AG Schöneberg – Az.: 4 C 316/18 – Urteil vom 24.06.2019
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die von ihnen innegehaltene Wohnung in der M.-L.-Straße in … B., Vorderhaus, Erdgeschoss links, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Toilette, Bad, Flur, ca. 76,46 m², sowie Keller zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
2. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2019 gewährt. Die Räumungsfrist entfällt, wenn die Beklagten die laufende Miete bzw. Nutzungsentschädigung nicht spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Monats zahlen und die Zahlung gegenüber der Klägerin auf Anforderung nachgewiesen wird.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 52 % und die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 48 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Räumungsvollstreckung gemäß Tenor zu 1.) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen dürfen beide Parteien die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 20.07.2010 mieteten die Beklagten die streitgegenständliche Wohnung in der M.-L.-Straße, … B., Vorderhaus, Erdgeschoss links. Die Klägerin trat auf Vermieterseite in das Mietverhältnis ein. Gemäß der vertraglichen Vereinbarung ist die Miete monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag des Monats, zu zahlen. Die Beklagten erhalten Gehalt und zusätzliche Leistungen des Jobcenters zur Monatsmitte. Im Jahre 2017 zahlten die Beklagten die Miete ständig verspätet. Mit Schreiben vom 18.05.2017 wurden sie an die pünktliche Entrichtung der Miete erinnert. Mit Schreiben vom 22.03.2018 kündigte die Klägerin umfangreiche Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten an. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 22.03.2018 (Anlage K 2, Bl. 17 ff.) verwiesen. Die Miete für April 2018 entrichteten die Beklagten am 11.04.2018, die Miete für Juni 2018 am 08.06.2018. Bis zum 10.07.2018 ging die Miete für Juli 2018 nicht bei der Klägerin ein. Die Beklagten wurden mit Schreiben vom 10.07.2018 unter Kündigungsandrohung abgemahnt und aufgefordert, die Miete künftig pünktlich zu zahlen. Die Miete für Oktober 2018 ging am 11.10.2018 bei der Klägerin ein. Die Miete für November 2018 ging bis zum 06.11.2018 nicht ein. Mit Schreiben vom 06.11.2018, dessen Zugang streitig ist, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis außerordentlich fristlos wegen der unpünktlichen Mietzahlungen. Laut Auslieferungsbeleg wurde den Beklagten am 08.11.2018 ein Einwurfeinschreiben mit der Sendungsnummer ___ zugestellt. Am 26.11.2018 erhielten die Beklagten eine Kopie der Kündigung vom 06.11.2018. Mit Schreiben des Berliner Mietervereins vom 05.12.2018 ließen die Beklagten die Kündigung gemäß § 174 BGB zurückgewiesen. Ferner ließen sie die Vollmacht der die Kündigung unterzeichnenden Frau B. beanstanden. Die Beklagte zu 1) leidet an einer Depression, die sich vor allem durch einen deutlich verminderten Antrieb, eine deutlich gedrückte Grundstimmung, eine deutlich reduzierte Konzentration und Schlafstörungen äußert.
Die Klägerin behauptet, eine bevollmächtigte Mitarbeiterin habe die Kündigung vom 06.11.2018 persönlich gefertigt, in einen Briefumschlag gesteckt und am 07.11.2018 als Einwurf-Einschreiben mit der Sendungsnummer … aufgegeben.
