Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 U 11/20 – Urteil vom 22.06.2021
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 27.12.2019 – 2 O 136/19 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe erbringt.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.845,94 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin macht die Zahlung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 geltend.
Die Beklagte mietete mit Mietvertrag vom 01./10.03.2012 (Anlage K 1, Bl. 7 ff.) Gewerbeflächen in einer Größe von 1.867,18 qm im Einkaufszentrum „…“ in E… von der Klägerin. In § 6 des Mietvertrages heißt es: „Der Vermieter ist verpflichtet, die Nebenkosten kalenderjährlich mit dem Mieter abzurechnen. Die Abrechnung ist dem Mieter innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres schriftlich, detailliert und nachprüfbar durch entsprechende Belege, die dem Mieter kostenlos zugesandt werden, zu erteilen. Erfolgt die Abrechnung nicht bis zum vorgenannten Zeitpunkt, so entfällt der Anspruch des Vermieters auf Nachzahlung etwaiger Nebenkosten.“
Die Klägerin ließ durch die von ihr beauftragte Firma W… GmbH unter dem 20.12.2018 die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 erstellen, aus der sich ein noch offener Betrag von 29.845,94 € ergibt (Anlage K 2, Bl. 15 ff.). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagten die Betriebskostenabrechnung noch im Jahr 2018 zugegangen ist. Die Belege zur Nebenkostenabrechnung sind der Beklagten jedenfalls erst am 21.01.2019 zugegangen.
Mit Urteil vom 27.12.2019 hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 29.845,94 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2019 sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.141,90 € verurteilt. Das Landgericht meint, die Klageforderung sei nicht aufgrund der vertraglichen Klausel ausgeschlossen. Die Betriebskostenabrechnung sei der Beklagten am 24.12.2018 zugestellt worden, indem diese in der Postfiliale U… zur Abholung bereit gelegt worden sei. Ob der von der Beklagten beauftragte Postdienstleister (1…) die Sendung tatsächlich abgeholt und der Beklagten übergeben habe, könne ebenso offen bleiben, wie die Frage, wer den Empfang auf dem Einschreiben/Rückschein quittiert habe. Dass nicht alle Belege beigefügt gewesen seien, sei unschädlich, da sich der Vertragsklausel nicht entnehmen lasse, welche Belege zwingend beigefügt werden müssten. Die Vertragsklausel könne deshalb nur so verstanden werden, dass die Klägerin Belege erst auf ein entsprechendes Verlangen der Beklagten vorzulegen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf das Urteil (Bl. 564 ff.) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint, das Landgericht gehe von falschen Tatsachen aus. Sie habe bereits erstinstanzlich bestritten, dass die BK-Abrechnung vom 20.12.2018 am 24.12.2018 in der Postfiliale U… zur Abholung bereit gelegen habe. Sofern dies der Fall gewesen wäre, hätte der Rückschein als Empfangsdatum nicht den 24.12.2018 aufweisen können, da der von ihr beauftragte Postdienstleister (1…) die bereitgelegte Post erst am 27.12.2018 abgeholt habe. Unter der am 27.12.2018 von der (1…) abgeholten Post habe sich kein Schreiben der Klägerin befunden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Cottbus zeichne nie ein Mitarbeiter der Postfiliale den Rückschein von Einschreiben für die Klägerin ab. Sie – die Beklagte – habe mit dem Sendungsstatus der Deutschen Post belegt, dass das Schreiben zu der auf dem Rückschein befindlichen Sendungsnummer am 24.12.2018 in einem Postleitzahlbezirk 7… zugestellt worden sei. Die streitgegenständliche BK-Abrechnung sei ihr erst am 03.01.2019 zugegangen. Mangels Zugangsnachweis seitens der beweisbelasteten Klägerin sei die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung (gemeint ist Abänderung) des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 27.12.2019 abzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen § 175 ZPO könne die Beklagte nicht bestreiten, dass das Einschreiben am 24.12.2018 in der Postfiliale zur Abholung bereit gelegen habe. Soweit die Beklagte die Entscheidungsgründe nicht angegriffen habe – namentlich die Auffassung des Vordergerichts, die Nachzahlungspflicht scheitere nicht an den nicht beigefügten Belegen – seien diese nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist abzuweisen, weil sie unbegründet ist.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 29.845,94 €, weil sie die Betriebskostenabrechnung nicht gemäß den Voraussetzungen von § 6 Ziffer 7 S. 3 des Mietvertrages gegenüber der Beklagten abgerechnet hat. Die Klägerin hat der streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnung weder die erforderlichen Belege beigefügt noch die Abrechnungsfrist eingehalten.
