Skip to content
Menü

Nutzungsentschädigung – Nettokaltmiete, Nebenkostenvorauszahlung, Nebenkostenpauschale.

Mietstreit um Gewerberaum: OLG Brandenburg entscheidet über Zahlung von Mieten und Rechtsverfolgungskosten

In einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg (Az.: 3 U 16/22) vom 15.03.2023 wurde entschieden, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin insgesamt 37.108,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus unterschiedlichen Beträgen seit verschiedenen Zeitpunkten zu zahlen. Der Beklagte hatte die geschuldete Miete seit Beginn des Mietverhältnisses im April 2019 nicht entrichtet. Die Klägerin kündigte daraufhin das Mietverhältnis außerordentlich und forderte den Beklagten zur Räumung und Herausgabe sowie zur Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten auf.

Direkt zum Urteil: Az.: 3 U 16/22 springen.

Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten

Der Beklagte wurde zudem verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.239,40 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2020 zu zahlen. Weiterhin wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 35.152,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus unterschiedlichen Beträgen seit verschiedenen Zeitpunkten zu zahlen.

Aufhebung des Versäumnisurteils und Abweisung der Klage

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 17.09.2021 wurde im Übrigen aufgehoben, und die Klage wurde abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Der Beklagte hatte argumentiert, dass die Ansprüche der Klägerin insgesamt nicht fällig seien, da eine den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG genügende Rechnungslegung nicht vorgetragen sei. Zudem könne die Klägerin Betriebskostenvorauszahlungen für Zeiträume, für die bereits Abrechnungsreife bestehe, nicht verlangen.

Kosten des Rechtsstreits und vorläufige Vollstreckbarkeit

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wurde jedoch nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des tenorierten Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Berufungsstreitwert beträgt 75.206,27 Euro.

Benötigen Sie Hilfe in einem ähnlichen Fall? Jetzt Ersteinschätzung anfragen oder Beratungstermin vereinbaren: 02732 791079.


Das vorliegende Urteil

OLG Brandenburg – Az.: 3 U 16/22 – Urteil vom 15.03.2023

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 21.12.2021, Az. 4 O 256/20, teilweise abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 17.09.2021, Az. 4 O 256/20 bleibt aufrechterhalten, soweit der Beklagte dadurch verurteilt worden ist,

(1) an die Klägerin 37.108,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.963,50 Euro seit dem 04.04.2019, 06.05.2019, 06.06.2019, 04.07.2019, 06.08.2019, 05.09.2019, 04.10.2019, 06.11.2019, 05.12.2019, aus jeweils 2.261 Euro seit dem 06.01.2020, 06.02.2020, 05.03.2020, 06.04.2020, 06.05.2020 und 04.06.2020 und aus jeweils 2.204 Euro seit dem 04.07.2020, 06.08.2020, 04.09.2020 und 06.10.2020 zu zahlen, und

(2) an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.239,40 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2020 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 35.152,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.204 Euro seit dem 05.11.2020 und dem 04.12.2020, aus jeweils 2.261 Euro seit dem 07.01.2021, 04.02.2021, 04.03.2021, 08.04.2021, 06.05.2021, 04.06.2021, 06.07.2021, 05.08.2021, 06.09.2021, 06.10.2021, 04.11.2021 und 06.12.2021, 06.01.2022, 04.02.2022 und 04.03.2022 sowie aus 979,77 Euro seit dem 06.04.2022 zu zahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 17.09.2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des tenorierten Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Berufungsstreitwert beträgt 75.206,27 Euro.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Zahlung von Gewerberaummieten und den Ersatz prozessualer Rechtsverfolgungskosten.

Der Beklagte mietete von der Klägerin für eine feste Laufzeit vom 01.04.2019 bis zum 31.05.2021 das Grundstück … in … mit Ausnahme eines einzelnen Zimmers im Erdgeschoss des Objekts. In §§ 7 und 9 des schriftlichen Gewerberaummietvertrags vereinbarten die Parteien eine monatlich im Voraus – eingehend bis spätestens zum dritten Werktag eines Monats auf dem Konto der Vermieterin – zu zahlende Nettokaltmiete von 1.650 Euro zuzüglich der jeweils geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer sowie monatliche Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Höhe von 250 Euro zzgl. Mehrwertsteuer.

In dem Gewerberaummietvertrag ist die Steuernummer der Vermieterin angegeben.

