Skip to content
Menü

Offensichtlich unrichtiges Verkehrswertgutachten – kein Schadensersatzanspruch  

OLG Saarbrücken – Az.: 4 U 6/22 – Beschluss vom 05.08.2022

Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17.11.2021 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz gemäß § 839a BGB mit der Begründung, dieser habe in einem Zwangsversteigerungsverfahren ein unrichtiges Wertgutachten erstellt.

Der Beklagte hatte nach Beauftragung durch das Amtsgericht Saarbrücken ein Wertgutachten betreffend zur Zwangsversteigerung anstehendes Wohnungseigentum in einem Gebäude in S.-B. zum Stichtag 04.11.2016 erstellt. In Ziffer 1.1 des Gutachtens („Angaben zum Bewertungsobjekt“) sind Sondernutzungsrechte lediglich in Bezug auf eine Hoffläche sowie einen Pkw-Stellplatz aufgeführt. Demgegenüber heiß es unter Ziffer 3.4.1 („Lage im Gebäude, Wohnfläche, Raumaufteilung und Orientierung“):

„Die Wohnung hat folgende Räume: Flur/Diele/Forum; 2 Zimmer, Küche, Bad; Kellerraum“

In einer dem Gutachten beigefügten Anlage 2 („Grundrisse und Schnitte“) sind drei von insgesamt sieben Kellerräumen des Gebäudes mit einer „4“ gekennzeichnet. Unstreitig war der Eigentumswohnung, die im Aufteilungsplan mit der Nr. 4 bezeichnet ist, kein Sondernutzungsrecht an einem Kellerraum zugeordnet.

Offensichtlich unrichtiges Verkehrswertgutachten - kein Schadensersatzanspruch  
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Der Beklagte bezifferte den Verkehrswert unter Zugrundelegung eines entsprechenden Ertragswerts und eines zur Stützung ermittelten Sachwerts von rund 90.100 Euro auf 91.800 Euro. Das Versteigerungsgericht bestimmte das Mindestgebot auf die Hälfte dieses Betrags (45.900 Euro). Im Versteigerungstermin vom 04.09.2018 war der Kläger der einzige Bieter und ersteigerte das Objekt zum Mindestgebot (Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 04.09.2018 – 48 K 115/16, Bl. 32 d. A.).

Der Kläger hat behauptet, er habe am Versteigerungstermin in der vermeintlichen Annahme teilgenommen, neben der Wohnung drei Kellerräume mit zu ersteigern (Bl. 4 d. A.). Dem Beklagten hat er vorgeworfen, „in seinem Gutachten Ausführungen zum Umfang des zu versteigernden Grundbesitzes insbesondere zum Umfang des mit dem entsprechenden Miteigentumsanteil verbundenen Sondereigentums“ gemacht zu haben, ohne sich in dieser Hinsicht durch Einsicht ins Grundbuch vergewissert zu haben (Bl. 5 d. A.).

Der Kläger hat Schadensersatz in Höhe von 13.000 Euro verlangt. Er hat behauptet, diese Summe entspreche dem „Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert der Wohnung mit den drei Kellerräumen und dem Wert der Wohnung ohne diese“ (Bl. 5 d. A.). Der Kläger hat sich insoweit sich auf ein von ihm beauftragtes Gutachten des Sachverständigen A.H. gestützt (Anlage K 9). In diesem Gutachten wurde der Sachwert auf rund 111.000 Euro beziffert. Im Rahmen der Ertragswertermittlung wies der Parteisachverständige H. darauf hin, dass beim Rohertrag „aufgrund des fehlenden Kellers“ ein Abschlag von 0,5 Euro pro Quadratmeter vorzunehmen sei, wodurch sich der Ertragswert um 13.000 Euro verringere (S. 8 des Gutachtens H.). Der Parteisachverständige ist zu einem Ertragswert von rund 152.000 Euro gelangt und zu einem Vergleichswert von rund 131.000 Euro.

Mit Schriftsatz vom 16.07.2021 hat der Kläger behauptet, er hätte die Wohnung mangels Abstellmöglichkeiten nicht ersteigert, wenn er vom Fehlen von Kellerräumen gewusst hätte (Bl. 116 d. A.).

