AG Schöneberg – Az.: 106 C 300/11 – Urteil vom 19.01.2012
1. Der Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete für die von ihm innegehaltene Wohnung im H.straße in B. von derzeit 128,26 € um 15,39 € auf 143,65 € mit Wirkung zum 1.10.2011 zuzustimmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 40 % und der Beklagte 60 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von dem jeweiligen Vollstreckungsgläubiger beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Vermieter und der Beklagte ist Mieter einer 43,53 qm großen Zweizimmerwohnung im Quergebäude des Hauses P.straße in B.. Der Abstand zum Vorderhaus beträgt ca. 14 m. Die Wohnung verfügt weder über eine Sammelheizung noch über ein Bad; in der Wohnung befindet sich ein WC ohne Handwaschbecken mit Dielenfußboden, dessen Wände nicht überwiegend gefliest sind. Die Küche ist nicht beheizbar, die Warmwasserversorgung ist unzureichend und in ihr befindet sich keine Spüle. Die Wohnung ist seit 2008 überwiegend mit Isolierglasfenstern versehen, die Wohnung verfügt über keinen Balkon. Aufgrund des Gestattungsvertrages vom 5.10.1998 steht es dem Beklagten frei, sich an das Kabelnetz anzuschließen. Nach dem Energieausweis, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 28 ff d. A. verwiesen wird, beträgt der Energieverbrauchskennwert des Gebäudes 133 kWh(m²a).
Die monatliche Nettomiete betrug seit dem 1.10.2008 128,26 €.
Mit Schreiben vom 11.7.2011 begehrte der Kläger von dem Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der Nettomiete um 25,65 € auf 153,91 € zum 1.10.2011; zur Begründung verwies er auf den Berliner Mietspiegel 2011. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl.11 d. A. verwiesen. Dieses lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 6.8.2011 ab.
Der Kläger behauptet, dass das Gebäude 1904 errichtet worden sei und bezieht sich diesbezüglich auf den Energieausweis; er ist der Ansicht, dass die Ausstattung bezüglich der Merkmalsgruppe 1 infolge des bereits vorzunehmenden Abzugs für eine Wohnung ohne Sammelheizung und Bad in der Wohnung nicht erneut zu einem Abzug führen könne.
Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, den Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettomiete für die im Quergebäude, 2. OG Mitte im Haus P.straße in B. von monatlich 128,26 € um 25,65 € auf 153,91 netto kalt mit Wirkung zum 1.10.2011 zuzustimmen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, dass das Gebäude nach 1919 bezugsfertig geworden sei; in der Wohnung gäbe es nur einen Ofen, die Elektroinstallation sei unzureichend, bei seinem Einzug habe es pro Wohnraum nur eine Steckdose gegeben, eine Waschmaschine sei weder im Bad noch in der Küche stellbar und es gäbe weder einen Breitbandkabelanschluss noch eine Gemeinschaftssatellitenanlage; die Wärmedämmung sei unzureichend und die Wohnung sei im Quergebäude bei einer verdichteten Bebauung gelegen.
Die Klage ist dem Beklagten am 22.9.2011 zugestellt worden. In der mündlichen Verhandlung vom 29.12.2011 haben die Parteien erklärt, dass sie alleine eine Entscheidung nach dem Berliner Mietspiegel 2011 wünschen, obwohl dessen Felder E1 und E3 als Felder nur eine bedingte Aussagekraft haben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ging ihr ein gemäß § 558a BGB hinreichend begründetes Zustimmungsbegehren voraus und die Klagefrist des § 558b II 2 BGB ist eingehalten.
Die Klage ist gemäß § 558 BGB nur teilweise begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Denn lediglich Nettokaltmietzins von 143,65 € entspricht dem ortsüblichen Vergleichsmietzins.
Der ortsübliche Nettokaltmietzins ergibt sich aufgrund des Feldes E1 des Berliner Mietspiegels 2011 mit einem Unterwert von 3,18 €/qm, einem Mittelwert von 4,43 €/qm und einem Oberwert von 5,57 €/qm.