Der Beklagte entrichtete seit Beginn des Mietverhältnisses die geschuldete Miete nicht.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.05.2020 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges mit mehr als 2 Monatsmieten außerordentlich und forderte den Beklagten zur Räumung und Herausgabe sowie Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten nach einem Wert von 23.562 Euro spätestens bis zum 30.06.2020 auf.

Nachdem der Beklagte der Zahlungs- und Räumungsaufforderung nicht nachgekommen war, hat die Klägerin zunächst Klage auf Zahlung rückständiger Mieten bzw. Nutzungsentschädigung für April 2019 bis Juni 2020 in Höhe von 2.261 Euro monatlich und für Juli bis Oktober 2020 in Höhe von 2.204 Euro monatlich, insgesamt 42.731 Euro nebst im Einzelnen bezeichneter Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie auf zukünftige Zahlung von Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.205 Euro monatlich bis zum 31.12.2020 und in Höhe von 2.261 Euro monatlich nebst anteiliger Zinsen bis zur Räumung und Herausgabe erhoben.

Das gegen den Beklagten in einem gesonderten Verfahren (Az. 4 O 209/20 LG Potsdam) ergangene Räumungsurteil ist seit Juli 2022 rechtskräftig, nachdem der Beklagte seine dagegen gerichtete Berufung (Az. des Senats 3 U 19/22) zurückgenommen hat. Der Beklagte hat das Mietobjekt im Rahmen der Zwangsräumung am 13.04.2022 verlassen.

Weil der Beklagte in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 17.09.2021 keinen Antrag stellen ließ, ist er in vorliegender Sache durch Versäumnisurteil des Landgerichts entsprechend dem Zahlungsantrag der Klägerin verurteilt worden. Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 21.09.2021 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit am 04.10.2021 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Einspruch eingelegt.

Der Beklagte war bereits in der Ausgangsinstanz der Auffassung, die Ansprüche der Klägerin seien insgesamt nicht fällig, da eine den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG genügende Rechnungslegung nicht vorgetragen sei; im Übrigen könne die Klägerin Betriebskostenvorauszahlungen für Zeiträume, für die bereits Abrechnungsreife bestehe, nicht verlangen; er habe die Betriebskosten auch, soweit ihm bekannt, selbst getragen; Ansprüche auf Nutzungsentschädigung bestünden nicht, da das Mietverhältnis nicht wirksam gekündigt worden sei; eine Erstattungspflicht vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehe unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungsverpflichtung der Klägerin nicht, da unter Berücksichtigung des Klagevorbringens sogleich Prozessauftrag hätte erteilt werden müssen; die Abrechnung entspreche auch nicht den Vorschriften des RVG.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 17.09.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Sie hat eine Dauermietrechnung vom 11.02.2021 vorgelegt und hierzu erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, der Beklagte habe eine Rechnungslegung, derer es im Hinblick auf den Ausweis von Steuernummer und Umsatzsteuer im Gewerberaummietvertrag gar nicht bedurft habe, nie verlangt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 21.12.2021 sein Versäumnisurteil vom 17.09.2021 insoweit teilweise aufgehoben und die Klage abgewiesen, als der Beklagte darin gemäß dortiger Ziff. 1 zur Zahlung von mehr als 40.053,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus mehr als 1.963,50 Euro für April bis Dezember 2019 verurteilt worden war; im Übrigen hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Zivilkammer ausgeführt, der Klägerin stünden auf der Grundlage der mietvertraglichen Vereinbarungen für die Monate April bis Dezember 2019 Zahlungsansprüche in Höhe von monatlich 1.650 Euro zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer, insgesamt in Höhe von 1.963,50 Euro (Gesamtbetrag: 17.671,50 Euro) zu; ungeachtet der zwischenzeitlich erfolgten Rechnungslegung seien die Ansprüche nach Maßgabe von § 9 des Mietvertrages zum jeweiligen monatsdritten Werktag fällig geworden: der Erteilung einer Rechnung habe es insoweit nicht bedurft; soweit sich der Beklagte auf die Nichterteilung einer Rechnung berufen habe, könne offen bleiben, ob sich eine derartige Rechnungslegungspflicht als Nebenpflicht aus dem Mietvertrag ergebe; jedenfalls wäre die Klägerin dieser Verpflichtung aber durch die erfolgte Rechnungsstellung nachgekommen; dem Verzugseintritt habe das Verteidigungsvorbringen auch nicht bis zur Rechnungserteilung entgegengestanden, habe der Beklagte doch nicht dargelegt, sich schon vor der Klageerwiderung auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Nichterteilung einer Rechnung gemäß § 14 UStG berufen zu haben; abzuändern sei das vorausgegangene Versäumnisurteil jedoch insoweit, als der Beklagte darin zur Zahlung von Vorschüssen auf die Nebenkosten für das Jahr 2019 verurteilt worden sei, da der Klägerin ein derartiger Anspruch nach Eintritt der Abrechnungsreife nicht mehr zustehe; soweit der Beklagte darüber hinaus geltend gemacht habe, keine Betriebskosten zu schulden, stünden die vertraglichen Vereinbarungen dem entgegen; für die Monate Januar bis Mai 2020 könne die Klägerin hingegen die gemäß § 7 vereinbarte Nettokaltmiete zuzüglich Mehrwertsteuer einschließlich Vorauszahlungen auf die Betriebskosten, insgesamt 2.261 Euro monatlich, fordern; ab Juni 2020 stünden der Klägerin gemäß § 546a BGB Ansprüche auf Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete samt Nebenkosten zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer zu, da die Klägerin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges des Beklagten mit mehr als 2 Monatsmieten wirksam außerordentlich gekündigt habe; der Beklagte enthalte der Klägerin im Sinne von § 546a BGB die Herausgabe der Mietsache gegen ihren Willen vor; Die auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung (ab November 2020) bis zur Räumung und Herausgabe gerichtete Klage sei gemäß § 259 ZPO zulässig, nachdem angesichts des Beklagtenverhaltens die Befürchtung gerechtfertigt sei, dass dieser sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde; entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten könne die Klägerin schließlich auch die Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen, denn es hätten zu dieser Zeit keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Beklagte auch angesichts eines anwaltlichen Aufforderungsschreibens keine Zahlung leisten werde.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Berufung.

