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Modernisierungsmaßnahme – Mietminderung bei Verschattung und Verkleinerung des Balkons

AG Tempelhof-Kreuzberg – Az.: 3 C 178/18 – Urteil vom 19.12.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Mietminderung.

Die Klägerin schloss am 22.01.2011 einen Mietvertrag mit dem Voreigentümer über die im Haus (…) Berlin, Vorderhaus, 5. OG Mitte gelegenen Wohnung zu einer Gesamtmiete von 370,00 €. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Wohnraummietvertrages wird auf die als Anlage K 1 eingereichte Ablichtung desselben verwiesen. Die Beklagte erwarb das Haus (…) im Jahr 2014.

Die Beklagte kündigte im Jahr 2015 Modernisierungsmaßnahmen an. Die Klägerin widersprach den Modernisierungsmaßnahmen. Die Parteien schlossen vor dem Amtsgericht Tempelhof Kreuzberg am 15.10.2015 unter der Geschäftsnummer 23 C 140/15 einen Vergleich (Anlage B 9 zur Klageerwiderung). Darin verpflichtete sich die jetzige Klägerin zur Duldung der Modernisierung nach Maßgabe der Modernisierungsankündigung vom 31. März 2015 (Anlage K 2 zur Klageschrift); die jetzige Beklagte verpflichtete sich zu Ausgleichzahlungen für die Zeit der Modernisierungsmaßnahmen.

In der Folge ließ die Beklagte die Fassade dämmen und baute das Dachgeschoss im 6. und 7. OG aus. In diesem Zusammenhang ließ sie über dem Balkon der Klägerin Dachterrassen errichten.

Die Klägerin behauptet, durch die angebrachte Dämmung und den neu im 6. OG angebrachten Balkon ihr Balkon, das Schlafzimmer, die Küche und teilweise das Wohnzimmer deutlich verschattet würden. Zudem sei ihr Balkon durch die Fassadendämmung um ca. 0,75 m² kleiner als zuvor.

Die Klägerin beantragt zuletzt, festzustellen, dass die Miete für die Wohnung der Klägerin in (…) Berlin, Vorderhaus 5. OG Mitte, in Höhe von 300,20 € zuzüglich Betriebs- und Heizkostenvorschuss in Höhe von 130,00 €, mithin 430,20 € vom 01.10.2017 bis zum 30.04.2018 und in Höhe von 300,83 € zuzüglich Betriebs- und Heizkostenvorschuss in Höhe von 130,00 €, mithin 430,83 € seit dem 01.05.2018 in einer vom Gericht festzusetzenden Höhe von 10 % wegen Verschattung der Wohnung, wegen Schießscharteneffekt der Fenster, wegen niedrigerer Deckenhöhe und wegen Verkleinerung des Balkons dauerhaft gemindert ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig.

Modernisierungsmaßnahme - Mietminderung bei Verschattung und Verkleinerung des Balkons
(Symbolfoto: HouseOfMan/Shutterstock.com)

Die Klägerin hat grundsätzlich ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Das Interesse an der Feststellung des Bestehens und der Höhe der Minderung folgt aus dem Umstand, dass die Klägerin ohne eine gerichtliche Feststellung die angemessene Höhe der Minderung kaum abschätzen kann und sich ansonsten dem Risiko einer Kündigung gemäß §§ 543 Abs. 2, 569 Abs. 3 BGB aussetzt. Das Feststellungsinteresse der Klägerin entfällt auch nicht deshalb, weil sie in Bezug auf bereits möglicherweise zu viel gezahlten Mietzins Leistungsklage erheben könnte. Die Erhebung einer Feststellungsklage ist auch in einer solchen Konstellation zulässig, wenn die gerichtliche Feststellung zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt; BGH, Urteil vom 19. April 2016 – VI ZR 506/14 –, zitiert nach juris. Die Klägerin erlangt durch die Feststellung der Minderung Gewissheit über den künftig von ihr zu entrichtenden Mietzins, gleichzeitig kann sie die in der Vergangenheit möglicherweise aufgrund der Minderung überzahlten Mieten mit künftigen Mietzinsansprüchen der Beklagten verrechnen, so dass die Feststellung hier dem Ergebnis einer Leistungsklage vergleichbar ist. Prozessökonomisch ergibt es insofern keinen Sinn, die Klägerin bezüglich der bereits entstandenen Rückzahlungsansprüche auf die Leistungsklage zu verweisen; vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1985 – VIII ZR 142/84 –, zitiert nach juris.