1.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Senat die Voraussetzungen nach § 6 Ziffer 7 des Mietvertrages insgesamt zu prüfen, obwohl die Beklagte sich in ihrer Berufungsbegründung nur damit auseinandersetzt, dass in dem landgerichtlichen Urteil – ihrer Auffassung nach zu Unrecht – der fristgerechte Zugang der Betriebskostenabrechnung festgestellt wurde. Denn mit ihrer zulässigen Berufung hat die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung des Abrechnungssaldos aus der Betriebskostenabrechnung vom 20.12.2018 insgesamt angegriffen, wie sich aus Ihrem Antrag ergibt, mit dem sie die Klageabweisung erstrebt.
Das angefochtene Urteil unterliegt der inhaltlich unbeschränkten Überprüfung auf Fehler bei der Anwendung formellen und materiellen Rechts. Das Berufungsgericht ist an die geltend gemachten Berufungsgründe (abgesehen von bestimmten, in § 529 Abs. 2 S. 1 ZPO bezeichneten Verfahrensmängeln) nicht gebunden, § 529 Abs. 2 ZPO (BGH, Urteil vom 09.03.2005 – VIII ZR 266/03; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 18. Aufl., § 529 Rn. 24). Das Berufungsgericht ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den vorgetragenen Sachverhalt im Hinblick auf alle für den geltend gemachten Klageanspruch in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu beurteilen. Dem steht § 520 Abs. 3 ZPO nicht entgegen. Die in dieser Bestimmung vorgeschriebene Angabe der Berufungsgründe ist nur Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels, hat aber keine Beschränkung des Prüfungsumfangs des Berufungsgerichts auf die in der Berufungsbegründung angeführten Beanstandungen zur Folge. Die materiell-rechtliche Beurteilung des Klageanspruchs unterliegt auch in der Berufungsinstanz keinen Einschränkungen und ist nicht auf die in der Berufungsbegründung angeführten rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt, § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO (BGH, Urteil vom 13.07.2011 – VIII ZR 215/10, Rn. 13, 14, juris). Ist die Berufung zulässig, so gelangt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff erster Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz. Dementsprechend wird im ersten Rechtszug nicht zurückgewiesenes Vorbringen ohne weiteres Prozessstoff der zweiten Instanz; eines erneuten Vorbringens bedarf es insoweit grundsätzlich nicht (BGH, Beschluss vom 28.04.2020 – VI ZR 347/19, Rn. 8, juris). Einreden, die der Beklagte in erster Instanz erhoben hat, sind auch ohne ausdrückliche Wiederholung zu berücksichtigen. Auch wenn sich die Berufung des Beklagten allein auf eine in erster Instanz erfolglos gebliebene Einwendung stützt und die Parteien in zweiter Instanz allein hierüber streiten, ist der Klagegrund, also die Schlüssigkeit der Klage, erneut zu prüfen (Musielak/Voit/Ball, ZPO, 18. Aufl., § 529 Rn. 25).
2.
Die Klage ist unschlüssig, weil die Klägerin schon unter Zugrundelegung ihres eigenen Vortrages die Voraussetzungen der Ausschlussfrist in § 6 Ziffer 7 des Mietvertrages erfüllt.
Die Regelung in § 6 Ziffer 7 des Mietvertrages ist wirksam. Zwar gilt die gesetzliche Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB nicht, weil diese Vorschrift gemäß § 578 BGB nicht auf Gewerberaummietverhältnisse anwendbar ist; mangels Regelungslücke scheidet auch eine analoge Anwendung aus (BGH, Urteil vom 27.01.2010 – XII ZR 22/07, NJW 2010, 1065). Eine dem § 556 BGB entsprechende Regelung kann bei Gewerberaummietverhältnissen aber vertraglich – auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – vereinbart werden (Guhling/Günter/Both, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 556 BGB Rn. 59).
Wenn es sich bei der vorliegenden Vertragsklausel um eine von der Beklagten gestellte allgemeine Geschäftsbedingung handelte, wäre sie zwar unwirksam. Denn eine vom Mieter eines Gewerberaummietvertrages gestellte vorformulierte Vertragsklausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, wenn über die Regelung einer Ausschlussfrist eine Haftungsverschärfung des Vermieters ohne sein Vertretenmüssen herbeigeführt wird. Eine Verzugsregelung, die eine Rechtsfolge im Falle von Verzögerungen auch bei fehlendem Verschulden begründet, stellt eine Haftungsverschärfung dar, die in AGB nicht begründet werden kann (vgl. OLG Jena, Urteil vom 04.07.2012 – 7 U 48/12, NJW-RR 2013, 13; Schmidt/Futterer/Langenberg, Mietrecht, 14. Aufl., § 556 Rn. 458; Guhling/Günter/Both, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 556 BGB Rn. 60; Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 556 Rn. 286).