Die Klägerin hat die ursprünglich auf Duldung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gerichtete Klage mit Schriftsatz vom 10.12.2018 um einen Räumungsantrag erweitert.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, folgende Maßnahmen bezüglich der von ihnen innegehaltenen Wohnung M.-L.-Straße in … B., Vorderhaus Erdgeschoss, Wohnungsnummer 0.3, zu dulden:
a) Wärmedämmung der Fassade, des Daches, der Kellerdecke und der Wand zur Durchfahrt, insbesondere durch folgende Arbeiten:
- Errichtung eines Gerüstes
- Abriss und umweltgerechte Entsorgung der vorhandenen Fassadenverkleidung
- Mauerwerksarbeiten für neu zu errichtende Balkone
- Entfernung von Fallrohren, Fenstergitter und Kellertreppe
- Grundierung der Fassade
- an allen Ecken und Laibungen werden Gewebe-Eckschutzprofile eingelegt. Am Sockel werden Sockelschienen montiert
- es werden Fassadendämmplatten Wärmeleitgruppe 35 mit einer Stärke von 140 mm mittels Kleber und Dübeln an der Hausfassade befestigt. Die Dämmplatten werden mit WDVS-Pulverkleber ganzflächig überspachtelt, darüber wird ein Gewebe geklebt und eine Schlussbeschichtung aus Strukturputz aufgetragen
- der Fassadensockel erhält einen speziellen Sockelputz, der gestrichen wird
- die Kellerdecke erhält eine kellerseitige Wärmedämmung mit einer Stärke von 80 mm
- Installation neuer Außenfensterbänke
b) Austausch der Fenster, insbesondere durch folgende Arbeiten:
- die vorhandenen Fenster mit einem U-Wert von ca. 2,4 W/m²K werden demontiert und fachgerecht entsorgt
- es werden neue isolierverglaste Holzfenster mit Zweifachverglasung, U-Wert von 1,2 W/m²K, in Anlehnung an den Bestand geliefert und montiert
- die Fenster werden mit Dreh-/Kippvorrichtungen versehen, außen eine Titanzink-Fensterbank, innen eine Holz-Fensterbank
- die Fenster werden eingeputzt, weitestgehend versiegelt und die Fensterlaibungen werden malermäßig instandgesetzt.
c) Installation einer neuen Gaszentralheizung mit Warmwasserversorgung, Dämmung der Steigeleitungen, insbesondere durch folgende Arbeiten:
- Installation einer zentralen Gas-Heizungsanlage
- Errichtung eines Aufstellungsraums entsprechend den technischen Vorschriften im Keller des Hauses; Einbau der erforderlichen Apparate, Pumpen, Speicher, Armaturen und sonstiger zentralen Geräte
- Installation eines witterungsgeführten Gasbrennwertkessels mit stufenlos modulierendem Gebläsebrenner, hocheffizienter Kesselkreis- und Heizkreispumpen, hydraulischer Weiche, Gasanschluss bis zur Hauptabsperreinrichtung und Abgasführung über Dach zur zentralen Wärmeerzeugung
- Installation eines stehenden 500l Edelstahl-Speichers mit Trinkwasserladesystem zur zentralen Trinkwassererwärmung
- Montage eines tiefliegenden Membranausdehnungsgefäßes zur Druckhaltung und zur Aufnahme des Ausdehnungswassers
- Betrieb der Heizungsanlage zum Schutz vor Korrosion und Inkrustation in salzarmer Fahrweise
- Erstbefüllung und Nachspeisung erfolgen über eine fest installierte Befüllstation nach DIN EN 1717 einschließlich Wasseraufbereitung und Konditionierung nach VDI 2035
- Herstellung eines Heizungs-Rohrnetzes aus außen verzinktem Präzisionsstahlrohr (C-Stahl) von der Kellerverteilung unter der Kellerdecke bis zu den einzelnen Steigesträngen. Die Verbindung erfolgt durch Verpressen mit Systemfittings
- die Wohnungsverteilungen werden sichtbar über den Sockelleistungen montiert und haben je nach hydraulischer Auslegung Rohr-Außendurchmesser von 15 mm bis 28 mm
- die Rohrleitungen der Kellerverteilung und Steigestränge erhalten eine Wärmedämmung 100 % nach Energieeinsparverordnung (EnEV) 2014
- die sichtbar verlegten Wohnungsverteilungen erhalten einen weißen Lackanstrich
- die Wärmeübertragung erfolgt mit weiß lackierten Kompaktheizkörpern nach Wärmebedarfsberechnung, Installation hauptsächlich im Bereich der Fensterbrüstungen, sonst an einer Wand neben der Balkontür
- pro Küche je ein endlackierte Stahl-Plattenheizkörper
- pro Bad je ein endlackierter Stahl-Plattenheizkörper
- pro Zimmer mindestens ein endlackierter Stahl-Plattenheizkörper
- pro Heizkörper ein Thermostatventil inklusive einstellbarem Thermostatkopf
- alle Heizkörper erhalten Thermostatventile zur Regulierung der Temperatur einschließlich einer Frostschutzstellung. Alle Heizkörper sind einzeln absperr- und entleerbar. Die Heizkörper werden über die Ventilvoreinstellung abgeglichen
- Demontage und umweltgerechte Entsorgung der alten Ölheizungsanlage sowie aller vorhandenen bisherigen Heizleitungen und Heizkörper.