Anwendung findet das Feld E1 und nicht das Feld E3. Soweit der Beklagte behauptet, dass das Gebäude nach 1919 bezugsfertig geworden sei, genügt dieser Vortrag nicht mehr den Anforderungen des § 138 ZPO, nachdem der Kläger den Energieausweis vorgelegt hat, der 1904 als Baujahr des Gebäudes ausweist.
Die konkrete ortsübliche Nettovergleichsmiete war aufgrund der Spannwerteinordnung der Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels 2011 zu ermitteln. Denn auch wenn diese nicht Bestandteil des qualifizierten Mietspiegels ist, hat sie zumindest einen hohen Beweiswert i. S. d. § 286 ZPO (vgl. Berliner Mietspiegel 2011, ABl. Nr. 22/30.5.2011, S. 972; BGH GE 2005, 663; LG Berlin GE 2003, 1020; LG Berlin GE 2003, 1022; LG Berlin GE 2003, 1082; LG Berlin GE 2009, 383 ;AG Charlottenburg GE 2003, 81; AG Neukölln GE 2003, 102; AG Schöneberg MM 2010, 182; AG Wedding GE 2003, 1084; zuletzt zweifelnd Blümmel, GE 2003, 365 (366)). Unerheblich ist, dass das Feld E1 nur eine bedingte Aussagekraft hat. Denn dieses würde allenfalls dem Beklagten die Möglichkeit einräumen, einen Gegenbeweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens einzuholen. Einen solchen hat er indes nicht angeboten. Vielmehr haben die Parteien am 29.12.2011 übereinstimmend erklärt, dass sie eine Entscheidung alleine aufgrund des Berliner Mietspiegels 2011 wünschen.
Die Merkmalsgruppe 1 ist negativ. Denn vermieterseits wurde das WC ohne Handwaschbecken, ohne eine überwiegende Verfliesung der Wände und mit Dielenfußboden zur Verfügung gestellt. Jedenfalls das fehlende Handwaschbecken und die fehlende überwiegende Verfliesung der Wände begründen nach dem Berliner Mietspiegel 2011 Negativmerkmale. Unerheblich ist, dass infolge des fehlenden Bades in der Wohnung bereits ein weiterer Abzug vorzunehmen ist. Dieses führt nicht dazu, dass die Merkmalsgruppe nicht dennoch negativ sein kann und zu einem weiteren Abzug vom Mittelwert führt (a. A. AG Wedding GE 2011, 697). Denn ein derartiger Ausschluss der Möglichkeit, dass die Merkmalsgruppe trotz des fehlenden Bades nicht negativ sein könnte und zu einem weiteren Abzug vom Mittelwert führen kann, findet keinen Niederschlag im Berliner Mietspiegel. 2011. Aufgrund seiner Rechtsnatur ist der Berliner Mietspiegel 2011 primär subjektiv historisch auszulegen und Auslegungen systematischer und teleologischer Art haben zurückzutreten (vgl. AG Schöneberg GE 1997, 621). Es findet sich kein einziger Hinweis, dass bei der Erhebung der statistischen Daten für die Erstellung des Berliner Mietspiegels 2011 davon ausgegangen worden sein soll, dass die Merkmalsgruppe 1 nur dann negativ zu berücksichtigen sei, wenn überhaupt ein Bad in der Wohnung gegeben sei. Vielmehr differenziert der Berliner Mietspiegel 2011 bereits in der Überschrift zur Merkmalsgruppe 1 mit „Bad/WC“ zwischen diesen und stellt nicht alleine auf das Vorhandensein eines Bades ab. Ferner ist im Bad bereits ein kleines Handwaschbecken ein Negativmerkmal, während im WC alleine ein fehlendes Handwaschbecken ein derartiges Negativmerkmal darstellt. Auch ein Dielenfußboden und eine fehlende Beheizbarkeit stellen alleine im Bad, nicht jedoch im WC Negativmerkmale dar. Alleine diese sprachliche Differenzierung legt es fern, dass bei der Erstellung des Berliner Mietspiegels 2011 davon ausgegangen worden sein soll, dass die Merkmalsgruppe 1 nur bei dem Vorhandensein eines Bades in der Wohnung als negativ eingestuft werden kann und demgemäß sich bei einem fehlenden Innenbad ein weiterer Abzug vom Mittelwert wegen der Merkmalsgruppe 1 verbieten würde. Auch aus anderen Erwägungen ist eine derartige teleologische Reduktion der Anwendbarkeit der Merkmalsgruppe 1 als negative Merkmalsgruppe nicht geboten. Denn es erschließt sich von selbst, dass bei einem fehlenden Innenbad ein WC ohne Handwaschbecken gegenüber einem WC mit einem zumindest kleinen Handwaschbecken zu einem erheblich geringeren Wohnwert führt. Denn es besteht entgegen dem heutigen allgemeinen hygienischen Standart nicht die Möglichkeit, sich unmittelbar nach Benutzung des WCs die Hände unter fließendem Wasser zu Waschen.
