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Mischmietverhältnis – Mietzuschlag für gewerbliche Nutzung der Wohnung

LG Berlin – Az.: 65 S 74/22 – Urteil vom 13.09.2022

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Pankow vom 30. März 2022 – 7 C 255/21 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.341,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 8. Dezember 2021 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 5.069,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 4. Januar 2022 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger geleistete Mietkaution in Höhe von 1.382,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 4. Januar 2022 zurückzuzahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Zusammenfassung

Gericht verurteilt Vermieterin zur Rückzahlung von überhöhten Mieten

Das Amtsgericht Berlin hat entschieden, dass eine Vermieterin einer Familie zu hohe Mieten berechnet hat und nun insgesamt 7.410,32 Euro zurückzahlen muss. Konkret geht es um eine Wohnung, die als „Wohnungsmietvertrag mit teilgewerblicher Nutzung“ bezeichnet wurde. Die Vermieterin hatte argumentiert, dass aufgrund der gewerblichen Nutzung ein höherer Mietpreis gerechtfertigt sei. Das Gericht widersprach dieser Argumentation und befand, dass die Mieten insgesamt zu hoch waren.

Die Familie hatte von Juni 2020 bis Oktober 2021 zu viel Miete gezahlt, weil die Vermieterin die gesetzlich festgelegte Mietpreisbremse nicht beachtet hatte. Die Richter stellten fest, dass die Vermieterin nicht nachweisen konnte, dass die erlaubte gewerbliche Nutzung tatsächlich über das hinausging, was ohnehin schon unter den Begriff des „Wohnens“ fällt.

Das Urteil könnte Auswirkungen auf viele ähnliche Mietverträge haben, bei denen Vermieter versuchen, höhere Mieten zu verlangen, indem sie die gewerbliche Nutzung der Mieter berücksichtigen. Das Gericht stellte klar, dass in solchen Fällen immer die überwiegende Nutzung – in diesem Fall die Wohnnutzung – entscheidend ist.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen die aus dem Tenor ersichtliche Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

1. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Nettokaltmieten in Höhe von 460,84 Euro für den Monat Juni 2021 und in Höhe von jeweils 470,06 Euro für die Monate Juli 2021 bis Oktober 2021 aus §§ 556g Abs. 1, 556d Abs. 1, 2, 557a Abs. 4, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB iVm der Mietenbegrenzungsverordnung Berlin vom 19. Mai 2020 (MietBegrV Berlin 2020).

a) Das Mietverhältnis der Parteien begann am 15. Juni 2020. Gemäß Art. 229 §§ 49 Abs. 2, 51 EGBGB ist § 556g BGB in der ab 1. Januar 2019 bzw. ab 1. April 2020 geltenden Fassung auf das Mietverhältnis anzuwenden. Die hier gegenständliche Wohnung liegt im Anwendungsbereich einer Gebietsverordnung nach § 556d Abs. 2 BGB (nF). Gemäß § 2 MietBegrV Berlin 2020 ist die Gebietsverordnung vom 19. Mai 2020 am 1. Juni 2020 in Kraft getreten. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Verordnung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Auf das zwischen den Parteien durch einen einheitlichen Mietvertrag begründete Mietverhältnis sind die – zwingenden – Vorschriften des Wohnraummietrechts anzuwenden.

Der Mietvertrag der Parteien ist als „Wohnungsmietvertrag mit teilgewerblicher Nutzung“ überschrieben.

Wird zugunsten der Beklagten noch davon ausgegangen, dass es sich bei dem Mietverhältnis um ein Mischmietverhältnis handelt, führt das nicht etwa – wie die Beklagte es unterstellt – dazu, dass auf das Vertragsverhältnis die für Wohnraummietverhältnisse geltenden Vorschriften, vgl. § 549 Abs. 1 BGB (nur) anzuwenden sind, soweit die Wohnnutzung betroffen ist, im Übrigen aber die Vorschriften über Mietverhältnisse über andere Räume.

