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Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bei Beeinträchtigung durch vermietetes Sondereigentum

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 13/19 – Urteil vom 01.11.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Pflicht zur Tragung von Kosten für einen Wasserschaden.

Der Kläger ist Mitglied der Beklagten und Eigentümer der mit Nr. 9 bezeichneten und im 2. OG des Hauses … belegenen Wohnung, die er an den Streitverkündeten vermietet hat. Es gilt die notarielle Teilungserklärung gemäß Anlage B1. Im Frühjahr 2018 trat ein Durchfeuchtungsschaden im Gebäude bzw. in der unter der Wohnung des Klägers liegenden Wohnung auf, der im Zuge einer Leckageortung bzw. einer Belastungsprobe auf mangelhafte Silikon- und Fliesenfugen im Badezimmer der Wohnung des Klägers zurückgeführt wurde (vgl. Anlage B2). Die wegen des Leitungswasserschadens von der Beklagten in Anspruch genommene Gebäudeversicherung glich die geltend gemachte Schlussrechnung der Fa. … vom 20. September 2018 für die Beseitigung des Schadens u.a. im Bereich der Zwischendecke zwischen den Wohnungen im 1. OG und 2. OG in Höhe von 13.379,37 € brutto (Anlage B4) lediglich mit einem Betrag von 7.581,49 € aus und verwies darauf (Anlage B3), dass die Rechnung neben den versicherten Arbeiten auch „den Austausch des Deckenbalkens und die dafür erforderlichen Fliesenarbeiten“ enthalte. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 (Anlage K1) forderte die Beklagte den Kläger durch ihre Verwaltung zur Zahlung von insgesamt 6.428,58 € auf, und zwar für die Leckageortung durch Fa. … (416,50 €), die Regiekosten der Verwaltung gemäß Anlage K2 (214,20 €) und die Schlussrechnung der Fa. … unter Einrechnung der Zahlung der Versicherung. Der Kläger zahlte den geforderten Betrag zunächst an die Beklagte und forderte diesen zunächst mit einem eigenen Schreiben vom 31. Januar 2019, anschließend – nach Fristablauf – mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Februar 2019 (Anlage K4) zurück. Die Beklagte, vertreten durch ihre Verwaltung, lehnte eine Rückerstattung der Zahlung mit Schreiben vom 22. Februar 2019 ab.

Der Kläger macht geltend, dass er sich ein angebliches Verschulden seines Mieters betreffend die behauptetermaßen schadhafte Silikonfuge nicht zurechnen lassen müsse. Ohne Anzeige eines Schadens entstehe auch kein Schadensersatzanspruch nach § 536c Abs. 2 BGB. Sein Mieter habe auch nicht unbedingt sehen müssen, dass Fugen undicht geworden seien. Es gebe auch keine allgemeine Überprüfungspflicht des Mieters oder des Vermieters für die Silikonfugen. Eine Zurechnung fremden Verschuldens über § 278 BGB scheide hier ohnehin aus, weil er, der Kläger, keine uneingeschränkte Einwirkungsmöglichkeit auf seinen Mieter habe. Die Zahlung, die er an die Beklagte geleistet habe, sei demgemäß ohne Rechtsgrund erfolgt und ihm zu erstatten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.428,458 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2019 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass Ursache der Durchfeuchtungen schadhafte Silikonfugen im Badezimmer der Wohnung des Klägers – und zwar im Bereich der Dusche – und durchsickerndes Spritzwasser gewesen seien. Offensichtlich habe der Kläger über einen längeren Zeitraum seine Überwachungs- und Kontrollpflichten betreffend seine (Miet-)Wohnung vernachlässigt. Bei einer regelmäßigen Besichtigung wäre der Instandsetzungsbedarf an den Fugen aufgefallen. Im wohnungseigentumsrechtlichen Kontext habe der Kläger damit seine Pflichten aus § 14 Ziff. 1 WEG verletzt. Sollte der Kläger seine Instandhaltungspflicht auf seinen Mieter übertragen haben, habe er für dessen Pflichtverletzungen nach § 14 Ziff. 2 WEG einzustehen. Im Übrigen habe der Kläger die Zahlung ohne Vorbehalt geleistet, so dass die Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen sei. Jedenfalls habe der Kläger durch die Instandsetzungsarbeiten ein neuwertiges Badezimmer erhalten, so dass er sich diesen Vorteil anspruchsmindernd entgegen halten lassen müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf (Rück-)Zahlung von 6.428,458 €. Die Voraussetzungen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs auf Herausgabe bzw. Wertersatz nach den §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB – der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage – sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat die Leistung des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erlangt.

Der Kläger ist der Beklagten im Zuge des streitbehafteten Durchfeuchtungsschadens nach näherer Maßgabe des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog zum Ausgleich in vorgenannter Höhe verpflichtet.

