Modernisierungsarbeiten vor Mietbeginn: Miete zu hoch?
Das Urteil des AG Charlottenburg befasst sich mit der Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete und den daraus resultierenden Ansprüchen der Klägerin, unter Berücksichtigung der Mietpreisbremse und Modernisierungsmaßnahmen. Es stellt fest, dass die Miete die zulässige Höhe überschritt, lehnt jedoch eine umfassende Modernisierung durch die Beklagten ab und spricht der Klägerin teilweise Schadensersatz zu.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Zentrale Punkte des Urteils:
- Verstoß gegen Mietpreisbremse: Die Klägerin macht einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse geltend und fordert die Rückzahlung überhöhter Miete.
- Ortsübliche Vergleichsmiete: Die Miete überstieg zu Mietvertragsbeginn die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10%, basierend auf dem Mietspiegel 2019.
- Unzureichende Modernisierung: Die durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen der Beklagten qualifizieren nicht als umfassende Modernisierung nach § 556 f Satz 2 BGB.
- Zu hohe Miete: Die vertraglich vereinbarte Miete lag signifikant über der erlaubten Grenze, was zu einer Rückzahlungsforderung führt.
- Anspruch auf Schadensersatz: Die Klägerin erhält eine Rückzahlung von 100,71 Euro und Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 280,60 Euro.
- Ablehnung der Aufrechnung durch Beklagte: Die hilfsweise Aufrechnung der Beklagten gegen die Forderungen der Klägerin wird abgelehnt.
- Kostenverteilung im Rechtsstreit: Die Kosten des Rechtsstreits werden zwischen Klägerin und Beklagten aufgeteilt.
- Rechtliche Bewertung: Das Gericht stützt seine Entscheidung auf verschiedene Paragraphen des BGB und legt diese im Kontext des Mietrechts aus.
Übersicht
Modernisierungsarbeiten und Vergleichsmieten
Das Mietrecht, ein essenzieller Bestandteil des deutschen Rechtsalltags, steht im Zentrum einer aktuellen juristischen Auseinandersetzung. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Modernisierungsarbeiten vor Mietbeginn die ortsübliche Vergleichsmiete beeinflussen und welche rechtlichen Konsequenzen daraus erwachsen. Dieser Fall beleuchtet die komplexen Wechselwirkungen zwischen Vermieterpflichten, Mieterrechten und den gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der Mietpreisbremse.
In diesem spezifischen Rechtsfall werden diverse Schlüsselaspekte des Mietrechts tangiert. Es geht um die Ermittlung der angemessenen Miete unter Berücksichtigung von Modernisierungskosten, repräsentiert durch den Mietspiegel, und die Rolle von Gesamtschuldnern in Mietstreitigkeiten. Die Auseinandersetzung umfasst zudem die Thematik der Rechtsverfolgungskosten und wirft Fragen auf hinsichtlich der Abgrenzung von Instandsetzungs- und Modernisierungskosten. Dieser Fall stellt somit ein prägnantes Beispiel für die Komplexität und die praktische Relevanz des Mietrechts dar.
Mietpreisbremse im Fokus: Klage am AG Charlottenburg
Das Amtsgericht Charlottenburg verhandelte kürzlich einen Fall, der sich um die Thematik der Mietpreisbremse drehte. Im Kern stand die Frage, inwieweit Modernisierungsarbeiten vor dem Mietbeginn die ortsübliche Vergleichsmiete beeinflussen dürfen. Die Klägerin, vertreten durch die Zedenten, hatte einen Mietvertrag für eine Wohnung in Berlin abgeschlossen, deren Miete laut Klage über dem erlaubten Maß der ortsüblichen Vergleichsmiete lag. Dies warf grundlegende Fragen hinsichtlich der Mietpreisbremse und der Rechtmäßigkeit der Mietpreisgestaltung auf.
Modernisierungsarbeiten versus ortsübliche Vergleichsmiete
Zentraler Dreh- und Angelpunkt des Falls waren die durchgeführten Modernisierungsarbeiten an der betroffenen Wohnung und deren Einfluss auf die Mietpreisgestaltung. Die Klägerin argumentierte, dass die Miete, die von den Zedenten für die Wohnung entrichtet wurde, deutlich über dem lag, was gemäß dem Mietspiegel 2019 als ortsübliche Vergleichsmiete galt, selbst nach Berücksichtigung eines Zuschlags von 10% gemäß § 556 d BGB. Die Beklagten hingegen hielten dagegen, dass die durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen eine höhere Miete rechtfertigten.
