Skip to content
Menü

Nichtigkeit Wohnungseigentümerversammlung: Muss ein Beschluss fallen, wenn die Einladung formell fehlerhaft war?

Die Gültigkeit von Beschlüssen einer Eigentümerversammlung stand auf dem Spiel, als klar wurde: Die Einladung kam nicht vom offiziellen Verwalter, sondern von einer noch unbefugten Firma. Ein Streit entbrannte in der Wohnungseigentümergemeinschaft, nachdem wichtige Bauvorhaben eines Eigentümers zwar mehrheitlich genehmigt wurden, doch die Grundlage der Versammlung selbst angezweifelt wurde. Aber entfaltet ein solcher Beschluss rechtliche Wirkung, wenn der Absender der Einladung gar nicht einladen durfte?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 9 S 28/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Lüneburg
  • Datum: 04.03.2025
  • Aktenzeichen: 9 S 28/24
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, die einen Beschluss zur nachträglichen Genehmigung von Baumaßnahmen anfochten, da die Versammlung von einer nicht förmlich bestellten Verwalterin einberufen wurde.
  • Beklagte: Die Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses verteidigte und anführte, die einberufende GmbH sei faktisch als Verwalterin tätig gewesen und der Beschluss sei später bestätigt worden.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Die Kläger fochten einen Beschluss einer Eigentümerversammlung an, der nachträglich bauliche Veränderungen an einer Immobilie genehmigte, weil die Versammlung von einer noch nicht förmlich bestellten Verwalterin einberufen worden war.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Führt die Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung durch eine zum Zeitpunkt der Einladung noch nicht förmlich bestellte, aber als künftige Verwalterin vorgesehene und faktisch tätige GmbH zur Nichtigkeit oder lediglich zur Anfechtbarkeit eines dort gefassten Beschlusses?

Wie hat das Gericht entschieden?

  • Berufung zurückgewiesen: Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover wurde zurückgewiesen.
  • Kernaussagen der Begründung:
    • Keine Nichtigkeit durch formalen Einberufungsmangel: Der Beschluss ist trotz formaler Fehlereinberufung nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar, da die einberufende D. GmbH als „potenziell berechtigt“ galt.
    • Schutzbedürfnis des Vertrauens auf Bestandskraft: Eigentümer, die nach längerem Zeitablauf auf die Wirksamkeit von Beschlüssen vertrauen, sind schutzwürdig, zumal die Anfechtungsfrist nicht gewahrt wurde.
    • Fehlen weiterer Nichtigkeit begründender Umstände: Es fehlten zusätzliche Umstände, die eine Nichtigkeit begründet hätten, wie die Beschneidung von Teilnahme- oder Mitwirkungsrechten oder kollusives Verhalten.
  • Folgen für die Kläger:
    • Die Kläger müssen die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
    • Das Urteil des Amtsgerichts Hannover bleibt bestehen.

Der Fall vor Gericht


Was passiert, wenn die Einladung zur Eigentümerversammlung von der falschen Person kommt?

Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Eigentumswohnung. Regelmäßig erhalten Sie Einladungen zu Eigentümerversammlungen, in denen wichtige Entscheidungen für das ganze Haus getroffen werden – etwa über Reparaturen, neue Hausregeln oder die Bestellung eines neuen Hausverwalters. Aber was wäre, wenn die Einladung von jemandem kommt, der dazu gar nicht offiziell berechtigt ist? Sind die auf dieser Versammlung getroffenen Beschlüsse dann überhaupt gültig? Genau mit dieser Frage musste sich das Landgericht Lüneburg in einem Urteil vom 4. März 2025 befassen.

Worum ging es in dem Fall genau?

