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Modernisierungsmaßnahme – Wegfall der Duldungspflicht des Mieters

LG Berlin – Az.: 67 S 78/16 – Beschluss vom 26.04.2016

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung als offensichtlich unbegründet im Beschlusswege zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen. Zutreffend hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen und die Klägerin im Rahmen der Widerklage verurteilt, den unter Vorbehalt gezahlten Mietzins zurückzuzahlen. Die Berufung rechtfertigt keine andere Beurteilung.

1.

Der Klägerin steht der auf die Modernisierungsmieterhöhungserklärung vom 9. September 2013 gestützte Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete für den Zeitraum ab Juni 2014 nicht zu, da sich die Miete nicht gemäß § 559 ff. BGB a.F aufgrund des von der Klägerin veranlassten Fahrstuhlanbaus modernisierungsbedingt erhöht hat.

Auf die streitgegenständliche Erhöhung ist – was die Berufung nicht in Zweifel zieht – gemäß Art. 229 § 29 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB altes Recht anzuwenden, da die Klägerin mit den streitgegenständlichen Maßnahmen vor dem 1. Mai 2013 begonnen hat. Sie kann sich in der Sache allerdings nicht mit Erfolg auf eine Erhöhung des Mietzinses gemäß § 559 Abs. 1 BGB a.F. berufen, da die geltend gemachte Erhöhung für die Beklagte mit einer nicht zu rechtfertigenden Härte i.S.d. § 554 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB a.F. verbunden wäre.

Gemäß § 554 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB a.F. hat der Mieter die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme nicht zu dulden, wenn die Maßnahme für ihn eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter in dem Gebäude nicht zu rechtfertigen ist. Dabei sind insbesondere die vorzunehmenden Arbeiten, die baulichen Folgen, vorausgegangene Aufwendungen des Mieters und die zu erwartende Mieterhöhung zu berücksichtigen.

Zwar ist der – finanzielle – Härteeinwand des Mieters bereits ausweislich des Gesetzeswortlauts der §§ 554 und 559 BGB a.F. nicht im Rahmen des § 559 Abs. 1 BGB a.F., sondern gemäß § 554 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB a.F. allein bei dem der Erhöhung vorgelagerten Duldungsanspruch des Vermieters beachtlich. Etwas anderes gilt jedoch ausnahmsweise dann, wenn der Vermieter dem Mieter die Geltendmachung des Härteeinwands im Duldungsprozess – wie hier – dadurch vereitelt, dass er die Maßnahme entgegen § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. nicht ankündigt und sie gleichwohl durchführt. Zwar ist auch in solchen Fällen eine spätere Modernisierungsmieterhöhung nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BGH, Urt. v. 2. März 2011 – VIII ZR 164/10, NJW 2011, 1220 Tz. 14). Die Erhebung des Härteeinwands ist dann aber – gemäß § 242 BGB – auch noch im Erhöhungsprozess möglich und beachtlich (vgl. BGH, a.a.O. Tz. 16). Ob etwas anderes gilt, wenn der Mieter auch ohne vorherige Modernisierungsankündigung von den Maßnahmen und ihrem Charakter Kenntnis erlangt und sich mit deren Durchführung einverstanden erklärt, kann dahinstehen. Denn aus den Gründen des angefochtenen Urteils, auf die die Kammer Bezug nimmt und denen insoweit nichts hinzuzufügen ist, befand sich die Beklagte bis zur erst im Nachgang der Maßnahmen erfolgten “Ankündigung” vom 4. Januar 2013 in Unkenntnis von deren Charakter und der von der Klägerin beabsichtigen anteiligen Kostenumlage auch auf sie. Auch ihre Zustimmung zur beabsichtigten Modernisierung und späteren Kostenumlage hat die Beklagte weder vor, während noch nach Durchführung der Maßnahmen erklärt.

Das Vorliegen einer nicht zu rechtfertigenden Härte hat das Amtsgericht zutreffend bejaht:

Die von der Klägerin für die Installation von Außenaufzügen umgelegten Modernisierungskosten von 82.140,00 EUR würden für die Beklagte zu einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete um 71,66 EUR und zusätzlichen monatlichen Betriebskostenvorschüssen von 108,00 EUR und damit zu einer Erhöhung der bisherigen – mittlerweile gemäß § 558 Abs. 1 BGB weiter erhöhten – (Nettokalt-)Miete von 204,58 EUR auf insgesamt 384,24 EUR führen. Eine zusätzliche Mietzinsbelastung von 179,66 EUR ist für die Beklagte jedoch auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Klägerin nicht zu rechtfertigen.