Gerichtliche Entscheidung und ihre Begründung
Das Gericht entschied teilweise zugunsten der Klägerin. Es wurde festgestellt, dass die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10% überschritt, was einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse darstellte. Interessant war dabei die Feststellung des Gerichts, dass die durch die Beklagten durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen nicht als umfassende Modernisierung im Sinne des § 556 f BGB anzusehen waren. Dies hatte wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung der zulässigen Miethöhe. Das Gericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung von 100,71 Euro sowie zur Übernahme der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
Einschätzungen und Auswirkungen des Urteils
Dieses Urteil wirft ein Schlaglicht auf die Komplexität der Mietrechtsgesetzgebung, insbesondere im Hinblick auf die Mietpreisbremse und die Bewertung von Modernisierungsarbeiten. Es zeigt, wie wichtig es für Mieter und Vermieter ist, die gesetzlichen Bestimmungen genau zu kennen und bei Mietvertragsabschlüssen zu berücksichtigen. Ebenso verdeutlicht der Fall die Bedeutung des Mietspiegels als wesentliches Instrument zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Das Urteil könnte daher weitreichende Implikationen für ähnliche Fälle in der Zukunft haben, insbesondere in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was genau umfasst die Mietpreisbremse und in welchen Fällen wird sie angewandt?
Die Mietpreisbremse ist eine gesetzliche Regelung in Deutschland, die die Höhe der Miete bei Neuvermietungen begrenzt. Sie gilt in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt und soll dazu beitragen, den Anstieg der Mieten zu dämpfen. Die Entscheidung, in welchen Gebieten die Mietpreisbremse angewendet wird, liegt bei den Bundesländern. Sie müssen eine entsprechende Verordnung erlassen und die betroffenen Städte oder Gemeinden benennen. Die Mietpreisbremse gilt dann für maximal fünf Jahre, danach muss erneut über ihre Anwendung entschieden werden.
Im Rahmen der Mietpreisbremse darf die Miete bei Neuvermietung nur eine Miete vereinbaren, die die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 % überschreitet. Dies gilt jedoch nicht flächendeckend in ganz Deutschland, sondern nur in den von den Bundesländern bestimmten Gebieten.
Es gibt jedoch auch Ausnahmen von der Mietpreisbremse. So gilt sie beispielsweise nicht für Neubauten und umfassend modernisierte Wohnungen. Weitere Ausnahmen sind, wenn die Vormiete bereits über der durch die Mietpreisbremse festgelegten Obergrenze lag oder wenn die Wohnung im Zuge des Mieterwechsels modernisiert wurde.
Für alle ab dem 1. Januar 2019 neu entstandenen Mietverhältnisse müssen Vermieter ihre Mieter unaufgefordert darüber informieren, ob sie sich auf eine Ausnahme von der Mietpreisbremse berufen.
Die Mietpreisbremse ist nicht mit dem Mietendeckel zu verwechseln, der eine Mietobergrenze, eine Mietsenkung für überhöhte Mieten und einen Mietenstopp umfasste und nur in Berlin auf Landesebene beschlossen wurde.
Die Mietpreisbremse wurde bis Ende 2025 verlängert und Mieter können rückwirkend zu viel gezahlte Miete zurückfordern.
Das vorliegende Urteil
AG Charlottenburg – Az.: 209 C 29/22 – Urteil vom 09.06.2023
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 100,71 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2022 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 280,60 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2022 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 59% und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 41% zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der Gegenpartei abwenden, soweit nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des Vollstreckungsbetrags leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin macht mit ihrer Klage einen Verstoß gegen die sogenannte Mietpreisbremse geltend. Nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits macht sie noch die Rückzahlung von 832,29 Euro für den Monat Mai 2020 sowie die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung geltend.