In diesem Sinne hat er sich auch in seiner persönlichen Anhörung geäußert (S. 2 f. der Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 22.09.2021, Bl. 123 f. d. A.). Dort hat der Kläger auf Frage des Gerichts, ob die Rechtspflegerin die Immobilie anders bezeichnet habe als im Rubrum des Beschlusses des Zwangsversteigerungsgerichts vom 13.10.2016 (Bl. 29 d. A.) – dort sind nur die tatsächlich vorhandenen Sondernutzungsrechte aufgeführt, nicht aber solche an Kellerräumen -, erklärt, er sei einziger Teilnehmer in dem Termin zur Zwangsversteigerung der seiner Ex-Freundin gehörenden Wohnung gewesen und habe sich „nicht auf alles, was so vorgelesen“ worden sei, konzentriert.

Zum Hinweis des Landgerichts, wonach der Schaden nicht schlüssig dargetan sei, weil der Kläger selbst einen höheren Sach- bzw. Verkehrswert vortrage als vom Beklagten angenommen (S. 4 der Sitzungsniederschrift vom 22.09.2021), hat der Kläger mit Schriftsatz vom 04.11.2021 Stellung genommen und erklärt, sein Vermögensschaden entspreche der vom Parteisachverständigen H. auf 13.000 Euro bezifferten Minderung des Ertragswerts. Dass der Parteisachverständige insgesamt einen höheren Wert ermittelt habe, liege daran, dass die beiden Gutachten sich auf unterschiedliche Stichtage bezogen hätten (November 2016 und März 2021, Bl. 160 d. A.).

Der Beklagte hat eine Unrichtigkeit seines Gutachtens mit dem Hinweis in Abrede gestellt, dass er bei der eigentlichen Bewertung keine Kellerräume berücksichtigt habe (Bl. 21, 117 f. d. A.). Er hat darauf aufmerksam gemacht, dass in den Angaben zum Bewertungsobjekt auf S. 4 des Gutachtens Sondereigentum an irgendwelchen Kellerräumen nicht aufgeführt sei (Bl. 21 f d. A.). Was die Nummerierung von Kellerräumen in der Anlage 2 des Gutachtens anbelangt, hat der Beklagte hervorgehoben, dass diese Anlage, wie schon aus ihrer Überschrift hervorgehe, allein der Darstellung der Grundrisse des zu bewertenden Objekts gedient habe, nicht der Dokumentierung der Aufteilung in Sonder- und Gemeinschaftseigentum (Bl. 22/23 d. A.).

Ferner hat der Beklagte sich unwidersprochen darauf berufen, dass die Rechtspflegerin vor Beginn der Versteigerung das Objekt nochmals im Einzelnen – ohne Erwähnung von Sondereigentum an Kellerräumen – beschrieben habe (Bl. 24, 118 d. A.).

Schließlich hat der Beklagte den Eintritt irgendeines Schadens in Abrede gestellt. Er hat dies damit begründet, dass in dem vom Kläger selbst vorgelegten Gutachten H., jeweils ein bedeutend höherer Sach- und Ertragswert ermittelt worden sei, und zwar ohne Keller (Bl. 26 f. d. A.).

Das Landgericht Saarbrücken hat die Klage mit Urteil vom 17.11.2021 abgewiesen (Bl. 165 d. A.). Es hat das Gutachten – unter der Annahme, Kellerräume seien in den vom Beklagten ermittelten Verkehrswert eingeflossen – als grob fehlerhaft erachtet, jedoch einen Schaden verneint.

Der Kläger hat gegen das am 20.12.2021 zugestellte Urteil am 20.01.2022 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 21.03.2022 begründet. Er verfolgt seinen Zahlungsantrag zu 50% (in Höhe von 6.500 Euro) weiter. Der Kläger meint, es bedürfe keiner Ausführung, dass der Sachverständige bei der Ermittlung des Betrags von 91.800 Euro auch das Vorhandensein von drei Kellerräumen in einer Gesamtgröße von mehr als 30 m² berücksichtigt habe. Hieraus schließt er, angesichts der – von ihm behaupteten – Minderung des Werts ohne die Kellerräume um 13.000 Euro hätte der Beklagte den Wert auf 78.800 Euro beziffern müssen, sodass „das geringste Gebot lediglich auf die Summe von 39.400 Euro“ hätte lauten müssen. Obgleich ihm, so seine Auffassung, 13.000 Euro zustünden, begnüge er sich in der Berufung mit der Geltendmachung der Hälfte (Bl. 192 f. d. A.).

Der Kläger beantragt (Bl. 190 d. A.), den Beklagten zu verurteilen,

1. an ihn 6.500 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.01.2021 zu zahlen;

2. an ihn nicht festsetzbare Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 713,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hebt erneut hervor, dass er sein Gutachten – anders als vom Landgericht unterstellt – keineswegs unter Einbeziehung irgendwelcher Kellerräume erstattet habe. Die Ausführungen des Landgerichts zum fehlenden Schaden hält er für richtig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat Bezug auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 22.09.2021 und das Urteil des Landgerichts vom 17.11.2021.

