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Modernisierungsvereinbarung mit verschuldensunabhängiger Vertragsstrafenklausel

LG Berlin – Az.: 63 S 233/11 – Urteil vom 31.01.2012

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 06.04.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 15 C 505/09 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Klägerin als Mieterin begehrt von der Beklagten als Vermieterin die Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer Modernisierungsvereinbarung in Höhe von 5.000,00 €.

Die Parteien schlossen Ende September 2008 eine umfangreiche Modernisierungsvereinbarung über die von der Klägerin innegehaltene Wohnung. Diese sah in einer Anlage mit besonderen Vereinbarungen unter anderem vor, dass die vorhandenen Altbautüren und der Dielenboden bei den nachfolgenden Modernisierungsarbeiten – soweit wirtschaftlich vertretbar – erhalten bleiben sollten.

Ziff. g) 3. der Modernisierungsvereinbarung lautete: „Verletzt der Vermieter seine Verpflichtung, die Ausstattung der Wohnung mit den Einzelheiten gemäß der Anlagen 2 und 4 vertragsgemäß herzustellen, so hat er eine Vertragsstrafe von mindestens 5.000,00 EUR zu zahlen.“

Bei Rückgabe der Wohnung an die Klägerin hatte die Beklagte mit Ausnahme einer Flügeltür die alten Türen und Türrahmen durch neue sowie den Dielenboden durch Parkettboden ersetzt.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten deshalb die Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 €. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung sowie darüber, ob der Erhalt der alten Türen und des Dielenbodens wirtschaftlich vertretbar war und ob sich die Klägerin die Vertragsstrafe gemäß § 341 Abs. 3 BGB bei der Annahme der Wohnung vorbehalten hat.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es auf Seiten der Klägerin an einem ausdrücklichen Vorbehalt der Vertragsstrafe gemäß § 341 Abs. 3 BGB fehle. Der auf dem Übergabeprotokoll nach Abschluss der Modernisierungsarbeiten handschriftlich angebrachte Zusatz „unter Vorbehalt der Vereinbarungen d. Mod.Ver.“ sei zu pauschal.

Gegen dieses der Klägerin am 08.04.2011 zugestellte Urteil hat sie mit am 03.05.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Fristverlängerung bis zum 08.07.2011 mit am 04.07.2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

1.

Die statthafte (§ 511 Abs. 1 ZPO), den notwendigen Wert der Beschwer erreichende (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 517, 519, 520 ZPO) Berufung ist zulässig.

2.

Die Berufung hat in der Sache im Ergebnis keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 € aus Anlage 3 Ziff. g) 3. der Modernisierungsvereinbarung.

a) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass der Anspruch der Klägerin an einem unterlassenen Vorbehalt scheitert. Ungeachtet der Frage, ob der auf dem Übergabeprotokoll vermerkte Zusatz nicht einen ausreichenden Vorbehalt darstellt, ist § 341 Abs. 3 BGB auf das hier vereinbarte Strafversprechen nicht anwendbar. Ein Vorbehalt ist nach dieser Vorschrift nur erforderlich, wenn ein Strafversprechen für eine nicht gehörige – also schlechte oder verspätete – Erfüllung vereinbart wurde, nicht aber für eine Nichterfüllung, die in § 340 BGB geregelt ist. Der Unterschied zwischen § 340 BGB und § 341 BGB besteht maßgeblich darin, dass der Gläubiger die Strafe wegen nicht gehöriger Erfüllung zusätzlich zur Erfüllung verlangen kann, während im Fall des § 340 BGB der Strafanspruch mit der Erfüllung des Hauptanspruchs erlischt (Palandt/Grüneberg, BGB 68. Aufl., § 341 Rn. 2). Vorliegend ergibt eine Auslegung der Modernisierungsvereinbarung, dass die Strafe bei Fehlen bestimmter Ausstattungsmerkmale verwirkt sein sollte, also im Falle der (teilweisen) Nichterfüllung. Es ist offensichtlich, dass der Klägerin zumindest nach Zahlung der Vertragsstrafe kein Anspruch auf Wiederherstellung des Dielenbodens oder der Altbautüren mehr zustehen soll, dass also der Erfüllungsanspruch und der Strafanspruch nur alternativ bestehen. § 341 Abs. 3 BGB ist daher nicht anwendbar. Ein Vorbehalt ist nur dann erforderlich, wenn der Gläubiger eine schlechte oder verspätete Leistung annimmt, neben der der Strafanspruch kumulativ fortbestehen kann.

b) Der Anspruch der Klägerin besteht jedoch deshalb nicht, weil die Vertragsstrafenvereinbarung in Anlage 3 Ziff. g) 3. unwirksam ist. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die die Beklagte unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

aa) Bei der Modernisierungsvereinbarung handelt es sich um Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden. Das von den Parteien verwendete Formular wurde nämlich von der Mieterberatung … GmbH, welche anfänglich die Klägerin vertrat, zum Abschluss vorgeschlagen und nicht speziell für die in der Wohnung der Klägerin vorzunehmende Modernisierung entwickelt. Dies ergibt sich zum einen aus den mehrfach vorhandenen Möglichkeiten zum Ankreuzen und zum anderen aus dem Musterformular, welches die Mieterberatung der Beklagten vorab mit E-Mail vom 23.11.2007 übersandt hatte und welches – von den nachträglich eingefügten Individualvereinbarungen abgesehen – wortgleich mit der zwischen den Parteien geschlossenen Modernisierungsvereinbarung ist.

