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Nichtigkeit bei unbestimmtem Wohnungseigentümerbeschluss

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 32/18 – Urteil vom 07.12.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Nichtigkeit eines Beschlusses einer Eigentümerversammlung.

Die Kläger – Eigentümer der Wohnung Nr. 1 – und die Beklagten bilden die WEG … nach Maßgabe der notariellen Teilungserklärung vom 1. September 1971 (Anlage K3). Das stufenartig errichtete Objekt verfügt sowohl über Terrassen (im Erdgeschoss) als auch über Balkone bzw. Dachterrassen. In der Eigentümerversammlung vom 21. Juni 2018 (Protokoll, Anlage K1) wurde zu TOP 2 („Diskussion und Beschlussfassung darüber, wie bezüglich der Instandsetzung des Balkons der Miteigentümer … Einheit 16, zu verfahren ist und wer die Kosten der erforderlichen Maßnahme mit 10.000,00 € zu tragen hat“) folgendem Beschlussantrag mehrheitlich zugestimmt: „Die Kosten der jetzt zu beauftragenden Instandhaltung durch die Firma … von ca. 10.000,00 € für den Balkon (Terrasse) der Einheit-Nr. 16 und teilweise der Einheit-Nr. 17 werden seitens der Eigentümergemeinschaft und im Verhältnis der Miteigentumsanteile getragen. (…)“ Nach der Wiedergabe des Abstimmungsergebnisses heißt es im Protokoll: „Dem Antrag auf gemeinschaftliche Kostentragung wurde mehrheitlich zugestimmt.“

Mit ihrer am 27. August 2018 bei Gericht eingegangen „Beschlussanfechtungsklage“ machen die Kläger geltend, dass der o.g. Beschluss zu unbestimmt und daher nichtig sei. Eine durchführbare Regelung sei nicht mehr zu erkennen. Es gebe weder einen Grund- noch einen Ausführungsbeschluss für die Sanierungsmaßnahme, weswegen sich – nach ihrer, der Kläger … – der Inhalt des Beschlusses zu TOP 2 allein in einer Kostenverteilungsregelung erschöpfe. Es sei möglich bzw. denkbar, dass noch eine Ausführung beschlossen werde. Es sei zudem nicht klar, ob es sich bei dem Betrag von 10.000,00 € um einen Netto- oder Bruttobetrag handele. Ferner sei unklar, ob ein Balkon oder eine Terrasse saniert werden solle; auch die Bedeutung des Einschubs „teilweise“ sei nicht bestimmt genug. Der Beschluss widerspreche auch dem Gesetz bzw. dem Inhalt der Teilungserklärung; die Kosten für die Sanierung würden die jeweiligen Sondereigentümer der Einheiten nach Nr. 2 der Teilungserklärung selbst tragen müssen, nicht aber alle.

Es gebe mehrere Alternativen einer verständigen Auslegung des Beschlusses. Dadurch, dass darin von „jetzt zu beauftragenden“ Arbeiten die Rede sei, könne es sich um einen Grundbeschluss, verbunden mit einem Finanzierungsbeschluss, aber auch nur um einen Finanzierungsbeschluss oder sogar um einen Ausführungsbeschluss handeln. Sofern der Beschluss als Finanzierungsentscheidung verstanden werde, sei hier unklar, um welche Maßnahme es sich handele.

Die Kläger beantragen, den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung der WEG … der Versammlung vom 21.06.2018 TOP 2 für nichtig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigen den angegriffenen Beschluss zu TOP 2 und meinen, dass dieser nicht nichtig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Der streitbehaftete Beschluss vom 21. Juni 2018 zu TOP 2 ist nicht für ungültig zu erklären. Die Kläger haben zwar eine „Beschlussanfechtungsklage“ erhoben. Sie sind aber materiell-rechtlich mit ihrem Einwand, der Beschluss sei zu unbestimmt, präkludiert. Die Kläger haben, was sie zu Recht auch selbst eingestanden haben, die Anfechtungsfrist (s. § 46 Abs. 1 WEG) versäumt.

