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Modernisierungsmaßnahme – Verringerung des Lichteinfalls ist ein Mietmangel

AG Berlin-Schöneberg – Az.: 13 C 129/20 – Urteil vom 11.02.2021

1. Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin für die Wohnung G. Straße, B., 3. Geschoss Mitte, geschuldete Miete um 5% gemindert ist, solange der Lichteinfall in ihre Wohnung bestimmt wird durch einen darüber liegenden Balkon mit einer Fläche von 6,3 m², durch eine Gesamtfläche der Fensterscheiben von 4,67 m² und durch ein auf die Fassade aufgebracht des Vollwärmeverbundsystem mit einer Stärke von 15 cm.

2. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 45,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. September 2016 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 4.445,13 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Modernisierungsmaßnahme - Verringerung des Lichteinfalls ist ein Mietmangel
(Symbolfoto: lara-sh/Shutterstock.com)

Die Klägerin mietete im Kalenderjahr 2002 die Wohnung G. Straße, B., 3. Geschoss Mitte an. Die Wohnung besteht, aus einem ganzen und einem halben Zimmer sowie Balkon, Küche, Bad Abstellraum und Flur und hat eine Fläche von 39,74 m². Die Beklagte wurde nachfolgend Vermieterin der Klägerin.

Für den Mietvertrag wird auf Bd. I Blatt 6-10R der Akte verwiesen. Für den Grundriss der Wohnung wird auf Bd. II Bl. 47 d.A. verwiesen.

Im Kalenderjahr 2016 führte die Beklagte umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen am Objekt durch. Die Miete – einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen – betrug zu diesem Zeitpunkt 302,39 Euro monatlich.

Hierbei wurde auf der Straßenseite ein Vollwärmeverbundsystem mit einer Stärke von 15 cm ausgebracht. Die alten Fenster der Wohnung wurden gegen isolierte Fenster ausgetauscht, deren Rahmen breiter als die vorher vorhandenen Fenster sind. Das Fenster im Wohnzimmer kann nunmehr nicht mehr geöffnet werden. Im Schlafzimmer besteht das Fenster aus 2 Elementen von das rechte, kleinere, Element nicht geöffnet werden kann.

Ferner wurde der Balkon oberhalb, des Balkons und Wohnzimmers der Klägerin von einer vorher vorhandenen Fläche von ca. 4m² auf 6,5 m² vergrößert.

Ferner wurde in der Wohnung in Küche und Bad ein auf Feuchtigkeit reagierendes geregeltes Entlüftungssystem installiert.

Mit Schreiben des Mietervereins vom 13. April 2015 rückte die Klägerin, dass die geplanten Umbauarbeiten den Lichteinfall voraussichtlich deutlich verringern würden und erklärte künftige Mietzahlungen ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu leisten.

Die Klägerin behauptet, der Lichteinfall in die Wohnung werde durch den darüberliegenden bei Cohen, die verringerte Fenstergröße, eine leicht bläuliche Färbung der Fensterscheiben sowie das auf die Fassade aufgebrachte voll Wärmeverbundsystem mit einer Stärke von 15 cm erheblich vermindert, die Lüftung führe zu einem unangenehmen kalten Luftzug und Lärm, dass Fenster putzen in Wohn- und Schlafzimmer sei nunmehr risikobehaftet.

Die Klägerin beantragt

1. festzustellen, dass der von der Klägerin für die Wohnung G. Straße, B., 3. Geschoss Mitte, geschuldete Mietzins

a. um 15% gemindert ist, solange der Lichteinfall in ihre Wohnung bestimmt wird durch einen darüberliegenden Balkon mit einer Fläche von 6,3 m², durch eine gesamte Fläche der Fensterscheiben von 4,57 m², durch eine leicht bläuliche Färbung der Fensterscheiben und durch ein auf die Fassade aufgebracht des voll Wärmeverbundsystem mit einer Stärke von 15 cm;

b. in den Monaten Mai bis Oktober um 5% und in den Monaten November bis April um 10% gemindert ist, solange in der Wohnung eine geregelte Lüftung entsprechend DIN 1946-6 betrieben wird;

c. um 5% gemindert ist, solange man das Wohnzimmerfenster und einen Flügel des Schlafzimmerfensters nicht öffnen kann.

2. die Beklagte zu verurteilen an sie 317,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem überlegen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, etwaige negative Veränderungen sein jedenfalls unerheblich. Die Beklagte meint, der durch eine Modernisierung geschaffene Zustand könne per se nicht als Mangel des Mietobjekts angesehen werden.