Da das Gesetz keine Sondervorschriften für Mischmietverhältnisse vorsieht, die Vorschriften für Mietverträge über Wohnräume – wie die hiesige Konstellation zeigt – zu großen Teilen von den gesetzlichen Regeln für die Anmietung von Geschäftsräumen oder von sonstigen Räumen abweichen, sind Mischmietverhältnisse nach allgemeiner Ansicht, insbesondere der Rechtsprechung des BGH in rechtlicher Hinsicht vielmehr einheitlich zu beurteilen und zwingend entweder als „Wohnraummietverhältnis“ oder als „Mietverhältnis über sonstige Räume“ einzuordnen (BGH, Urt. v. 09.07.2014 – VIII ZR 376/13).

Für die rechtliche Einordnung entscheidend ist, welche Nutzungsart überwiegt (BGH, Urt. v. 09.07.2014 – VIII ZR 376/13).

Das ist hier – wohl unstreitig – die Wohnnutzung. Darauf deutet bereits die Bezeichnung des Mietvertrages auf dem Formular der Beklagten hin, aber auch die Beschreibung des Vertragszwecks in § 1 des Mietvertrages. Unstreitig gingen beide Parteien davon aus, dass die Wohnung von den Klägern mit den drei Kindern bewohnt wird. Für das Überwiegen der Wohnnutzung spricht als weiteres Indiz, dass auch die Beklagte nicht vorträgt, dass sie die – für eine überwiegend gewerbliche Nutzung – erforderliche Genehmigung des Bezirksamtes eingeholt hätte (vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 Nr. 5, 3 ZwVbG Berlin, §§ 1ff. ZwVbVO).

c) Die im Mietvertrag ausgewiesene Nettokaltmiete für die hier maßgebliche Staffel ab 1. Juni 2021 in Höhe von 1.836 Euro ist unwirksam, soweit sie den Betrag von 1.365,94 Euro überschreitet.

aa) Der Überprüfung am Maßstab der §§ 556g Abs. 1, 556d Abs. 1, 2, 557a Abs. 4 BGB zugrunde zu legen ist – in Konsequenz der Feststellungen unter b) – die Gesamtnettokaltmiete. Die materiell-rechtlichen Regelungen zur (zulässigen) Miethöhe sind für Wohnraummietverhältnisse zwingend ausgestaltet.

Zwar kann eine Erweiterung der vertraglichen Nutzungsbefugnisse des Mieters – wie etwa eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung – einen Zuschlag zu der in einem Mietspiegel üblicherweise für die reine Wohnraumnutzung ausgewiesenen Nettokaltmiete im Einzelfall rechtfertigen.

(Mindest-)Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die erlaubte Nutzung überhaupt über das hinausgeht, was nicht ohnehin schon unter den Begriff des „Wohnens“ fällt und deshalb von vornherein keiner Erlaubnis bedarf (vgl. Flatow, WuM 2015, 191, [193]; Börstinghaus, WuM 2017, 549, [555]; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 558a Rn. 58; BeckOGK/Fleindl, 1.10.2022, BGB § 556d Rn. 86; AG Hamburg-Altona, Urt. v. 27.04.2021 – 316 C 284/20).

Nach der Rechtsprechung des BGH fallen berufliche Tätigkeiten, die der Mieter – etwa im häuslichen Arbeitszimmer – ausübt, ohne dass sie nach außen in Erscheinung treten, nach der Verkehrsanschauung unter den Begriff des „Wohnens“ (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.2009 – VIII ZR 165/08; Urt. v. 10.04.2013 – VIII ZR 213/12).

Dahinstehen kann hier, ob die Klägerin – wie von der Beklagten behauptet – als freiberufliche Architektin in den Räumlichkeiten tätig werden wollte bzw. ob eine teilgewerbliche Nutzung zwischen den Parteien vereinbart wurde.

Die Tätigkeit, die Gegenstand der in der Anlage 3 zum Mietvertrag erteilten Erlaubnis ist, bedarf – die Maßstäbe des BGH zugrunde gelegt – bereits keiner Erlaubnis des Vermieters.

