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Nichtabschluss Wohnraummietvertrags durch Mietinteressenten

Schadensersatz Vermieter

AG München – Az.: 473 C 21303/19 – Urteil vom 14.07.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 1.450,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klagepartei begehrt von der beklagten Partei Schadensersatz aufgrund Mietausfalls für Oktober 2019 nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen.

Die Kläger sind Eigentümer des Mietwohnungsgrundstücks L…straße … in München.

Zum 01.10.2019 beabsichtigten die Kläger die Vermietung einer Dreizimmerwohnung im 2. Obergeschoss dieses Grundstücks. Hierzu beauftragten sie im August 2019 einen Immobilienmakler (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen).

Die Beklagten bewarben sich mit E-Mail vom 13.08.2019 auf diese Wohnung (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die E-Mail vom 13.08.2019 vorgelegt als Anlage zur Klageschrift Bezug genommen).

Nach Durchführung von ca. 60 Besichtigungen verblieben zwei Paare, die bereit waren, die Wohnung anzumieten und die Zustimmung der Eigentümer fanden, hierunter die Beklagten. Die Hauseigentümer entschieden sich dafür, den Beklagten ein Vertragsangebot zu machen. Hierzu teilte der Makler den Beklagten zu 2) telefonisch am 05.09.2019 mit, dass die Zustimmung der Eigentümer vorliege und die Beklagten die Wohnung bekommen würden. Die Beklagten waren zu dieser Zeit im Urlaub, aus dem sie am 16.09.2019 wieder zurück kehrten. Dann sollte der Mietvertrag unterschrieben werden. Zwischenzeitlich bereitete der Makler den schriftlichen Mietvertrag vor, holte die Unterschrift der Hauseigentümer ein und sagte den weiteren ernsthaften Mietinteressenten ab (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen).

Zum Abschluss des Mietvertrages kam es nicht, da die Beklagten während ihres Urlaubes festgestellt hatten, dass sie doch nicht mehr zusammenziehen wollen. Dies erfuhr die Klagepartei durch einen Telefonanruf des Maklers bei der Beklagten zu 1) am 17.09.2019 (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen).

Der Makler inserierte nach Kenntnis des Nichtzustandekommens des Mietvertrags zwischen den Klägern und den Beklagten die Wohnung erneut mit einem offenen Besichtigungstermin am 20.09.2020 und mit Bezug zum 01.10.2019. Das Inserat wurde am 19.09.2019 deaktiviert bzw. als archiviert gekennzeichnet (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 05.03.2020 Bezug genommen).

Eine Vermietung der Wohnung zum 01.10.2020 erfolgte nicht.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten zu keinem Zeitpunkt einen Mietvertragsentwurf oder den Mietvertrag in Händen hatten (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.07.2020 Bezug genommen).

Mit vorgerichtlichem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 19.09.2019 forderte die Klagepartei 1.450,00 € zahlbar bis 30.09.2019. Außerdem wies die Klagepartei darin 201,71 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus (zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 19.09.2019 Bezug genommen vorgelegt als Anlage zur Klageschrift).