Die Zedenten der Klägerin, … und …, waren vom 16. April 2019 bis zum 9. Januar 2021 Mieter der Wohnung … Straße …, … Berlin, 2. OG links, mit einer Wohnfläche von 93 m². Hierfür zahlten sie eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 1700 Euro. Unter anderem im Monat Mai 2020 zahlten die Zedenten der Klägerin anstatt der mietvertraglich geschuldeten 1700 Euro nettokalt nur 1409,75 Euro nettokalt an die Beklagten.
Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Mietvertrages wird auf Blatt 15-22 der Akten Bezug genommen. Das Haus, in dem die Wohnung gelegen ist wurde in den Jahren 1919-1949 errichtet. Im Mietspiegel von Berlin von 2019 ist die Wohnung in das Feld L3 einzuordnen, 4 der 5 Wohnwertmerkmale sind wohnwerterhöhend zu berücksichtigen, ein Merkmal neutral, sodass zum Mittelwert des Mietspiegels ein Zuschlag von 80% geboten ist. Die durch den Mietspiegel 2019 ausgewiesene ortsübliche Vergleichsmiete würde inklusive eines Zuschlags von 10% (§ 556 d BGB) 867,71 Euro betragen. Die Differenz zur vertraglich vereinbarten Miete beträgt 832,29 Euro. Am 25. April 2020 traten die Mieter ihre Ansprüche gegen die Beklagten an die Klägerin ab und erteilten der Klägerin Vollmacht zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gemäß der sogenannten Mietpreisbremse. Mit Schreiben vom 5. April 2020 rügte die Klägerin gegenüber dem Beklagten den Verstoß gegen die Mietpreisbremse, verlangte Auskunft über die Tatsachen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete maßgeblich sind und forderte zur Rückerstattung der überhöht verlangten Miete nebst der anteiligen Mietkaution auf. Sie setzte der Beklagten hierfür Frist bis zum 29. April 2020 hinsichtlich des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Blatt 33-39 d.A. Bezug genommen. Mit E-Mail vom 5. Mai 2020 bestätigte die Hausverwaltung der Beklagten den Eingang des Schreibens, Blatt 137 d. A. Hierauf erteilte die Beklagte am 29. September 2020 Auskunft und bot der Klägerin Einsichtnahme in alle Unterlagen an. Hinsichtlich des Inhalts des Schreibens wird auf Anlage B1 (dort fälschlich mit 30. Januar 2023 datiert), Blatt 81-86 d. A. Bezug genommen. Mit Klageerwiderung vom 30. Januar 2023 hat die Beklagte über die Darlegungen im vorgerichtlichen Schreiben vom 29. September 2020 hinaus detailliert zu den Modernisierungsmaßnahmen Stellung genommen und erstmals dargelegt, in welchem Umfang Abzüge für Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen wurden.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
1. Die Beklagten zu verurteilen, Auskunft über folgende Fragen zu erteilen:
a) Welche baulichen Maßnahmen wurden in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses mit … und … („Mieter“) in der vom 16.4.2019 bis zum 9.1.2021 von der Beklagten angemieteten Wohnung, … straße …, … Berlin, 2. OG links („Wohnung“) oder im Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, durchgeführt, in welchem konkreten Zeitraum ist dies geschehen und welche Beträge entfallen dabei auf die jeweiligen Einzelmaßnahmen und welche Beträge auf bauliche Maßnahmen im Sinne des § 555b Nr. 1-7 BGB? In welchem Zustand befand sich die streitgegenständliche Wohnung bzw. das streitgegenständliche Gebäude vor den einzelnen Baumaßnahmen in den jeweils durch diese veränderten Bereichen und wann wurden in der Wohnung bzw. dem Gebäude welche Erhaltungsmaßnahmen, die zu diesem Zustand führten, zuletzt davor durchgeführt?
2. Die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 832,29 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 1.952,55 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2023 haben die Parteien mit wechselseitigen Kostenanträgen den Klageantrag zu 1 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagten sind der Meinung, die Auskunftsansprüche der Klägerin mit Schreiben vom 29. September 2020 erfüllt zu haben. Sie sind ferner der Meinung, dass der Mietspiegel 2021 nicht anwendbar sei. Weiterhin sind sie der Meinung, dass die landesrechtliche Verordnung gemäß § 556 d Abs. 2 BGB mangels ordnungsgemäß veröffentlichter Begründung nicht wirksam in Kraft getreten sei. Schließlich sind Sie der Meinung, dass vorliegend die ortsübliche Miete allein durch Sachverständigengutachten zu bestimmen sei.