Vier Personen diskutieren im Abendlicht vor einem Gebäude über die Nichtigkeit einer fehlerhaften WEG-Versammlungseinladung.
Einladung zur WEV-Versammlung wirft kritische Fragen zur privaten Baufreigabe im Außenbereich auf. Was sind die rechtlichen Grenzen und die Folgen für Bauherren? | Symbolbild: KI-generiertes Bild

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft in L. gab es Streit. Ein Eigentümer hatte auf einer Fläche, für die er ein sogenanntes Sondernutzungsrecht besaß, bauliche Veränderungen vorgenommen. Ein Sondernutzungsrecht erlaubt es einem einzelnen Eigentümer, einen Teil des Gemeinschaftseigentums – wie etwa einen Gartenanteil – allein zu nutzen. Konkret hatte er eine Sauna, einen Abstellschuppen und einen Gartendurchgang errichtet.

Um diese Bauten nachträglich zu genehmigen, wurde am 14. November 2022 eine Eigentümerversammlung abgehalten. Dort stimmte die Mehrheit der anwesenden Eigentümer für die Genehmigung. Das Problem lag jedoch im Detail: Die Einladung zu dieser Versammlung wurde von einer Firma namens D. GmbH verschickt. Diese Firma war zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht die offizielle Verwalterin der Wohnanlage. Geplant war, sie erst in genau dieser Versammlung zur neuen Verwalterin zu bestellen.

Einige Eigentümer (die späteren Kläger) waren mit dem Beschluss zur Genehmigung der Bauten nicht einverstanden. Sie zogen vor Gericht, um den Beschluss für ungültig erklären zu lassen.

Warum klagten die Eigentümer und was war ihr Hauptargument?

Die Kläger argumentierten, der Beschluss sei von Anfang an rechtlich unwirksam. Juristen nennen diesen Zustand nichtig. Ein nichtiger Beschluss ist so zu behandeln, als hätte es ihn nie gegeben – er ist rechtlich gesehen nur ein Stück wertloses Papier.

Aber warum sollte der Beschluss nichtig sein? Die Kläger begründeten das so: Das Gesetz über das Wohnungseigentum (kurz WEG) regelt in § 24 klar, wer eine Eigentümerversammlung einberufen darf. Das ist in der Regel der bestellte Verwalter. Da die D. GmbH zum Zeitpunkt der Einladung noch nicht die bestellte Verwalterin war, habe sie die Versammlung unbefugt einberufen. Eine Versammlung, die von einer unbefugten Person einberufen wird, sei fehlerhaft. Dieser Fehler sei so gravierend, dass alle dort gefassten Beschlüsse automatisch nichtig, also komplett unwirksam seien.

Was ist der entscheidende Unterschied zwischen einem „anfechtbaren“ und einem „nichtigen“ Beschluss?

Um das Urteil zu verstehen, muss man einen zentralen juristischen Unterschied kennen: den zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit. Das ist der Dreh- und Angelpunkt des gesamten Falls.

Stellen Sie es sich mit einem Alltagsvergleich vor:

  • Anfechtbarkeit ist wie ein kleiner Fehler auf einem Kassenbon, zum Beispiel ein falsches Datum. Der Bon ist erst einmal gültig. Sie können aber innerhalb einer bestimmten Frist (z. B. 14 Tage Rückgaberecht) zum Geschäft gehen und den Fehler beanstanden. Verpassen Sie diese Frist, bleibt der Bon so gültig, wie er ist. Ein anfechtbarer Beschluss ist also zunächst wirksam, hat aber einen Mangel. Die Eigentümer müssen innerhalb eines Monats nach der Versammlung Klage erheben, um ihn für ungültig erklären zu lassen. Tun sie das nicht, wird der Beschluss unanfechtbar und damit endgültig wirksam.
  • Nichtigkeit ist wie ein Kassenbon, den ein zufälliger Passant auf der Straße auf eine Serviette gekritzelt hat. Er sieht vielleicht wie ein Bon aus, war aber von der ersten Sekunde an rechtlich wertlos. Er entfaltet niemals eine Wirkung, egal, wie viel Zeit vergeht. Ein nichtiger Beschluss ist also von Anfang an und automatisch unwirksam, ohne dass man eine Frist einhalten oder klagen muss.

Die Kläger in diesem Fall hatten die einmonatige Frist zur Anfechtung des Beschlusses verpasst. Ihre einzige Chance war daher, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Fehler in der Einladung so schwerwiegend war, dass der Beschluss von Anfang an nichtig war.