Im vorliegenden Fall beruft sich die Klägerin aber nicht auf den Schutz der AGB-Vorschriften, insbesondere behauptet sie nicht, dass es sich um AGB handelt, die von der Beklagten gestellt worden seien; vielmehr gehen beide Parteien von der Anwendbarkeit der Ausschlussfrist aus. Hier müsste die Klägerin aber eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel geltend machen. Denn wer sich auf den Schutz der AGB-Vorschriften beruft, muss im Streitfall darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen der Anwendbarkeit der Vorschriften gegeben sind (MüKo/Basedow, BGB, 8. Aufl. § 305 Rn. 49).
Demzufolge ist von der Wirksamkeit der vertraglichen Ausschlussfrist auszugehen.
3.
Die Klägerin hat die Nebenkosten nicht ordnungsgemäß innerhalb der vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist abgerechnet.
Die Abrechnung genügt zwar den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Gewerberaummietrecht in formeller Hinsicht zu stellenden Anforderungen, wonach in die Abrechnung als Mindestangaben eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug der geleisteten Vorauszahlungen aufzunehmen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. (BGH, Urteil vom 20.01.2021 – XII ZR 40/20, Rn. 16 ff, 19, juris; Urteil vom 29.01.2020 – VIII ZR 244/18, NJW-RR 2020, 587 Rn. 8).
Die Klägerin hat es aber versäumt, sämtliche nach § 6 Ziffer 7 des Mietvertrages erforderlichen Belege der Abrechnung beizufügen.
Nach der gesetzlichen Regelung (§ 259 Abs. 1 BGB) ist der Vermieter zwar nicht zur Beifügung der Belege verpflichtet, sondern zu der von ihm vorzunehmenden ordnungsgemäßen Abrechnung gehört nur, dass er im Anschluss an die Betriebskostenabrechnung dem Mieter auf dessen Verlangen zusätzlich die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen durch deren Vorlage ermöglicht, soweit dies etwa zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich ist (BGH, NJW 2018, 1599 Rn. 16). Ein Anspruch auf Überlassung von Belegkopien kann bei Mietverhältnissen über preisfreien Wohnraum und Gewerberaum allerdings aus dem Mietvertrag begründet sein (Langenberg/Zehelein Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 9. Aufl., H. Abrechnung Rn. 306).
§ 6 Ziffer 7 des Mietvertrages enthält eine vertragliche Pflicht der Klägerin, die Belege als Teil der Abrechnung ohne entsprechende Anforderung seitens der Beklagten kostenlos in Kopie zu übersenden. Hierfür spricht bereits der Wortlaut. Denn danach ist die Abrechnung u. a. nachprüfbar durch entsprechende Belege, die dem Mieter kostenlos zugesandt werden, zu erteilen.
Das Wort „nachprüfbar“ ist dabei nicht so zu verstehen, dass die Belege von dem Vermieter nur auf Abruf vorgehalten werden müssen. Hiergegen spricht das Verhalten der von der Klägerin nach ihrem Vortrag beauftragten Hausverwaltung. Diese hat in ihrem Schreiben vom 20.12.2018, mit dem sie die Betriebskostenabrechnung 2017 übermittelt hat, angekündigt, Rechnungskopien bis zum 10.01.2019 zu übersenden (wobei einzelne Rechnungen, nämlich die für Wasser und Schmutzwasser dem Schreiben vom 20.12.2018 bereits beigefügt waren). Maßgeblich für das Auslegungsverständnis ist zwar bei der empfangsbedürftigen Willenserklärung der Zeitpunkt ihres Zugangs, so dass für die Vertragsauslegung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist. Die auf ein Rechtsgeschäft folgende, zwischen den Beteiligten geübte Praxis kann jedoch für die Auslegung insoweit von Bedeutung sein, als sich aus ihr Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der Beteiligten zum Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ergeben (MüKo/Busche, BGB, 8. Aufl., § 133 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 14.02.2017 – VI ZB 24/16, NJW 2017, 1887 Rn. 16). Die Klägerseite ging hier selbst von einer Pflicht zur Übersendung der Rechnungskopien ohne entsprechende Aufforderung der Beklagten aus. Das spricht dafür, dass die Parteien die vertragliche Regelung – wie deren Wortlaut es auch nahelegt – so verstanden haben, dass zur ordnungsgemäßen Abrechnung die unaufgeforderte Übersendung der dazugehörigen Rechnungskopien zählte. Vor diesem Hintergrund ist kein Raum für eine Auslegung, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, derzufolge Rechnungskopien nur auf konkrete Anforderung der Beklagten von der Klägerin zu übersenden sind.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts fehlt es auch nicht an einer klaren vertraglichen Regelung, welche Belegkopien im Einzelnen zu übermitteln sind. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass alle abgerechneten Positionen durch Übersendung der entsprechenden Rechnungskopien nachzuweisen sind.
