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Nichtduldung von Erhaltungsmaßnahmen durch Mieter als Pflichtverletzung

AG Tempelhof-Kreuzberg – Az.: 12 C 192/11 – Urteil vom 18.06.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 13/22 und die Beklagten 9/22 zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung in die Kosten jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beklagten schlossen am 21.07.1999 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Mietvertrag über die Wohnung W. Straße, … Berlin.

Mit Schreiben vom 24.09.2010 teilte die Klägerin den Beklagten mit, dass sich der Verdacht auf Mängel im Dachbereich des Giebels ergeben hätte und daher um Besprechungstermin gebeten werde. Mit Schreiben vom 01.10.2010 forderte die Klägerin die Beklagten auf, die Wohnung zu räumen und bot ihnen gleichzeitig einen neuen Mietvertrag für eine Alternativwohnung an. Mit Schreiben vom 06.10.2010 baten die Beklagten wiederum um einen Nachweis für die Mängel und erklärten für diesen Fall ihre Bereitschaft zu einem Umzug. Am 20.10.2010 bat die Klägerin die Beklagten darum, den Zugang zu ihrem Keller zu ermöglichen. Auf Betreiben der Beklagten führte die Bauaufsicht des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg am 16.11.2010 eine Ortstermin durch und erließ einen Bescheid, wonach die Nutzung der Wohnung untersagt wurde. Mit Schreiben vom 19.11.2010 erklärten die Beklagten ihre Bereitschaft zum Auszug und forderten die Klägerin gleichzeitig auf, ihnen einen Bauablaufplan vorzulegen und einen Termin zur Rückkehr in die Wohnung zu benennen. Sie wiesen auch daraufhin, dass andere Maßnahmen als Instandsetzungsmaßnahmen nicht geduldet würden, insbesondere keine Modernisierungsmaßnahmen, denen sie nicht zugestimmt hätten. Am 23.11.2010 zogen die Beklagten aus der Wohnung aus.

Mit Schreiben vom 03.12.2010 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dass die Wohnung nur nach vorheriger Zustimmung durch ihn und konkreter Mitteilung, aus welchem Grund die Wohnung betreten werden soll, betreten werden dürfe.

Zu einem auf den 14.12.2010 um 10.00 Uhr vereinbarten Termin erschien von der Klägerin niemand. Am 21.12.2010 fand ein Alternativtermin statt. Anschließend wurden von der Klägerin Bauarbeiten für den 29.12.2010 angekündigt. Mit Schreiben vom 27.10.2010 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dass wie im Termin vom 21.10.2010 besprochen mit den Arbeiten begonnen werden könne und es keiner weiteren Absprache bedürfe. Am 29.12. wartete der Beklagte zu 2 auf Mitarbeiter der Klägerin, welche aber nicht erschienen. In der Folgezeit wurde der Hausschlüssel der Hausverwaltung der Klägerin übersandt und von dieser am 1.02.2011 wieder an die Beklagten zurückgegeben. In diesem Zeitraum erfolgten auch provisorische Sicherungsmaßnahmen.

Mit Schreiben vom 01.30.2011 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass ein Gutachten noch nicht übersandt worden sei und daher noch nicht gesagt werden könne, welche Arbeiten im einzelnen zu dulden wären. Mit Schreiben vom 08.04.2011 teilte die Klägerin mit, dass die Arbeiten zur finalen Schwammbeseitigung in der 17.Kalenderwoche beginnen sollen. Auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 11.04.2011 fand am 10.05.2011 ein Vororttermin statt. Eine Einigung zwischen den Parteien konnte nicht erzielt werden. Nachdem auf die Schreiben vom 19.5.2011 und 03.06.2011 der Zutritt nicht gewährt worden ist, hat die Klägerin unter dem 01.08.2011 eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach die Beklagten verpflichtet sind, die Erhaltungsmaßnahmen bezüglich der schadhaften Holzbalkendecke zu dulden ( hinsichtlich des genauen Inhalts der einstweiligen Verfügung wird auf Bl.175/176 der Akten Bezug genommen).

Mit Schreiben vom 30.06.2011 und Schriftsatz vom 21.11.2011 hat die Klägerin das Mietverhältnis fristlos gekündigt.

Nach ihrem Auszug aus der streitgegenständlichen Wohnung bezogen die Beklagten ein Appartement im STEPS-Hotel. In dem Zeitraum 23.11.2010 bis 01.1.2011 zahlten sie eine Miete in Höhe von 3393,00 € und vom 01.1.2011 bis 0102.2011 2697,00 €.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagten durch ihre Weigerung die Erhaltungsmaßnahmen zu dulden gegen ihre Pflichten aus dem Mietvertrag verstoßen hätten. Durch die Weigerung sei der Baufortschritt erheblich verzögert worden und es seien Mehrkosten entstanden. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen.

Die Klägerin stellt den Antrag: Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner die im 4.OG rechts des Gebäudes W. Straße, … Berlin gelegene, 118,62 m² große 4-Zimmer-Wohnung mit der Wohnungsnummer … nebst dem zur Wohnung gehörigen Kellerraum links vom Treppenaufgang am Ende des Kellerganges auf der linken Seite (Seitenflügelrechts) zu räumen und geräumt zusammen mit drei Zentralschlüsseln an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten stellen die Anträge:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin wird widerklagend verurteilt, an die Beklagten 4614,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 16.03.2011 zu zahlen.

Sie tragen zur Begründung vor, dass die Beklagten sich den Bauarbeiten nicht widersetzt hätten. Es sei die Klägerin gewesen, welche zu Terminen nicht erschienen sei oder nur zögerlich gearbeitet habe. Die Angebote hinsichtlich der Alternativwohnungen seien auch so gestaltet gewesen, dass die Klägerin den Beklagten den Abschluss eines neuen Mietvertrages angeboten habe, was für die Beklagten nicht in Frage gekommen sei.