Die Kläger tragen vor, durch die Absage der Beklagten sei Ihnen ein Schaden mindestens in Höhe des Mietausfalls für Oktober 2019 entstanden, die vereinbarte Miete hätte 1.450,00 € betragen. Die Kläger sind der Auffassung, auch wenn durch die mündlich getätigte Zusage der Mietinteressenten kein Mietvertrag zustande gekommen sei und demzufolge die Mieter keine Miete zahlen müssten, müsse dies nicht zwingend bedeuten, dass die Vermieter ihre finanzielle Einbuße ersatzlos hinnehmen müssten. Denn auch im Vorfeld des Vertragsschlusses und auch dann, wenn es gar nicht mehr zum Abschluss des Mietvertrags komme, sei zwischen den Vermietern und den Mietinteressenten ein gesetzliches Schuldverhältnis mit gegenseitigen Pflichten entstanden, nachdem es zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen und zur Ausarbeitung eines unterschriftsreifen schriftlichen Vertrages gekommen sei. In diesem Falle, so die Kläger, bestehe eine gegenseitige Verpflichtung zu Rücksicht auf die Rechte und Interessen des anderen Teils. Eine Verletzung dieser Pflicht begründe einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss. Diese Anforderungen, so die Kläger, seien hier erfüllt, weil die Beklagten bei der Verhandlungsführung in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages erweckt hätten, insbesondere hätten die Beklagten den Vertragsschluss als sicher hingestellt (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen). Die Kläger tragen weiter vor, die Beklagten hätten zu keinem Zeitpunkt geäußert, dass sie zuvor einen Vertragsentwurf sehen wollten. Sie hätten vielmehr ausdrückliche Unterschriftsbereitschaft bekräftigt. Die Beklagten tragen weiter vor, weder dem Prozessbevollmächtigen der Kläger noch dem Makler sei ein Fall bekannt, in dem es zu einer Änderung des Vertragsformblattes des Münchner Haus- und Grundbesitzervereins gekommen wäre, außer eventuelle Ergänzungen auf Wunsch von Vermieterseite (zu den weiteren Einzelheiten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 09.07.2020 Bezug genommen).

Dem Gerichtsverfahren war ein Mahnverfahren vorangegangen. Im Verhandlungstermin am 14.07.2020 war der Beklagte zu 2) säumig, er hatte sich auch zuvor inhaltlich nicht zur Sache eingelassen.

Die Kläger beantragen:

1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand 1.450,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz ab 11.11.2019 zu bezahlen

2. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand vorgerichtliche Kosten in Höhe von 201,71 € zu bezahlen

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.

Die Beklagte zu 1) trägt vor, die E-Mail, mit der sie beide sich beim Makler um die Wohnung beworben hätten, sei weder als Vertragszusage noch als Vertrauenstatbestand zu interpretieren, aus dem sich Ersatzansprüche ableiten ließen. Derart weit reichende Rechtsfolgen könnten aus einer Bewerbung nicht hergeleitet werden. Auch der Umstand, dass sie sich positiv zu der Wohnung geäußert hätte, sei nachvollziehbar angesichts der schwierigen Position als Wohnungssuchende in München. Eine verbindliche Zusage mit einem entsprechenden Rechtsbindungswillen im Sinne eines qualifizierten Vertrauenstatbestand könne hieraus aber nicht gefolgert werden. Dies gelte umso mehr, als den Beklagten zu keinem Zeitpunkt ein Mietvertrag vorgelegt worden war und diese somit keine Gelegenheit hatten, sich mit den genauen und detaillierten inhaltlichen Konditionen und Klauseln des Mietvertrags und den damit einhergehenden erheblichen Rechtsfolgen vertraut zu machen. Zwischen den Parteien habe auch Einigkeit geherrscht, dass ein Vertrag schriftlich zu erfolgen habe, was heutzutage unter Einschaltung eines Maklers als gängige Praxis angesehen werden müsse. Bevor man, so die Beklagte zu 1) daher überhaupt auch nur im Ansatz von einem rechtsverbindlichen Angebot unter der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes hätte ausgehen können, hätten die Kläger den Beklagten zumindest den kompletten Vertragstext durch Übersendung zur Kenntnis bringen müssen. Frühestens nach Erhalt, Durchsicht und Überprüfung eines Vertrages und einer daraufhin erfolgten Zusage, hätte von einer verbindlichen Rechtshandlung ausgegangen werden können. Den Beklagten hätten aber lediglich die Informationen der Online-Wohnungsanzeige vorgelegen (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 05.03.2020 Bezug genommen).