Er meint, das landgerichtliche Urteil habe mit Blick auf den Ausspruch zur Hauptsache in Verbindung mit dem vorausgegangenen Versäumnisurteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt mehr: für die Monate April bis Dezember 2019 habe kein Anspruch in Höhe von 40.053,50 Euro bestanden und sei mit dem Versäumnisurteil auch nicht zugesprochen worden; entgegen der Auffassung der Zivilkammer habe er sich auch zu Recht auf ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der Mietzahlung berufen: die von der Klägerin vorgelegte Dauerrechnung genüge nicht den Anforderungen des § 14 UStG, enthalte insbesondere nicht alle erforderlichen Angaben, etwa diejenige der Rechnungsnummer; sein Zurückbehaltungsrecht habe er durch schlichte Nichtzahlung ausgeübt; hierzu sei er bis zur Vorlage einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Rechnung berechtigt gewesen; auf das Erfordernis der Rechnungslegung habe er sich erstinstanzlich sehr wohl berufen (Schriftsatz vom 07.01.2021, S. 2); da die Dauerrechnung ihm zudem vor Erlass des Versäumnisurteils nicht bekannt gewesen bzw. übermittelt worden sei, habe dieses mangels Schlüssigkeit der Klage gar nicht erst ergehen dürfen, und auch die Rechtsausführungen im Endurteil krankten daran, dass keine ordnungsgemäße Rechnungslegung erfolgt sei; auch fehlten Feststellungen dazu, wann ihm, dem Beklagten, die Dauerrechnung zugegangen sei, weshalb zu seinen Gunsten vom Fortbestand des Zurückbehaltungsrechts auszugehen sei; die Dauerrechnung sei ferner deshalb unklar, weil offen bleibe, ob Nebenkosten als Vorauszahlungen oder Pauschale geschuldet seien: eine Pauschale sei nicht vereinbart worden; da bis heute keine Nebenkosten abgerechnet worden seien, habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf weitere laufende Vorauszahlungen, und ihm stehe ein Zurückbehaltungsrecht jedenfalls zur Seite, bis die Klägerin die Nebenkostenabrechnungen erteilt habe; für das Jahr 2020 sei zwischenzeitlich ebenfalls Abrechnungsreife eingetreten; mangels Fälligkeit befinde er, der Beklagte, sich weiterhin nicht in Verzug, und insofern bestehe auch kein Rechtsschutzinteresse für die Titulierung eines Anspruchs auf zukünftige Leistung; Grund und Höhe der Rechtsverfolgungskosten blieben schließlich weiterhin bestritten.

Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 21.12.2021 nebst des Versäumnisurteils vom 17.09.2021, Az. 4 O 256/20, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt die erstinstanzliche Entscheidung.

