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Nebenkostenabrechnung Gewerberaummietvertrag – Ausschlussfrist Einwendungen

OLG Frankfurt – Az.: 2 U 141/10 – Urteil vom 30.12.2010

Die Berufung der Beklagten gegen das am verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – Az.: 3-03 O 140/09– wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 28.182,05 €.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens … in Stadt1.

Die Beklagte mietete dort mit schriftlichem Mietvertrag vom 17.10.1997 (Bl. 6ff. d. A.) von der Klägerin ein Ladengeschäft. Sie betreibt dort eine Metzgerei.

Das Mietverhältnis begann am 1.2.1998. Die monatlich zu zahlende Miete belief sich ursprünglich auf 30.000,- DM und Nebenkostenvorauszahlung von 500,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Hinsichtlich der Betriebskosten heißt es in § 5 Abs. 3 des Mietvertrages: „ Zusätzlich zur Miete sind die anteiligen Betriebskosten gemäß § 27 d. II. Berechnungsverordnung zu zahlen. Die Mieterin zahlt monatlich eine Vorauszahlung auf die jährlich abzurechnenden Betriebskosten in Höhe von 500,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Vermieterin ist berechtigt, diese Vorauszahlung jährlich nach dem tatsächlichen Aufwand des Vorjahres neu festzusetzen .“ Ein Schlüssel für die Abrechnung ist im Mietvertrag nicht festgelegt. Auf den weiteren Inhalt des Mietvertrages (Bl. 6ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Der Anteil der Räume der Klägerin an der Gesamtfläche beträgt ca. 14 %. Die Beklagte rechnete die Betriebskosten bis einschließlich 2001 ab, wobei für die verbrauchsunabhängigen Kosten (Hausmeisterkosten, Grundsteuer, Straßenreinigung, Versicherungen) ein Anteil der Klägerin von 24,7 % an den Gesamtkosten zugrunde gelegt wurde. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass die beiden Gewerbebetriebe im Hause 50 % der Gesamtkosten zu tragen hätten, und zwar untereinander im Verhältnis der Nutzflächen.

In den oberen Geschossen des Gebäudes befinden sich Wohn- und Büroräume, die unter anderem von der Beklagten als Büro selbst genutzt werden.

Im Jahr 2002 änderte die Beklagte den Verteilungsschlüssel. Sie berechnete nunmehr den Anteil der Klägerin mit 46,11 % mit dem Hinweis „entsprechend Einheitswertbescheid und Nutzflächenaufteilung im Erdgeschoß“. Die Abrechnungen für 2002 bis 2007 beruhen jeweils auf diesem neuen Schlüssel.

Die Klägerin zahlte den Nachforderungsbetrag aus der Abrechnung für 2002. Den Nachforderungsbetrag aus der Abrechnung für 2003 versuchte die Beklagte vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main einzuklagen. Das Amtsgericht wies die Klage ab mit der Begründung, der von der Beklagten ursprünglich festgelegte Umlagenschlüssel habe nicht einseitig geändert werden dürfen, solange keine veränderten Umstände eine Anpassung erforderlich machten. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das Landgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 17.7.2009 zurück.

Die Abrechnungen für 2004 bis 2007 endeten jeweils mit einem Guthaben, welches nicht ausgezahlt wurde.

Die Klägerin rechnete die verbrauchsunabhängigen Betriebskosten 2004 bis 2007 ihrerseits auf der Grundlage des ursprünglich von der Beklagten festgesetzten Schlüssels ab und gelangte zu einem Gesamtguthaben von 28.182,05 €, welches sie mit anwaltlichem Schreiben vom 17.11.2009 zur Zahlung anmahnte.

Im ersten Rechtszug hat die Klägerin sich auf den Schlüssel von 24,7 % für die verbrauchsunabhängigen Betriebskosten berufen. Die Änderung sei ihr bei der Abrechnung der Kosten für 2002 entgangen. Sie hat ferner vorgetragen, die Kosten der Schädlingsbekämpfung seien nicht umlagefähig, da nicht in der II. Berechnungsverordnung erwähnt.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 28.182,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.12.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf den geänderten Umlageschlüssel berufen, den die Klägerin durch die Zahlung auf die Betriebskosten des Jahres 2002 akzeptiert habe.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 9.6.2010 (Bl. 87ff. d. A.) die Beklagte verurteilt, an den Kläger 27.842,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.12.2010 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen.