2. Die Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses ist aber ebenfalls nicht festzustellen. Der Inhalt eines Beschlusses muss, insbesondere weil Sonderrechtsnachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG an ihn gebunden sind, inhaltlich bestimmt und klar sein (BGH, NZM 2015, 88, Tz. 8). Einem Beschluss fehlt hingegen die Bestimmtheit, wenn er keine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält (Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 23, Rn. 84). Er muss also einen durchführungsfähigen Inhalt haben, damit er nach – positiver – Abstimmung auch in die Praxis umgesetzt werden kann (Bartholome, in: BeckOK-WEG, Ed. 34 [4/2018], § 23, Rn. 63). Jedenfalls dann, wenn der Beschluss eine durchführbare Regelung noch erkennen lässt, die Unbestimmtheit also nicht auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht, führen etwaige Mängel nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (BGH, NJW 1998, 3713, 3716). Ein Beschluss ist hinreichend bestimmt, wenn er aus sich heraus klar, eindeutig und widerspruchsfrei erkennen lässt, was gelten soll, wobei der Inhalt durch Auslegung bestimmt werden kann (BGH, NZM 2016, 387, 390, Tz. 39). Beschlüsse der Eigentümerversammlung sind „aus sich heraus“, also objektiv-normativ auszulegen. Dabei ist von dem protokollierten Wortlaut auszugehen; Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind, weil sie sich etwa aus dem – übrigen – Versammlungsprotokoll ergeben (vgl. BGH, NJW 2016, 2177, 2178, Tz. 20). Auch auf Dokumente außerhalb des Protokolls darf, sofern diese zweifelsfrei bestimmbar sind, Bezug genommen werden (s. BGH, NZM 2016, 553, 554, Tz. 9 f.).

Jedenfalls ist der Beschluss zu TOP 2, was hier nur zu prüfen ist, anhand dieser Maßstäbe nicht nichtig; inhaltliche Unklarheiten und Widersprüche im Sinne einer „Perplexität“ liegen nicht vor. Der hier in Rede stehende Beschluss lässt bei einer objektiv-normativen Auslegung, ausgehend vom Wortlaut und nach dem nächstliegenden Sinn der Bedeutung, noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Eigentümer die Kosten für die (anstehende) Instandhaltung für den Balkon (Terrasse) der Einheiten Nr. 16 und (teilweise) 17 von ca. 10.000,00 € auf alle Eigentümer nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile verteilen wollen. Damit erschöpft sich die (durchführbare) Regelung in einem Kostenbeschluss. Dafür steht den Eigentümern auch eine Kompetenz zu, weil sie nach dem Gesetz befugt sind, über die Kostenverteilung von Sanierungsmaßnahmen zu entscheiden (wobei es im Streitfall nicht auf die Vereinbarkeit der getroffenen Regelung mit der Teilungserklärung, den gesetzlichen Regelungen [etwa § 16 Abs. 4 WEG] und/oder den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung ankommt). Diese Auslegung wird auch durch den Zusatz im Protokoll gestützt, wonach „dem Antrag auf gemeinschaftliche Kostentragung (…) mehrheitlich zugestimmt wurde“. Im Übrigen lassen sich dem Versammlungsprotokoll betreffend den TOP 2 weitere Hinweise entnehmen, dass es den Eigentümern mit der Beschlussfassung im Wesentlichen (nur) um die Frage gegangen ist, wie die Kosten für die anstehende Sanierung verteilt werden sollen (etwa: „Bereitschaft dazu, sich an den Kosten der Maßnahme weiterhin beteiligen zu wollen“, „dass eine Solidargemeinschaft bestünde“ oder „aus solidarischen Gründen (…) über die Kostentragung abzustimmen“). Und selbst wenn es bei der Auslegung auf die subjektiven Vorstellungen der beteiligten Eigentümer, also auch auf die der Kläger, nicht ankommt (BGH, NJW 2010, 3093, Tz. 9), so präferieren die Kläger im Streitfall selbst ein Verständnis des angegriffenen Beschlusses im Sinne einer bloßen Finanzierungsregelung („nach hiesiger Lesart (…) allein (…) [ein] Beschluss zur Kostenverteilung“). Zur Nichtigkeit des Beschlusses führt auch nicht, dass er nur eine bzw. die getroffene Kostenregelung enthält, ohne aber die Sanierung – jedenfalls dem Grunde nach – gleich mitzuregeln; eine solche gleichzeitige Beschlussfassung ist ohnehin schon nicht zwingend (vgl. nur Becker, ZWE 2017, 386, 390; Falkner, BeckGK-WEG, § 16, Rn. 213).

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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