Sie meint dazu, dem Beklagten habe kein Zurückbehaltungsrecht im Zusammenhang mit der Rechnungslegung zugestanden; außergerichtlich habe der Beklagte sie zu keiner Rechnungslegung aufgefordert; die Rechnungslegung sei ausweislich des Mietvertrags auch keine Fälligkeitsvoraussetzung für die Miete gewesen; Betriebskostenabrechnungen seien im Hinblick auf die offensichtliche Zahlungsunfähigkeit des Beklagten nicht erfolgt; ohne Berücksichtigung der Betriebskostenvorauszahlungen und unter Ansatz der um 16% herabgesetzten Umsatzsteuer für die Monate Juli bis Dezember 2020 bezifferten sich die Zins- bzw. ab Juni 2022 die Nutzungsentschädigungsansprüche auf in den Monaten April 2019 bis Juni 2020 monatlich 1.963,50 Euro, in den Monaten Juli bis Dezember 2020 auf 1.914 Euro, in den Monaten Januar 2021 bis März 2022 erneut auf 1.963,50 Euro monatlich und im April 2022 (für 12 Tage anteilig) auf 785,40 Euro, was einen Gesamtbetrag von 71.174,40 Euro ergebe.

Der Senat hat vorterminlich darauf hingewiesen, dass infolge Abrechnungsreife kein Anspruch auf Nebenkostenvorauszahlungen mehr bestehe.

II.

Die Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg.

1. Der Beklagte ist von Rechts wegen zur Zahlung von Miete sowie Nutzungsentschädigung für den Zeitraum von April 2019 bis Oktober 2020 in Höhe von 37.108,50 Euro verpflichtet.

Die vereinbarte Miete in Höhe von 1.650,00 Euro netto einschließlich der Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 250 Euro netto, jeweils zuzüglich der gesetzlichen MwSt., war nach § 9 Abs. 1 der mietvertraglichen Vereinbarung fällig jeweils zum 3. Werktag eines Monats. Der Beklagte hat von Beginn des Mietverhältnisses an (01.04.2019) keinerlei Miete an die Klägerin gezahlt. Nach der wirksamen außerordentlichen Kündigung vom 26.05.2020 wegen Zahlungsverzugs in Höhe von (mehr als) zwei Monatsmieten (vgl. § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB) befand er sich mit der Zahlung der bis dahin fällig gewordenen Bruttomieten inklusive Nebenkostenvorauszahlungen in einer Gesamthöhe von (2.261 Euro x 14 Monate =) 31.654 Euro in Verzug.

Für den nachfolgenden Zeitraum ab Juni 2020 schuldet der Beklagte bis zur Rückgabe der Mietsache gemäß § 546a Abs. 1 BGB eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete. Zur vereinbarten Miete, die als Nutzungsentschädigung zu zahlen ist, gehört neben der Nettokaltmiete auch die Nebenkostenvorauszahlung oder die Nebenkostenpauschale. Über Nebenkostenvorauszahlungen ist entsprechend den Bestimmungen des beendeten Mietvertrags abzurechnen, so dass nach Ablauf der Abrechnungsperiode kein Vorauszahlungsanspruch mehr besteht (BGH NJW 2015, 2795; BGH NJW-RR 1990, 84; OLG Dresden, NZI 2011, 995 = NZM 2012, 84 [88]; Scheuer/Emmerich in Bub/Treier, Kap. V.A Rn. 130; Streyl in Schmidt-Futterer, § 546 a Rn. 69; Palandt/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl., § 546a Rz. 11). Die Abrechnungsperiode für die von dem Beklagten geschuldeten Nebenkostenvorauszahlungen entspricht nach den vertraglichen Regelungen (§ 11 Abs. 2) dem Kalenderjahr, und die Abrechnung war dem Mieter spätestens zum Ablauf des zwölften Monats nach Ablauf des jeweiligen Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Eine derartige Abrechnung ist für die Abrechnungszeiträume 2019 bis einschließlich 2021 nicht erfolgt, und seit Ablauf der Abrechnungsfrist („Abrechnungsreife“) besteht auch kein Anspruch auf Nebenkostenvorauszahlungen mehr, der Anspruch auf Nebenkostenvorauszahlungen geht vielmehr unter; allerdings stehen dem Vermieter gleichwohl die Verzugszinsen auf die nicht gezahlten Abschläge bis zur Abrechnungsreife zu (BGH, Urt. v. 26.09.2012 – XII ZR 112/10-, NZM 2013, 85; OLG Düsseldorf ZMR 2000, 287).

