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Ortsübliche Vergleichsmiete bei negativer Neueinstufung der Wohnlage

AG Berlin-Mitte – Az.: 5 C 28/19 – Urteil vom 04.02.2020

1. Das klageabweisende Versäumnisurteil vom 22.10.2019 wird aufrechterhalten.

2. Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil und aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe der aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Beträge zuzüglich eines Aufschlages von 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich eines Aufschlages von 10 % leisten.

4. Der Streitwert wird auf 1.340,76 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Zwischen der Klägerin als Vermieterin und den Beklagten als Mieter besteht ein Mietverhältnis über eine Wohnung in der … Berlin. Ausweislich des im Jahre 2006 geschlossenen Mietvertrages vereinbarten die Parteien neben der Zahlung einer monatlichen Grundmiete und Vorauszahlungen für „kalte“ Betriebskosten und Heiz- und Warmwasserkosten auch die Zahlung eines monatlichen Zuschlages für „Einbauküche“ in Höhe von 19,03 Euro.

Mit Schreiben vom 27.08.2018 wurden die Beklagten aufgefordert, einer Erhöhung der monatlichen Miete zum 01.11.2018 um 111,73 Euro zuzustimmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Mieterhöhungsverlangens wird auf die Anlage zur Klageschrift Bezug genommen.

Die Wohnung hat eine Größe von 82,72 qm und ist unter Berücksichtigung der Wohnlage, der Größe, der Ausstattung und der Beschaffenheit in das Mietspiegelfeld I 7 des Berliner Mietspiegels 2017 einzuordnen, ausgehend von einer gemäß Straßenverzeichnis zum Berliner Mietspiegel 2017 zur Anschrift … Berlin, gegebenen guten Wohnlage. Gemäß Straßenverzeichnis zum Berliner Mietspiegels 2019 wird die Anschrift … Berlin nunmehr als mittlere Wohnlage eingestuft, was unter Berücksichtigung der Größe, der Ausstattung und der Beschaffenheit der Wohnung zur Anwendbarkeit des Mietspiegelfeldes H 7 des Berliner Mietspiegels 2019 führt. Das Mietspiegelfeld I 7 des Berliner Mietspiegels 2017 weist eine Mietzinsspanne von 7,31 Euro/qm bis zu 10,54 Euro/qm bei einem Mittelwert von 8,77 Euro/qm aus. Eine Einordnung in den im Verlaufe des Rechtsstreits im Mai 2019 veröffentlichten Berliner Mietspiegel 2019 in das dort einschlägige Mietspiegelfeld H 7 ergibt eine Mietzinsspanne von 6,73 Euro/qm bis zu 9,03 Euro/qm bei einem Mittelwert von 7,90 Euro/qm.

Die Klägerin hatte mit der Klage ursprünglich die Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 745,79 Euro auf 857,52 Euro ab dem 01.11.2018 verlangt und im Verlaufe des Rechtsstreits die Klage auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete auf 842,92 Euro ab dem 01.11.2018 reduziert.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass unter Berücksichtigung dessen, dass das Merkmal „bevorzugte Citylage“ im Sinne der Merkmalgruppe 5 der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel 2017 zuletzt nicht mehr geltend gemacht wird, als ortsübliche Vergleichsmiete für die streitgegenständliche Wohnung ein Zuschlag von 80 % der Differenz zwischen Oberwert und Mittelwert zum Mittelwert des Mietspiegelfeldes I 7 des Berliner Mietspiegels 2017 gerechtfertigt sei, zu dem dann (neben den Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen) noch der vertraglich vereinbarte Zuschlag für die Einbauküche in Höhe von 19,03 Euro zu addieren sei.

Nachdem das Gericht die Klage auf Antrag der beklagten Partei durch Versäumnisurteil vom 22.10.2019 abgewiesen hatte, hat die klagende Partei mit Schriftsatz vom 29.10.2019, eingegangen am selben Tag, Einspruch gegen das am 28.10.2019 zugestellte Versäumnisurteil eingelegt.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Versäumnisurteil aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, einer Anhebung der Nettokaltmiete für die von ihnen bei der Klägerin gemietete Wohnung im Hause … Berlin, von zurzeit 745,79 Euro monatlich um 97,13 Euro monatlich auf 842,92 Euro monatlich ab dem 01.11.2018 zuzustimmen.

Die Beklagten haben ursprünglich beantragt, die Klage abzuweisen und auf ihren Antrag hin ein klageabweisendes Versäumnisurteil erwirkt. Zuletzt haben sich die Beklagten damit einverstanden erklärt, dass das Gericht eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren treffen kann.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die schriftsätzliche Mitteilung der beklagten Partei vom 13.11.2019, dass Einverständnis damit besteht, dass eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren getroffen werden soll, ist im Wege der Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB auch dahingehend zu verstehen, dass die Beklagten auch weiterhin – wie bereits im ersten Verhandlungstermin beantragt – eine Abweisung der Klage wünschen und mithin auch eine Aufrechterhaltung des von ihnen erwirkten klageabweisenden Versäumnisurteils, auch wenn ein solcher Antrag nach dem Einspruch der klagenden Partei gegen das Versäumnisurteil und der entsprechenden Fortsetzung des Verfahrens schriftsätzlich nicht ausdrücklich formuliert wurde.

Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist statthaft und rechtzeitig innerhalb der Frist des § 339 Abs. 1 ZPO eingelegt worden.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete auf 842,92 Euro, zu dem noch ein gesonderter Zuschlag für die Einbauküche in Höhe von 19,03 Euro hinzukommen soll, nicht zu, denn die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung übersteigt die von den Beklagten bereits aktuell zu zahlende Miete von monatlich 745,79 Euro zuzüglich Zuschlag für die Einbauküche in Höhe von 19,03 Euro nicht.