Die Merkmalsgruppe 2 ist unstreitig infolge der fehlenden Spüle, der unzureichenden Warmwasserversorgung und der fehlenden Beheizbarkeit negativ.
Auch die Merkmalsgruppe 3 ist insgesamt negativ. Zwar liegt das Positivmerkmal einer überwiegenden Ausstattung mit modernen Isolierglasfenstern vor. Jedoch ist die Merkmalsgruppe 3 insgesamt per Saldo negativ. Es liegt das Negativmerkmal der fehlenden Beheizbarkeit aller Wohnräume vor. Der Beklagte hat dargelegt, dass sich in der Zweizimmerwohnung lediglich ein Ofen befindet. Diesem ist der Kläger gemessen an § 138 ZPO nicht hinreichend entgegengetreten. Denn er hat sich nicht dazu erklärt, wo sich ein zweiter Ofen befinden sollte. Bei lediglich einem Ofen in einer Zweizimmerwohnung können nicht alle Wohnräume beheizbar sein. Ferner liegt das Negativmerkmal einer unzureichenden Elektroinstallation vor. Der Beklagte hat dargelegt, dass ihm vermieterseits die Wohnung mit lediglich einer Steckdose pro Wohnraum überlassen worden sei; hierzu hat sich entgegen § 138 ZPO der Kläger nicht mehr erklärt. Auf weitere Negativmerkmale der Merkmalsgruppe 3 kommt es nicht mehr an. Denn dem einen Positivmerkmal stehen jedenfalls zwei Negativmerkmale gegenüber.
Die Merkmalsgruppe 4 ist neutral. Soweit der Beklagte eine unzureichende Wärmedämmung behauptet, genügt sein Vortrag infolge seiner Pauschalität nicht den Anforderungen des § 138 ZPO, zumal der eingereichte Energieausweis einen Energieverbrauchskennwert von lediglich 133 kWh (m²a) aufweist. Auch das Negativmerkmal einer Lage im Seitenflügel oder Quergebäude bei verdichteter Bebauung ist nicht gegeben. Der Abstand zum Vorderhaus beträgt ca. 14 m. Dieses ist keine verdichtete Bebauung.
Die Merkmalsgruppe 5 ist schließlich infolge eines diesbezüglich fehlenden Parteivortrags ebenfalls neutral.
Demgemäß beträgt der ortsübliche Nettokaltvergleichsmietzins grundsätzlich (4,43 – 3/5 (4,43 – 3,18) €/qm = 3,68 €/qm. Hiervon ist infolge des fehlenden Innenbades ein Abzug von 0,38 €/qm vorzunehmen. Es verbleiben 3,30 €/qm; dies entspricht bei einer Wohnungsgröße von 43,53 qm der ausgeurteilten monatlichen Nettokaltmiete 143,65 €.
Schließlich ist die Schonfrist des § 558 I BGB beachtet und die Kappungsgrenze des § 558 III BGB wird nicht überschritten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. § 713 ZPO kam für den Beklagten angesichts der Möglichkeit einer unselbständigen Anschlussberufung des Klägers nicht zur Anwendung.