Die Kammer für Handelssachen hat ausgeführt, der Rückzahlungsanspruch aus 2003 sei verjährt. Im Übrigen stehe der Klägerin die Forderung jedoch zu, da aufgrund der einseitigen Änderung der Beklagten und der einmaligen Zahlung der Klägerin keine stillschweigende Vertragsänderung vorgenommen worden sei.

Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 14.6.2010 (Bl. 98 d. A.) zugestellt worden ist, hat diese am 25.6.2010 (Bl. 102 d. A.) Berufung eingelegt, die am 13.8.2010 begründet worden ist (Bl. 112 d. A.).

Mit der Berufung macht die Beklagte wie im ersten Rechtszug geltend, die Parteien hätten den Umlageschlüssel für die Betriebskosten einvernehmlich geändert und zwar ausdrücklich.

Im Übrigen sei die Klägerin nach dem vorbehaltslosen Ausgleich der jeweiligen Salden aus den Betriebskostenrechnungen mit Rückforderungen ausgeschlossen, weil die Parteien im Hinblick auf die jeweilige Abrechnungsperiode ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis geschlossen hätten.

Die Klägerin habe ihre Einwendungen auch zu spät geltend gemacht.

Selbst wenn die Klägerin ohne Rechtsgrund geleistet hätte, stünden einem Bereicherungsanspruch § 814 BGB und § 818 Abs. 3 BGB entgegen.

Die Beklagte habe durch Erteilung von Gutschriften die Guthabenbeträge aus den Jahren 2004 bis 2007 gegen die höhere Nachforderung aus 2003 aufgerechnet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 2010, Az. 3-03 O 140/09, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts und vertieft ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug. Sie verweist darauf, dass sie nach 2002 – unstreitig – keine Nachforderungen mehr bezahlt habe. Die irrtümliche Zahlung von 2002 sei darauf zurückzuführen, dass die drastische Heraufsetzung auf Seite 2 der Abrechnung mitten im Fließtext begründet worden sei.

§ 556 Abs. 3 Satz 6 BGB finde im vorliegenden Fall keine Anwendung. Die Klägerin habe einen vertraglichen, keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung von überzahlten Nebenkosten. Die geschuldeten Nebenkostenvorauszahlungen seien keine Leistung in Kenntnis einer Nichtschuld. Die Beklagte sei nicht bereit, die von ihr selbst berechneten Guthaben der Klägerin auszuzahlen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 12.8.2010 (Bl. 112ff. d. A.), der Berufungserwiderung vom 20.9.2010 (Bl. 126ff. d. A.) und der Schriftsätze vom 2.11.2010 (Bl. 136ff. d. A.) und vom 8.11.2010 (Bl. 139ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; §§ 517, 519, 520 ZPO.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung der Klage in Höhe von 27.842,39 € stattgegeben. Der Klägerin steht insoweit ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch zu. Für die Nebenkosten ist der ursprünglich von der Beklagten als Vermieterin in Ausübung ihres Leistungsbestimmungsrechts festgelegte Schlüssel von 24,7 % maßgeblich, überschießende Vorauszahlungsbeträge hat die Beklagte auszukehren.

Legt der Mietvertrag keinen Schlüssel fest, sondern lässt den Vermieter nach billigem Ermessen einen Verteilungsschlüssel bestimmen, so wird dieser Schlüssel zum Vertragsbestandteil. Das Bestimmungsrecht eines gerechten Schlüssels ist einmalig, Änderungen bedürfen der Zustimmung des Mieters. Ein Fall des § 313 BGB ist nicht vorgetragen. Der von der Beklagten neu angesetzte Schlüssel von 46,11 % entspricht nicht erkennbar der Billigkeit, sondern erscheint recht hoch.

Der Mietvertrag wurde nicht abgeändert durch die anstandslose Zahlung der Beklagten auf die Abrechnung des Jahres 2002, die bereits den neuen Schlüssel enthielt. Auch wenn man in die Abrechnung einen entsprechenden Abänderungswillen der Beklagten hineinlesen kann, fehlt es an einer erkennbaren Zustimmung durch die Klägerin, die möglicherweise nur versehentlich ohne nähere Prüfung zahlte im Vertrauen auf die bisherige unbeanstandete Abrechnungspraxis der Beklagten. Es ist nicht einmal feststellbar, dass die Abänderung bereits bei der Abrechnung für 2002 bemerkt wurde.