Im wohnungseigentumsrechtlichen Kontext kommt ein Anspruch auf Ausgleich in Geld bei einer Duldungsverpflichtung eines Eigentümers gegenüber der Zuführung unwägbarer Stoffe wie Wasser nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, der an sich zwischen Grundstücksnachbarn Anwendung findet, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann zwar nicht in Betracht, wenn das Sondereigentum durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt wird (BGH, NZM 2010, 556, 557, Tz. 17 ff.). Wird die Nutzung des Sondereigentums aber durch rechtswidrige Einwirkungen beeinträchtigt, die von im Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers stehenden Räumen ausgehen, kann dem betroffenen Wohnungseigentümer ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zustehen (BGH, NZM 2014, 37, 38, Tz. 12 ff.). Der hier in Rede stehende Fall, in dem ein Schaden am Gemeinschaftseigentum durch ein mangelhaftes Sondereigentum hervorgerufen wird, ist indes – soweit ersichtlich – bislang noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen. Das erkennende Gericht schließt sich einer bislang schon in der Literatur verbreiteten Meinung an, wonach die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 S. BGB auch in einem solchen Fall geboten ist.

Als maßgeblich für die Annahme einer Analogie wird insoweit angesehen, dass die übrigen Eigentümer, die von einer von einem Sondereigentum ausgehenden Störung des Gemeinschaftseigentums betroffen sind, weder von der Ausübung der Eigentümerbefugnisse des Sondereigentümers in Form seines Anspruchs auf ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne der §§ 21 Abs. 4 und 5 Nr. 2 WEG (Instandsetzung) profitieren noch diese beeinflussen können, wodurch der gleiche strukturelle Interessengegensatz wie im unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm besteht und es nicht darauf ankommt, dass der störende Sondereigentümer im Hinblick auf seinen ideellen Anteil am Gemeinschaftseigentum selbst von der Störung betroffen ist und damit auf „beiden Seiten“ steht (vgl. Klimke, ZWE 2015, 3, 5). Daher sei auch in einem Fall, wie er hier in Rede steht, eine analoge Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB geboten (vgl. etwa M. Müller, in: BeckOK-WEG, 38. Ed. [1.8.2019], § 15, Rn. 194; ders., a.a.O., § 14, Rn. 135; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 21, Rn. 95; Elzer, in: BeckOK-WEG, 38. Ed. [1.8.2019], § 21, Rn. 281; Dötsch, ZWE 2014, 86, 87; ablehnend – unter Verweis auf die „Spiegelbildlichkeit“ der Konstellation im Falle einer vom Gemeinschaftseigentum ausgehenden Störung des Sondereigentums – etwa Armbrüster, in: Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 1, Rn. 197c). Dem ist zuzustimmen, wobei im Streitfall ergänzend noch hinzukommt, dass eine verschuldensunabhängige Haftung des Sondereigentümers für Beeinträchtigungen, die von seinem vermieteten Eigentum aus auf das Gemeinschaftseigentum wirken, dazu führt, dass der Streit um die endgültige Haftung dort ausgetragen worden, wo die größte Sachnähe besteht: zwischen Vermieter und Mieter. Die Gemeinschaft der Eigentümer, die das gemeinschaftliche Eigentum verwalten, stehen im Verhältnis zu diesen beiden Beteiligten am weitesten vom Schaden entfernt. Und ob es im Innenverhältnis zu einer Haftung nur des Mieters, nur des Vermieters oder zu einer quotalen Haftungsverteilung zwischen beiden kommt, ist für die übrigen Eigentümer, die lediglich an der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums interessiert sind und die – mit Ausnahme des störenden Sondereigentümers – erst Recht kein Verschulden am Schadenseintritt trifft, nicht weiter von Belang. Sie haben in der Regel weder Einblick noch Zugriff auf die mietvertraglichen Implikationen und können nicht beeinflussen, ob der Mieter und/oder der Vermieter die Mietsache bzw. das Sondereigentum im Rahmen der vertraglichen Pflichten überwacht, kontrolliert und etwaig instandsetzt.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB sind im Fall einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums durch bestimmungswidrig austretendes Wasser, wie sie hier in Rede steht, ohne Zweifel erfüllt. Ais Rechtsfolge sieht diese Norm einen „angemessenen Ausgleich in Geld“ vor, so dass kein Schadensersatz, sondern lediglich ein nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bestimmender Ausgleich verlangt werden kann; es ist also nur der unzumutbare Teil der Beeinträchtigung auszugleichen (vgl. BGH, NZM 2014, 37, 39, Tz. 24). Der Ausgleichsanspruch kann aber je nach Art und Weise der Einwirkung auch auf vollen Schadensersatz gehen; besteht die Einwirkung in einer Substanzschädigung, so sind die Beseitigungskosten einschließlich der Planungskosten zu ersetzen (vgl. BGH, NJW-RR 1997, 1374). So liegt der Fall hier, weswegen die Beklagte vom Kläger zu Recht Ersatz sämtlicher mit der Beseitigung des Schadens am Gemeinschaftseigentum verbundener Kosten, wie sie geltend gemacht worden sind (Kosten für Leckageortung, Regiekosten und Kosten für die Beseitigung des Schadens gemäß Rechnung der Fa. …), verlangt hat.

Darauf, ob sich der Kläger wegen etwaiger baulicher Verbesserungen in seinem Sondereigentum bzw. im Badezimmer seiner Wohnung einen Abzug „neu für alt“ entgegen halten lassen muss und ob sein Anspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen ist, kommt es danach hier nicht an.

Mangels Hauptforderung steht dem Kläger vorliegend auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden (Antrag zu 2) zu.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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