Warum sah das Gericht den Fehler in der Einladung als nicht so gravierend an?

Das Landgericht Lüneburg wies die Klage der Eigentümer ab. Es stimmte den Klägern zwar in einem Punkt zu: Die Einberufung durch die D. GmbH war formal falsch, da sie noch nicht die offizielle Verwalterin war. Doch das Gericht kam zu dem Schluss, dass dieser Fehler den Beschluss eben nur anfechtbar, aber nicht nichtig machte.

Wie kam das Gericht zu dieser Einschätzung? Die Richter argumentierten, dass die Nichtigkeit die absolute Ausnahme für besonders schwere Verstöße ist. Ein solcher Fall lag hier nicht vor. Die D. GmbH war zwar noch nicht formal bestellt, aber sie war sozusagen schon „im Anflug“. Das Gericht bezeichnete sie als „potenziell Berechtigte“. Was bedeutet das? Es war allen Eigentümern bekannt, dass die D. GmbH die neue Verwalterin werden sollte. Sie war von der alten Verwaltung bereits in die Aufgaben eingearbeitet worden und die Versammlung fand sogar in ihren Büroräumen statt. Sie war also keine völlig fremde, unbeteiligte Person.

Das Gericht verglich die Situation mit einem Verwalter, dessen Bestellung zwar erfolgt, aber rechtlich fehlerhaft war. Auch in einem solchen Fall sind die von ihm einberufenen Versammlungen und gefassten Beschlüsse laut gefestigter Rechtsprechung nur anfechtbar, nicht automatisch nichtig. Der vorliegende Fall sei damit vergleichbar.

Für eine Nichtigkeit, so das Gericht, müsste mehr passieren als nur ein formaler Fehler bei der Einladung. Es müssten Umstände hinzukommen, die zeigen, dass die Rechte der Eigentümer gezielt untergraben wurden. Das Gericht nannte als Beispiele:

  • Die Eigentümer wurden durch den Fehler an der Teilnahme oder Mitwirkung gehindert.
  • Es gab Anzeichen für ein Kollusives Zusammenwirken, also eine heimliche, unlautere Absprache, um bestimmte Eigentümer zu benachteiligen.

Solche schwerwiegenden Umstände konnten die Kläger aber nicht beweisen.

Welche Rolle spielte das Verhalten der Kläger und der anderen Eigentümer für das Gericht?

Das Gericht schaute sich auch genau an, was während und nach der umstrittenen Versammlung passiert war. Dabei fielen den Richtern mehrere Punkte auf, die gegen eine Nichtigkeit des Beschlusses sprachen.

Erstens war die Versammlung sehr gut besucht. Eine große Mehrheit der Eigentumsanteile war anwesend oder vertreten. Es schien also nicht so, als sei jemand durch die fehlerhafte Einladung von der Teilnahme abgehalten worden.

Zweitens war einer der Kläger selbst Mitglied des Verwaltungsbeirats – das ist ein von den Eigentümern gewähltes Gremium, das den Verwalter unterstützt und kontrolliert. Dieser Kläger hatte das Protokoll der Versammlung damals sogar mitunterschrieben, ohne einen Widerspruch gegen die Durchführung der Versammlung einzulegen. Wer ein Protokoll ohne Protest unterschreibt, signalisiert damit nach außen hin, dass die Versammlung aus seiner Sicht ordnungsgemäß verlaufen ist. Dieses Verhalten sprach stark dagegen, dass die Kläger die Durchführung der Versammlung als fundamental fehlerhaft ansahen.

Wieso war der Faktor „Zeit“ für das Urteil ebenfalls wichtig?

Schließlich spielte auch der lange Zeitablauf eine entscheidende Rolle. Die Klage wurde erst rund ein Jahr nach der Versammlung eingereicht. Das Gericht betonte hier den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das bedeutet, dass sich die Mitglieder einer Gemeinschaft nach einer gewissen Zeit darauf verlassen können müssen, dass gefasste Beschlüsse auch gültig sind. Würde man Beschlüsse auch nach Jahren noch für nichtig erklären können, gäbe es keine Rechtssicherheit mehr.