Nach Klarstellung in der mündlichen Verhandlung genügt der Antrag auch den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten für die streitbefangene Wohnung kein Minderungsrecht gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.

(1) Der zwischen den Parteien am 15.10.2015 vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg unter dem Geschäftszeichen 23 C 140/15 geschlossene Vergleich (Anlage B 9 zur Klageerwiderung) steht dem Minderungsverlangen der Klägerin nicht entgegen. Die jetzige Klägerin verpflichtete sich zur Duldung der Modernisierung nach Maßgabe der Modernisierungsankündigung vom 31. März 2015 (Anlage K 2 zur Klageschrift); die jetzige Beklagte verpflichtete sich zu Ausgleichzahlungen gegenüber der Klägerin für die Zeit der Modernisierungsmaßnahmen. Der Vergleich enthält keine Vereinbarung, die eine spätere Minderung der Miete aufgrund der durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen durch die Klägerin ausschließt.

Ebenso wenig ist eine Minderung aufgrund der Verpflichtung der Klägerin zur Duldung der Modernisierung ausgeschlossen. Auch wenn die Klägerin zur Duldung der Maßnahme verpflichtet war, kann ihr Mietzins gemindert sein; LG Berlin Urt. v. 13.11.2013 – 18 S 99/13 -, zitiert nach beck-online. Der Duldungsanspruch des Vermieters gegenüber dem Mieter stellt kein Gestaltungsrecht dar, mit welchem der Vermieter einseitig den Mietvertrag in Bezug auf die Sollbeschaffenheit verändern kann. Dies entspricht nicht der Interessenlage der Parteien, weil eine zu duldende Modernisierungsmaßnahme durchaus eine nachteilige Beschaffenheit im Vergleich zum nicht modernisierten Zustand zur Folge haben kann; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 555 b Rn. 12.

(2) Der Mietzins ist indes nicht gemindert; es liegt allenfalls eine nur unerhebliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung vor, welche die Klägerin als Mieterin nicht zur Minderung berechtigt, § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB.

§ 536 BGB befreit den Mieter von der Pflicht zur Zahlung des Mietzinses in dem Umfang, in dem die vermietete Sache zur Zeit oder nach der Überlassung mit einem Mangel behaftet ist, der die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert. Maßgebend für das Vorliegen eines Mangels sind in erster Linie die Parteivereinbarungen. Der Mietvertrag enthält in § 7 (Anlage K1 zur Klageschrift) die Vereinbarung, dass die Mieträume wie besichtigt übernommen werden. Unstreitig wurde sodann auf der Grundlage der Modernisierungsankündigung der Beklagten aus dem Jahr 2015 (Anlage K 2 zur Klageschrift) die Fassade mit ca. 14 cm dicken Polystyrolplatten gedämmt und über der Wohnung der Klägerin ein Balkon bzw. Dachterrassen angebracht, so dass die Mietsache insofern nunmehr von dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags bestehenden Zustand abweicht. Anders als im scheinbar ähnlich gelagerten Fall einer zunehmenden Verschattung durch wachsende Bäume musste die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2011 nicht damit rechnen, dass sich die Lichtverhältnisse in ihrer Wohnung verändern würden; vgl. dazu AG Neukölln, Urteil vom 02. Juli 2008 – 21 C 274/07 –, zitiert nach juris. Eine durch die Beklagte beziehungsweise die vorherige Eigentümerin beabsichtigte Modernisierung war der Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bekannt.

Die Minderung der Tauglichkeit ist jedoch lediglich unerheblich und muss damit gemäß § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB außer Betracht bleiben. Unerheblich sind Mängel, die den Gebrauchswert der Wohnung nur geringfügig beeinträchtigen, so dass die Geltendmachung einer Minderung gegen Treu und Glauben verstoßen würden, vgl. Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 536 Rn. 46ff. mit zahlreichen Nachweisen).