Diese Vertragsbedingungen hat die Klägerin der Beklagten auch „gestellt“ im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn eine Partei hinsichtlich der vorformulierten Bedingungen ein konkretes Einbeziehungsangebot macht. Es ist demgegenüber nicht erforderlich, dass die Vertragsbedingung dem anderen Teil auferlegt, d.h. ohne Verhandlungsbereitschaft oder aufgrund entsprechender Machtposition des Verwenders einseitig durchgesetzt werden muss (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.02.1997 – 6 U 137/96, BB 1997, 754; vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 68. Aufl., § 305 Rn. 10). So kommt auch der Mieter als Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber dem Vermieter in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 24.05.1995 – XII ZR 172/94, Grundeigentum 1995, 1007), weshalb hier in der Übermittlung des Formulars an die Beklagte ohne weiteres ein Einbeziehungsangebot gesehen werden kann.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht der Umstand, dass die Modernisierungsvereinbarung nicht von der Klägerin selbst entworfen, sondern von der Mieterberatung zur Verwendung vorgeschlagen wurde, nicht der Annahme entgegen, dass diese von der Klägerin „gestellt“ wurde. Zwar ist § 305 Abs. 1 BGB nicht einschlägig, wenn die Vertragsbedingungen nicht von einer Vertragspartei, sondern von einem Dritten vorgeschlagen werden (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 68. Aufl., § 305 Rn. 10), doch war die Mieterberatung nicht in diesem Sinne „Dritter“, sondern von der Klägerin zur Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen in die Vertragsanbahnung eingeschaltet worden und damit Abschlussgehilfin der Klägerin (§ 278 BGB) – vgl. BGH, Urt. v. 14.12.2010 – VIII ZR 143/10, WuM 2011, 96.

bb) Der Umstand, dass die Beklagte Unternehmerin ist, steht einer Anwendbarkeit von § 307 BGB nicht entgegen. Gem. § 310 Abs. 1 BGB finden lediglich die §§ 305 Abs. 2 und 3, 308, 309 BGB keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden.

cc) Die Vertragsstrafen-Klausel in Anlage 3 Ziff. g) 3. der Modernisierungsvereinbarung ist unwirksam, da sie die Beklagte entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 339 BGB ist eine Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Schuldner „in Verzug kommt“. Hierfür ist Voraussetzung, dass der Schuldner die Nicht- oder Schlechtleistung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB) – also grundsätzlich gemäß § 276 BGB ein Verschulden. Der Vorschrift liegt – als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots – das Bestreben zugrunde, den Schuldner, dem ein Vertragsstrafenversprechen unverhältnismäßig große Nachteile bringen kann, zu schützen (BGH, Urt. v. 18.04.1984 – VIII ZR 50/83, Grundeigentum 1984, 625). Von diesem Grundgedanken weicht die Vertragsstrafen-Klausel ab, da diese lediglich daran anknüpft, dass die Beklagte ihre Verpflichtung verletzt, die Wohnung vertragsgemäß mit den vereinbarten Einzelheiten auszustatten, ohne dass es nach dem Wortlaut der Klausel darauf ankäme, ob die Beklagte diese Vertragsverletzung zu vertreten hat oder nicht. Diese Erwägungen gelten nicht nur in den im Baurecht spezifischen Vertragsgestaltungen, sondern auch – wie sich der vorgenannten Entscheidung entnehmen lässt – im Bereich der Dauerschuldverhältnisse.

Das Verschuldenserfordernis im Sinne des § 339 BGB kann zwar abbedungen werden; geschieht dies individualvertraglich, so ist eine entsprechende Regelung grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil sie – in den Grenzen der §§ 138, 242 BGB – dann durch das Prinzip der Vertragsfreiheit gedeckt wird.

In einseitig vom Verwender aufgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen vermag eine von § 339 BGB abweichende verschuldensunabhängige Vertragsstrafe dagegen regelmäßig nicht wirksam vereinbart werden (st. Rspr. des BGH, vgl. BGH, Urt. v. 18.04.1984 – VIII ZR 50/83, Grundeigentum 1984, 625; BGH, Urt. v. 24.04.1991 – VIII ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1031; BGH, Urt. v. 26.09.1996 – VII ZR 318/95, NJW 1997, 135; BGH, Urt. v. 23.01.2003 – VII ZR 210/01, NJW 2003, 1805; BGH, Urt. v. 13.12.2001 – VII ZR 432/00, NJW 2002, 1274; BGH, Urt. v. 06.12.2007 – VII ZR 28/07, NJW-RR 2008, 615 jew. m.w.N., vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 19.01.2005 – 11 U 4/00, IBR 2006, 247). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nur dann ausnahmsweise von einer Wirksamkeit auszugehen, wenn gewichtige Umstände vorliegen, welche die Vertragsstrafenregelung trotz der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht mit Recht und Billigkeit noch vereinbar erscheinen lassen, die verschuldensunabhängige Haftung des Vertragsstrafenschuldners also durch sachliche, die Unwirksamkeitsvermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausräumende Gründe gerechtfertigt ist (vgl. BGH, vgl. BGH, Urt. v. 18.04.1984 – VIII ZR 50/83, Grundeigentum 1984, 625).

Solche Gründe sind nicht ersichtlich. Zwar mag die Vereinbarung einer verschuldensunabhängigen Vertragsstrafe durch das Interesse der Klägerin motiviert sein, die Beklagte zu einer vertragsgemäßen Rückgabe der modernisierten Wohnung anzuhalten, doch kann nicht erkannt werden, dass dieses Interesse durch eine Vertragsstrafe auch für den Fall geschützt werden müsste, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen aus der Modernisierungsvereinbarung weder vorsätzlich noch fahrlässig verletzt.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

 

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