II.

Der Senat misst der Berufung einstimmig keine Erfolgsaussicht bei.

1. Richtigerweise scheitert ein Schadensersatzanspruch des Klägers schon daran, dass es an schlüssigem Tatsachenvortrag fehlt, der die Annahme einer Unrichtigkeit des Gutachtens zu begründen geeignet wäre.

a. Prinzipiell gilt die im Streitfall allein einschlägige Vorschrift des § 839a BGB auch für Ansprüche des Meistbietenden im Zwangsversteigerungsverfahren gegen den Verkehrswertgutachter (§ 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG). Der Ersteher (Meistbietende) ist „Verfahrensbeteiligter“ (des Zwangsversteigerungsverfahrens) im Sinne von § 839a BGB. Er darf darauf vertrauen, dass der Gutachter bei der Ermittlung des Verkehrswerts sorgfältig und sachgemäß verfahren ist. Der Anspruch setzt zunächst voraus, dass der vom Gericht ernannte Sachverständige – hier: der Verkehrswertgutachter nach § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG – ein unrichtiges Gutachten erstattet. Unrichtig ist ein Sachverständigengutachten, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht; dies ist insbesondere der Fall, wenn es von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht oder aus dem festgestellten Sachverhalt falsche Schlüsse zieht. Für das Verkehrswertgutachten nach § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG ist zu berücksichtigen, dass es der Feststellung des Verkehrswerts des Versteigerungsobjekts dient und gerade in dieser Hinsicht, also bezüglich des festgestellten Verkehrswerts, „unrichtig“ sein muss (BGH, Urteil vom 10.10.2013 – III ZR 345/12 -, BGHZ 198, 265 m.w.N.; siehe auch OLG Braunschweig, Urteil vom 19.01.2017 – 2 U 119/14; OLG Hamm, Urteil vom 03.02.2021 – 11 U 63/20 ).

b. Die letztgenannte Voraussetzung hat das Landgericht für das Verkehrswertgutachten des Beklagten zu Unrecht bejaht.

Zwar enthält das Verkehrswertgutachten Angaben, die auf Sondernutzungsrechte an einem oder mehreren Kellerräumen hindeuten könnten und die demnach objektiv zumindest missverständlich sind. Jedoch fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte aufgrund eines grob fahrlässigen Pflichtverstoßes den Verkehrswert als solchen fehlerhaft angegeben hätte. Die gegenläufigen Feststellungen des Landgerichts sind unrichtig und unvollständig und binden den Senat nicht (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt, die fehlerhafte Verwertung einer vermeintlich vorhandenen Nutzfläche für drei Kellerräume mit einer Gesamtgröße von über 30 m² sei unzweifelhaft erheblich gewesen; da der Beklagte darauf verzichtet habe, wesentliche wertbildende Faktoren korrekt zu prüfen, habe er grob pflichtwidrig gehandelt. Hiermit hat das Landgericht ohne nachvollziehbare Grundlage unterstellt, dass Kellerräume tatsächlich in die Wertermittlung eingeflossen sind. Der Beklagte hatte von Beginn an darauf aufmerksam gemacht, dass im beschreibenden Teil des Gutachtens zwar von einem Keller die Rede gewesen sei, er selbst jedoch nur die Wohn-/Nutzfläche von 72 m² für die wirklich vorhandenen Räume in Ansatz gebracht habe. Die Wertberechnung belegt dies. Dort werden als Berechnungsbasis lediglich 72 m² zugrunde gelegt, was – unstreitig – den tatsächlichen Verhältnissen entspricht (S. 25 des Gutachtens). Der Sachvortrag des Klägers reduziert sich insoweit im Grunde auf den Hinweis darauf, dass unter Ziffer 3.4.1 bei der Darstellung der Raumaufteilung ein Kellerraum erwähnt ist – nicht drei Kellerräume – und dass in der Anlage 2 „Grundrisse und Schnitte“ drei Kellerräume mit der Ziffer 4 versehen sind. Die Unrichtigkeit eines festgestellten Verkehrswerts kann aber nicht schlüssig damit begründet werden, dass an irgendeiner Stelle im Gutachten Räume erwähnt wurden, die in jenen Wert nicht eingeflossen sind.