Nach Ziffer I.1. der Anlage 3 erteilte die Beklagte lediglich die Zustimmung zur Nutzung der dort benannten Flächen als Büroraum. Die Nutzung darf nach I.3. von vornherein nur mit einem geringen und vereinzelten Kundenverkehr verbunden sein. Das Anbringen von Firmenschildern ist nach Ziffer I.4. nicht gestattet; es kann genehmigt werden. Die Möglichkeit der Genehmigung kann nicht mit der Erteilung einer Genehmigung gleichgesetzt werden, zumal entsprechende Genehmigungsvorbehalte üblicherweise in Formularmietverträgen auch sonst vorgesehen sind.

Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter zur Zahlung eines Gewerbezuschlags verpflichtet ist, wenn er einen solchen vereinbart hat (von der Beklagten zit. LG Berlin, Urt. v. 14.01.1992 – 65 S 153/91), kommt es bereits deshalb nicht an, weil die Beklagte hier schon keine – nach der neueren Rechtsprechung des BGH – erlaubnispflichtige Nutzung genehmigt hat, sondern lediglich das, was – erlaubnisfrei – ohnehin nach der Verkehrsanschauung unter den Begriff des „Wohnens“ fällt.

Hinzu kommt, dass – wie oben ausgeführt – die Überprüfung der vereinbarten Miete nach den gesetzlichen Regelungen zur höchst zulässigen Miete bei Mietbeginn (§§ 556d ff. BGB) im Zeitpunkt der zitierten Entscheidung ersichtlich nicht relevant war und nicht etwa deshalb entfällt, weil ein Vermieter einen Teil der Miete in der den §§ 556d ff BGB zugrundeliegenden Situation als (unzulässigen) „Zuschlag“ deklariert. Eine die Auffassung der Beklagten tragende Einschränkung der Geltung der §§ 556d ff BGB lässt sich bereits dem Gesetz nicht entnehmen.

bb) Die Berechnung der zulässigen Höhe der Mietstaffel ab 1. Juni 2021 für die in das Tabellenfeld K1 des Berliner Mietspiegels 2019 einzuordnende Wohnung hat die Beklagte nicht bestritten. Unter Berücksichtigung der ebenfalls unstreitigen Angaben der Kläger zu den für die Spanneneinordnung nach der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel 2019 maßgeblichen Kriterien ist die von den Klägern ermittelte ortsübliche Einzelvergleichsmiete von 7,98 Euro/m2 nicht zu beanstanden.

Nach § 556d Abs. 1 BGB ergibt sich danach die von den Klägern errechnete höchst zulässige Nettokaltmiete von 1.339,16 Euro.

Die ebenfalls unstreitigen, von den Klägern geleisteten Zahlungen zugrunde gelegt, liegen die verlangten Beträge, in der Summe 2.341,08 Euro, nicht über dem Betrag, den die Beklagte als Rückzahlung schuldet.

2. Die Kläger haben gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Nettokaltmieten in Höhe von 460,84 Euro für den vorangegangenen Zeitraum – die Monate Juli 2020 bis Mai 2021 – in Höhe von jeweils 460,84 Euro, insgesamt 5.069,24 Euro aus §§ 556g Abs. 1, 556d Abs. 1, 2, 557a Abs. 4, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB iVm der MietBegrV Berlin 2020.

Zur Begründung wird auf die Feststellungen unter 1) Bezug genommen. Die Rückforderung ist nach § 556g Abs. 2 BGB nF iVm Art. 229 § 51 EGBGB nicht mehr auf die Überzahlungen nach Zugang der Rüge beschränkt.

3. Der Anspruch auf Rückzahlung der Mietsicherheit, soweit diese den in § 551 Abs. 1 BGB genannten, nach § 551 Abs. 4 BGB höchst zulässigen Betrag übersteigt, folgt aus §§ 556g Abs. 1, 556d Abs. 1, 2, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB iVm der MietBegrV Berlin 2020.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

2. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die Einzelfallentscheidung beruht auf dem Gesetz und seinen Materialien; ungeklärte Rechtsfragen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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