Der Mangel des Schwammbefalls sei bereits bei Mietvertragsabschluss vorhanden gewesen. Die Klägerin habe daher die Mehrkosten der Hotelunterbringung zu zahlen. Die Beklagten ließen sich die ersparte Miete anrechnen.

Die Klägerin stellt den Antrag: Die Widerklage wird abgewiesen.

Sie trägt vor, dass sie am Schwammbefall kein Verschulden träfe und sie den Beklagten im Übrigen auch Ersatzwohnungen angeboten habe.

Hinsichtlich des Sachvortrags im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der Akten Bezug genommen.

In dem Verfahren 20 C/11 betreibt die Klägerin weitere Duldungsansprüche gegen die Beklagten und die Beklagten erstreben die Widereinräumung des Besitzes.

Entscheidungsgründe

1.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 Abs.1 BGB zu.

Die Kündigungen der Klägerin vom 30.06.2011 und 21.11.2011 sind nicht begründet.

Die Klägerin stützt ihre Kündigung darauf, dass ihr gemäß § 573 Abs.1, 2 Ziffer 1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses zustünde. Gemäß § 573 Abs.2 Nr. 1 BGB setzt dies jedoch voraus, dass die Beklagten ihre vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt haben.

Die vertragliche Pflicht der Beklagten soll hier darin liegen, dass sie Instandhaltungsmaßnahmen zu dulden haben. Gemäß § 554 Abs.1 BGB haben die Mieter Maßnahmen zur Erhaltung der Mietsache zu dulden. Tun sie dies nicht, so kann der Vermieter eine Duldungsklage erheben. Er kann jedoch nicht das Mietverhältnis fristlos kündigen. Es liegt nämlich dann keine schuldhafte Pflichtverletzung vor, wenn der Mieter letztlich erst nach gerichtlicher Prüfung die Maßnahmen duldet. Die Notwendigkeit Klage zu erheben, bedeutet im Umkehrschluss keine Pflichtverletzung.

Des weiteren kann nach der im Tatbestand geschilderten Abfolge der Ereignis auch nicht von einer schuldhaften erheblichen Pflichtverletzung ausgegangen werden. Die Klägerin hat zunächst selbst Termine mit den Beklagten zwar verabredet, dann aber nicht wahrgenommen.

Es stand den Beklagten auch unbenommen, das Bauaufsichtsamt einzuschalten. Auf dessen Bescheid hin, sind die Beklagten auch aus der Wohnung ausgezogen. Die Beklagten haben weiter die provisorischen Maßnahmen in der Folgezeit geduldet.

Für die weiteren Arbeiten hat die Klägerin den Beklagten weder einen Bauablaufplan vorgelegt, noch hat sie den Beklagten mitgeteilt, wann etwa mit dem Abschluss der Arbeiten zu rechnen sei.

Die Beklagten haben zu keinem Zeitpunkt die Arbeiten ohne Einschränkung abgelehnt. Aufgrund der ebenfalls von der Klägerin erklärten Modernisierungsankündigung und der von den Beklagten abgelehnten Duldung derselben, bestand für die Beklagten auch zu Recht ein Interesse daran, dass nicht im Zug der Instandsetzungsarbeiten auch Modernisierungsarbeiten durchgeführt werden. Auch hierzu hat die Klägerin sich nicht erklärt.

Letztlich sind die Arbeiten an den Holzbalken dann nach Vorlage der einstweiligen Verfügung auch durchgeführt worden und waren zum Ende des Jahres 2011 beendet.

Wie aus dem Parallelverfahren bekannt, sind die Beklagten nach wie vor nicht im Besitz der Wohnung. Die Klägerin beruft sich nunmehr auf weitere Arbeiten in und an der Wohnung.

2.

Die zulässige Widerklage ist ebenfalls nicht begründet.

Den Beklagten steht gemäß § 536a Abs.1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin nicht zu. Die Mehrkosten der Unterbringung im Hotel stellen einen Schaden dar, der infolge der Unbewohnbarkeit der Wohnung entstanden ist. Die Wohnung wurde infolge des Holzschwammbefalls an den Dachbalken unbewohnbar. Dies stellt einen Mangel im Sinne des § 536 Abs.1 BGB dar, da dadurch der Mietgebrauch erheblich beeinträchtigt wird.

Die Klägerin hat jedoch nur dann Schadensersatz zu leisten, wenn sie diesen Mangel zu vertreten hat, was bei Holzschwamm nicht anzunehmen ist und auch nicht vorgetragen wurde, oder wenn dieser Mangel bereits bei Vertragsabschluss vorhanden war (Garantiehaftung).

Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die Darlegungen der Beklagten stellen mehr oder weniger Vermutungen dar. Darüber hinaus ist gerichtsbekannt, dass in einer Vielzahl von Berliner Altbauten Sporen von Holzschwamm festgestellt worden sind bzw. festgestellt werden könnten (wenn nicht gar in allen). Dies sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob diese Sporen jemals aktiv werden und den befallenen Balken schädigen. Dazu müssen weitere Umstände hinzu kommen (Feuchtigkeit). Das bloße Vorhandensein von Holzschwammsporen stellt auch keine Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar. Der Umstand, dass möglicherweise bereits bei Abschluss des Mietvertrags der Holzschwamm schon vorhanden war, reicht alleine daher nicht aus. Der Holzschwamm muss bereits den Mietgebrauch beeinträchtigt haben. Hierzu haben die Beklagten jedoch nichts vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

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