Die Beklagten bestreiten den Zugang der Rüge vom 15. April 2020.
Die Beklagten behaupten in ihrer Klageerwiderungsschrift mit nunmehr detaillierteren Darlegungen, dass anrechenbare Modernisierungskosten in Höhe von 441,33 Euro pro Monat entstanden seien. Sie sind darüber hinaus der Meinung, dass es sich bei den dargelegten Modernisierungsmaßnahmen um eine umfassende Modernisierung i.S.v. § 556 f Satz 2 BGB handle.
Die Beklagten erklären die hilfsweise Aufrechnung gegen die Zahlungsforderungen der Klägerin mit den zu wenig bezahlten Monatsmieten für Mai und Juni 2020 sowie Dezember 2020 und anteilig Januar 2021 sowie der Nebenkostennachzahlung des Jahres 2020.
Die Klage ist den Beklagten am 5. Dezember 2022 zugestellt worden. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von 100,71 Euro aus §§ 556 g Abs. 1 Satz 3, 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 398 Satz 2 BGB.
Das streitgegenständliche Mietverhältnis unterliegt den Bestimmungen der §§ 556 d ff BGB. Die Wohnung befindet sich in einem durch Verordnung bestimmten Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt. Die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 (GVBl. 2015 S. 101) ist gemäß der Entscheidung des BGH, Urteil vom 19. Januar 2022 – VIII ZR 123/21 -, der sich das Gericht anschließt, nicht wegen einer unzureichenden Veröffentlichung der Begründung unwirksam. Die Verordnungsbegründung ist in hinreichender Weise und rechtzeitig vor Inkrafttreten der Verordnung am 1. Juni 2015 veröffentlicht worden.
Mit Schreiben vom 15. April 2020 wurde der Verstoß gegen die genannten Bestimmungen gemäß § 556 g Abs. 2 BGB gerügt. Das Bestreiten der Beklagten des Zugangs der Rüge ist unbeachtlich, da die Hausverwaltung der Beklagten den Zugang bereits mit ihrer E-Mail vom 5. Mai 2020 bestätigte.
Die Miete überstieg zu Mietvertragsbeginn die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10%. Hierbei ist der Mietspiegel 2019 zugrunde zu legen, da der Mietvertragsbeginn am 16. April 2019 war, mithin während der Geltung des Mietspiegels 2019. Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist dieser Mietspiegel anzuwenden, der Einholung eines ergänzenden Gutachtens bedarf es nicht. Der BGH verdeutlicht in der Entscheidung VIII ZR 22/20, dass er die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete mittels Mietspiegel und Orientierungshilfe für die zu bevorzugende Vorgehensweise hält, aber den vom Landgericht Berlin in einem Ausnahmefall gewählten Weg über ein Sachverständigengutachten rechtlich für möglich. (vgl. auch Börstinghaus). Dem folgt das Gericht. Allein aufgrund der erheblich größeren Datengrundlage eines Mietspiegels im Vergleich zu einem Sachverständigengutachten erscheint der Mietspiegel als die geeignetere Grundlage zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Zudem dient ein veröffentlichter, allgemein zugänglicher Mietspiegel den Mietvertragsparteien als transparente Informationsgrundlage und vermeidet rechtliche Unsicherheiten.
Der Berechnung der Klägerin hinsichtlich der ortsüblichen Vergleichsmiete sind die Beklagten nicht entgegengetreten, sodass inklusive des 10-prozentigen Zuschlags von einer maximal zulässigen Nettokaltmiete von 867,71 Euro auszugehen ist.