Zusätzlich hatte es eine spätere Eigentümerversammlung im September 2023 gegeben. Aus deren Protokoll ging hervor, dass die Eigentümergemeinschaft davon ausging, der umstrittene Beschluss zur Sauna sei längst rechtskräftig. Auch hier gab es keinen Widerspruch. Dies wertete das Gericht zwar nicht als neue Genehmigung, aber als starkes Indiz dafür, dass die Gemeinschaft die Entscheidung akzeptiert hatte und auf ihre Gültigkeit vertraute.

Zusammenfassend entschied das Gericht: Der Fehler bei der Einladung war nicht schwerwiegend genug für eine Nichtigkeit. Der Beschluss war lediglich anfechtbar. Da die Kläger die einmonatige Anfechtungsfrist versäumt hatten, wurde ihre Klage abgewiesen und der Beschluss blieb wirksam.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des Landgerichts Lüneburg verdeutlicht die entscheidende rechtliche Unterscheidung zwischen formalen Verfahrensfehlern und fundamental unwirksamen Rechtshandlungen im Wohnungseigentumsrecht.

  • Formale Berechtigung vs. faktische Eignung: Das Urteil zeigt, dass die Einberufung einer Eigentümerversammlung durch eine noch nicht offiziell bestellte, aber bereits eingearbeitete und allgemein akzeptierte künftige Verwaltung lediglich einen Anfechtungsgrund darstellt, nicht aber zur automatischen Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führt.
  • Verhalten der Beteiligten als Bewertungsmaßstab: Daraus folgt, dass Gerichte das konkrete Verhalten aller Beteiligten während und nach einer streitigen Versammlung als wesentlichen Bewertungsmaßstab heranziehen – insbesondere die Teilnahme, das Unterschreiben von Protokollen ohne Widerspruch und das spätere Vertrauen auf die Gültigkeit der Beschlüsse sprechen gegen eine Nichtigkeit.
  • Zeitablauf und Rechtssicherheit: Das Urteil etabliert, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes auch bei formalen Verfahrensfehlern greift, sodass ein längerer Zeitablauf ohne Widerspruch und die praktische Akzeptanz streitiger Beschlüsse deren rechtliche Wirksamkeit zusätzlich stützen.

Diese Entscheidung stärkt letztendlich die Rechtssicherheit in Wohnungseigentümergemeinschaften, indem sie die hohen Hürden für eine Nichtigkeit von Beschlüssen bestätigt und formale Fehler nur dann als fundamental bewertet, wenn dadurch Eigentümerrechte gezielt untergraben werden.


Wurde Ihre Eigentümerversammlung durch eine noch nicht förmlich bestellte Person oder Gesellschaft einberufen und Sie fragen sich, ob die gefassten Beschlüsse anfechtbar sind? Lassen Sie die Details Ihres individuellen Falls unverbindlich durch uns prüfen, um eine erste Orientierung zu erhalten und [uns zu kontaktieren](https://www.mietrechtsiegen.de/kontakt).)

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist der juristische Unterschied zwischen der Anfechtbarkeit und der Nichtigkeit eines Beschlusses?

Ein anfechtbarer Beschluss ist zunächst gültig, kann aber innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich angegriffen werden, während ein nichtiger Beschluss von Anfang an unwirksam ist und keiner solchen Anfechtung bedarf. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die rechtliche Wirkung von Entscheidungen.

Stellen Sie sich einen anfechtbaren Beschluss wie einen Kassenbon mit einem kleinen Fehler vor, etwa einem falschen Datum. Der Bon ist grundsätzlich gültig, aber Sie können den Fehler innerhalb einer Frist (z.B. einem Monat) beanstanden. Wenn Sie diese Frist verpassen, bleibt der Bon und damit der Beschluss vollständig wirksam. Ein solcher Beschluss hat also zunächst Bestand, muss aber aktiv angefochten werden, um seine Gültigkeit zu verlieren.