Eine vom Mietvertrag abweichende Übung durch dauerhafte Zahlung von bestimmten Positionen durch den Mieter kann zwar auf eine Vertragsänderung hindeuten (vgl. OLG Hamburg ZMR 1988, 420; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage, Rn. 478). Hieran fehlt es jedoch Bei mehrjähriger Zahlung billigte der Bundesgerichtshof die tatrichterliche Annahme einer konkludenten Vertragsänderung (BGH in BGH-Report 2006, 1150; NJW-RR 2006, 154; NJW-RR 2004, 877; NZM 2000, 961). Aus dem Verhalten des Mieters muss sich jedoch schlüssig die Erklärung ergeben, dass eine Änderung der vertraglichen Vereinbarung gewollt ist. Eine zwei- bis dreimalige Zahlung reicht hierfür nicht aus (OLG Hamburg MDR 1988, 1059; LG Mannheim NJW-RR 1999, 365) und erst Recht nicht eine nur einmalige Zahlung, wie sie im vorliegenden Fall 2002 erfolgt ist.

Die in den Folgejahren abgegebenen Abrechnungen der Beklagten sind ohne Belang, weil aus ihnen nur Guthabenbeträge resultierten, die nicht einmal ausgezahlt wurden. Selbst wenn die Klägerin die Abrechnungen geprüft und gebilligt hätte, was aufgrund des zwischen den Parteien über die Nebenkosten für 2003 geführten Prozesses ausgeschlossen ist, käme ihrem Stillhalten nicht derselbe Erklärungswert zu wie einer Nachzahlung als aktivem Handeln, da Schweigen im Rechtsverkehr grundsätzlich nicht die Bedeutung eines Einverständnisses zugemessen werden darf.

Die Beklagte kann sich auch auf ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis nicht mit Erfolg berufen. Ob in der Zahlung für 2003 ein Schuldanerkenntnis zu sehen sein könnte, kann dahingestellt bleiben, weil das Landgericht die Rückforderung für 2003 nicht zugesprochen hat und dieser rechtskräftig abgewiesene Anspruch nicht Gegenstand der Berufung ist.

Hinsichtlich der anderen Jahre fehlt es auch insoweit an einer Willenserklärung der Klägerin, ein Schuldanerkenntnis abgeben zu wollen.

§ 818 Abs. 3 BGB findet auf den vertraglichen Anspruch auf Rückerstattung nicht verbrauchter Nebenkostenvorauszahlungen keine Anwendung. Der vertragliche Anspruch des Mieters auf Auskehr nicht nachweisbar verbrauchter Nebenkostenvorauszahlungen beruht auf dem im Mietvertrag vereinbarten Vorschuss- und Abrechnungsverhältnis, nicht auf Bereicherungsrecht.

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf einen Einwendungsausschluss hinsichtlich der abgerechneten und bezahlten Nebenkosten berufen. Eine direkte Anwendung von § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB hat der Gesetzgeber ausgeschlossen. § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB als korrespondierende Norm zur Ausschlussfrist des Vermieters ist im Gewerbemietrecht nicht anwendbar, da er von der Verweisung in § 578 BGB nicht erfasst wird. Angesichts der detaillierten Regelung des Gesetzgebers ist auch kein Raum für eine analoge Anwendung, da es an einer planwidrigen Lücke fehlt. Gegen eine analoge Anwendung spricht im Übrigen auch, dass die korrespondierende Vorschrift des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im Gewerberaummietrecht nicht analog anwendbar ist (vgl. auch Bundesgerichtshof, 12. Zivilsenat, Urteil vom 27.1.2010, Aktenzeichen XII ZR 22/07, Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 2. Zivilsenat, Urteil vom 23.11.2007, Aktenzeichen 2 U 133/07). Da es keine Ausschlussfrist für den Vermieter von Gewerberäumen gibt, bedarf es auch keiner Ausschlussfrist für Einwendungen des Mieters.

Die Forderung der Klägerin ist auch nicht teilweise durch Aufrechnung erloschen, da die von der beklagten beanspruchte Gegenforderung aus der Abrechnung 2003 nicht besteht, was bereits außerhalb des vorliegenden Rechtsstreits rechtskräftig festgestellt wurde.

Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht nach § 543 ZPO zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts in dieser Sache fordern.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt 27.842,39 €.

 

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