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen das äußere Erscheinungsbild der Mietsache aus der objektiven Sicht der betroffenen Verkehrskreise ein Ausmaß erreicht, das selbst ein in ästhetischen Fragen nicht gesteigert sensibler Mieter nicht tolerieren muss. Diese Grenze wird im vorliegenden Sachverhalt indessen auf der Grundlage des in die Entscheidung der Kammer gestellten tatsächlichen Sachverhalts nicht überschritten: Unstreitig befindet sich der Wasserfleck nur an einer einzigen Stelle in der aus mehreren Räumen bestehenden Wohnung. Dies allein indiziert, dass die Minderung die unterste Grenze der noch anzuerkennenden Minderungssätze nicht übersteigt (nach richtiger Auffassung: Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 536 Rdnr. 177, sollte eine Minderungsquote von weniger als 5% nicht zuerkannt werden). Auch trägt die Berufung zur genauen Lage und Größe des Wasserflecks nicht weiter vor, so dass die Bewertung der Berufung, dass dieser Wasserfleck jedem Besucher sofort ins Auge falle und neben Rissen im Putz beseitigt werden müsse, nicht nachvollzogen werden kann. Schließlich fehlen Angaben zur Größe der gesamten Wohnung und zum Wohnungsstandard, die Rückschlüsse darauf erlauben, dass der abgetrocknete Wasserfleck insbesondere vor dem Hintergrund des moderaten Mietzinses und des offensichtlich grundsätzlich renovierungsbedürftigen Zustandes der Wohnung die Erheblichkeitsgrenze übersteigt.

4. Soweit die Berufung Zurückbehaltungsrechte wegen der ausstehenden Schönheitsreparaturen, dem nicht beseitigten Wasserfleck und mit der weitergehenden Behauptung geltend macht, „das Hausanwesen verfalle, die Fliesen auf den Balkonen lösten sich, der Putz bröckele vom Mauerwerk, das Wasserleitungssystem nebst Installationen müsse erneuert werden, die Heizung sei überaltert“, verhilft auch dieser Vortrag der Berufung nicht zum Erfolg:

a) Hinsichtlich folgender Mängel ist die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts bereits nicht hinreichend substantiiert: Es erschließt sich nicht, weshalb das Wasserleitungssystem erneuert werden muss und ob sich die Überalterung der Heizung in einem Funktionsfehler manifestiert. Den vorgelegten Lichtbildern zum Balkon kann man nicht entnehmen, dass der dortige Zustand eine Erneuerung des Bodenbelags erfordert.

b) Dessen ungeachtet ist der Einrede des Zurückbehaltungsrechts aus weiteren rechtlichen Erwägungen ein Erfolg zu versagen:

aa) Nach allgemeiner Auffassung (st.Rspr. seit BGHZ 84, 42; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, aaO, § 536 Rn. 409) steht dem Mieter neben dem Recht auf Minderung des Mietzinses bis zur Erfüllung seines mietvertraglichen Anspruchs auf Beseitigung der die Tauglichkeit der Mietsache beeinträchtigenden Mängel die Einrede des Zurückbehaltungsrechts zu. Dieses Zurückbehaltungsrecht verfolgt den Zweck, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mangelbeseitigung anzuhalten. Zugleich begrenzt diese Zweckbindung die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts: Das Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Mietzahlungen kann redlicher Weise nur so lange ausgeübt werden, als es seinen Zweck noch erfüllen kann. Ist stattdessen insbesondere aufgrund der verstrichenen Zeit und oder der Höhe des Mieteinbehalts nicht mehr zu erwarten, dass der Vermieter seiner Verpflichtung auf Beseitigung des Mangels unter dem Druck der Leistungsverweigerung nachkommen wird, hat das Leistungsverweigerungsrecht seinen Zweck verfehlt, den Vermieter zur eigenen Vertragstreue anzuhalten (BGH, Urteil vom 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, WuM 2015,1473; Kammerurteil vom 5.2.2016 – 10 S 76/15; Brückner, Grundeigentum 2016, 436; vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14, WuM 2016, 98 ).

bb) Dieser Rechtsgedanke steht der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts im vorliegenden Rechtsstreit entgegen:

Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung steht außer Streit, dass sich das Guthaben der Erbengemeinschaft insbesondere wegen der ausgebliebenen Mietzinszahlung zurzeit lediglich auf 3.000 EUR beläuft, mithin in keiner Weise ausreicht, um die von der Beklagten angemahnten grundlegenden Renovierungsmaßnahmen vorzunehmen. Darüber hinaus kann die Erbengemeinschaft seit Jahren keine Einigkeit erzielen, auf welche Weise die Immobilie sinnvoll zu bewirtschaften oder zu verwerten ist. Diese Entwicklung erlaubt den Schluss, dass die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts bei genauer Betrachtung nicht geeignet ist, um die Mängelbeseitigung zu fördern, sondern – im genauen Gegenteil – die finanzielle Basis für eine Erfüllung der mietvertraglichen Ansprüche nachhaltig zerstört. In einer solchen Ausgangslage kann das Zurückbehaltungsrecht indessen seinen rechtlichen Zweck, den Vermieter zur Wiederherstellung der Mietsache anzuhalten, nicht mehr erfüllen, weshalb der Beklagten die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts verwehrt ist.

cc) Hinzu kommt folgende Erwägung: Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass die Beklagte nicht nur Mieterin, sondern zugleich als Miteigentümerin und Mitglied der Erbengemeinschaft auf beiden Seiten der Vertragsbeziehung steht. Sie ist folglich in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Erbengemeinschaft zugleich Adressatin und Schuldnerin des von ihr selbst in ihrer vertraglichen Stellung als Mieterin geltend gemachten, auf Mängelbeseitigung gerichteten Anspruchs. In dieser Konstellation könnte ein Zurückbehaltungsrecht seine Funktion als ein nach außen wirkendes Druckmittel allenfalls dann erfüllen, wenn es sich ausschließlich gegen die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft richtet, wenn es also eine zweckentsprechende Maßnahme ist, um die übrigen Mitglieder zu einer Erfüllung ihrer Vertragspflichten anzuhalten. Auch unter diesem Aspekt stehen der Beklagten keine Zurückbehaltungsrechte zu: Es ist nicht ersichtlich, dass sich lediglich die Klägerinnen einer sinnvollen Auflösung der erb- und vertraglichen Interessenkollision verschließen. Vielmehr hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass zwischen den Mitgliedern tiefgreifende Konflikte bestehen, deren Überwindung eine allseitige Kompromissbereitschaft erfordert.

5. Schließlich verhilft die Aufrechnung der Berufung nicht zum Erfolg.

a) Da der Garten nicht nachweislich zur Mietsache gehört, stehen der Beklagten für die von ihr veranlassten Gartenarbeiten keine mietvertraglichen Ansprüche gegenüber der Erbengemeinschaft zu. Etwaige erbrechtliche Ansprüche werden nicht schlüssig vorgetragen: Im Grundsatz sind die Mitglieder der Erbengemeinschaft gemäß § 2038 Abs. 1 BGB zur gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses berechtigt. Ob die Voraussetzungen einer einseitigen notwendigen Maßregel im jeweiligen Fall vorgelegen haben, lässt sich dem Sachvortrag nicht entnehmen.

b) Auch soweit die Klägerin erneut materielle Kostenerstattungsansprüche geltend machen will, bleibt der Sachvortrag unklar. Erst lange nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist konkretisiert die Berufungsklägerin ihren Vortrag durch Angabe konkreter Verfahren: Sie bezieht sich u.a. auf das beigezogene Verfahren 42 C 551/10, in dem die hiesige Beklagte die hiesige Klägerin zu 1) auf Zahlung von Mietzins für die Jahre 2007 bis 2009 in Anspruch nahm. In diesem Verfahren erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die Klägerin zu 1) zum Ausgleich der erst- und zweitinstanzlich entstandenen Kosten zur Zahlung von 142,06 EUR an die Beklagte verpflichtet wurde. Die Kammer vermag nicht nachvollziehen, wie sich daraus ein materieller Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegenüber der Erbengemeinschaft ergeben könnte, der gegenüber dem Mietzinsanspruch zur Verrechnung gestellt werden kann.

6. Zusammenfassend ergibt sich folgendes Rechenwerk: Das Amtsgericht hat seiner Entscheidung auf Seite 5 und 6 im Ausgangspunkt jeweils einen Mietzins von 344,10 EUR zugrunde gelegt. Diese Berechnung ist nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen insoweit zu korrigieren, als sich der Mietzins auf 324,10 EUR beläuft. Für den streitgegenständlichen Zeitraum von 20 Monaten ist die vom Amtsgericht berechnete Forderung von 5.181,72 EUR um 20*20 EUR = 400 EUR zu vermindern, weshalb der tenorierte Betrag von 4.781,72 EUR verbleibt. Die Berechnung beruht auf der weiteren Erwägung, dass die Höhe der zuerkannten Minderung auch auf der Grundlage eines geringfügig verminderten Mietzinses nicht zu beanstanden ist.

7. Die Zinsforderung beruht auf Verzugsgesichtspunkten.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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