AG Frankfurt – Az.: 33 C 2394/20 (26) – Urteil vom 25.02.2021
Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung in der XXX-Straße 48, 2. OG li, 60320 Frankfurt am Main, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Keller, Bodenraum, Balkon und Bad mit WC, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Räumungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung der Kosten des Rechtsstreits darf die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30.06.2021 gewährt.
Tatbestand
Die Beklagte mietete von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zum 01.12.1975 die im Tenor bezeichnete Wohnung. Es handelt sich um eine öffentlich geförderte, preisgebundene Wohnung, für deren Vergabe ein öffentliches Wohnrecht (Wohnberechtigungsschein) erforderlich ist. Die Beklagte wohnt in der im Tenor bezeichneten Wohnung nicht mehr; sie wohnt vielmehr unter der im Passivrubrum angegebenen Anschrift. Der Magistrat der Stadt Frankfurt erließ unter dem 11.09.2019 eine Kündigungsanordnung. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beklagten die Wohnberechtigung aufgrund ihres Wohnsitzes in M entzogen worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Kündigungsanordnung verwiesen (Bl. 17ff. d.A.). In Erfüllung der Kündigungsanordnung erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 27.09.2019 (Bl. 21ff. d.A.) die ordentliche Kündigung des Mietvertrages zum 30.06.2020.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung in der XXX-Straße 48, 2. OG li, 60320 Frankfurt am Main, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Keller, Bodenraum, Balkon und Bad mit WC, zu räumen und an sie herauszugeben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, in der im Tenor bezeichneten Wohnung komme es zu unerträglichen Lärmbeeinträchtigungen und Vibrationen. Deshalb könne sie sich dort nicht aufhalten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB. Das Mietverhältnis ist durch die ordentliche Kündigung beendet worden. Die Voraussetzungen des § 573 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 8 WoBindG liegen vor.
Bezüglich der Vermietung einer Sozialwohnung gilt Folgendes: Der Vermieter einer Sozialwohnung kann grundsätzlich kündigen, wenn er die Wohnung einem Mieter überlassen hat, der nicht zum Kreis der Wohnberechtigten nach §§ 4ff. WoBindG, §25 des II. WoBauG gehört, die Behörde deshalb die Kündigung des Mietverhältnisses verlangt und dem Vermieter bei Fortsetzung des Mietverhältnisses Nachteile nach §§ 25, 26 WoBindG drohen (Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 573 Rn. 196). Die Androhung der Nachteile gehört nicht zu den Kündigungsvoraussetzungen (Blank, a.a.O., Rn. 196). Bei einem nachträglichen Wegfall der Berechtigung überwiegt das Freimachungsinteresse des Vermieters das Bestandsinteresse des Mieters nach weit verbreiteter Auffassung nicht (Blank, a.a.O., Rn. 198 m.w.N.; MüKo-Häublein, BGB, 8. Aufl., § 573 Rn. 52 m.w.N.). Begründet wird dies damit, dass in diesem Fall gegen den Vermieter keine rechtlichen Sanktionen verhängt werden könnten und die Räumung allein in öffentlichem Interesse liege, ohne dass private Interessen des Vermieters berührt würden. Es sei nicht seine Aufgabe, öffentliche Interessen zu verfolgen. Wegen der rechtlichen Trennung privater und öffentlicher Belange gelte dies auch, wenn die öffentliche Hand Vermieterin ist (Staudinger-Rolfs, BGB, Neubearbeitung 2018, § 573 Rn. 193 BGB). Ob dem im Grundsatz zu folgen ist, kann dahinstehen (Die vorgenannten Fundstellen beziehen sich auf Fälle, in denen die Berechtigung wegfällt, weil sich das Einkommen des Mieters erhöht oder sich die Personenzahl verringert hat.). Jedenfalls im vorliegenden Fall ist die Kündigung berechtigt, weil der Wegfall der Berichtigung darauf beruht, dass die Beklagte die Wohnung aus eigenem Antrieb nicht mehr nutzt und die Klägerin ein eigenes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Klägerin gehört zur ABG FRANKFURT HOLDING GmbH, die wiederum der Wohnungs- und Immobilienkonzern der Stadt Frankfurt am Main ist. Aufgabe der FRANKFURT HOLDING GmbH ist es u.a., den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Frankfurt am Main bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen dieser Aufgabe steht sie im Fokus von Politik und Öffentlichkeit. Auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt herrscht eine angespannte Lage, weshalb die Vermeidung von Leerstand generell und bei öffentlich geförderten Objekten im Besonderen für die Klägerin große Bedeutung hat. All dies ist gerichtsbekannt und allgemein bekannt.
Dem Beklagtenvortrag zu den Lärmbeeinträchtigungen und Vibrationen lässt sich nicht entnehmen, dass die streitgegenständliche Wohnung nicht nutzbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 7, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2, 108 ZPO.
Die Gewährung der Räumungsfrist beruht auf § 721 ZPO.
Der Streitwert wird auf 3.634,20 € festgesetzt.