Mangels Übersendung aller Belege innerhalb der zwölfmonatigen Frist nach Ablauf des Jahres 2017 kommt hier die vertragliche Ausschlussfrist bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts zum Zuge. Diese greift auch ein, wenn die Abrechnung zwar innerhalb der zwölf Monate nach Ablauf des Kalenderjahres formell ordnungsgemäß, aber ohne Beifügung von Belegkopien erfolgt. Denn § 6 Ziffer 7 S. 3 des Mietvertrages nimmt direkt auf S. 2 Bezug, in dem definiert ist, was nach den vertraglichen Regelungen unter der Abrechnung zu verstehen ist.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die vertragliche Ausschlussfrist nicht nur an die rechtzeitige Zusendung der Abrechnung gebunden, unabhängig davon, ob Belege beigefügt sind. Normalerweise versteht man unter Abrechnung und Belegen zwar zwei verschiedene Sachverhalte, weil – ohne abweichende vertragliche Regelung – der Vermieter nur zur Abrechnung verpflichtet ist, während er Einsicht in die Belege nur nach Aufforderung des Mieters gewähren muss. Die Parteien haben hier aber die Erteilung der Abrechnung vertraglich anders definiert. Die Ausschlussfristklausel nimmt Bezug auf die vertragliche Definition der Abrechnung. Der Wortlaut ist deshalb eindeutig dahingehend zu verstehen, dass die Ausschlussfrist auch greift, wenn der Abrechnung die Rechnungskopien nicht beigefügt sind.
Es gibt hier auch keinen Anlass zu einer den Wortlaut einengenden Auslegung im Sinne einer „nach beiden Seiten interessengerechte Beurteilung“ (vgl. hierzu MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 133 Rn. 64 m. w. N.), weil die Vertragserklärungen hier einen vertretbaren Sinngehalt haben. Zwar verneint der BGH im Regelfall (wenn keine entsprechende Vertragspflicht besteht) einen Anspruch des Mieters auf Übersendung von Rechnungskopien, selbst wenn der Mieter die Kosten übernehmen will, weil der Vermieter ein berechtigtes Interesse daran haben könne, den Mieter auf die Einsichtnahme in die Rechnungsbelege zu verweisen, um den durch die Anfertigung von Fotokopien entstehenden zusätzlichen Aufwand zu vermeiden und dem Mieter mögliche Unklarheiten im Gespräch sofort zu erläutern (BGH, NJW 2006, 1419 Rn. 24). Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem der Mieter nach Erhalt von rund 300 Fotokopien weitere Rechnungskopien verlangt hat, ist die vorliegende vertragliche Regelung praktikabel. Denn die Betriebskostenabrechnung enthält nur wenige Positionen. Sie wurde im Übrigen auch problemlos praktiziert, indem die W… für den streitgegenständlichen Zeitraum die Rechnungskopien übersandte, nur eben nicht fristgerecht.
4.
Selbst wenn man aber der Auffassung der Klägerin folgte, wonach es lediglich auf die fristgerechte Erteilung der Betriebskostenabrechnung (ohne Belege) ankomme, ist die Klage abzuweisen. Denn dass die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 der Beklagten noch im Jahr 2018 zugegangen ist, hat die Klägerin nicht bewiesen.