d)
Einbau einer zentralen Schließanlage, Türspion, 3-Fachverriegelung, insbesondere durch folgende Arbeiten:
- die Hauseingangstüren sowie die Wohnungseingangstüren für alle Wohneinheiten, Keller und Nebenräume werden mit einer gleichschließenden Schließanlage, Fabrikat Willka oder gleichwertig, einschließlich neuer Drückergarnituren mit Sicherheitsbeschlägen ausgestattet
- die Wohnungseingangstüren werden mit Türspionen und einer Dreifachverriegelung mit stabilen Schließblechen versehen.
- Installation von mieterrelevanten Schlössern für die Bereiche Hauseingangstür, Wohnungseingangstür, Briefkasten, Keller, Fahrradraum, Aufzug.
2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin und den von ihr beauftragten Handwerkern für die Dauer der Arbeiten für voraussichtlich 21 Werktage nach vorheriger Ankündigung in der Zeit werktäglich von jeweils 07:00 Uhr bis 17:00 Uhr, das Betreten zur oben genannten Mietwohnung durch Öffnen sämtlicher Türen zu gewähren,
3. den Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter 1. und 2. genannten Duldungspflichten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen,
4. die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen innegehaltene Wohnung in der M.-L.-Straße 17 in … B., Vorderhaus, Erdgeschoss links, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Toilette, Bad, Flur, ca. 76,46 m², sowie Keller zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen und hilfsweise die Gewährung einer Räumungsfrist.
Die Beklagten behaupten, die Zahlung der Miete zur Monatsmitte sei mit der ehemaligen Hausverwaltung abgesprochen und auch für die Klägerin in Ordnung gewesen. Am 08.11.2018 sei die Kündigung vom 06.11.2018 nicht in den Briefschlitz der Wohnungseingangstür eingeworfen worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben zum behaupteten Zugang der Kündigung durch Vernehmung der Zeugen R. B. und A. G.. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 03.06.2019 (Bl. 117 ff. d. A.) verwiesen. Die Beklagten haben mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20.06.2019 weiter vorgetragen zur Schwerbehinderung der Beklagten zu 1) und zu Zustellungsproblemen in dem streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung. Die weiteren mit der Klage geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1.
Der Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung folgt aus § 546 Abs. 1, 421 BGB. Das ursprünglich zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 06.11.2018 beendet worden.
a)
Formelle Bedenken gegen die Kündigung vom 06.11.2018 bestehen nicht.
b)
Die Klägerin ist gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt. Nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Nach vorangegangenen unpünktlichen Mietzahlungen kann bereits eine weitere unpünktliche Mietzahlung nach erfolgter Abmahnung eine fristlose Kündigung rechtfertigen (BGH NZM 2012, 22 Rn. 15 m. w. N., zitiert nach juris). Das ist hier der Fall.
(1)
Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung war die monatliche Miete im Voraus, spätestens am dritten Werktag eines Monats, zu zahlen. Die Beklagten sind für die von ihnen behauptete vertragliche Änderung der Fälligkeitsvereinbarung beweisfällig geblieben. Als Beweis haben sie lediglich ihre Parteivernehmung angeboten. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gemäß § 447 ZPO liegen nicht vor, weil die Klägerin das erforderliche Einverständnis nicht erklärt hat. Eine Parteivernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO war mangels Anbeweises nicht durchzuführen. Unabhängig davon kam eine Beweisaufnahme nicht in Betracht, weil sie sich als unzulässiger Ausforschungsbeweis dargestellt hätte. Die Beklagten haben nicht dargelegt, wann und mit wem eine Änderung der Fälligkeit vereinbart worden sein soll.
(2)
Die Beklagten haben die Miete im Jahr 2017 ständig verspätet gezahlt. Auch die Mieten für April 2018, Juni 2018 und Juli 2018 zahlten sie nach der vereinbarten Fälligkeit, nämlich am 11.04.2018, 08.06.2018 und 10.07.2018. Trotz der Abmahnung vom 10.07.2018 zahlten sie die Mieten für Oktober und November 2018 erneut verspätet. Die Oktobermiete zahlten sie erst am 11.10.2018 und die Miete für November 2018 ist bis zum 06.11.2018 nicht bei der Klägerin eingegangen.
