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Modernisierungsarbeiten – Anbau eines Aufzugs

AG Berlin-Mitte, Az.: 17 C 158/16, Urteil vom 14.06.2017

1. Die Beklagten werden bei Meldung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, verurteilt, die Durchführung folgender Baumaßnahmen am Gebäude … zu dulden:

a. Anbau einer Aufzugsanlage in einer transparenten Stahl/Glas-Konstruktion an der Hoffassade des Vorderhauses vor den Treppenhausfenstern entsprechend der als Anlage K 1 beigefügten Planskizze, einschließlich des hierfür erforderlichen Einbaus neuer Treppenhausfenster und der Neuerrichtung von Türen zum Treppenhaus an den vier Haltestellen EG, Zwischenpodest EG/1. OG, Zwischenpodest 2. OG/3. OG und Zwischenpodest 4. OG/DG sowie einschließlich der hierfür erforderlichen Einrüstung der betroffenen Fassadenwand,

b. Anbringung einer Vollwärmeschutzdämmung in einer Stärke von ca. 16 cm im Verbundsystem an allen Fassaden des Gebäudes, mit Ausnahme der straßenseitigen Fassade. Hierzu werden die betroffenen Fassadenwände eingerüstet.

c. Das Steildach und das Flachdach des Vorderhauses werden mit ca. 20 cm Mineralwolle gedämmt.

d. Die oberste Geschossdecke des Seitenflügels zum Dachraum wird um ca. 20 cm aufgedoppelt und mit Zellulosedämmung ausgefüllt.

e. Die Kellerdecke wird mit einer mineralischen Dämmung mit ca. 10 cm unterseitig gedämmt.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11/10 des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Abbildung……………..

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Duldung von Modernisierungsarbeiten.

Modernisierungsarbeiten - Anbau eines Aufzugs
Foto: kadmy/Bigstock

Die Beklagten sind aufgrund eines Mietvertrages aus dem Jahr 2005 Mieter einer 192,99 m2 großen 5-Zimmer-Wohnung im 1. Obergeschoss des Vorderhauses und des Seitenflügels des Hauses … straße 11 in Berlin-Moabit. Die Klägerin ist im Jahr 2011 als Vermieterin in das Mietverhältnis eingetreten. Die vereinbarte Nettomiete beträgt seit dem 01. September 2015 monatlich 1.185,35 €, die Wohnung verfügt über zwei Balkone.

Mit Schreiben vom 31. August 2015 kündigte die von der Klägerin bevollmächtigte Hausverwaltung die Durchführung von Modernisierungsarbeiten an, und zwar den Einbau eines Personenaufzugs, den Anbau von Balkonen, den Austausch der einfachverglasten Fenster, die Wärmedämmung von Fassaden mit EPS-Dämmplatten, Dachflächen und Kellerdecken, den Ausbau des Daches und die Hofneugestaltung. Es wurden Modernisierungszuschläge von 164,46 € für den Aufzug, von 79,45 € für den Balkonanbau und von 276,46 € für die Wärmedämmung, insgesamt ein voraussichtlicher Zuschlag von 520,37 € angekündigt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf die eingereichte Kopie Bl. 15 bis 32 d. A. Bezug genommen. Die Beklagten widersprachen den Maßnahmen mit anwaltlichem Schreiben vom 29. April 2016.

Die Klägerin behauptet, wegen der transparenten Bauweise führe der angebaute Personenaufzug nicht zu einer Verschattung der Wohnung der Beklagten, eine Einsichtsmöglichkeit bestehe nicht, da die Aufzugskabine ohne Fenster in geschlossener Bauweise konstruiert sei. Der Aufzug sei zudem wohnwerterhöhend, da sich die Beklagten die Hälfte der sonst zu bewältigenden Treppenstufen sparen würden. Die Klägerin behauptet weiter, die Dämmung der Fassaden werde zu einer erheblichen Energieeinsparung führen, auch wenn die Dämmung der straßenseitigen Fassade unterbleibe. Die EPS-Platten seien schwer entflammbar und führten weder zu einer Veränderung des Raumklimas noch zur Reduzierung des Lichteinfalls.