Die Beklagte zu 1) trägt vor, sie hätte gegenüber dem Kläger auch nach ihrer Bewerbung E-Mail vom 13.08.2019 keine weiteren Erklärungen abgegeben und hätte bis zur telefonischen Absage am 17.09.2019 keinen Kontakt mehr zur Klagepartei gehabt. Der Umstand, dass sich während des Urlaubs der Beklagten Zweifel ergeben hatten, ob diese zusammenziehen würde, wäre für das Nichtzustandekommen des Mietvertrags auch nicht kausal und rechtlich unerheblich, da die Beklagten unstreitig über den Inhalt des Vertrages nicht informiert worden waren. Da den Beklagten über einen langen Zeitraum von 13.08.2019 bis zum 16.09.2019 keinerlei Mietvertrag vorgelegt worden sei, habe die Klagepartei auch nicht mehr ernsthaft davon ausgehen dürfen, dass die Beklagten noch an der Wohnung interessiert wären (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 05.03.2020 Bezug genommen). Im Übrigen sei, so die Beklagte zu 1), als Mietzins nicht 1.450,00 €, sondern 1.350,00 € im Raum gestanden (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.07.2020 Bezug genommen).

Die Beklagte zu 1) trägt weiter vor, angesichts der begehrten Lage der Wohnung und der Situation auf dem Münchner Mietmarkt werde mit Nachdruck bestritten, dass ein Vertragsabschluss zum 01.10.2019 nicht mehr zustande hätte kommen können oder zumindest zum 15.10.2019 (Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 05.03.2020 Bezug genommen).

Die Beklagte zu 1) trägt weiter vor, für einen Schadensersatzanspruch fehle es an einer Rechtsgrundlage, die Kläger seien bereits am 19.09.2019 mit ihren Schadensersatzforderungen an die Beklagten herangetreten. Das Risiko des Mietausfalls trage bis zum wirksamen Abschluss eines Mietvertrags aber grundsätzlich der Vermieter. Es sei auch nicht verständlich, dass der Makler gleich sämtlichen Mietinteressenten abgesagt hätte, bevor ein Vertragsabschluss mit den Beklagten überhaupt in trockenen Tüchern gewesen sei (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 05.03.2020 Bezug genommen).

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 14.07.2020 und auf die übrigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, weil die Streitigkeit einem Mietverhältnis über eine in München gelegene Wohnung entspringt, §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klagepartei hat keinen Anspruch auf Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen gem. § 311 Abs. 2 BGB. Die Klage erweist sich bereits als unschlüssig, weshalb auch in Bezug auf den Beklagten zu 2) kein Versäumnisurteil zu erlassen war, sondern ebenfalls ein klageabweisendes Endurteil (unechtes Versäumnisurteil). Auch ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht.

1. Ein Mietvertrag war zwischen den Parteien noch nicht zustande gekommen. Grundsätzlich ist der Mietvertragsschluss formfrei möglich (§ 550 BGB).

Allerdings hatten die Parteien hier konkludent eine Schriftformvereinbarung getroffen, indem die Vermieterseite eine schriftliche Vertragsurkunde erstellte, die der Mieter unterzeichnen sollte, was nicht passiert ist.

Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 154 Abs.2 BGB ist ein Vertrag im Zweifel bis zu seiner Beurkundung nicht geschlossen, wenn eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden ist. Die Beurkundungsabrede im Sinne des § 154 Abs.2 BGB, die auch Schriftformvereinbarungen umfasst, liegt vor, wenn die Beurkundung Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrags sein und nicht bloß Beweiszwecken dienen soll (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 14.02.2017 -10 U 107/16 -Rn. 55). Sie bedarf ihrerseits keiner bestimmten Form und ist deshalb auch durch schlüssiges Verhalten möglich (MüKoBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, BGB § 154 Rn. 12), etwa durch Austausch von schriftlichen Entwürfen oder durch Herstellung einer Vertragsurkunde (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Auflage 2019, § 154 Rn. 4).