(3)
Der Klägerin ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Die Beklagten haben ihre vertragliche Pflicht zur pünktlichen Zahlung der Miete in erheblichem Umfang verletzt. Es kam zu zahlreichen verspäteten Mietzahlungen. Trotz Erinnerung haben die Beklagten die Miete nicht pünktlich entrichtet. Selbst nach einer Abmahnung mit Kündigungsandrohung haben die Beklagten innerhalb kurzer Zeit erneut zwei Monatsmieten verspätet gezahlt. Das Vertrauen der Klägerin in die Wiederherstellung einer pünktlichen Zahlungsweise der Beklagten wurde angesichts dieses Geschehens sofort wieder enttäuscht und ist deshalb nachhaltig erschüttert (vgl. BGH NJW 2009, 1491 Rn. 23 m. w. N., zitiert nach juris). Die behaupteten finanziellen Verhältnisse der Beklagten und die gesundheitlichen Beschwerden der Beklagten zu 1) rechtfertigen angesichts der erheblichen Vertragsverletzungen keine abweichende Beurteilung. Wegen der Schwierigkeiten, die Miete pünktlich zu zahlen, hätten sich die Beklagten rechtzeitig mit der Klägerin in Verbindung setzen müssen. Dies ist nicht geschehen. Sie haben die Mieten ohne Begründung verspätet gezahlt. Die gesundheitlichen Beschwerden der Beklagten zu 1) sind nicht derart gravierend, dass sie das Beendigungsinteresse der Klägerin überwiegen. Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 20.06.2018 waren gemäß § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Sie rechtfertigen auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Unabhängig davon wäre auch bei Zulassung des entsprechenden Sachvortrages eine außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt, da überwiegende Interessen der Beklagten weiterhin nicht gegeben sind.
c)
Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Kündigungserklärung vom 06.11.2018 den Beklagten am 08.11.2018 zugegangen ist. Aufgrund des vorgelegten Einlieferungsbeleges und der Reproduktion des Auslieferungsbeleges besteht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die aufgegebene Sendung durch Einlegen in den Briefkasten zugegangen ist (vgl. BGH NJW 2017, 68 Rn. 33 m. w. N., zitiert nach juris). Das Gericht hat keine Zweifel, dass sich Ein- und Auslieferungsbeleg auf die Kündigungserklärung vom 06.11.2018 beziehen. Die Zeugin B. hat erklärt, dass sie die Kündigungserklärung am 06.11.2018 geschrieben und am nächsten Tag bei der Post in G.-N. aufgegeben hat. Sie hat die in der Gerichtsakte befindliche Kopie der Kündigungserklärung wiedererkannt und bestätigt, dass die dortige Unterschrift von ihr stammt. Sie hat überzeugend erklärt, dass sie die Kündigung in G. zur Post gebracht hat, weil sie dort wohnt. Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft. Die Schilderungen der Zeugin waren in sich schlüssig, frei von Widersprüchen und detailreich und decken sich mit dem vorgelegten Einlieferungsbeleg. Die Reproduktion des Auslieferungsbeleges ist aufgrund der Sendungsnummer dem Einlieferungsbeleg zuzuordnen. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen nicht.
Den insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten ist es nicht gelungen, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Ein Anscheinsbeweis ist entkräftet, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt (BGH NJW 2013, 1092 Rn. 28 m. w. N., zitiert nach juris). Das ist hier nicht der Fall. Die Beweisaufnahme hat die Behauptung der Beklagten, die Kündigung sei am 08.11.2018 nicht in den Briefschlitz zur Wohnungseingangstür geworfen worden, nicht bestätigt. Der Zeuge G. konnte einen Zugang der Kündigung am 08.11.2018 nicht ausschließen. Er hat sich nicht daran erinnert, ob an diesem Tage Post gekommen ist. Verwertbaren Angaben zum (nicht erfolgten) Zugang von Postsendungen am 08.11.2018 konnte er bereits deshalb nicht machen, weil er die Wohnung nach eigenen Angaben spätestens um 11:30 Uhr verlassen hat und es nicht unüblich ist, dass Postsendungen erst nach dieser Zeit zugestellt werden.
Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 20.06.2018 zu Zustellungsproblemen waren gemäß § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Sie rechtfertigen auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Unabhängig davon wäre auch bei Zulassung des entsprechenden Sachvortrages von einem Zugang der Kündigung auszugehen. Denn die behaupteten Zustellungsprobleme sind keine Tatsachen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt. Zum einen handelt es sich bei dem vorgelegten Schreiben nicht um ein Einwurfeinschreiben. Zum anderen ist dieses Schreiben zurückgesandt worden, weil es (evtl. fehlerhaft) nicht zugestellt werden konnte. Das ist nicht mit dem vorliegenden Fall jedoch nicht vergleichbar. Denn das streitgegenständliche Kündigungsschreiben ist gerade nicht zurückgesandt worden.
d)
Es kann dahinstehen, ob die Zeugin R. B., die die Kündigungserklärung vom 06.11.2018 unterzeichnet hat, zu diesem Zeitpunkt zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt war. Denn in der Klageerhebung liegt jedenfalls eine Genehmigung der Kündigung (§ 177 Abs. 1 BGB). Zwar handelt es sich bei der Kündigung um ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig ist (§ 180 Satz 1 BGB). Im vorliegenden Fall sind jedoch die Vorschriften über Verträge (mit der entsprechenden Genehmigungsmöglichkeit) gemäß § 180 Satz 2 BGB anwendbar, weil die Beklagten die von der Zeugin R. B. konkludent behauptete Vertretungsmacht bei Ausspruch der Kündigung nicht rechtzeitig beanstandet haben. Die Beanstandung der Vollmacht mit Schreiben des Berliner Mietervereins vom 05.12.2018 ist nicht unverzüglich und damit nicht rechtzeitig erfolgt (vgl. BGH NJW 2013, 297 Rn. 15, zitiert nah juris). Die Kündigungserklärung ist nach den vorstehenden Ausführungen am 08.11.2018 zugegangen. Die Beanstandung der Vollmacht erfolgte erst fast einen Monat später. Das ist nicht mehr unverzüglich. Aus diesem Grunde kommt auch eine Zurückweisung der Kündigung gemäß § 174 Satz 1 BGB nicht in Betracht.
e)
Der Gesundheitszustand der Beklagten zu 1) rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil nach den vorstehenden Ausführungen ein Grund vorliegt, der die Klägerin zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt (§ 574 Abs. 1 Satz 2 BGB).
2.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Duldung der streitgegenständlichen Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 555a Abs. 1, 555b Abs. 1 BGB, weil die Beklagten aufgrund der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 06.11.2018 nicht mehr Mieter und damit auch nicht mehr zur Duldung verpflichtet sind. Unabhängig davon wäre eine Duldungspflicht der Beklagten nicht fällig, weil die Modernisierungsankündigung vom 22.03.2018 nicht den Voraussetzungen des §§ 555c BGB entspricht (vgl. Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 555c BGB Rn. 66 m. w. N.). Denn bei gebündelten, aber nicht untrennbar zusammenhängenden Maßnahmen muss die voraussichtliche Dauer für jede Maßnahme einzeln angegeben werden (Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 555c BGB Rn. 43 m. w. N.). Das ist hier nicht erfolgt. In der Modernisierungsankündigung vom 22.03.2018 wurde die Dauer für sämtliche Einzelmaßnahmen zusammen mit ca. elf Monaten angegeben. Aus diesem Grund war auch kein Ordnungsgeld anzudrohen.
3.
Den Beklagten war auf ihren Antrag hin gemäß § 721 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine Räumungsfrist zu gewähren. Die Dauer der Räumungsfrist ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls angemessen, insbesondere im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der Beklagten und das wegen des Zahlungsrückstandes bestehende Räumungsinteresse der Klägerin. Die Räumungsfrist ist insbesondere ausreichend lang, um der Gefahr einer Obdachlosigkeit der Beklagten zu begegnen. Im Hinblick auf die Unregelmäßigkeiten bei der Mietzahlung war die Räumungsfrist nur unter der Bedingung der Zahlung der Nutzungsentschädigung zu gewähren.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7 und Nr. 11, 711 ZPO.