Im Gegensatz dazu ist ein nichtiger Beschluss von vornherein ungültig, vergleichbar mit einem Kassenbon, den jemand auf eine Serviette gekritzelt hat. Er besitzt von Anfang an keinerlei rechtliche Wirkung, egal wie viel Zeit vergeht. Er ist als „wertloses Papier“ zu betrachten, da er rechtlich nie entstanden ist und nicht erst angefochten werden muss, um seine Unwirksamkeit festzustellen.

Dieser grundlegende Unterschied bestimmt, ob und wann eine Entscheidung rechtliche Verbindlichkeit erlangt und ob eine Klage überhaupt notwendig ist, um ihre Ungültigkeit festzustellen.


zurück

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Beschluss aufgrund eines formalen Fehlers als nichtig gelten?

Ein Beschluss gilt nur unter sehr engen und außergewöhnlichen Umständen als nichtig, wenn der formale Fehler besonders schwerwiegend ist. Dies ist der Fall, wenn die Rechte der Beteiligten dadurch gezielt untergraben werden und es sich nicht um einen einfacheren Formfehler handelt, der lediglich zur Anfechtbarkeit führen würde.

Nichtigkeit bedeutet, dass ein Beschluss von Anfang an unwirksam ist und so behandelt wird, als hätte es ihn nie gegeben. Im Gegensatz dazu ist ein anfechtbarer Beschluss zunächst gültig, kann aber innerhalb einer bestimmten Frist, meist eines Monats, angefochten werden. Verstreicht diese Frist, wird er endgültig wirksam.

Ein bloßer formaler Fehler bei der Einberufung einer Versammlung, wie die Einladung durch eine noch nicht offiziell bestellte, aber bereits als künftiger Verwalter bekannte Person, führt in der Regel nur zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit. Gerichte sehen Nichtigkeit als absolute Ausnahme für schwerste Verstöße vor.

Für eine Nichtigkeit müssen Umstände hinzukommen, die belegen, dass die Rechte der Eigentümer absichtlich beeinträchtigt wurden. Beispiele für solche gravierenden Mängel sind, wenn Eigentümer durch den Fehler bewusst an der Teilnahme oder Mitwirkung gehindert wurden. Auch Anzeichen für ein „kollusives Zusammenwirken“, also eine heimliche und unlautere Absprache zur Benachteiligung bestimmter Eigentümer, können eine Nichtigkeit begründen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes untermauert diese strenge Auslegung, da sich eine Gemeinschaft nach einiger Zeit auf die Gültigkeit ihrer Beschlüsse verlassen können muss.


zurück

Welche Rolle spielt die Einberufung einer Versammlung für die Gültigkeit der dort gefassten Beschlüsse?

Die korrekte Einberufung einer Versammlung ist wichtig, jedoch führt nicht jeder formale Fehler bei der Einladung automatisch zur Ungültigkeit der gefassten Beschlüsse. Meistens macht ein solcher Fehler einen Beschluss lediglich anfechtbar, nicht aber von vornherein unwirksam.

Grundsätzlich muss eine Versammlung von der dafür zuständigen Stelle, wie etwa einem Verwalter, einberufen werden. Fehlt diese formale Berechtigung, bedeutet das aber nicht zwangsläufig, dass alle dort getroffenen Entscheidungen sofort wertlos sind. Gerichte prüfen in solchen Fällen genau, wie schwerwiegend der Fehler war.

Ein Beschluss wird nur in Ausnahmefällen als „nichtig“ angesehen, also so, als hätte es ihn nie gegeben. Dies geschieht nur bei sehr gravierenden Mängeln, die die Rechte der Teilnehmer massiv beeinträchtigen, beispielsweise wenn jemand an der Teilnahme gehindert wurde oder böswillige Absprachen vorlagen. Wenn jedoch nur ein formeller Fehler bei der Einladung vorliegt – etwa wenn eine Person einlädt, die zwar noch nicht offiziell, aber doch „potenziell berechtigt“ ist oder bereits bekannt war und keine tatsächliche Benachteiligung der Teilnehmer entstand – ist der Beschluss lediglich „anfechtbar“.