Die Beurteilung, ob eine für den Mieter nicht zu rechtfertigende finanzielle Härte vorliegt, entzieht sich einer schematischen Betrachtung der Quote von Haushaltseinkommen und erhöhter Miete. Es ist vielmehr auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles abzustellen, wobei neben den modernisierungsbedingten finanziellen Belastungen des Mieters auch das Maß der durch die Modernisierung geschaffenen Komfortverbesserung zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Dezember 2013 – VIII ZR 174/13, NJW-RR 2014, 396 Tz. 1, 2). Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht die Zumutbarkeit der zusätzlichen finanziellen Belastung für die Beklagte zutreffend verneint:

Für die vorzunehmende Abwägung ist von dem zum Erklärungs- und Erhöhungszeitpunkt erzielten monatlichen Gesamteinkommen der Beklagten auszugehen, welches das Amtsgericht rechtsfehlerfrei unter Zugrundelegung der eingereichten Gewinnermittlung der Beklagten, ihrer eidesstattlichen Versicherung und des Wohngeldbescheides des Bezirksamts Pankow mit einem Betrag von monatlich 846,65 EUR bemessen hat ((9.737,83 EUR : 12) + 31,00 EUR Wohngeld). Soweit die Klägerin auch weiterhin die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten bestreitet, ist ihr dies unbehelflich. Denn sie trifft hinsichtlich der von der Beklagten zu beweisenden negativen Tatsache, dass über die angegebenen Einkünfte hinaus keine weiteren Einkünfte erzielt werden oder weiteres Vermögen vorhanden ist, nach den Regeln zum Beweis negativer Tatsachen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast. Dieser ist sie nicht gerecht geworden. Sie hätte die Behauptung der Beklagten, ihre Einkünfte und ihr Vermögen vollständig angegeben zu haben, substantiiert bestreiten und ihrerseits darlegen müssen, welche konkreten zusätzlichen Einkünfte und Vermögen der Beklagten zuzurechnen sein sollen. Erst wenn ihr Vorbringen diesen Anforderungen genügt hätte, wäre es an der Beklagten gewesen, die substantiiert vorgetragenen zusätzlichen Einkünfte zu widerlegen (vgl. BGH, Urt. v. 20. März 2013 – XII ZR 120/11, NJW 2013, 1447; LG Berlin, Urt. v. 9. Juli 2013 – 63 S 438/12, juris Tz. 4). An entsprechenden Darlegungen indes fehlte es. Das gilt auch hinsichtlich des von der Klägerin behaupteten erhöhten Wohngeldanspruchs der Beklagten; gegen einen solchen spricht bereits der von der Beklagten zur Akte gereichte Wohngeldbescheid, der genau den von ihr behaupteten Zuschuss ausweist und sogar ein niedrigeres als das von der Kammer angesetzte Einkommen der Beklagten als Bemessungsgrundlage heranzieht. Unabhängig davon ist der Vortrag der Beklagten zu ihren Einkommensverhältnissen auch prima facie zutreffend, da die eingereichten Unterlagen nicht nur in sich schlüssig sind, sondern auch in ihrer Gesamtschau nicht in Widerspruch zu dem ergangenen Wohngeldbescheid stehen.