Hinsichtlich der geltend gemachten Verschattung der Wohnung einschließlich eines sog. Schießscharteneffekts hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin schon das Vorliegen eines minderungsrelevanten Mangels nicht hinreichend vorgetragen. Unstreitig liegt die Wohnung im 5. Obergeschoss mit süd- bzw. südöstlicher Ausrichtung der Fensterflächen; vor diesem Hintergrund gesteht die Klägerin selbst zu, dass die Wohnung „immer noch recht hell“ ist. Diesen Eindruck gewinnt auch das erkennende Gericht in Ansehung der zu den Akten gereichten Fotos von dem großen Wohnzimmer der streitgegenständlichen Wohnung. Dieses verfügt über drei Fenster, von denen keines von den Terrassen tangiert wird; allein die Balkontür geht zu der überdachten Fläche hinaus. Fotos, aus denen sich eine (relevante) Verschattung des weiteren Raumes (Schlafzimmer) und der Küche sowie der behauptete Schießscharteneffekt ergeben könnten, reicht die Klägerin auch auf den entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung nicht ein. Angesichts einer Dämmstärke von lediglich 14 cm in Relation zu der aus den eingereichten Fotografien ersichtlichen Größe der Fenster vermag das Gericht auf der Grundlage des klägerischen Vortrags einen solchen Schießscharteneffekt nicht zu erkennen.

Ohne dass es danach noch entscheidungserheblich darauf ankommt, spricht in diesem Zusammenhang zudem einiges dafür, dass – wie die Beklagte vorträgt – aufgrund der je nach Jahreszeit variierenden Sonnenhöchststände gerade in den lichtärmeren Zeiten Frühjahr, Herbst und Winter die Sonne ohnehin nicht so hoch steht, als dass der über der Wohnung der Klägerin liegende Balkon zu einer (relevanten) Verschattung führen würde, während sich im Sommer die Überdachung als sommerlicher Wärmeschutz sogar gebrauchswerterhöhend auswirkt.

Soweit sich aufgrund der Fassadendämmung die Fläche des Balkons verkleinert hat, folgt hieraus ebenfalls keine Minderung, da es sich auch insoweit um einen lediglich unerheblichen Mangel handelt. Nach dem Vortrag der Klägerin hat sich die Fläche des Balkons um 0,75 m² verkleinert. Dies entspricht einem Anteil von 1,57 % der Gesamtwohnfläche von 47,87 m². Nach § 4 Nr. 4 der Wohnflächenverordnung ist die Grundfläche eines Balkons in der Regel nur zu einem Viertel auf die Wohnfläche anzurechnen. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Balkon nicht das ganze Jahr über nutzbar ist. Nach ständiger Rechtsprechung stellt zudem erst eine Flächenabweichung von mehr als 10 % einen erheblichen Mangel im Sinne von § 536 Absatz 1 Satz 1 BGB dar; BGH, Urteil vom 28.09.2005 – VIII ZR 101/04 -, zitiert nach juris. Dass hier bereits durch die geringe Flächenabweichung von 0,39 % (worauf 3,51 € der Gesamtmiete entfallen) eine erhebliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs entstanden ist, hat die Klägerin weder dargelegt, noch ist dies den Fotos zu entnehmen, noch kann dies in Anbetracht dessen, dass es sich lediglich um den Balkon der Wohnung handelt, angenommen werden; vgl. KG, Beschluss vom 15. 8. 2005 – 8 U 81/05 -, zitiert nach juris. Aus den von der Klägerin eingereichten Fotos wird vielmehr deutlich, dass auf dem Balkon weiterhin ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen ausreichend Platz findet und dieser auch gut von zwei Personen genutzt werden kann, ohne dass beim Verlassen des Balkons die andere Person aufstehen muss.

Eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch folgt auch nicht aus der an der Decke des Schlafzimmers angebrachten nur 10 cm hohen Verkofferung.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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