Ungeachtet des Umstandes, dass das Gericht unter Bezugnahme auf die erteilten Hinweise auch weiterhin der Ansicht ist, dass der als Einbauküchenzuschlag vereinbarte Betrag von 19,03 Euro der vertraglich geschuldeten Nettokaltmiete hinzuzurechnen ist und nicht als Möblierungszuschlag im üblichen Sinne anzusehen ist, also im Sinne eines zusätzliches Entgelts für Einrichtungsgegenstände, die über die in der Orientierungshilfe zu dem Berliner Mietspiegel genannte wohnwerterhöhende Ausstattung einer Wohnung hinausgehend dem Mieter zur vertragsgemäßen Nutzung zur Verfügung gestellt wird (wie z.B. Tische, Stühle, Bett, Sofa, Sessel, Fernseher etc.), ergeben sich in Anbetracht des im Verlaufe des Rechtsstreits in Kraft getretenen Berliner Mietspiegels 2019 für die streitgegenständliche Wohnung im mittleren und oberen Bereich des für die Wohnung einschlägigen Mietspiegelfeldes erheblich geringere Werte, was maßgeblich damit im Zusammenhang steht, dass die Wohnlage entgegen der Einstufung im Berliner Mietspiegel 2017 (dort „gute Wohnlage“) nunmehr als mittlere Wohnlage qualifiziert wird und der Erhebungsstichtag für die Werte des neuen Berliner Mietspiegels 2019 (dessen Stichtag ist der 01.09.2018) dem für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete vorliegend maßgebenden Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens Ende August 2018 nahezu entspricht.

Für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist nach Auffassung des Gerichts vorliegend grundsätzlich der qualifizierte Berliner Mietspiegel 2017 heranzuziehen, dessen Werte gemäß § 558d Abs. 3 BGB die Vermutung begründen, dass diese die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben, weil es für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens ankommt, vorliegend also auf den Zeitpunkt Ende August 2018 (vgl. hierzu Schmidt-Futterer-Börstinghaus aaO Rn. 121 mwN). Zu diesem Zeitpunkt war der neue Berliner Mietspiegel 2019 noch nicht in Kraft; dieser ist erst im Verlaufe des Rechtsstreits im Mai 2019 veröffentlicht worden.

Dennoch ist vorliegend unter Berücksichtigung der sich aus dem Berliner Mietspiegel 2019 ergebenden Werte entsprechend des gerichtlichen Hinweises vom 22.10.2019 eine Anpassung vorzunehmen, da die Werte im mittleren und oberen Bereich des Mietspiegelfeldes I 7 (2017) und des Mietspiegelfeldes H 7 (2019) erheblich in der Weise voneinander abweichen, dass die aktuelleren Werte des Berliner Mietspiegels 2019 im mittleren und oberen Bereich infolge der Veränderung der für die streitgegenständliche Wohnung maßgebenden Wohnlage nunmehr erheblich unterhalb der Werte im mittleren und oberen Bereich des Mietspiegelfeldes I 7 (2017) liegen.

Unter Berücksichtigung der zutreffenden Rechtsansicht des BGH, Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 295/15, nach der in dem dort zu entscheidenden Fall eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete seit dem Stichtag eines älteren Mietspiegels eingetreten war und deshalb ein Stichtagszuschlag als zulässig erachtet wurde, kann für den umgekehrten Fall, dass die Werte des für die Wohnung maßgeblichen Rasterfeldes durch eine negative Veränderung der Wohnlage erheblich und ungewöhnlich gesunken sind (was in den letzten Jahren eher eine Ausnahme darstellt haben dürfte) selbstverständlich nichts Abweichendes gelten.

Der Erhebungsstichtag des neuen Berliner Mietspiegels 2019 (01.09.2018) entspricht vorliegend nahezu dem Zugangszeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens, so dass es gerechtfertigt ist, den aktuelleren Wert des Berliner Mietspiegels 2019 für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen. In diesem Zusammenhang wird mangels konkreter Angabe dazu, an welchem Tag das Mieterhöhungsverlangen den Beklagten zugegangen war, davon ausgegangen, dass den Beklagten das Schreiben bei üblichem Postverlauf noch im Monat August 2018 zugegangen war, also unmittelbar vor dem für den Berliner Mietspiegel 2019 geltenden Stichtag.

Der sich nach dem Berliner Mietspiegel 2019 (Feld H 7) bei einem Zuschlag von 80 % der Differenz zwischen Oberwert und Mittelwert zum Mittelwert ergebende Wert beträgt 8,80 Euro/qm. Nach dem eigenen Vortrag der klagenden Partei ist in den Merkmalgruppen 1 bis 4 (Bad/WC, Küche, Wohnung, Gebäude) von einem Überwiegen wohnwerterhöhender Merkmale auszugehen und die Merkmalgruppe 5 ist als neutral zu bewerten, so dass sich der genannte Zuschlag von 80 % ergibt.

Die aktuelle von den Beklagten zu zahlende monatliche Nettokaltmiete von 745,79 Euro (wobei der Zuschlag für die Einbauküche nicht einmal berücksichtigt wurde) entspricht bereits 9,02 Euro/qm, so dass eine Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete vorliegend nicht geschuldet ist.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert richtet sich gemäß § 41 Abs. 5 GKG nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Mieterhöhung.

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