Den sich demnach anzusetzenden monatlichen Einnahmen von 846,65 EUR stehen bisherige monatliche Nettokaltmietzinsbelastungen von 204,58 EUR gegenüber, so dass der Beklagten ohne den Ausspruch der streitgegenständlichen Erhöhung für die Bestreitung der sonstigen Mietnebenkosten und ihres allgemeinen Lebensunterhaltes monatlich noch lediglich 642,07 EUR (21,40 EUR täglich) zur Verfügung standen. Bereits dieser Betrag liegt deutlich unter dem gemäß § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei zu stellenden Existenzminimum von derzeit monatlich 721,00 EUR (2014: 696,16 EUR); die genannte Grenze würde noch deutlicher unterschritten, wenn die Beklagte zusätzlich mit der von der Klägerin erklärten Mieterhöhung von 179,66 EUR belastet würde und ihr ein monatliches Resteinkommen von nur noch 462,41 EUR (15,41 EUR täglich) verbliebe. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob ein Überschreiten der aufgezeigten abstrakten Grenze durch eine Modernisierungsmieterhöhung grundsätzlich deren Unzumutbarkeit für den Mieter indiziert (vgl. Kammer, Urt. v. 30. Mai 2013 – 67 S 577/12, juris Tz. 36; Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 559 Rz. 104), ebensowenig, ob dem Mieter nach der Erhöhung von seinem Einkommen so viel verbleiben muss, dass er im Wesentlichen an seinem bisherigen Lebenszuschnitt festhalten kann (vgl. dazu Emmerich, in: Staudinger, Neubearb. 2014, § 559 Rz. 34 m.w.N.). Denn hier waren die der Beklagten zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel bereits vor der Modernisierung absolut so gering, dass jede weitere modernisierungsbedingte Erhöhung für sie zu einer nicht mehr zu rechtfertigen Härte geführt hätte. Diese Wertung gilt unabhängig, erst Recht aber vor dem Hintergrund, dass bei Mietern mit niedrigen Einkommen dem mit der Modernisierung verbundenen Grad des Komfortzuwachses bei der Beurteilung einer nicht zu rechtfertigenden Härte eine gesteigerte Bedeutung zukommt. Bedingt durch diese Wechselwirkung führen – selbst nur anteilige – modernisierungsbedingte Mieterhöhungen bei Mietern mit einem besonders niedrigen Einkommen allenfalls dann nicht zu einer nicht zu rechtfertigenden Härte, wenn die Modernisierung mit einem nachhaltigen und deutlichen Zuwachs an Wohnkomfort verbunden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Dezember 2013 – VIII ZR 174/13, NJW-RR 2014, 396 Tz. 2 (zur Berücksichtigung des Komfortzuwachses)). Von einem derart deutlichen Komfortgewinn durch den von der Klägerin installierten Außenaufzug kann für die im 2. Obergeschoss gelegene Wohnung der Beklagten allerdings bereits wegen der lediglich auf den Ebenen der Zwischengeschosse eingerichteten Haltepunkte des Fahrstuhls keine Rede sein; es ist sogar zweifelhaft, ob eine nicht vollständig barrierefrei errichtete Aufzugsanlage – vor allem für Mieter niedergeschossiger Wohnungen – überhaupt eine Modernisierung der Mietsache darstellt (vgl. Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 555b Rz. 101 m.w.N.).

Schließlich führen auch der Zuschnitt und die Größe der von der Beklagten angemieteten – 74,65 m² großen – 2-Zimmer Wohnung zu keinem der Klägerin günstigeren Abwägungsergebnis. Zwar kann bei der gebotenen Interessenabwägung zu Lasten des Mieters Berücksichtigung finden, dass er sich – gemessen an seinen sozialen Verhältnissen – eine viel zu große und teure Wohnung leistet (vgl. Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, a.a.O., § 559 Rz. 105). Jedoch ist ein derartiges Missverhältnis hier nicht gegeben. Einerseits ist die Wohnung nicht unverhältnismäßig groß, da nach den als Vergleichsmaßstab heranziehbaren Angaben des Statistischen Bundesamtes die durchschnittliche Wohnfläche eines 1-Personen Haushaltes im Jahr 2011 69,6 m² betrug (Statistisches Jahrbuch 2014, S. 151); diese Fläche überschreitet die streitgegenständlichen Wohnung aber nur geringfügig. Andererseits war die Wohnung für die Beklagte vor der streitgegenständlichen Erhöhung mit einer Nettokaltmiete von 204,58 EUR auch nicht erheblich zu teuer, sondern – gemessen an ihrem vergleichsweise niedrigen Einkommen – gerade noch finanzierbar. Das gilt erst Recht für den Zeitpunkt der Wohnungsanmietung im Jahr 1989, an dem die Beklagte eine – auch für sie – erschwingliche Monatsmiete von lediglich 51,40 M zu entrichten hatte. Auch das hat das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

2.

Davon ausgehend ist auch die auf Rückzahlung der unter Vorbehalt geleisteten Erhöhungsbeträge von insgesamt 1.074,30 Euro nebst anteiliger Zinsen gerichtete Widerklage der Beklagten gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 288 ff. BGB begründet.

II.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11. Mai 2016, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.

 

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