Die Klägerin beantragt, was erkannt wurde.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, die Ankündigung der Modernisierungsarbeiten genüge nicht den gesetzlichen Voraussetzungen. Zudem würde der Fahrstuhl nur 15 cm von den Wohnungsfenstern angebracht werden, was zu einer Verschattung führen würde. Aus der Kabine könne man zudem direkt in das Berliner Zimmer ihrer Wohnung schauen. Da der Fahrstuhl jeweils nur auf den Treppenpodesten seinen Einstieg habe, liege auch keine Wohnwerterhöhung für die Beklagten vor, schließlich seien durch den Antrieb des Aufzugs erhebliche Geräuschimmissionen zu befürchten. Hinsichtlich der Wärmedämmung seien die Instandsetzungskosten viel zu niedrig angesetzt, diese würden nach Auskunft eines eingeholten Gutachtens bei 41.516,62 € liegen. Das Ankündigungsschreiben sei somit offenbar in der Absicht verfasst worden, die Mieter zu täuschen. Aufgrund der Stärke des vorhandenen Mauerwerks und der Tatsache, dass die straßenseitige Fassade von der Dämmung ausgeschlossen sei, sei eine effektive Wärmedämmung gar nicht mehr möglich. Die für die Dämmung vorgesehenen EPS-Platten würden zudem aus Polystyrol bestehen, was hochgradig feuergefährlich sei. Zudem führe die Dämmung dazu, dass „solare Gewinne“ in der Übergangszeit verhindert würden, das Raumklima werde negativ beeinflusst, so dass es zu Schimmelbildung kommen könne. Schließlich werde der Lichteinfall in erheblicher Weise reduziert. Die dem Putz zur Verhinderung von Algenbildung beigefügten Pestizide seien gesundheitsgefährdend, die Gesamtenergiebilanz des Dämmstoffes unter Beachtung einer Haltbarkeitsdauer von 20 bis 25 Jahren negativ.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die Behauptung der Klägerin, dass die Aufbringung eines Wärmeverbundsystems zu einer nachhaltigen Einsparung von Heizenergie in Form von Endenergie führen würde, obwohl die straßenseitige Fassade nicht gedämmt werden soll. Wegen der Einzelheiten des Beweisbeschlusses vom 07. September 2016 wird auf Bl. 181 d. A., wegen des Inhalts des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. B … vom 13. Februar 2017 auf die Anlage zu Bl. 212 ff. d. A. Bezug genommen. Der Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung am 03. Mai 2015 erläutert, insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bl. 238 f. d. A. Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Duldung der angekündigten Modernisierungsarbeiten gemäß § 555 d BGB zu.

Die Ankündigung der Klägerin vom 31. August 2016 genügt den Anforderungen des § 555 c BGB. Die Klägerin hat darin die geplanten Maßnahmen nach ihrem wesentlichen Inhalt beschrieben, hat über den Beginn und den voraussichtlichen Zeitraum der Arbeiten sowie über die zu erwartenden Modernisierungszuschläge informiert. Bei den angekündigten Maßnahmen – soweit sie nun noch geltend gemacht werden – handelt es sich zudem um Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555 b BGB.

Die Klägerin hat in der Ankündigung vom 31. August 2016 die geplanten Maßnahmen im einzelne dargestellt und die Beklagten dadurch in die Lage versetzt, den Umfang der baulichen Maßnahmen und die Schwere des Eingriffs sowie die Auswirkungen auf die Wohnsituation der Beklagten abzusehen. Die Klägerin hat zudem durch die Beifügung der Planskizzen deutlich gemacht, an welchen Orten sich die jeweiligen Maßnahmen auswirken, so dass dem Informationsanspruch der Beklagten mit der Ankündigung in vollem Umfang Rechnung getragen wurde. Soweit die Angaben zu den Instandsetzungskosten der Fassade zwischen den Parteien streitig sind, haben diese keine Auswirkung auf die formelle Wirksamkeit der Ankündigung, diese sind allenfalls im Mieterhöhungsverfahren relevant.

Die nun noch geltend gemachten Maßnahmen stellen jeweils Modernisierungsmaßnahmen dar.