Ein anfechtbarer Beschluss ist zunächst wirksam, kann aber innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich angefochten werden. Wird diese Frist versäumt, wird der Beschluss endgültig gültig. Für die Gültigkeit von Beschlüssen ist daher entscheidend, ob trotz eines Formfehlers die Grundrechte der Teilnehmer gewahrt blieben und keine tatsächliche Benachteiligung erfolgte.


zurück

Welche Fristen müssen bei der Anfechtung von Beschlüssen in Gemeinschaften beachtet werden?

Beschlüsse, die in Gemeinschaften gefasst werden, müssen in der Regel innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Versammlung angefochten werden. Wird diese Frist versäumt, wird der Beschluss unanfechtbar und damit endgültig wirksam.

Diese einmonatige Frist gilt für sogenannte „anfechtbare“ Beschlüsse. Diese sind zwar zunächst gültig, weisen aber einen Mangel auf. Um einen solchen Beschluss für ungültig erklären zu lassen, müssen die betroffenen Personen innerhalb dieser Frist Klage bei Gericht einreichen.

Im Gegensatz dazu gibt es „nichtige“ Beschlüsse. Diese sind von Anfang an unwirksam, als hätte es sie nie gegeben. Für nichtige Beschlüsse muss keine Frist eingehalten oder Klage erhoben werden, da sie von vornherein keine rechtliche Wirkung entfalten. Die Nichtigkeit stellt jedoch eine absolute Ausnahme für besonders schwerwiegende Fehler dar.

Die Einhaltung dieser kurzen Frist ist entscheidend, da ein versäumter Einspruch dazu führt, dass der Beschluss später nicht mehr angegriffen werden kann und seine Gültigkeit feststeht.


zurück

Warum ist schnelles Handeln wichtig, wenn man einen Beschluss für fehlerhaft hält?

Wenn Sie einen Beschluss für fehlerhaft halten, ist schnelles Handeln entscheidend, da die meisten Fehler einen Beschluss lediglich anfechtbar, aber nicht von vornherein unwirksam machen. Verpassen Sie eine Frist, wird der Beschluss endgültig wirksam.

Ein anfechtbarer Beschluss ist zunächst gültig, kann aber innerhalb einer bestimmten Frist, wie meist einem Monat nach der Versammlung, vor Gericht angegriffen werden. Wird diese Frist versäumt, wird der Beschluss unanfechtbar und damit rechtskräftig, selbst wenn er einen Fehler aufweist.

Ein Beschluss ist nur in seltenen Ausnahmefällen von Anfang an nichtig, also automatisch unwirksam. Dies ist nur bei sehr gravierenden Mängeln der Fall, die zum Beispiel die Teilnahme oder Mitwirkung gezielt behindern oder auf einer unlauteren Absprache beruhen. Ein bloßer formaler Fehler, wie eine fehlerhafte Einladung, führt in der Regel nur zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit.

Der lange Zeitablauf und der Grundsatz des Vertrauensschutzes spielen dabei eine wichtige Rolle: Eine Gemeinschaft muss sich darauf verlassen können, dass gefasste Beschlüsse nach einer gewissen Zeit gültig sind. Daher ist es unerlässlich, Fehler innerhalb der vorgegebenen Fristen geltend zu machen.


zurück

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Anfechtbarkeit

Ein anfechtbarer Beschluss ist zunächst gültig, kann aber innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich angegriffen werden, um seine Ungültigkeit feststellen zu lassen. Er hat einen Mangel, der ihn angreifbar macht. Wird die dafür vorgesehene Frist (im Wohnungseigentumsrecht meist ein Monat nach der Versammlung) versäumt, wird der Beschluss unanfechtbar und damit endgültig wirksam, selbst wenn er fehlerhaft war. Das Gericht kann ihn dann nicht mehr aufheben.