Das Gericht hat die Klage der Beklagten am 12. September 2016 zugestellt. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 15. Dezember 2017 (Bd. I Blatt 191f der Akte) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 27. Mai 2019 (Bd. II Blatt 29-59 der Akte) verwiesen.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt aus dem berechtigten Interesse an der Feststellung des Umfangs der vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei Zahlungsverzug der Ausspruch der Kündigung und damit Wohnungsverlust droht.

Die Klage ist teilweise begründet, soweit die Klägerin die Feststellung der Minderung und Zahlung wegen verringerten Lichteinfalls in Höhe von 5% begehrt, im Übrigen unbegründet.

(1) Die Einschränkung des Lichteinfalls beschränkt die Tauglichkeit der Mietsache erheblich und mindert die Zahlungspflicht der Klägerin um 5%; § 536 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB.

Allein die Tatsache, dass eine Verschlechterung der Mietsache durch eine Modernisierung herbeigeführt wurde vermag den Anspruch des Mieters auf Minderung nicht auszuschließen. Der Anspruch des Vermieters nach § 555d Abs. 1 BGB geht ausdrücklich lediglich auf die Duldung einer Modernisierungsmaßnahme. Damit einhergeht auch den Ausschluss des Anspruchs auf Beseitigung des durch eine ordnungsgemäß durchgeführte Modernisierungsmaßnahme geschaffenen Zustands, da andernfalls die Modernisierung sogleich wieder zu dulden wäre. Der Anspruch auf Duldung führt aber nicht dazu, dass die vertraglich vereinbarte Sollbeschaffenheit geändert wird (MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, BGB § 536 Rn. 47).

Dies stellt die Durchführung von Modernisierungen nicht grundsätzlich in Frage, weil der Anknüpfungspunkt für eine Minderung in zweifacher Hinsicht eingeschränkt ist. Einerseits muss es sich um eine Einschränkung der objektiven Tauglichkeit handeln, so dass rein individuelle Vorstellungen des Mieters außer Betracht bleiben und andererseits muss diese Einschränkung erheblich sein.

Die Verminderung des Lichteinfalls in eine Wohnung durch eine Modernisierung stellt eine Minderung der Tauglichkeit dar (vgl. (LG Berlin, Urteil vom 05. September 2019 – 67 S 101/19; LG Berlin, Urteil vom 13. November 2013 – 18 S 99/13; LG Berlin, Urteil vom 08. Januar 2004 – 67 S 312/01; AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 14. Dezember 2017 – 8 C 186/17). Soweit der Sachverständige ein seinem Gutachten ausführt, die Tauglichkeit des Mietobjekts sei nicht eingeschränkt, weil die Anforderungen der Bauordnung Berlin eingehalten seien, folgt das Gericht dem nicht. In rechtlicher Hinsicht unzutreffend legt der Sachverständige nicht die vertragliche vereinbarte Sollbeschaffenheit sondern das nach öffentlichem Recht vorgegebene Mindestmaß an Fensterflächen als Maßstab zugrunde.

Die Einschränkung der Tauglichkeit ist vorliegend auch erheblich. Nach den sachverständigen Feststellungen, denen das Gericht in tatsächlicher Hinsicht nach nochmaliger eigener Überprüfung folgt, hat sich die Fensterfläche im Wohnzimmer um 4%, im Schlafzimmer um 19% und in der Küche um 23% verringert, insgesamt um 0,59m² (entsprechend 11%) auf 4,67m². Eine aussergewöhnliche, den Lichteinfall hemmende bläuliche Färbung des Glases konnte der Sachverständige nicht feststellen.

Ob dies allein die Erheblichkeitsschwelle erreicht kann hier offen bleiben, denn der Lichteinfall wird im Wohnzimmer durch die Vergrößerung des Balkons von zuvor 3,66m² auf nunmehr 7,03m² (jeweils Außenmaße) und die Aufbringung des Wärmedämmverbundsystems weiter verringert. Der direkte Sonnenlichteinfall wird nach den Sachverständigen Berechnungen am 21.06. erst 1:54h später erreicht und am 21.03. und 21.09. jeweils 51 Minuten später.

In der Gesamtwürdigung rechtfertigt dies eine Minderung von 5%. Eine höhere Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit ist nicht gegeben. Zwar sind alle Räume betroffen und die Reduzierung des Lichteinfalls ist erheblich, aber die Einschränkung der Tauglichkeit ist verhältnismäßig gering, da das weitergehende Erfordernis die Wohnung künstlich zu beleuchten keine weitergehende objektive Einschränkung darstellt.