Die Anbringung einer Aufzugsanlage erhöht den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig. Dabei kommt es auf den Gebrauchsvorteil für das Gebäude an, unabhängig von dem tatsächlichen Nutzen für die Beklagten. Das Vorhandensein eines Fahrstuhls begünstigt die Erreichbarkeit der Wohnungen erheblich, der Transport schwerer Gegenstände in die Wohnungen wird erleichtert. Dass die Haltepunkte des Aufzuges dabei jeweils auf dem Treppenpodest zwischen den Geschossen liegen, ist unerheblich. Der Gebrauchsvorteil ist auch vorhanden, wenn nur noch wenige Treppenstufen überwunden werden müssen. Die Nachteile des Anbaus der Aufzugsanlage im Hof treten hinter die Vorteile zurück. Aufgrund der angekündigten transparenten Bauweise ist eine erhebliche Verschattung der Wohnung der Beklagten nicht anzunehmen. Die kurzzeitige Passage der geschlossenen Aufzugskabine ist als marginale Beeinträchtigung hinzunehmen. Auch etwaige Geräuschemissionen bei der gelegentlichen Nutzung des Aufzugs stellen keinen solchen Nachteil dar, der die Gebrauchsvorteile des Aufzugs aufwiegen könnte.

Die Anbringung der Wärmedämmung an den Fassaden führt zu einer nachhaltigen Einsparung von Endenergie. Dies folgt zur Überzeugung des Gerichts aus den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. B … sowohl in seinem schriftlichen Gutachten vom 13. Februar 2017 als auch seinen mündlichen Erläuterungen in der Verhandlung am 03. Mai 2017. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass die Dämmung eines umbauten Raums auch dann in der Summe zu einer Energieeinsparung führt, wenn nicht alle Seiten des Raums gedämmt werden, so dass das Unterlassen der Dämmung der straßenseitigen Fassade eine Energieeinsparung nicht entgegensteht. Absolut gesehen bleibt der Wärmeverlust der ungedämmten Fassade gleich und steigt nicht etwa dadurch, dass die vorhandene Wärme durch die anderen, gedämmten Fassaden nicht mehr (in bisherigem Umfang) entweichen kann. Vielmehr bleibt diese Wärme sodann dem Raum erhalten. Auch hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass die solaren Wärmegewinne von außen auch bei einer nicht gedämmten Fassade sehr gering seien, so dass deren Verlust durch die Dämmung praktisch zu vernachlässigen sei. Die von dem Sachverständigen berechnete Menge von 940 I Heizöläquivalent, die bei der Wohnung der Beklagten pro Heizperiode eingespart werden kann, stellt eine nachhaltige Einsparung von Endenergie dar. Dass der Sachverständige die Ermittlung der Energieeinsparung nach vereinfachten Heizperiodenbilanzverfahren entsprechend DIN 4108-6 durchgeführt hat, erschüttert die Aussagekraft des Gutachtens nicht. Selbst wenn die Abweichung gegenüber dem genaueren, aber sehr aufwändigen Verfahren nach DIN 18599 bis zu 25 % betragen kann, steht doch nach der Grundaussage des Gutachtens zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die zu erwartende Energieeinsparung erheblich ist. Zudem hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass auch die Gesamtenergiebilanz des verwendeten Dämmstoffes positiv ist, da der für die Herstellung notwendige Energieeinsatz unter Berücksichtigung der berechneten Einsparung nach 1,4 Heizperioden ausgeglichen sein wird.

Dass der aus Polystyrol hergestellte Dämmstoff im Gegensatz zu mineralischen Dämmstoffen erhebliche Nachteile hat, dürfte angesichts der vorgelegten Studien und Erfahrungsberichte anzunehmen sein. Auch das Gericht hat den Eindruck, dass der Gesetzgeber insoweit über die tatsächlichen Risiken des Dämmstoffs durch die entsprechenden Interessenvertreter nicht in ausreichender Weise aufgeklärt worden ist. Das Gericht sieht sich aber gehindert, die gesetzlichen Vorgaben zu übergehen. Der eingesetzte Dämmstoff ist als solcher zugelassen, nach dem Inhalt des Gesetzes kommt es allein auf die wärmedämmenden Eigenschaften des einzusetzenden Dämmstoffes an. Diese ist unstreitig gegeben. Mit der Zulassung des Baustoffes werden die vereinzelt aufgetretenen Risiken offenbar in Kauf genommen. Bei der geplanten Anbringung der EPS-Dämmplatten im Verbundsystem handelt es sich somit um eine Modernisierungsmaßnahme. Gleiches gilt für die Dämmung des Daches, der oberen Geschossdecke und der Kellerdecke. Die Anbringung wärmedämmender Baumaterialien führt zu einer Verringerung des Wärmedurchgangskoeffizienten des betroffenen Bauteils und stellt damit eine energetische Modernisierung dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die der Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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