Beispiel: Ein anfechtbarer Beschluss ist wie ein Kassenbon mit einem falschen Datum. Er ist erstmal gültig, kann aber innerhalb einer Frist beanstandet werden. Verpassen Sie die Frist, bleibt er so gültig.

Zurück

Kollusives Zusammenwirken

Kollusives Zusammenwirken beschreibt eine heimliche und unlautere Absprache zweier oder mehrerer Personen zum Nachteil Dritter. Es geht um eine gezielte, meist böswillige Zusammenarbeit, um andere zu benachteiligen oder sich selbst unrechtmäßige Vorteile zu verschaffen. Im Kontext von Beschlüssen führt ein solches Vorgehen oft zur Nichtigkeit, da es die Integrität des Entscheidungsprozesses fundamental untergräbt und als schwerwiegender Mangel angesehen wird.

Zurück

Nichtigkeit

Ein nichtiger Beschluss ist von Anfang an und automatisch unwirksam, als hätte es ihn nie gegeben. Er entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung und muss auch nicht gesondert angefochten werden, da er rechtlich „wertloses Papier“ ist. Nichtigkeit tritt nur bei besonders schwerwiegenden Rechtsverstößen auf, die die Grundlage des Beschlusses fundamental erschüttern, wie etwa bei extremen Formfehlern, die eine Teilnahme verhindern, oder bei Sittenwidrigkeit. Sie stellt die absolute Ausnahme im Recht dar.

Beispiel: Ein nichtiger Beschluss ist wie ein Kassenbon, den ein zufälliger Passant auf eine Serviette gekritzelt hat. Er hat von der ersten Sekunde an keinerlei rechtliche Wertigkeit.

Zurück

Sondernutzungsrecht

Ein Sondernutzungsrecht erlaubt es einem einzelnen Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft, bestimmte Teile des Gemeinschaftseigentums alleine zu nutzen und andere Eigentümer von der Nutzung auszuschließen. Ohne dieses Recht hätten alle Eigentümer ein gleiches Nutzungsrecht an diesen Flächen. Typische Beispiele sind die alleinige Nutzung eines Gartenanteils, einer Terrasse oder eines bestimmten Kfz-Stellplatzes. Obwohl die Fläche zum Gemeinschaftseigentum gehört, darf sie nur der Berechtigte nutzen; dieses Recht wird meist in der Teilungserklärung oder einer späteren Vereinbarung festgehalten.

Zurück

Verwaltungsbeirat

Der Verwaltungsbeirat ist ein von den Wohnungseigentümern gewähltes Gremium, das den Hausverwalter unterstützt und kontrolliert. Er fungiert als Bindeglied zwischen den einzelnen Eigentümern und dem Verwalter. Seine Aufgaben umfassen typischerweise die Prüfung des Wirtschaftsplans und der Jahresabrechnung sowie die Unterstützung des Verwalters bei der ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Die Mitglieder des Beirats sind ehrenamtlich tätig.

Zurück

Vertrauensschutz

Der Grundsatz des Vertrauensschutzes besagt, dass sich Personen auf bestehende rechtliche Zustände und getroffene Entscheidungen verlassen dürfen und nicht ohne triftigen Grund nachträglich in diesem Vertrauen enttäuscht werden sollen. Er dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden in einer Gemeinschaft. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass sich eine Eigentümergemeinschaft nach einer gewissen Zeit darauf verlassen können muss, dass gefasste Beschlüsse gültig sind und nicht mehr unbegrenzt angefochten werden können.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Abgrenzung Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Eigentümerbeschlüssen (§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG und ständige Rechtsprechung): Juristische Beschlüsse können entweder von Anfang an ungültig („nichtig“) sein oder zunächst gültig, aber innerhalb einer Frist anfechtbar („anfechtbar“). Ein nichtiger Beschluss ist, als hätte es ihn nie gegeben; er entfaltet keine Wirkung. Ein anfechtbarer Beschluss ist wirksam, kann aber durch Klage für ungültig erklärt werden; wird die Frist versäumt, wird er endgültig wirksam. Die Unterscheidung ist entscheidend, da sie bestimmt, ob ein Beschluss überhaupt noch rechtlich angegriffen werden kann.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kläger hatten die Frist zur Anfechtung des Beschlusses verpasst. Ihre einzige Möglichkeit, den Beschluss noch für ungültig erklären zu lassen, bestand darin, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Beschluss von Anfang an nichtig war. Das Gericht stellte fest, dass er lediglich anfechtbar war.