Ob die Einschränkung der Tauglichkeit durch eine andere Ausführung vermeidbar gewesen wäre ist aus Sicht des Gerichts unerheblich (a.A. LG Berlin, Urteil vom 05. September 2019 – 67 S 101/19). Es macht dogmatisch für die vertragliche Beschaffenheit keinen Unterschied, ob die Einschränkung der Tauglichkeit vermeidbar ist oder nicht. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn – wie bei der Vergrößerung des Balkons – der Vorteil der Modernisierungsmaßnahme einer anderen Mietsache zugutekommt. Hinzukommt rein tatsächlich, dass die am wenigsten in die Tauglichkeit eingreifende Maßnahme typischerweise mit den höchsten Kosten verbunden sein wird (besonders effektive Dämmstoffe o.ä.), hierdurch würden die Kosten für den Vermieter und damit auch die Modernisierungsumlage häufig massiv erhöht, ohne dass der zusätzliche Nutzwert in angemessenem Verhältnis zu den Mehrkosten stünde. Hier würden sich die Kosten nach Berechnung des Sachverständigen für das Wärmedämmverbundsystem etwa verdoppeln, um eine etwas dünnere Ausführung zu erreichen.

(2) Soweit die Klägerin eine Minderung wegen des Betriebs der Lüftungsanlage begehrt ist die Klage unbegründet. Die Geräuschentwicklung liegt nach den sachverständigen Messungen auch in der höheren zweiten Stufe bei LAF,max,n. ≤ 26 dB und liegt damit noch deutlich unter dem Empfehlungswert der – bei Fertigstellung noch im Entwurf befindlichen DIN 4109:2013-06 der LAF,max,n. ≤ 32 dB vorsieht. Selbst wenn eine Einschränkung der Tauglichkeit überhaupt anzunehmen sein sollte, da jedenfalls im Badezimmer schon immer ein Lüfter vorhanden war, ist diese jedenfalls unerheblich.

Allein der Luftzug stellt keine Einschränkung der Tauglichkeit dar. Maßgeblich ist nicht das subjektive Empfinden der Klägerin sondern, dass objektiv die Lüftung bei Bedarf durch Erreichen kritischer Feuchtigkeitswert automatisiert durchgeführt wird. Der Luftzug muss objektiv aufgrund der vorhanden Feuchtigkeit in jedem Fall hergestellt werden, allein die Durchführung passiert automatisiert und ist damit komfortabler, was keine Einschränkung des Tauglichkeit darstellt.

(3) Soweit die Klägerin ausführt, dass das Fenster in Wohnzimmer und der rechte Flügel im Wohnzimmer nicht zu öffnen sind liegt keine erhebliche Minderung der Tauglichkeit vor. Beide Räume können über die Balkontür und den anderen Fensterflügel problemlos und ausreichend weiterhin gelüftet werden. Die Reinigung des Wohnzimmerfensters von außen ist vom Balkon aus ohne Erschwernis möglich.

Die Reinigung des rechten Fensterflügels des Schlafzimmers ist von innen heraus ohne erhebliche Erschwernisse möglich, da der feststehende Teil des Fensters einschließlich des Rahmens nach den sachverständigen Feststellungen lediglich 52cm breit ist und daher unter Verwendung einer Verlängerungsstange gefahrlos von innen zu reinigen. Zwar bringt die Notwendigkeit der Verwendung eines Verlängerungsgegenstandes eine gewisse Erschwernis, die allerdings unter Berücksichtigung dessen, dass die Fensterreinigung üblicherweise nur etwa 2 bis 6 mal im Jahr erfolgt und dann nur eine kurze Zeit beansprucht, unerheblich ist.

(4) Nach dem vorstehend dargelegten kann die Klägerin gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB i.V.m. § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB die Rückzahlung ohne Rechtsgrund geleisteter Miete an die Klägerin für die Monate April bis Juni 2016 in Höhe von 15,12 Euro monatlich (302,39 Euro x 5%), entsprechend insgesamt 45,36 Euro verlangen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert des Feststellungsantrags beträgt das 42fache der begehrten Minderung von durchschnittlich 32,5% und damit 4127,62 Euro (302,39 Euro x 32,5% x 42 Monate; vgl. BGH, Beschluss v. 14.6.2016, VIII ZR 43/15). Hinzuzurechnen ist der Wert des Zahlungsantrags.

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