§ 556 f BGB schließt die Anwendung von § 556 d BGB nicht aus, da es sich bei den Baumaßnahmen der Beklagten nicht um eine umfassende Modernisierung im Sinne dieser Vorschrift handelt. Umfassend ist eine Modernisierung dann, wenn sie einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und zudem einen solchen Umfang aufweist, der eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheinen lässt. Beide Prüfungskriterien sind dabei von grds. gleichem Gewicht. Wie schon bei der Beurteilung der Frage, wann ein Neubau iSd S. 1 vorliegt, kann auch hier zur Auslegung auf § 16 WoFG zurückgegriffen werden. Soweit § 16 Abs. 3 WoFG definiert, was alles eine Modernisierung ist, bedarf es keines Rückgriffs auf diese Norm, weil hier § 555b BGB die speziellere Norm ist. § 16 Abs. 3 WoFG würde den Modernisierungsbegriff entgegen der seit 2013 für den preisfreien Wohnungsbau geltenden Rechtslage unnötigerweise einschränken. § 16 Abs. 1 Nr. 4 WoFG zählt aber bereits zum Neubau solche Maßnahmen, bei denen durch die Änderung von bestehendem Wohnraum dieser unter wesentlichem Bauaufwand an geänderte Wohnbedürfnisse angepasst wird. Damit ist bei einer umfassenden Modernisierung zum einen auf den Investitionsaufwand und zum anderen auf das Ergebnis der Maßnahme, also die qualitativen Auswirkungen auf die Gesamtwohnung abzustellen. Die aufgewandten Kosten einer reinen Erhaltungsmaßnahme gem. § 555a BGB zählen insgesamt nicht zu den Modernisierungskosten. Allein die Höhe des Bauaufwandes reicht nicht aus, entscheidend ist das Resultat, also der geschaffene Zustand. Der Begriff „umfassend‟ bezeichnet nämlich nicht nur ein quantitatives (Kosten-)Element, sondern gleichberechtigt ein qualitatives Kriterium. Zu berücksichtigen sind die qualitativen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesamtwohnung. Nur eine solche Auslegung wird dem Gesetzeszweck Modernisierungen zu fördern gerecht. Durch diesen Aufwand muss ein Zustand erreicht werden, der einer Neubauwohnung in etwa – nicht notwendig vollständig – entspricht. Hierzu zählen insbesondere die Sanitäreinrichtungen, die Heizung, die Fenster, die Fußböden, die Elektroinstallationen und der energetische Zustand der Wohnung. Besondere Bedeutung kommt beim Vergleich mit dem Neubaustandard dabei dem energetische Zustand nach der Modernisierung zu. Wird hier kein neubaugleicher Zustand geschaffen, muss dieses Manko durch besonders umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen in mehreren anderen Bereichen kompensiert werden (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB § 556f Rn. 17-20). Vorliegend fehlen Darlegungen der Beklagten, dass durch die Maßnahmen ein Zustand erreicht wurde, der insbesondere in energetischer Hinsicht einem Neubau gleichkommt. Zwar wurden nach ihren Ausführungen Isolierglasfenster eingebaut, aber keine Kalkulation der energetischen Auswirkungen der Modernisierungsmaßnahmen vorgelegt. Allein der Einbau verschiedener energetisch sinnvoller Komponenten führt nicht zwangsläufig zu einer relevanten energetischen Verbesserung des Zustands der Wohnung. Die energetische Sanierung ist vielmehr planerisch in einer Gesamtkonzeption sorgfältig vorzubereiten. Hierfür fehlen jegliche Darlegungen. Da es sich bei § 556 f S. 2 BGB um eine – eng auszulegende – Ausnahmevorschrift handelt (BGH NJW-RR 2021, 524 Rn. 29, beck-online), sind an entsprechende Darlegungen strenge Anforderungen zu legen, ihr gänzliches Fehlen wiegt entsprechend schwer.
Die Beklagten können jedoch die durch sie durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 556 e Abs. 2 BGB in Höhe von 441,33 Euro pro Monat in Anrechnung bringen. Das Bestreiten der Klägerin hinsichtlich des Zustands der Wohnung vor der Modernisierung, des Umfangs und der Kosten der Modernisierungsmaßnahmen sowie der Aufteilung der Kosten zwischen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen ist unbeachtlich. Die Beklagten boten der Klägerin Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen an und legten ihre Berechnung jedenfalls mit der Klageerwiderung substantiiert offen, sodass es der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen wäre die Berechtigung der Forderung zu überprüfen. Da die Einsichtnahme der Unterlagen in Berlin möglich war, war es der Klägerin zumutbar sich zur Einsichtnahme in die Geschäftsräume der Hausverwaltung der Beklagten zu begeben. Nach wohl h. M. sind die Belege dort einzusehen, wo die Verwaltungstätigkeit des Vermieters erfolgt (§ 269 Abs. 1 und 2 BGB), also beim Privatvermieter in dessen Wohnung, beim Wohnungsunternehmen im Verwaltungsgebäude und beim Verwalter in dessen Büro (Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 556 Rn. 185) Eine Ausnahme gilt nur, wenn sich die Wohnung in einer anderen Gemeinde befindet. Dann muss der Vermieter die Einsicht am Ort der Wohnung (nicht in der Wohnung des Mieters) anbieten (LG Freiburg GE 2011, 693 = NZM 2012, 23; Wall a. a. O.; Langenberg in: Schmidt-Futterer § 556 BGB Rdn. 488; Artz in: Staudinger § 556 BGB Rdn. 114; Sternel Mietrecht aktuell (2009) Rdn. V 391; Macciejewski MM 2003, 83, 84).