Dies zugrunde gelegt, schuldet der Beklagte die ausstehende Monatsbruttomiete für April bis Dezember 2019 in Höhe von monatlich (1.650 Euro zzgl. 19% MwSt [313,50 Euro] =) 1.963,50 Euro ohne Nebenkostenvorschüsse, insgesamt (x 9 Monate =) 17.671,50 Euro und für Januar bis Mai 2020 in gleicher monatlicher Höhe, das sind (5 x 1.963,50 Euro =) 9.817,50 Euro, ferner Nutzungsentschädigung für Juni 2020 in Höhe weiterer 1.963,50 Euro und für Juli 2020 bis Oktober 2020 in Höhe von monatlich (1.650 Euro zzgl. 16% MwSt [264 Euro] =) 1.914 Euro, das sind 7.656 Euro. Dies ergibt hinsichtlich des Klageantrags zu 1 einen Gesamtbetrag von 37.108,50 Euro statt des im angefochtenen Urteil tenorierten Betrags von 40.053 Euro, wobei die Reduktion im Wesentlichen dem weitergehenden Eintritt von Abrechnungsreife Rechnung trägt.

Hierauf sind im erstinstanzlich tenorierten Umfang Verzugszinsen zu zahlen, wobei zur Berechnung ihrer Höhe wie ausgeführt auch die Monatsbeträge der ursprünglich geschuldeten Nebenkostenvorauszahlungen zzgl. MwSt im berufungsgegenständlichen Umfang heranzuziehen sind.

Soweit der Beklagte geltend macht, dass die Mietzinsforderung der Klägerin nicht fällig gewesen sei, so dringt er damit nicht durch.

Dass der Mietvertrag den Anforderungen für die Rechnungslegung nach dem Umsatzsteuergesetz nicht entsprach und die Klägerin dem Beklagten entgegen § 14 Abs. 2 Nr. 1 UstG noch keine Rechnung ausgestellt hatte, ist für die Fälligkeit des Mietzinses unerheblich. Zwar ist eine solche Rechnung Voraussetzung des Vorsteuerabzuges nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UstG mit der Folge, dass der Vermieter im Hinblick auf seine sich aus § 242 BGB ergebende Nebenpflicht, den Mieter nicht zu schädigen, verpflichtet ist, diesem eine Rechnung zu übergeben. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass die Fälligkeit hinausgeschoben sein soll. Die Rechnungslegung ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich keine Fälligkeitsvoraussetzung (OLG Schleswig, Urteil vom 22.07.2021, 60 L U 1/20 m.w.N.; BGHZ 79, 176; Senatsbeschluss vom 16.05.2022 – 3 U 19/22).

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er jedenfalls nicht mit der Zahlung des Mietzinses in Verzug gewesen sei, da ihm vor der Rechnungserteilung ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB zugestanden habe.

Zum einen haben die Parteien in § 10 Abs. 2 des Mietvertrages vereinbart, dass der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber Forderungen des Vermieters nur im Hinblick auf unbestrittene oder rechtskräftige festgestellte Forderungen geltend machen darf.

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann hier seinerseits dahinstehen.

Denn obwohl dem Schuldner grundsätzlich vor Rechnungserteilung ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber seinem Vermieter aus § 273 BGB zusteht (OLG Schleswig, a.a.O, BGH, a.a.O.), steht dieses dem Eintritt des Verzugs hier nicht entgegen.

Anders als im Fall des § 320 BGB schließt das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB den Schuldnerverzug nur aus, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen geltend gemacht wird (Palandt/Grüneberg, BGB, § 286, Rn 38). Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB schließt den Verzug mit der Leistungserfüllung nur aus, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausgeübt wird. Beruft sich der Schuldner erst danach auf sein Zurückbehaltungsrecht, wird der bereits eingetretene Verzug dadurch also nicht beseitigt.

So liegt der Fall auch hier. Der Beklagte hat ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht nicht hinreichend geltend gemacht.

Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts erfolgt durch die Verweigerung der Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung. Dabei muss der Schuldner die Verweigerung ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringen. Dies erfordert, dass er den Gegenanspruch so genau bezeichnen muss, dass er selbst zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht werden könnte. Das bloße Schweigen auf die Leistungsaufforderung und die Verweigerung der Leistung ohne gleichzeitige Geltendmachung des Gegenanspruchs stellt noch keine Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes dar.