Soweit der Kläger zwischenzeitlich behauptet hat, die Erwähnung eines Kellers im Gutachten habe ihn dazu veranlasst, ein Objekt zu ersteigern, das er ansonsten nicht gewollt hätte, kann er den geltend gemachten Differenzschaden – gewissermaßen als positives Erfüllungsinteresse – auf dieses Vorbringen von vornherein nicht stützen. Dass er sich durch den Erwerb der Immobilie bei einem Gesamtvermögensvergleich schlechter stehen würde, behauptet er selbst nicht. Nach dem Parteigutachten H. übersteigt der tatsächliche Wert das vom Kläger Gezahlte bei weitem.

2. Der Senat merkt ergänzend an, dass der Kläger selbst dann, wenn man eine Unrichtigkeit des vom Beklagten festgestellten Verkehrswerts infolge einer Berücksichtigung nicht vorhandener Kellerräume unterstellen würde, keinen Schadensersatz verlangen könnte.

a. Dies ergibt sich aus einem vom Landgericht ebenfalls unberücksichtigt gelassenen Umstand. Einem Schadensersatzanspruch des Klägers stünde der – von Amts wegen zu prüfende – Einwand des Mitverschuldens entgegen (§ 254 Abs. 1 BGB).

Gemäß § 254 Abs. 1 und Abs. 2 BGB hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dies gilt u.a. auch dann, wenn sich das Verschulden des Geschädigten darauf beschränkt, dass er es unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern.

Im Streitfall wäre dem Kläger ein derart schwerwiegender Verursachungs- und Verantwortungsbeitrag anzulasten, dass eine Inanspruchnahme des Beklagten vollständig ausgeschlossen wäre. Dem Kläger mussten sich aus mehreren Gründen nämlich massive Zweifel am Vorhandensein von Kellerräumen aufdrängen. Schon das Gutachten als solches indizierte Gegenteiliges. Unter den in Ziffer 1 wiedergegebenen – üblicherweise als erstes zur Kenntnis genommenen – „Angaben zum Bewertungsobjekt“ werden, Bezug nehmend auf den Katasterinhalt, als Sondernutzungsrechte nur ein Sondernutzungsrecht an einer Hoffläche und ein solches an einem Pkw-Stellplatz aufgeführt. Im Widerspruch dazu wird dann unter Ziffer 3.4.1 bei der Raumaufteilung ein Kellerraum genannt, wohingegen die Anlage 2 wiederum auf das Vorhandensein von drei Kellerräumen hindeutet. Unstreitig wurde zu Beginn des Versteigerungstermins die Immobilie durch die Rechtspflegerin korrekt, insbesondere was die Sondernutzungsrechte anbelangt, beschrieben. Nach eigenen Angaben ersteigerte der Kläger – als einziger anwesender Bieter – das Wohnungseigentum, ohne der Rechtspflegerin richtig zugehört zu haben. Unter diesen Umständen kann er sich nun zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs aus den unterschiedlichen Informationen im Gutachtens nicht diejenige herausgreifen, die die größte Anzahl nutzbarer Räume ergibt. Indem er dem zuwiderlaufende Informationen verdrängt bzw. leichtfertig nicht zur Kenntnis genommen hat, ist es gerechtfertigt, wenn er die Folgen der damit verbundenen Verkennung der Sachlage allein trägt (zum Mitverschulden im Rahmen des § 839a BGB vgl. Huber in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Auflage 2021, § 839a Rn. 45a).

b. Unabhängig von all dem sind schließlich auch die Einwände des Klägers gegen die der erstinstanzlichen Klageabweisung zu Grunde liegende Verneinung eines ersatzfähigen Vermögensschadens unbegründet.

(1) Für Fälle der vorliegenden Art gelten nach anerkannter Rechtsprechung folgende Grundsätze (z.B. BGH, Urteil vom 10.10.2013 – III ZR 345/12 -, BGHZ 198, 265; OLG Braunschweig, Urteil vom 19.01.2017 – 2 U 119/14):

Zum ersatzfähigen Schaden gehört jeder durch das – hier unterstellt – unrichtige Gutachten und die darauf beruhende gerichtliche Entscheidung adäquat verursachte und in den Schutzbereich der verletzten Sachverständigenpflicht fallende Vermögensschaden. Der zu leistende Schadensersatz soll die Vermögenslage herstellen, die bei pflichtgemäßem Verhalten des Sachverständigen eingetreten wäre, das heißt im Falle des § 75a Abs. 5 Satz 1 ZVG: wenn der Grundstückswert korrekt ermittelt worden wäre.

