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Parabolantenne – Hat ein Mieter hierauf einen Anspruch?

Antenne paraboliqueAG Hamburg-St. Georg

Az.: 925 C 9/13

Urteil vom 09.07.2013

In dem Rechtsstreit erkennt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Abteilung 925 – am 09.07.2013 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die fachmännische Anbringung einer Parabolantenne auf Kosten der Kläger an einer geeigneten Stelle des ### zu dulden Zug-um-Zug gegen den Nachweis des Abschlusses einer Haftpflichtversicherung durch die Kläger und Zahlung einer zusätzlichen Kaution für Rückbaukosten in Höhe von Euro 500,00 durch die Kläger an die Beklagte.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.500,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechtigung der Kläger als Mieter, eine Parabolantenne auf dem Dach des ### aufzustellen zum Empfang von Sendern, die Sendungen mit Untertiteln auf Farsi oder von Gebärdendolmetschern auf Farsi begleitete Sendungen, ausstrahlen.

Die Beklagte ist Eigentümerin und die Kläger sind Mieter einer Wohnung im in Hamburg. Der Mietvertrag vom 27.10.2005/31.10.2005 (Anlage K1, Blatt 45 ff. der Akte) enthält unter § 5 Abs. 2 folgende Regelung:

„Das Anbringen von Parabol- und/oder Funkantennen jeder Art ist nicht erlaubt. […]“

Die Kläger sind iranische Staatsangehörige und der deutschen Sprache nur begrenzt mächtig.

Eine ungenehmigte Parabolantenne haben die Kläger auf Aufforderung der Beklagten entfernt.

Über das Digitalprogramm können die Sender Iran Beauty, Payam-e-Afgan tv und Ariana Afghanistan empfangen werden. Der Sender Iran Beauty strahlt keine Sendungen aus, die mit Untertiteln auf Farsi unterlegt werden oder von Gebärdendolmetschern auf Farsi begleitet werden.

Nunmehr unstreitig strahlen die sowohl über Parabolantenne als auch über das Internet zu empfangende Sender JAM E JAM 1 und 2 Sendungen aus, die für gehörlose Iraner geeignet sind, weil sie entweder auf Farsi untertitelt oder gebärdendolmetscht sind.

Streitgegenständlich ist daher vor allem, ob die Kläger auf den Empfang über das Internet verwiesen werden können. Die Wohnung der Kläger ist mit dem schnellsteil in Deutschland für normale Haushalte verfügbaren Internetanschluss ausgestattet, der eine Datenübertragungsrate von 100 mb pro Sekunde im Downstream-Bereich erlaubt. Die Kosten für diesen schnellen Internetzugang liegen bei ca. Euro 15,00 im Monat. Die Kläger beziehen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt.

Die Kläger behaupten, sie hätten einen 6 Jahre alten PC mit kleinem Bildschirm. Dieser PC habe keine ausreichende Rechenleistung um Lifestream-Sendungen im Internet empfangen zu können. Bei dem Versuch, die Sender zu empfangen hätten sie festgestellt, dass die Qualität mangelhaft und die Bilder gestört und verzögert seien. Auch fehle den Klägern nähere Vorkenntnisse, die die Nutzung des Internets erfordere. Aufgrund der Behinderung, seien die Kenntnisse den Klägern auch nur unzureichend vermittelbar, Das Handling mit den Sendern sei recht kompliziert. Neben den laufenden Kosten für den Zugang seien regelmäßig Firewalls zu finanzieren und zu installieren. Auf einem Computerbildschirm könnten die Sendungen nicht gemeinsam als Familie gesehen werden.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, die fachmännische Anbringung einer Parabolantenne auf Kosten der Kläger an einer geeigneten Stelle des Daches des ### zu dulden Zug-um-Zug gegen den Nachweis des Abschlusses einer Haftpflichtversicherung durch die Kläger und Zahlung einer zusätzlichen Kaution für Rückbaukosten in Höhe von Euro 500,00 durch die Kläger an die Beklagte.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Kosten für den schnellen Internetzugang seien zumutbar. Ein Anspruch auf Empfang der Sender auf einem Bildschirm einer bestimmten Größe bestehe nicht, im Übrigen gebe es die Möglichkeit, den Empfang der Internetsender auf den Fernsehbildschirm zu projizieren. Der Aufruf eines Internetsenders erfordere kein größeres technisches Verständnis als das Anstellen und Umstellen eines Fernsehers. Das Aufrufen des Internetfernsehprogramms sei nicht aufwendig, es bedürfe lediglich des Startens des Computers, des Starten des Browsers durch Doppelklick auf das entsprechende Symbol auf dem Desktop, des Aufrufs der entsprechenden Internetseite und des Startens des Fernsehprogramms durch Doppelkick.