Hier hat sich der Beklagte in seinem eigenen Vortrag erstmals mit Schriftsatz vom 07.01.2021, also weit nach Eintritt der Fälligkeit der streitgegenständlichen Mietzinsansprüche, auf das Erfordernis einer Rechnungslegung berufen. Anders als der Beklagte meint, liegt allein in der Nichtzahlung des Mietzinses nach den oben dargelegten Grundsätzen noch keine Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes, da die Klägerin allein dadurch nicht erkennen konnte, dass die Verweigerung der Leistung auf ein Zurückbehaltungsrecht gestützt werden sollte (Kerwer, a.a.O.). Auch was die fraglichen Nutzungsentschädigungsansprüche betrifft, ist dem gesamten erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten nicht zu entnehmen, dass er sich hierzu auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen wollte; dies alles ist erst in der Berufungsbegründung vom 28.03.2022 ansatzweise geschehen, wobei der Beklagte insoweit bereits nicht dargelegt hat, hinsichtlich welcher Klageforderungen ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden sollte. Dies genügt nicht den rechtlichen Vorgaben.

2. Soweit der Beklagte im Sinne von §§ 257, 259 ZPO zur Zahlung weiterer Nutzungsentschädigung, beginnend ab 01.11.2020 bis zur vollständigen Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Grundstücks verurteilt worden ist, kann die angefochtene Entscheidung ebenfalls nicht unverändert bestehen bleiben. Die Mietsache ist nämlich am 13.04.2022 geräumt worden, so dass ein Endtermin nunmehr feststeht. Zugleich sind die bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Ansprüche zwischenzeitlich fällig geworden. Tritt Fälligkeit der zunächst eingeklagten künftigen Leistung während des laufenden Rechtsstreits ein, kann allerdings ohne Antragsänderung ein unbedingtes Urteil ergehen (RGZ 88, 178; BGH NJW-RR 2005, 1169; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 257 Rz. 6, § 259 Rz 6). Für den Zeitraum bis zum 31.12.2021 schuldet der Beklagte indes – nach zwischenzeitlichem Eintritt der Abrechnungsreife – keine Nebenkostenvorauszahlungen inklusive Umsatzsteuer mehr. Es errechnet sich danach eine fällige Restforderung in Höhe von 35.152,77 Euro, nämlich

a) Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete ohne Nebenkosten zzgl. 16% USt für November bis Dezember 2020:

1.914 Euro x 2 Monate = 3.828 Euro,

b) Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete ohne Nebenkosten zzgl. 19% USt für Januar 2021 bis Dezember 2021:

1.963,50 Euro x 12 Monate = 23.562 Euro

c) Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Miete einschließlich Nebenkosten, jeweils zzgl 19% USt, für Januar 2022 bis 13.4.2022:

2.261 Euro x 3 Monate = 6.783 Euro

+ 13/30 aus 2.261 Euro für April 2022: 979,77 Euro.

3. Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten hat das Landgericht zutreffend für begründet erachtet. Nach unwidersprochenem Vortrag der Klägerin hatte der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung mehrfach in zahlreichen Gesprächen versichert, er werde die Mietrückstände ausgleichen und pünktlich zahlen. Angesichts dieser wiederholten unzutreffenden Beteuerungen durfte die Klägerin für den Ausspruch der Kündigung einen Rechtsanwalt einschalten, da sie nicht davon ausgehen musste, auch ohne dessen Einschaltung die Räumung des Mietobjektes erwirken zu können. Auch hinsichtlich der Höhe bestehen keine Bedenken. Bei Geltendmachung der Zahlungsforderungen mit Schreiben vom 05.06.2020 (Anlage K 3 zur Klageschrift, Bl. 24 f dA.) bestand ein Zahlungsrückstand des Beklagten in Höhe von 33.915 Euro (Bruttomiete inklusive Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 2.261 Euro monatlich für April 2019 bis einschließlich Juni 2020), aus dem sich die Rechtsanwaltsgebühren wie in der Klageschrift, Bl. 6, zutreffend dargelegt in Höhe von 1.239 Euro errechnen und nach Verzugsgrundsätzen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2020 der Verzinsung unterliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Berufungsstreitwert errechnet sich folgendermaßen:

40.053,50 Euro Zahlungsbetrag zzgl. 35.152,77 Euro zwischenzeitlich fällig gewordene weitere Nutzungsentschädigung.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!