Demnach kann der Schadensersatz entweder dahin gehen, dass der Geschädigte so gestellt wird, als hätte er das Objekt nicht ersteigert, oder darauf gestützt werden, dass der Geschädigte bei korrekter Wertfestsetzung das Grundstück zu einem niedrigeren Meistgebot hätte ersteigern können. Dem Geschädigten obliegt es, darzulegen und nachzuweisen, dass er das Grundstück nicht oder zu einem niedrigeren Meistgebot ersteigert hätte, wobei die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO gelten. Die insoweit zu stellenden Anforderungen müssen umso strenger sein, je geringer die Differenz zwischen dem vom Sachverständigen ermittelten und dem richtigen Verkehrswert ist und je deutlicher das zum Zuge gekommene Meistgebot unter diesen Werten liegt. Auch für die Frage der Schadenskausalität kommt es (jedenfalls: in erster Linie) auf die (Un-)Richtigkeit des ermittelten Verkehrswerts an und nicht des im Verkehrswertgutachten beschriebenen Gebäudezustands (BGH, Urteil vom 10.10.2013 – III ZR 345/12 -, BGHZ 198, 265). Das Vertrauen des Bieters darauf, dass die der Ermittlung des Verkehrswertes zugrunde gelegten Werte korrekt sind, ist im Rahmen des § 839 a BGB nicht geschützt.

Die Annahme eines Schadens kommt auch dann in Betracht, wenn das zum Zuge gekommene Meistgebot, wie hier, unter dem Verkehrswert liegt. Der Umstand, dass der Geschädigte möglicherweise eine objektiv adäquate Gegenleistung erhalten hat, schließt es nicht grundsätzlich aus, dass er bei korrekter Wertfestsetzung mit einem noch geringeren Gebot hätte zum Zuge kommen können und die Mehraufwendungen damit erspart hätte (OLG Braunschweig, Urteil vom 19.01.2017 – 2 U 119/14).

(2) Übertragen auf den Streitfall, bedeutet dies:

Wie oben ausgeführt, verfolgt der Kläger mit der Berufung nicht das Begehren, so gestellt zu werden, als hätte er das Objekt nicht ersteigert. Er kann seinen Anspruch mithin lediglich darauf stützen, dass er bei korrekter Wertfestsetzung das Grundstück zu einem niedrigeren Meistgebot hätte ersteigern können. Auch in dieser Hinsicht trägt er unschlüssig vor. Der Kläger konkretisiert sein Vorbringen insoweit durch Vorlage des von ihm in Auftrag gegebenen Privatgutachtens H. (zum Parteigutachten als qualifiziertem Parteivortrag Hi., DS 2017, 237). Inhalt jenes Gutachtens – und damit des Parteivortrags – ist aber nicht lediglich, dass die Wohnung mit Kellerräumen einen um 13.000 Euro höheren Ertragswert hätte, sondern eben auch, dass der Ertragswert der Wohnung ohne Kellerräume rund 152.000 Euro beträgt, der vorläufige angepasste Vergleichswert rund 131.000 Euro. Selbst wenn man hier eine gewisse Wertsteigerung seit der Erstellung des Gutachtens des Beklagten (November 2016) bis zur Fertigung des Gutachtens H. (Januar 2021) unterstellen und unter diesem Gesichtspunkt einen Abschlag vornehmen wollte, wäre ein Schaden des Klägers nicht zu begründen. Denn jedenfalls hätte der Kläger, völlig losgelöst von der Frage des Vorhandenseins von Kellerräumen, durch die Bemessung des Mindestgebots nach dem vom Beklagten ermittelten – unter der Prämisse der Richtigkeit des Gutachtens H. viel zu niedrig angesetzten – Verkehrswert von 91.800 Euro keinen Schaden erlitten, sondern einen Vermögensvorteil erlangt. Er kann, was er durch die Bezugnahme auf das Parteigutachten tut, nicht einerseits behaupten, die Eigentumswohnung habe (sogar ohne Keller) einen Ertragswert von 152.000 Euro und einen Vergleichswert von 131.000 Euro, andererseits aber vortragen, der Beklagte hätte den Verkehrswert mit 78.800 Euro beziffern müssen.

III.

Der Senat beabsichtigt aus den oben genannten, jeweils für sich genommen zur Erfolglosigkeit des Rechtsmittels führenden Gründen, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 523 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 1. September 2022 (Eingang bei Gericht) gegebenenfalls auch dazu, ob die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückgenommen wird.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!