Da die Beklagten den Vertrag aber nicht unterschrieben haben, war jedenfalls kein Mietvertrag zustande gekommen.

2. Auch eine Haftung nach § 311 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) scheidet aus.

a) Die Rechtsprechung billigt nur unter engen Voraussetzungen Schadenersatzansprüche aus c.i.c. zu, wenn berechtigtes Vertrauen in das Zustandekommen eines Vertrages letztendlich wegen schuldhaften Abbruchs der Vertragsverhandlungen enttäuscht wird. Bei der Annahme derartiger Schadenersatzpflichten ist jedoch Zurückhaltung geboten, da sie anderenfalls zu einem mittelbaren Kontrahierungszwang führt, der mit der Abschlussfreiheit unvereinbar ist. Grundsätzlich ist jeder an Vertragsverhandlungen Beteiligte berechtigt, letztlich vom Vertragsschluss abzusehen, ohne diesen Entschluss zur Vermeidung von Ersatzansprüchen begründen zu müssen (Bub/Treier-Drettmann, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap. II, Rn. 387ff.); es gilt der Grundsatz der negativen Privatautonomie (vgl. BeckOGK/Herresthal, 1.6.2019, BGB § 311 Rn. 364). Macht eine Partei bereits während noch nicht abgeschlossener Vertragsverhandlungen Aufwendungen, ist dies regelmäßig ihr Risiko. Der abbrechende Verhandlungsgegner wird grds. auch dann nicht ersatzpflichtig, wenn ihm diese Aufwendungen bekannt sind (vgl. Bub/Treier-Drettmann, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap. II, Rn. 387ff.).

Bedarf der Mietvertrag nach § 550 BGB der gesetzlichen Schriftform oder haben die Verhandlungspartner durch ihr Verhalten dokumentiert, dass sie unbedingt nur einen schriftlichen Vertrag abschließen wollen (vgl. oben Ziffer II. 1.), müssen sie grundsätzlich davon ausgehen, dass es vor Unterzeichnung des Mietvertrages kein Vertrauen in den Mietvertragsabschluss geben kann (Lindner-Figura/Opreé/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Auflage 2017, Kapitel 4, Rn. 32; Fevers, NZM 2015, 105, 106).

Vor allem bei grundlosem Abbruch der Vertragsverhandlungen sowie bei schuldhafter Verhinderung der Wirksamkeit eines Vertrages kann den einen Teil durchaus eine Haftung aus c.i.c. für Aufwendungen treffen, die der andere Teil bereits in Erwartung des Vertragsabschlusses getätigt hatte und die sich jetzt infolge des „Abbruchs“ der Verhandlungen oder auf Grund der Undurchführbarkeit des Vertrags als nutzlos erweisen (Palandt/Grüneberg, 78. Aufl. 2019, § 311 Rn. 30). Gleich stehen die Fälle, in denen dem einen Teil der Vorwurf gemacht wird, den anderen während der Vertragsverhandlungen nicht rechtzeitig auf diesem unbekannte Hindernisse hingewiesen zu haben, die noch einem endgültigen Vertragsabschluss entgegenstehen, so dass sein Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages letztlich unbegründet ist (MüKoBGB/Emmerich, 8. Aufl. 2019, BGB § 311 Rn. 174).

Wann anzunehmen ist, dass ein Partner bei dem anderen das berechtigte Vertrauen erweckt, es werde mit Sicherheit zum Vertragsschluss kommen, kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Nach der Rechtsprechung besteht eine Ersatzpflicht auch dann, wenn der die Verhandlungen Abbrechende den anderen Teil ohne Verschulden zu der Auffassung bringt, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, wenn eine Einigung über den Inhalt des Mietvertrages erzielt und der Vertragsabschluss als bloße Förmlichkeit hingestellt wird; die Ersatzpflicht besteht auch schon dann, wenn ein Verhandlungspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus deren Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen. Haftungsgrund ist nicht das Erzeugen von Vertrauen, sondern das Zuwiderhandeln gegen die durch das eigene Verhalten hervorgerufene Bindung (vgl. Bub/Treier-Drettmann, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap. II, Rn. 387ff.).