Zur Ergänzung des Tatbestandes nimmt das Gericht auf den weiteren Akteninhalt sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagte auf Duldung der Anbringung einer Parabolantenne auf dem Dach des Mietshauses aus §§ 535, 242 BGB.

Das vertraglich zwischen den Parteien festgelegte Verbot in § 5 Abs. 2 des Mietvertrages verstößt gegen das den Klägern zustehende Grundrecht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 GG. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kläger gehörlos sind. Mit Anlage zum Schriftsatz vom 22.08.2012 haben die Kläger einen Schwerbehindertenausweis für die Klägerin zu 2) vorgelegt, der das Kürzel „GL“ für gehörlos bescheinigt (Blatt 34 der Akte). Hinsichtlich des Vornamens hat die Klägerin zu 2) ausgeführt, dass sie sich für den Vornamen ### als ersten Vornamen entschieden hat, entsprechendes geht auch aus dem Aufenthaltstitel hervor (Blatt 34 der Akte).

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass über Breitbandkabel nur ein iranischer Sender zu empfangen ist, der keine Sendungen ausstrahlt, die Untertitel oder Gebärdendolmetscher auf Farsi beinhalten. Als gehörlose Iraner, die Farsi sprechen, sind die Kläger auf untertitelte oder gebärdendolmetschte Sendungen angewiesen, um ihr Grundrecht auf Informationsfreiheit zu befriedigen.

Die Kläger können nicht auf die über das Internet empfangbaren iranischen Sender verwiesen werden. Unstreitig strahlen die Sender JAM E JAM 1 und 2 Sendungen aus, die für gehörlose Iraner geeignet sind. Die Sender sind weiter sowohl über Parabolantenne als auch über das Internet zu empfangen. Nach Auffassung des Gerichts mag es für Personen, die mit der Nutzung des Internets aufgewachsen sind, eine Normalität sein, Fernsehen über das Internet zu empfangen. Den Klägern, die aus einem anderen Kulturkreis stammen und aus einer Generation, in der Internetfernsehen keine Normalität war (Jahrgang 1967), ist es nicht zuzumuten, über das Internet Fernsehprogramme zu empfangen. Wie bereits die Beklagte vorträgt, ist der Empfang über das Internet erheblich komplizierter als über den Fernseher, der mit einem Knopfdruck zu bedienen ist: Der Computer ist zu starten, der Browser ist durch Doppelklick auf das entsprechende Symbol auf dem Desktop zu starten, die entsprechende Internetseite ist aufzurufen und das Fernsehprogramm durch Doppelklick zu starten. Entsprechend komplizierter ist auch das Umschalten von Programmen. Diese Handhabung setzt schon eine gewisse Geschicklichkeit im Umgang mit technischen Geräten voraus. Hinzukommt bei den Klägern, dass diese gehörlos sind und sich damit die Erlangung von Informationen schwieriger gestaltet. Zudem sind die Kläger auf Untertitel oder Gebärdendolmetscher angewiesen, so dass eine gewisse Größe des Bildschirms erforderlich ist, damit das Informationsinteresse befriedigt werden kann. Auch wenn der Beklagten dahingehend zuzustimmen ist, das Kostenargument nicht trägt, weil auch die Parabolantenne einmalige Anschaffungskosten und dauerhafte Kosten hinsichtlich der abzuschließenden Haftpflichtversicherung auslöst, ergibt sich in diesem konkreten Fall, dass die Kläger als gehörlose Iraner nicht auf das Internet verwiesen werden können.

Das Interesse der Beklagten als Eigentümerin des Mietshauses aus Art. 14 GG hat gegenüber dem Interesse der Kläger auf Informationsfreiheit nach Art. 5 GG zurückzutreten. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht hat und die Parabolantenne auf dem Dach des Hauses anzubringen ist. Nach dem Lichtbild zu urteilen wirkt die Parabolantenne dort jedenfalls nicht in erheblicher Weise beeinträchtigend. Die optische Beeinträchtigung, die mit der Anbringung einer Parabolantenne verbunden ist, ist durch die Anbringung auf dem Dach weitestgehend reduziert.

Die Beklagten waren berechtigt, die Gestattung der Anbringung der Parabolantenne am Dach des Hauses von der fachmännischen Installation, dem Abschluss einer entsprechenden Versicherung und einer zusätzlichen Kaution zur Absicherung der voraussichtlichen Kosten der Entfernung der Parabolantenne abhängig zu machen (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 535 Rn.395).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.11, 711 ZPO.

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