  • Einberufungsbefugnis der Eigentümerversammlung (§ 24 Abs. 1 WEG): Das Wohnungseigentumsgesetz schreibt genau vor, wer eine Eigentümerversammlung einberufen darf. In der Regel ist dies der bestellte Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft. Nur wenn die Versammlung von der gesetzlich vorgesehenen Person einberufen wird, ist die Einladung formell korrekt und die anschließenden Beschlüsse sind grundsätzlich gültig.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Einladung zur umstrittenen Versammlung kam von der D. GmbH, die zum Zeitpunkt der Einladung noch nicht die offizielle Verwalterin war. Dies war der Ausgangspunkt für die Klage, da die Kläger diesen formalen Fehler als so gravierend ansahen, dass er zur Nichtigkeit des Beschlusses führen sollte.

  • Voraussetzungen der Nichtigkeit von Eigentümerbeschlüssen (vgl. § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG und ständige Rechtsprechung): Die Nichtigkeit eines Eigentümerbeschlusses ist die absolute Ausnahme und erfordert besonders schwerwiegende Mängel. Ein Beschluss ist nur dann nichtig, wenn er zum Beispiel gegen grundlegende Prinzipien des Wohnungseigentumsrechts verstößt oder wenn Eigentümer an der Teilnahme oder Mitwirkung absichtlich gehindert wurden. Ein bloßer formaler Fehler führt in der Regel nicht zur Nichtigkeit.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste prüfen, ob der Fehler bei der Einladung (Einberufung durch eine noch nicht bestellte Verwalterin) gravierend genug war, um den Beschluss nichtig zu machen. Es kam zu dem Schluss, dass solche schwerwiegenden Umstände, die eine Nichtigkeit begründen würden (wie gezielte Benachteiligung oder Kollusion), hier nicht vorlagen.

  • Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (allgemeiner Rechtsgrundsatz): Dieses Prinzip besagt, dass Menschen sich nach einer gewissen Zeit auf die Gültigkeit von rechtlichen Zuständen oder Entscheidungen verlassen können müssen. Es soll verhindern, dass Rechtsverhältnisse über Jahre hinweg unsicher bleiben und bedeutet, dass jemand, der sich auf einen Beschluss verlässt, in seinem Vertrauen geschützt wird, wenn nicht sofort reagiert wird.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klage wurde erst ein Jahr nach der Versammlung eingereicht. Das Gericht berücksichtigte den langen Zeitablauf und das Vertrauen der Gemeinschaft in die Gültigkeit des Beschlusses. Es betonte, dass eine späte Anfechtung die Rechtssicherheit untergraben würde.

  • Richterliche Bewertung der Umstände bei Formfehlern (Richterliche Beweiswürdigung und Auslegungsgrundsätze): Wenn ein formaler Fehler vorliegt, prüft das Gericht genau die Begleitumstände, um die tatsächliche Schwere des Fehlers zu beurteilen. Es betrachtet dabei, ob der Fehler die betroffenen Personen tatsächlich benachteiligt hat oder ob er nur von geringer Bedeutung war, da die Situation der Beteiligten transparent und nachvollziehbar war.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die D. GmbH formal nicht befugt war, berücksichtigte das Gericht, dass sie „potenziell Berechtigte“ war, die von der alten Verwaltung eingearbeitet wurde und in deren Räumen die Versammlung stattfand. Auch das Verhalten des klagenden Beiratsmitglieds, der das Protokoll ohne Protest unterschrieb, floss in die Bewertung ein, dass der Fehler nicht schwerwiegend genug für eine Nichtigkeit war.


Das vorliegende Urteil


LG Lüneburg – Az.: 9 S 28/24 – Urteil vom 04.03.2025


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!