a)
Soweit die Klägerin behauptet, die Betriebskostenabrechnung sei per Einschreiben am 20.12.2018 abgesendet worden, ist dies unerheblich. Maßgeblich ist der rechtzeitige Zugang, denn die rechtzeitige Absendung genügt zur Fristwahrung nicht (BGH, Urteil vom 21.01.2009 – VIII ZR 107/08, Rn. 10, NJW 2009, 2197). Weder bei normalen Postsendungen noch bei Einschreiben begründet die Absendung den Beweis des ersten Anscheins (prima-facie-Beweis) für den Zugang der Erklärung, da nach allgemeiner Lebenserfahrung abgeschickte Postsendungen den Empfänger nicht regelmäßig erreichen (BGH, Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15, NJW 2017, 68 Rn. 32; MüKo/Einsele, a. a. O., § 130 Rn. 46).
b)
Den klägerischen Vortrag, wonach der Beklagten die Nebenkostenabrechnung vom 20.12.2018 am 24.12.2018 zugegangen sei, hat die Beklagte bestritten. Sie behauptet, ihr sei die Abrechnung am 03.01.2019 zugegangen. Die Klägerin hat den Beweis nicht erbracht, dass der Beklagten die Betriebskostenabrechnung bereits am 24.12.2018 bzw. noch im Jahr 2018 zugegangen ist.
Die Beweislast für den rechtzeitigen Zugang der Nebenkostenabrechnung trägt der Vermieter (BGH, NZM 2009, 274; BeckOGK/Drager, BGB, Stand: 01.04.2021, § 556 Rn. 259). Denn den Zugang der Erklärung hat derjenige zu beweisen, der sich auf den Zugang beruft. Diese Beweislastverteilung gilt auch für den Zeitpunkt, also die Rechtzeitigkeit des Zugangs (BGH, Urteil vom 18.01.1978 – VI ZR 204/75, NJW 1978, 886; MüKo/Einsele, BGB, 8. Aufl., § 130 Rn. 46).
Die von der Klägerin eingereichte Kopie der Vorderseite des „Rückscheins National“ mit der Sendungsnummer RT 01 … erbringt den Beweis des Zugangs nicht. Zum Einen steht damit nicht fest, dass die Unterzeichnerin des Rückscheins Empfangsbevollmächtigte oder -botin bzw. Ersatzempfängerin der Beklagten ist. Zum anderen ist nicht beweisen, dass das Einschreiben überhaupt unter der Anschrift der Beklagten zugestellt worden ist.
c)
Im Fall des Einschreibens mit Rückschein stellt die Empfangsbestätigung mit der Originalunterschrift eine Privaturkunde dar, die vollen Beweis dafür erbringt, dass der Aussteller den Empfang bestätigt hat, § 416 ZPO (MüKo/Einsele, BGB, 8. Aufl., Rn. 46, BGB § 130 Rn. 46; Guhling/Günter/Krüger, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 542 BGB Rn. 34). Denn Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, gemäß § 416 ZPO vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.
Der streitgegenständliche Rückschein erbringt hier keinen Beweis, dass das Einschreiben von einer befugten Person in den Räumen der Beklagten bzw. der örtlichen Postfiliale entgegengenommen wurde. Die Klägerin ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass N… K… Empfangsbotin der Beklagten (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 10.06.2010 – 8 U 11/10, BeckRS 2010, 29619) bzw. Ersatzempfängerin der Beklagten war. Empfangsbote ist, wer entweder vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigt worden ist oder wer nach der Verkehrsauffassung als ermächtigt anzusehen ist, Willenserklärungen oder diesen gleichstehende Mitteilungen mit Wirkung für den Erklärungsempfänger entgegenzunehmen und zur Übermittlung an den Empfänger geeignet und bereit ist. Kaufmännische Angestellte des Empfängers sind regelmäßig kraft Verkehrsanschauung als Empfangsboten anzusehen (BGH, Urteil vom 12.12.2001 – X ZR 192/00, Rn. 25, juris). Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG werden überdies Einschreiben nur an den Empfänger, seinen Bevollmächtigten oder einen anderen Empfangsbevollmächtigten zugestellt. Als andere Empfangsbevollmächtigte gelten bei juristischen Personen Empfangsbeauftragte oder andere in den Räumen des Empfängers anwesende Personen, bei denen angenommen werden kann, dass sie zur Entgegennahme berechtigt sind (siehe hierzu deutschepost.de und BGH, Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15, Rn. 30).