Insgesamt war eine Nettokaltmiete für die streitgegenständliche Wohnung in Höhe von 1309,04 Euro berechtigt. Da die Zedenten der Klägerin im Mai 2020 lediglich 1409,75 Euro auf die Nettokaltmiete zahlten, ergibt sich der Rückzahlungsanspruch in Höhe von 100,71 Euro.
Die hilfsweise Aufrechnung der Beklagten mit diversen Gegenforderungen seit Juni 2020 gegen die Zedenten der Klägerin ist mangels rechtlicher Zulässigkeit nicht möglich, § 406 BGB. Hiernach ist die Aufrechnung des Schuldners von Ansprüchen gegen die Zedenten einer Forderung gegenüber dem neuen Gläubiger der Forderung nur dann möglich, solange der Schuldner bei Entstehen des Anspruchs noch keine Kenntnis von der Abtretung hatte. Vorliegend waren die Zedenten der Klägerin die bisherigen Gläubiger des Rückforderungsanspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung für die Miete Mai 2020. Für Mai 2020 besteht jedoch kein Rückforderungsanspruch der Beklagten, sondern ein Zahlungsanspruch gegen sie. Mit späteren Forderungen gegen die Zedenten können die Beklagten nicht aufrechnen, da ihnen die Abtretung seit Übersendung des Rügeschreibens der Klägerin vom 15. April 2020 bekannt ist.
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 280,60 Euro aus §§ 280,286 BGB.
Entsprechend dem Beschluss des Kammergerichts vom 29. September 2022 – 12 W 26/22 -, Rn. 7, an den sich auch die hiesige Berufungskammer und das Gericht gebunden fühlen, bestimmt sich der Wert der Feststellung einer nach § 556d Abs. 1 BGB die zulässige Höhe übersteigenden Miete nach § 41 Abs. 5 GKG n. F. analog in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Jahreswert der streitigen Miete, wenn die Sache wie hier nach dem 01.01.2021 anhängig gemacht wurde.
Entsprechend errechnet sich der berechtigte Anspruch:
Streitwert der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung:
(Feststellung, 12 x tats. Überschreitung (also 100 Euro): 1.200,00 Euro Gerechtfertigter Überschreitungsbetrag: 100,00 Euro Anteilige Überschreitung Kaution (3x 100 Euro): 300,00 Euro Streitwert Rückerstattung Miete (2x 100 Euro) 200,00 Euro Streitwert Primäransprüche: 1.800,00 Euro Geschäftsgebühr (1,3): 215,80 Euro Auslagenpauschale 20 Euro
MwSt. 44,80 Euro Summe 280,60 Euro
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288 BGB Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 ZPO. Hinsichtlich des erledigten Teils der Klageforderung sind die Kosten entsprechend § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen den Beklagten aufzuerlegen. Erst in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2023 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es den bislang selbst als bestehend angesehenen Auskunftsanspruch infolge der Klageerwiderung für nicht mehr gegeben hält. Daraufhin hat die Klägerin diesen Anspruch unverzüglich für erledigt erklärt und die Beklagten der Erledigterklärung zugestimmt. Von der Klägerin kann nicht erwartet werden, dass nach zuvor gegenteiligem gerichtlichen Hinweis diesen Anspruch für erledigt erklärt. Infolge des korrigierten gerichtlichen Hinweises entstand für die Klägerin eine neue Rechtslage, der sie unverzüglich Rechnung getragen hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.