b) Diese Voraussetzungen sind bereits unter Zugrundelegung des unstreitigen Sachverhalts offensichtlich nicht gegeben: Die Kläger konnten bei der geschilderten Sachlage schon nicht davon ausgehen, dass der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen gewesen wäre, denn die Beklagten hatten zu keinem Zeitpunkt einen Mietvertragsentwurf oder einen Mietvertrag in Händen gehabt. Ohne konkreten Mietvertrag war es den Beklagten aber gar nicht möglich die vertraglichen Verpflichtungen, die sie übernehmen würden, zu prüfen. Ohne Prüfung der konkreten Vertragsregeln kann keine Partei von einem sicheren Vertragsschluss ausgehen. Das Vorliegen der Werbeannonce ersetzt nicht ansatzweise den konkreten Vertrag(sentwurf). Die Argumentation, dass auf Seiten der Klagepartei kein Fall bekannt wäre, in dem es zu einer ablehnenden Änderung des Vertragsformblattes des Münchner Haus- und Grundbesitzervereins gekommen wäre, außer eventueller Ergänzungen auf Wunsch von Vermieterseite, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Es ist auch nicht klar, was die Kläger damit eigentlich meinen. Offensichtlich gehen sie davon aus, dass Vertragsverhandlungen im Mietrecht in München bedeuten, dass der Vermieter dem Mieter einen Vertrag vorlegt und dieser ohne Wenn und Aber zu unterschreiben hat. Mag es auch sein, dass in sog. „Vermietermärkten“, wie es München ohne Frage ist, sich Mieter bisweilen dazu veranlasst sehen müssen, auf Forderungen des Vermieters einzugehen, die bei einem Verhandlungsgleichgewicht bzw. auf einem ausgewogenen Wohnungsmarkt niemals ihre Akzeptanz fänden (vgl. Fevers, NZM 2015, 105, 106). Diese rein tatsächliche und bedenkliche Folge der Wohnungsknappheit aber als normative Regel darzustellen befremdet sehr: Sollte dies tatsächlich der Fall sein, haben die Kläger nicht verstanden, dass Vertragsverhandlungen im Privatrecht davon gekennzeichnet sind, dass die jeweiligen Interessen und Positionen ausgetauscht, bewertet respektiert und ggf. zur Disposition gestellt werden. Ein Kontrahierungszwang besteht auch in einem angespannten Mietmarkt wie München ausdrücklich nicht, auch wenn dies nach der Darlegung der Klagepartei den Anschein haben könnte. Es ist sehr wohl für den Mieter wichtig zu wissen, wie etwa die Schönheitsreparaturen geregelt werden sollen, in welcher Form er die Mietsicherheit stellen muss, ob Tierhaltungsbeschränkungen oder Kündigungsverzichte bestehen sollen, wie die Umlage sonstiger Betriebskosten geregelt ist, wie die Hausordnung aussieht etc. Erst wenn er dies weiß, kann er entscheiden, ob er die Wohnung wirklich so mieten oder ggf. nachverhandeln will. Im Übrigen war, da die Kläger einen Mietzins von 1.450,00 € behaupten, die Beklagte zu 1) aber von einem Mietzins von 1.350,00 € ausging, offensichtlich nicht einmal über dieses essentialium negotium ein Einvernehmen erzielt worden. Von einer Einigung über den Inhalt des Mietvertrages kann auch deshalb schon nicht ansatzweise gesprochen werden.

c) Der Einwand, dass der Vermieter auch nicht einfach vom Vertragsschluss hätte Abstand nehmen können und daher dies gleichermaßen für den Mieter gelten müsse, sonst wäre es ungerecht, greift zu kurz:

Vertrauenshaftungsfälle berühren häufig auch Fragen der allgemeinen Gerechtigkeitslehre. Um die Problematik verständlich zu machen, bietet sich ein Blick in die Rechtstheorie an. Diese hat unter anderem das Prinzip der „Spiegelung“ entwickelt (vgl. dazu Philipps, Eine juristische Datenbank für Probleme und Argumente. In: Kaufmann, Arthur (Hrsg.): Rechtsstaat und Menschenwürde. Festschrift für Werner Maihofer zum 70. Geburtstag. Frankfurt am Main 1988, S. 355-369; ders., Täter und Teilnehmer – Versuch und Irrtum. Ein Modell für die rechtswissenschaftliche Analyse, in: Rechtstheorie, Zeitschrift für Logik und juristische Methodenlehre, Rechtsinformatik, Kommunikationsforschung, Normen- und Handlungstheorie, Soziologie und Philosophie des Rechts, Vol. 5, 1974, S. 129, 139). Das bedeutet vereinfacht, dass man sich bei einem Fall auch den spiegelbildlichen Fall vorzustellen hat. Das würde heißen, dass in dieser Konstellation nicht der Mieter, sondern der Vermieter während seines Urlaubes feststellt, den Vertragsabschluss nicht zu wollen und vor Vertragsschluss abspringt. Man betrachtet also beide spiegelbildlichen Fälle zusammen und überlegt, warum in derselben Konstellation der Mieter ohne Haftung den Mietervertrag nicht abschließen muss, der Vermieter aber haftet, wenn er sich vor dem Vertragsschluss (ohne triftigen Grund) zurückzieht.

Dieses Prinzip der Spiegelung ist nur eine sog. heuristische Methode, also ein Hilfsmittel, um die getroffene Bewertung zu überprüfen, allerdings ein sehr nützliches. In der vorliegenden Konstellation hatte der Vermieter vorgetragen und dem Mieter mitgeteilt, dass der Vertrag von ihm unterschrieben bereit liegt. Der Mieter müsse nur vorbeikommen und unterschreiben. Der Vermieter hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er selbst den Vertrag kennt und unter Zugrundelegung der dort fixierten Regelung bereit ist, die Wohnung an den Mieter zu überlassen. Warn- und Beweisfunktion der Schriftform spielen auf Seiten des Vermieters, der den Vertragstext ja gestellt hat, diesen kennt und von diesem nicht abweichen will, keine Rolle mehr. Diesen Umstand und diese Selbstbindung hat der Vermieter an den Mieter kommuniziert. Es lässt sich darin ein Vorvertrag mit asymmetrischer Bindung zu Lasten des Vermieters erkennen, wobei Vorverträge bekanntlich nicht der Schriftform unterliegen.

Anders beim Mieter, der den Vertragstext nicht kennt. Für ihn ist die Unkenntnis des Vertragstextes der wesentliche Unterschied, der im Rahmen der Spiegelung zu Tage tritt und eine andere Bewertung impliziert: Auf Seiten des Mieters ist keine vorvertragliche Bindung eingetreten.

3. Selbst wenn man zu Gunsten der Klagepartei unterstellen würden, dass die Verhandlungen bereits ein solches Stadium erreicht hatten, dass die Kläger von einem sicheren Vertragsschluss ausgehen durften, so würde dennoch kein unberechtigter Abbruch von Vertragsverhandlungen vorliegen, denn auch nach dem eigenen Sachvortrag der Klagepartei war auf Seiten der Beklagten ein triftiger Grund hierfür gegeben:

An die Annahme eines triftigen Grundes, der den Abbruch von Vertragsverhandlungen zu rechtfertigen vermag, dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden, um einen auch nur mittelbaren Zwang zum Vertragsabschluss zu vermeiden. Jede vernünftige Erwägung genügt vielmehr, um den Abbruch der Verhandlungen zu „rechtfertigen“. Ein triftiger Grund für den Abbruch der Vertragsverhandlungen, der eine Ersatzpflicht ausschließt, liegt jedenfalls dann vor, wenn für den die Verhandlung Abbrechenden der Vertragsschluss aufgrund besonderer Umstände unzumutbar ist oder bereits Umstände vorliegen, die ihn zur Lösung des Vertrages durch Rücktritt oder Kündigung berechtigen würden; ein „triftiger Grund“ ist jedoch zu verneinen, wenn die Vertragsverhandlungen letztlich aus sachfremden Motiven heraus abgebrochen werden (vgl. Bub/Treier-Drettmann, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap. II, Rn. 392).

Dass zwei Mitmieter, die als Paar eine Wohnung anmieten wollen, vor Vertragsschluss im gemeinsamen Urlaub merken, dass sie nicht zusammenpassen und besser getrennte Wege gehen, ist ein ohne weiteres jedem einleuchtender Grund, der den Abbruch von Vertragsverhandlungen rechtfertigt. Die Beklagten hatten auch nicht die Obliegenheit oder gar Rechtspflicht, aus dem Urlaub heraus die Klagepartei über den sich verschlechternden Beziehungszustand zu informieren.

4. Zudem ist auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrages gar kein Schaden dargetan: Die Rechtsfolgen einer Haftung aus c.i.c. ergeben sich aus § 280 Abs. 1 BGB iVm §§ 249 BGB. Zu ersetzen ist idR der Vertrauensschaden. Danach ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schuldhafte Verhalten des anderen Teils stehen würde (vgl. Bub/Treier-Drettmann, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap. II, Rn. 387ff.). Nutzlose Aufwendungen hinsichtlich des beabsichtigten Vertragsschlusses, wie neue Inseratskosten etc., haben die Kläger nicht vorgetragen, stattdessen begehren sie Ersatz der Oktobermieter, deren Höhe noch dazu streitig ist.

Am 19.09.2019, als die Kläger bereits mit Anwaltsschreiben die Oktobermiete 2019 als Schaden geltend gemacht haben, mit Zahlungsziel 30.09.2019, stand noch gar nicht fest, ob dieser Schaden überhaupt eintreten würde. Vielmehr hatten die Kläger die Wohnung bereits wieder inseriert gehabt mit Vermietungsbeginn am 01.10.2019 und zum offenen Besichtigungstermin am 20.09.2019 geladen. Selbst der Makler der Klagepartei, der am 20.09.2019 einen offenen Besichtigungstermin anberaumt hatte, ging somit mit einer realisierbaren Vermietung zum 01.10.2019 aus.

Warum es dann zu keiner Vermietung kam, hat die Klagepartei nicht dargelegt. Es ist für den entscheidenden Richter am Münchner Mietgericht amtsbekannt, dass eine Wohnung in dieser Lage binnen weniger Tage zu vermieten ist. Dieser Umstand allein wäre, wenn es darauf ankäme, im Rahmen der Schadensminderungspflicht relevant. Dass sich ein Vermieter zwar in München grundsätzlich den Besten aller möglichen Mieter in einem harten Auswahlverfahren aussuchen kann und aussuchen darf, ist unbestritten. Dies und die Tatsache, dass das ggf. für den Vermieter viel Zeit und Mühe in Anspruch nimmt, geht aber schadensrechtlich nicht zu Lasten des Mieters, sondern berührt alleine die Sphäre des Vermieters. Es ist allein seine Sache, welchen Aufwand er betreibt, um einen geeigneten Mieter zu finden. Entscheidend ist schadensrechtlich allein, dass der Vermieter die Wohnung ohne weiteres zum 01.10.2020 hätte vermieten können. Er hat auch keine nachvollziehbaren Gründe vorgetragen, warum dies ausnahmsweise nicht möglich gewesen wäre.

5. Mangels Hauptsacheanspruch besteht auch kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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