Vorliegend steht jedoch noch nicht einmal fest, dass die Unterzeichnerin des Rückscheins jemals für die Beklagte bzw. den von ihr beauftragten Postdienstleister tätig gewesen bzw. bei einem von ihnen angestellt gewesen ist. Die Beklagte hat vorgetragen, dass eine N… K… zu keinem Zeitpunkt für sie tätig gewesen sei (Bestätigung des Personalreferenten der Beklagten vom 04.07.2019, Anlage B 3, Bl. 96), und dass sie ohnehin die (1…) Mail Gmbh & Co KG mit der Abholung der Post bei der Postfiliale beauftragt habe. Letzteres hat die Klägerin nicht bestritten. Die (1…) Mail GmbH & Co KG hat mit Schreiben vom 25.11.2019 (Anlage B 9, Bl. 190) bestätigt, dass auch sie zu keiner Zeit eine Mitarbeiterin namens N… K… beschäftigt habe.
d)
Der Klägerin kommt hier auch kein Anscheinsbeweis zu Hilfe, weil sie den Auslieferungsbeleg des Übergabe-Einschreibens nicht vorgelegt hat.
Sowohl beim Übergabe-Einschreiben als auch beim Einwurf-Einschreiben begründet der Auslieferungsbeleg einen Anscheinsbeweis dafür, dass das Schreiben dem Adressaten zugegangen ist (MüKo/Einsele, a. a. O., § 130 Rn. 46, BGH, Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15, Rn. 33). Der von der Klägerin in Kopie vorgelegte Rückschein enthält jedoch keinerlei Auslieferungsvermerk (das dafür vorgesehene Feld rechts oben auf dem Rückschein ist nicht ausgefüllt), sondern nur handschriftliche Eintragungen einer unbekannten Person, die mit dem Namen N… K… unterzeichnet hat.
Allerdings ist nicht zwingend der Auslieferungsvermerk auf dem Rückschein auszufüllen, weil der Auslieferungsbeleg auch eingescannt werden kann. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat aber einen solchen Auslieferungsbeleg nicht vorgelegt. Den Auslieferungsbeleg hätte sie mittels Eingabe der Sendungsnummer und des Einlieferungstages unter Nutzung der Sendungsverfolgung für Einschreiben erlangen können. Bei der Internet-Abfrage kann sich der Absender den Auslieferungsbeleg zugestellter Sendungen der Produktvariante EINSCHREIBEN anzeigen lassen. Auch beim Einwurf-Einschreiben erhält der Absender auf Wunsch – neben einer telefonischen Auskunft – eine Reproduktion des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs (BGH, Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15, Rn. 26).
Ungeachtet dessen hat aber die insoweit nicht darlegungs- und beweisbelastete Beklagte einen eingescannten Auslieferungsbeleg zur Akte gereicht. Daraus lässt sich ersehen, dass das streitgegenständliche Einschreiben im Postleitzahlbezirk 7… zugestellt wurde. Soweit die Klägerin darauf hinweist, die Unterschrift sei nicht identisch mit der auf dem Rückschein, kann dies den Beleg nicht in Zweifel ziehen. Denn die Klägerin verkennt das Verfahren beim Übergabe-Einschreiben gegen Rückschein, bei dem die Zustellung gegen Unterschrift des Empfängers oder eines anderen Empfangsberechtigten auf dem Auslieferungsbeleg erfolgt, der archiviert und auf Wunsch reproduziert wird. Zusätzlich bestätigt der Empfänger auf einem vom Absender vorbereiteten weiteren Dokument, dem Rückschein, den Empfang der Sendung mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe, der unmittelbar an den Absender zurückgeschickt wird (Reichert, NJW 2001, 2523; BGH, Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15, Rn. 33).
Im Übrigen hat sich die Klägerin auch nicht zu dem Vortrag der Beklagten erklärt, wonach sie die streitgegenständliche Betriebskostenabrechnung am 03.01.2019 unter einer anderen Sendungsnummer (RT 01 …) erhalten habe. Dies ist ein weiterer Umstand, der der Annahme eines – ohnehin hier nicht greifenden – Anscheinsbeweises zugunsten der Klägerin entgegensteht.
e)
Auf das Vertretenmüssen der Klägerin für die nicht fristgerechte Abrechnung der Nebenkosten kommt es nach der Vertragsklausel nicht an. Nur zur Ergänzung sei aber angemerkt, dass der offenbar von der Post verschuldete Zustellfehler der Klägerin zuzurechnen ist, weil die Post deren Erfüllungsgehilfin nach § 278 S. 1 BGB ist (BGH, NJW 2009, 2197, Rn. 13). Die in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin beantragte Schriftsatzfrist war nicht zu gewähren. Die Hinweise des Senats betrafen Rechtsfragen, die Gegenstand des gesamten Verfahrens waren.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben, weil der vorliegende Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, da der Senat von der ober- bzw. höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abgewichen ist (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO).