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Per E-Mail geschlossener Wohnraummietvertrag ohne Widerrufsbelehrung

Der Fall handelt von einem Mieter, der seinen Mietvertrag fast ein Jahr nach Abschluss widerrufen hat, weil er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Das Gericht entschied, dass der Mieter alle gezahlten Mieten zurückbekommt und keinen Wertersatz leisten muss.

Aufmacher:

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Ein Wohnraummietvertrag wurde per E-Mail abgeschlossen.
  • Der Mieter hat den Vertrag widerrufen, ohne über das Widerrufsrecht belehrt worden zu sein.
  • Der Mieter verlangte die Rückzahlung aller bis zum Widerruf gezahlten Mieten.
  • Das Amtsgericht hatte der Beklagten Aufrechnungsansprüche wegen Wertersatzes zuerkannt.
  • Das Landgericht Berlin entschied zugunsten des Mieters und sprach ihm die Rückzahlung der Mieten zu.
  • Der Mietvertrag wurde als Fernabsatzvertrag eingestuft, was ein Widerrufsrecht eröffnet.
  • Die Beklagte konnte nicht beweisen, dass der Vertrag außerhalb eines Fernabsatzsystems geschlossen wurde.
  • Der Mieter hatte die Wohnung vor Vertragsschluss nicht besichtigt, was den Ausschluss des Widerrufsrechts ausschloss.
  • Das Gericht entschied, dass der Mieter keinen Wertersatz für die Nutzung der Wohnung schuldet.
  • Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Mietern, die nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht informiert wurden.

Gerichtsurteil: Fehlt die Widerrufsbelehrung bei Mietvertrag per E-Mail?

Der Abschluss eines Wohnraummietvertrages per E-Mail ist im digitalen Zeitalter immer häufiger anzutreffen. Doch birgt diese Form der Vertragsabschließung auch Fallstricke? Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrages, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung fehlt.

Die Widerrufsbelehrung ist ein zentrales Instrument, um den Verbraucher vor übereilten Entscheidungen zu schützen. Sie ermöglicht ihm, den Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Fehlt diese Belehrung, kann der Verbraucher den Vertrag möglicherweise anfechten. Ob dies tatsächlich der Fall ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, den Umständen des Falles und der Anwendung der entsprechenden Rechtsvorschriften.

Ein aktuelles Gerichtsurteil zeigt nun, wie die Gerichte die rechtliche Situation beurteilen, wenn ein Wohnraummietvertrag per E-Mail abgeschlossen wurde und die Widerrufsbelehrung fehlte. Der konkrete Fall wird im Folgenden näher beleuchtet.

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Sie haben Ihren Mietvertrag online abgeschlossen und wurden nicht über Ihr Widerrufsrecht informiert? Möglicherweise haben Sie Anspruch auf Rückzahlung Ihrer Miete. Unsere Experten für Mietrecht kennen die aktuelle Rechtsprechung und beraten Sie umfassend zu Ihren Möglichkeiten. Nutzen Sie Ihre Chance und lassen Sie sich unverbindlich von uns beraten. Kontaktieren Sie uns noch heute für eine erste Einschätzung Ihres Falls.

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Der Fall vor Gericht


Widerruf eines Wohnraummietvertrags ohne Widerrufsbelehrung: Kein Wertersatz für Vermieter

Der Fall dreht sich um einen Rechtsstreit zwischen einem Mieter und seiner Vermieterin bezüglich eines per E-Mail abgeschlossenen Wohnraummietvertrags. Der Mieter hatte den Vertrag etwa ein Jahr nach Abschluss widerrufen und forderte die Rückzahlung aller bis dahin geleisteten Mieten. Die Vermieterin verlangte im Gegenzug die Räumung der Wohnung sowie einen Wertersatz für die Nutzung.

Das Amtsgericht hatte die Klage des Mieters zunächst größtenteils abgewiesen. Es erkannte zwar den Widerruf als wirksam an, billigte der Vermieterin aber Gegenansprüche wegen Wert- und Nutzungsersatz zu. Gegen dieses Urteil legte der Mieter Berufung ein.

Berufungsentscheidung: Mieter erhält Mietzahlungen zurück

Das Landgericht Berlin gab der Berufung des Mieters weitgehend statt. Es entschied, dass der Mieter einen Anspruch auf Rückzahlung der im Zeitraum vom 1. Februar 2019 bis 16. Januar 2020 geleisteten Mieten in Höhe von 10.365,09 EUR hat.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Mietvertrag als Fernabsatzvertrag zu werten sei, da er ausschließlich per E-Mail verhandelt und geschlossen wurde. Bei solchen Verträgen steht Verbrauchern grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu. Da die Vermieterin den Mieter nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hatte, begann die Widerrufsfrist von 14 Tagen nie zu laufen. Stattdessen hatte der Mieter gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB 12 Monate und 14 Tage Zeit für den Widerruf. Sein knapp ein Jahr nach Vertragsschluss erklärter Widerruf war somit rechtzeitig.

Kein Wertersatzanspruch für die Vermieterin

Das Landgericht Berlin entschied zudem, dass der Vermieterin kein Anspruch auf Wertersatz für die Nutzung der Wohnung bis zum Widerruf zusteht. Ein solcher Anspruch hätte gemäß § 357 Abs. 8 BGB vorausgesetzt, dass der Mieter ausdrücklich verlangt hätte, vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Leistung zu beginnen. Außerdem hätte die Vermieterin den Mieter ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht und eine mögliche Wertersatzpflicht informieren müssen. Da beides nicht der Fall war, konnte die Vermieterin keinen Wertersatz verlangen.

Das Gericht betonte, dass über die gesetzlichen Regelungen in §§ 355 ff. BGB hinaus keine weiteren Ansprüche der Vermieterin gegen den Mieter infolge des Widerrufs bestehen. Die eindeutige gesetzliche Regelung lasse weder Raum für eine Analogie noch für eine teleologische Reduktion.

Bedeutung des Urteils für Vermieter und Mieter

Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf den Abschluss von Mietverträgen per Fernkommunikationsmittel. Sie verdeutlicht, wie wichtig es für Vermieter ist, Mieter ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht zu belehren. Ohne eine solche Belehrung riskieren Vermieter, dass Mieter den Vertrag noch lange nach Einzug widerrufen und die gezahlten Mieten zurückfordern können – ohne dafür Wertersatz leisten zu müssen.

Für Mieter bedeutet das Urteil eine Stärkung ihrer Rechte bei online abgeschlossenen Mietverträgen. Wurden sie nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt, haben sie deutlich mehr Zeit für einen Widerruf und müssen im Falle eines Widerrufs nicht für die Nutzung der Wohnung zahlen.

Das Landgericht Berlin hat aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH die Rechtsauffassung des Landgerichts bestätigen wird.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil stärkt die Verbraucherrechte im Mietrecht erheblich. Bei online geschlossenen Mietverträgen ohne Widerrufsbelehrung haben Mieter ein verlängertes Widerrufsrecht von 12 Monaten und 14 Tagen. Im Falle eines Widerrufs müssen sie keinen Wertersatz für die Nutzung der Wohnung leisten. Vermieter tragen somit ein erhebliches Risiko, wenn sie die Belehrungspflichten nicht erfüllen. Dies unterstreicht die Bedeutung korrekter Vertragsgestaltung im digitalen Zeitalter.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie einen Wohnraummietvertrag per E-Mail abgeschlossen haben und nicht über Ihr Widerrufsrecht belehrt wurden, haben Sie erweiterte Rechte: Sie können den Vertrag innerhalb von 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss widerrufen. Im Falle eines Widerrufs müssen Sie keinen Wertersatz für die Nutzung der Wohnung zahlen und können sogar bereits gezahlte Mieten zurückfordern. Dies gilt selbst dann, wenn Sie die Wohnung bereits bezogen haben. Allerdings müssen Sie nach dem Widerruf die Wohnung zeitnah räumen. Für Vermieter bedeutet dies ein erhöhtes Risiko bei Online-Vertragsabschlüssen ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Es ist daher ratsam, vor Vertragsabschluss die Wohnung zu besichtigen oder auf eine korrekte Widerrufsbelehrung zu achten, um Ihre Rechte und Pflichten klar zu verstehen.


FAQ – Häufige Fragen

Sie haben einen Wohnraummietvertrag per E-Mail abgeschlossen und keine Widerrufsbelehrung erhalten? Ist ein Widerruf des Mietvertrags ohne Widerrufsbelehrung überhaupt möglich? In unseren FAQ finden Sie Antworten auf diese und weitere wichtige Fragen rund um den Widerruf von Wohnraummietverträgen.


Ist ein per E-Mail abgeschlossener Wohnraummietvertrag ohne Widerrufsbelehrung rechtswirksam?

Ein per E-Mail abgeschlossener Wohnraummietvertrag ohne Widerrufsbelehrung kann rechtswirksam sein, unterliegt aber besonderen Regelungen. Grundsätzlich ist ein solcher Vertrag zunächst gültig, jedoch hat der Mieter unter bestimmten Umständen ein Widerrufsrecht.

Entscheidend ist, ob der Vermieter als Unternehmer im Sinne des Gesetzes handelt. Dies ist in der Regel der Fall, wenn er gewerblich Wohnungen vermietet. Ab wann genau eine gewerbliche Vermietung vorliegt, ist nicht eindeutig geregelt. Manche Gerichte gehen von drei vermieteten Wohnungen aus, andere von acht. Spätestens wenn der Vermieter eine Hausverwaltung beauftragt hat, gilt er als Unternehmer.

Handelt der Vermieter als Unternehmer, kommt das Fernabsatzrecht zur Anwendung. Der Mieter hat dann ein 14-tägiges Widerrufsrecht, sofern er die Wohnung vor Vertragsabschluss nicht besichtigt hat. Wurde keine Widerrufsbelehrung erteilt, verlängert sich diese Frist auf ein Jahr und 14 Tage ab Vertragsschluss.

Wichtig ist: Der Vertrag ist trotz fehlender Widerrufsbelehrung zunächst wirksam. Er kann jedoch innerhalb der verlängerten Frist vom Mieter widerrufen werden. In diesem Fall wandelt sich der Mietvertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis um. Der Mieter muss dann grundsätzlich die empfangenen Leistungen, also die Nutzung der Wohnung, zurückgewähren.

Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Berlin (Az.: 67 S 140/21) hat jedoch entschieden, dass der Vermieter in solchen Fällen keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung hat, wenn er den Mieter nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Dies bedeutet im Extremfall, dass ein Mieter fast ein Jahr mietfrei wohnen könnte, wenn er den Vertrag kurz vor Ablauf der verlängerten Widerrufsfrist widerruft.

Für Vermieter ergibt sich daraus die dringende Empfehlung, bei Fernabsatzverträgen stets eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen. Für Mieter kann sich in solchen Fällen ein unerwarteter rechtlicher Vorteil ergeben.

Es ist zu beachten, dass diese Regelungen nicht gelten, wenn der Vermieter als Privatperson handelt oder wenn der Mieter die Wohnung vor Vertragsabschluss besichtigt hat. In diesen Fällen besteht kein Widerrufsrecht.

Die rechtliche Situation bei E-Mail-Mietverträgen ohne Widerrufsbelehrung ist komplex und kann von Fall zu Fall variieren. Für beide Vertragsparteien ist es ratsam, sich der möglichen Konsequenzen bewusst zu sein und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen.

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Welche Fristen gelten für den Widerruf eines Mietvertrags, der per E-Mail abgeschlossen wurde?

Bei fehlender Widerrufsbelehrung durch den Vermieter ergeben sich weitreichende Konsequenzen für beide Vertragsparteien. Das Widerrufsrecht des Mieters verlängert sich in diesem Fall erheblich. Statt der üblichen 14 Tage hat der Mieter nun ein Jahr und 14 Tage Zeit, den Mietvertrag zu widerrufen. Diese verlängerte Frist beginnt mit dem Abschluss des Mietvertrags.

Die Auswirkungen dieser Fristverlängerung können für den Vermieter gravierend sein. Widerruft der Mieter den Vertrag innerhalb dieses Zeitraums, muss der Vermieter sämtliche bereits geleisteten Mietzahlungen zurückerstatten. Dies kann zu erheblichen finanziellen Einbußen führen, insbesondere wenn der Widerruf erst nach mehreren Monaten erfolgt.

Ein besonders brisanter Aspekt wurde durch ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 21.10.2021 (Az. 67 S 140/21) hervorgehoben. Das Gericht entschied, dass der Vermieter in einem solchen Fall keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung oder Wertersatz hat. Dies bedeutet, dass der Mieter die Wohnung für den gesamten Zeitraum bis zum Widerruf kostenfrei nutzen konnte.

Die Begründung des Gerichts stützt sich auf die fehlende Widerrufsbelehrung und das Fehlen einer ausdrücklichen Aufforderung des Mieters, vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Leistungserbringung zu beginnen. Ohne diese Voraussetzungen entfällt laut Gericht jeglicher Anspruch des Vermieters auf Wertersatz nach § 357 Abs. 8 BGB.

Diese Rechtsprechung verdeutlicht die immense Bedeutung der korrekten Widerrufsbelehrung für Vermieter. Die Unterlassung kann zu einer Situation führen, in der ein Mieter theoretisch bis zu 13 Monate mietfrei wohnen und anschließend durch Widerruf sämtliche geleisteten Zahlungen zurückfordern kann.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Widerrufsrecht nur unter bestimmten Umständen besteht. Gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB entfällt das Widerrufsrecht, wenn der Mieter die Wohnung vor Vertragsabschluss besichtigt hat. Vermieter sollten daher stets auf eine Besichtigung vor Vertragsschluss bestehen oder alternativ eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilen.

Für Mieter eröffnet die fehlende Widerrufsbelehrung hingegen weitreichende Möglichkeiten. Sie können den Vertrag innerhalb der verlängerten Frist jederzeit widerrufen und haben Anspruch auf Rückzahlung sämtlicher geleisteter Mieten. Dabei müssen sie weder eine Nutzungsentschädigung zahlen noch einen Wertersatz leisten.

Die Rechtslage unterstreicht die Notwendigkeit für Vermieter, sich genauestens mit den gesetzlichen Vorschriften vertraut zu machen und diese einzuhalten. Eine sorgfältige Dokumentation der Wohnungsbesichtigung oder die Erteilung einer korrekten Widerrufsbelehrung sind unerlässlich, um sich vor möglichen finanziellen Risiken zu schützen.

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Was passiert, wenn der Vermieter nicht über das Widerrufsrecht belehrt?

Hier geht es um die Konsequenzen für Vermieter und Mieter, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung fehlt. Die Antwort sollte erläutern, welche Rechte der Mieter hat und welche Verpflichtungen auf den Vermieter zukommen. ___ Beachte thematischen Zusammenhang: Per E-Mail geschlossener Wohnraummietvertrag ohne Widerrufsbelehrung (Az.: Az.: II-9 UF 76/23 – LG Berlin, vom 21.10.2021) ___

Kann der Vermieter Wertersatz verlangen, wenn der Mieter den Mietvertrag widerruft?

Bei der Frage, ob der Vermieter Wertersatz verlangen kann, wenn der Mieter den Mietvertrag widerruft, ist die Rechtslage komplex und von mehreren Faktoren abhängig.

Grundsätzlich steht dem Mieter bei Fernabsatzverträgen, also wenn der Mietvertrag beispielsweise per E-Mail geschlossen wurde, ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Dieses Recht verlängert sich auf bis zu 12 Monate und 14 Tage, wenn der Vermieter den Mieter nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat.

Im Fall eines wirksamen Widerrufs wandelt sich der Mietvertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis um. Das bedeutet, beide Parteien müssen die empfangenen Leistungen zurückgewähren. Der Vermieter muss also die erhaltenen Mietzahlungen und Nebenkostenvorauszahlungen zurückerstatten.

Die entscheidende Frage ist nun, ob der Vermieter für die Zeit, in der der Mieter die Wohnung genutzt hat, einen Wertersatz verlangen kann. Das Landgericht Berlin hat in einem wegweisenden Urteil (Az.: 67 S 70/21) entschieden, dass dem Vermieter kein Anspruch auf Wertersatz zusteht, wenn er den Mieter nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt hat.

Diese Entscheidung basiert auf der Auslegung des § 357 Abs. 8 BGB. Demnach schuldet der Mieter dem Vermieter Wertersatz nur dann, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens muss der Mieter ausdrücklich verlangt haben, dass der Vermieter mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Zweitens muss der Vermieter den Mieter ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht und eine etwaige Wertersatzpflicht informiert haben.

Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, insbesondere an der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung, kann der Vermieter keinen Wertersatz für die Nutzung der Wohnung verlangen. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass ein Mieter die Wohnung bis zu 13 Monate lang kostenlos nutzen kann, wenn er den Mietvertrag kurz vor Ablauf der verlängerten Widerrufsfrist widerruft.

Diese Rechtsprechung stellt für Vermieter ein erhebliches Risiko dar. Sie müssen besonders sorgfältig darauf achten, den Mieter ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht zu belehren, wenn der Mietvertrag im Fernabsatz geschlossen wird. Andernfalls riskieren sie, im Falle eines Widerrufs die Miete für einen längeren Zeitraum zurückzahlen zu müssen, ohne dafür einen Ausgleich zu erhalten.

Es ist wichtig zu betonen, dass diese Regelung nur für Fernabsatzverträge gilt. Hat der Mieter die Wohnung vor Vertragsschluss besichtigt, besteht kein Widerrufsrecht. Ebenso wenig greift das Widerrufsrecht, wenn beide Parteien bei Vertragsschluss persönlich anwesend waren.

Für Vermieter ergibt sich aus dieser Rechtslage die dringende Empfehlung, bei Mietvertragsabschlüssen im Fernabsatz stets eine vollständige und korrekte Widerrufsbelehrung zu erteilen. Nur so können sie sich vor dem Risiko schützen, im Falle eines Widerrufs ohne Wertersatzanspruch dazustehen.

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Welche Rechte hat der Mieter nach dem Widerruf des Mietvertrags?

Der Widerruf eines Mietvertrags ist ein komplexes rechtliches Thema, das für Mieter von großer Bedeutung sein kann. Grundsätzlich ist es wichtig zu verstehen, dass ein Widerrufsrecht bei Mietverträgen nur in bestimmten Situationen besteht.

Ein Widerrufsrecht kann beispielsweise vorliegen, wenn der Mietvertrag außerhalb von Geschäftsräumen oder im Rahmen eines Fernabsatzgeschäfts geschlossen wurde. Dies trifft insbesondere auf Mietverträge zu, die per E-Mail, Telefon oder über das Internet abgeschlossen wurden. Im vorliegenden Fall eines per E-Mail geschlossenen Wohnraummietvertrags ohne Widerrufsbelehrung ist diese Situation gegeben.

Wenn ein Mieter sein Widerrufsrecht erfolgreich ausübt, hat dies weitreichende Konsequenzen. Der Mietvertrag wird rückabgewickelt, was bedeutet, dass beide Parteien – Mieter und Vermieter – so gestellt werden müssen, als ob der Vertrag nie geschlossen worden wäre. Dies führt zu folgenden Rechten und Ansprüchen des Mieters:

Erstattung gezahlter Mieten: Der Mieter hat Anspruch auf die Rückzahlung aller bereits geleisteten Mietzahlungen. Dies umfasst sowohl die Grundmiete als auch eventuell gezahlte Nebenkosten oder Vorauszahlungen.

Rückerstattung der Kaution: Falls der Mieter bereits eine Kaution hinterlegt hat, muss diese vollständig zurückgezahlt werden. Die Kaution dient normalerweise als Sicherheit für den Vermieter, aber da der Vertrag durch den Widerruf aufgehoben wird, entfällt dieser Zweck.

Erstattung sonstiger Kosten: Alle weiteren Kosten, die der Mieter im Zusammenhang mit dem Mietvertrag hatte, können ebenfalls zurückgefordert werden. Dazu könnten beispielsweise Maklergebühren oder Kosten für Renovierungsarbeiten gehören, die der Mieter bereits durchgeführt hat.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Mieter im Gegenzug auch verpflichtet ist, eventuell erhaltene Leistungen zurückzugeben. Dies bedeutet in der Regel, dass er die Wohnung unverzüglich räumen und in dem Zustand zurückgeben muss, in dem er sie übernommen hat.

Ein wichtiger Aspekt, der in diesem Zusammenhang oft übersehen wird, ist die Frage der Nutzungsentschädigung. Grundsätzlich könnte der Vermieter für den Zeitraum, in dem der Mieter die Wohnung genutzt hat, eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt jedoch nicht einheitlich, und es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. In manchen Fällen haben Gerichte entschieden, dass keine Nutzungsentschädigung zu zahlen ist, wenn der Vermieter seiner Pflicht zur Widerrufsbelehrung nicht nachgekommen ist.

Im konkreten Fall eines per E-Mail geschlossenen Wohnraummietvertrags ohne Widerrufsbelehrung (Az.: II-9 UF 76/23 – LG Berlin, vom 21.10.2021) stärkt die Rechtsprechung die Position des Mieters. Das Landgericht Berlin hat in diesem Fall entschieden, dass der Mieter ein Widerrufsrecht hat, wenn er nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der korrekten Widerrufsbelehrung durch den Vermieter und kann die Rechtsposition des Mieters bei der Geltendmachung seiner Ansprüche nach einem Widerruf erheblich verbessern.

Es ist zu betonen, dass die erfolgreiche Durchsetzung dieser Rechte oft von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängt. Faktoren wie der genaue Wortlaut des Mietvertrags, die Art und Weise des Vertragsabschlusses und das Verhalten beider Parteien können eine Rolle spielen. Die Rechtsprechung in diesem Bereich entwickelt sich stetig weiter, was die Notwendigkeit unterstreicht, sich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Widerrufsbelehrung: Die Widerrufsbelehrung informiert den Verbraucher über sein Recht, einen Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Fehlt diese Belehrung, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, was dem Verbraucher eine längere Widerrufsfrist von bis zu 12 Monaten und 14 Tagen einräumt. Im vorliegenden Fall wurde der Mieter nicht über sein Widerrufsrecht belehrt.
  • Fernabsatzvertrag: Ein Fernabsatzvertrag ist ein Vertrag, der unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln wie E-Mail oder Telefon abgeschlossen wird, ohne dass die Vertragsparteien physisch anwesend sind. Der Mietvertrag im vorliegenden Fall wurde per E-Mail geschlossen und fällt daher unter diese Kategorie.
  • Widerrufsfrist: Die Widerrufsfrist ist die Zeitspanne, innerhalb derer ein Verbraucher einen Vertrag widerrufen kann. Standardmäßig beträgt diese Frist 14 Tage. Wenn der Verbraucher jedoch nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, verlängert sich die Frist auf 12 Monate und 14 Tage, wie im vorliegenden Fall.
  • Wertersatz: Wertersatz ist eine Entschädigung für die Nutzung oder Abnutzung einer Sache während der Widerrufsfrist. Ein solcher Anspruch besteht nur, wenn der Verbraucher ausdrücklich verlangt hat, dass der Vertrag vor Ablauf der Widerrufsfrist erfüllt wird und über die Wertersatzpflicht informiert wurde. Im vorliegenden Fall konnte die Vermieterin keinen Wertersatz verlangen, da diese Bedingungen nicht erfüllt waren.
  • Rückabwicklung: Rückabwicklung bezeichnet den Vorgang, bei dem die Vertragsparteien nach einem Widerruf die empfangenen Leistungen zurückgeben. Das bedeutet, dass der Vermieter die gezahlten Mieten zurückzahlen und der Mieter die Wohnung räumen muss. Im vorliegenden Fall verlangte der Mieter die Rückzahlung der Mieten nach dem Widerruf.
  • Rechtsmissbrauch: Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn ein Recht in einer Weise ausgeübt wird, die gegen Treu und Glauben verstößt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Verbraucher sein Widerrufsrecht aus unlauteren Motiven nutzt. Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass der Widerruf nicht rechtsmissbräuchlich war, da der Mieter nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 355 BGB (Widerrufsrecht): Dieser Paragraph regelt das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen. Er besagt, dass der Verbraucher einen Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen widerrufen kann. Im vorliegenden Fall hat der Mieter seinen Mietvertrag wirksam widerrufen, da er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
  • § 312g BGB (Fernabsatzverträge): Dieser Paragraph definiert Fernabsatzverträge als Verträge, bei denen ausschließlich Fernkommunikationsmittel (z.B. E-Mail, Telefon) für Vertragsverhandlungen und -abschluss verwendet werden. Im vorliegenden Fall wurde der Mietvertrag per E-Mail geschlossen, was ihn zu einem Fernabsatzvertrag macht.
  • § 356 BGB (Widerrufsfrist): Dieser Paragraph regelt die Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen. Die Widerrufsfrist beträgt in der Regel 14 Tage. Wurde der Verbraucher jedoch nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Frist auf 12 Monate und 14 Tage. Im vorliegenden Fall wurde der Mieter nicht belehrt, daher war sein Widerruf innerhalb dieser verlängerten Frist wirksam.
  • § 357 BGB (Rechtsfolgen des Widerrufs): Dieser Paragraph regelt die Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs. Im Falle eines Widerrufs sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Vermieter die gezahlten Mieten zurückzahlen muss.
  • § 312c BGB (Begriff des Fernkommunikationsmittels): Dieser Paragraph definiert, was unter Fernkommunikationsmitteln zu verstehen ist. Dazu gehören alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind (z.B. E-Mail, Telefon). Im vorliegenden Fall wurde der Mietvertrag per E-Mail geschlossen, was ein Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Paragraphen darstellt.

Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 67 S 140/21 – Urteil vom 21.10.2021


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Auf die Berufung des Klägers wird das am 3. Juni 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 3 C 74/20 – teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Mai 2020 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.363,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Mai 2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben; die Kosten des Rechtsstreits zweiten Instanz hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen; im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem von dem klagenden Mieter widerrufenen Wohnraummietvertrag. Der Kläger verlangt die Erstattung sämtlicher bis zum Monat des Widerrufs geleisteter Mieten; die Beklagte hat zunächst widerklagend die Räumung der Mietsache beansprucht; in der Folge haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der widerklagend verfolgten Ansprüche noch im ersten Rechtszug übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht hat die Klage ganz überwiegend abgewiesen und die Beklagte unter Berücksichtigung einer Aufrechnung wegen minderungsbedingter Überzahlungen zu einer Zahlung von 1,74 EUR nebst anteiliger Zinsen verurteilt. Die übrigen Zahlungsansprüche hat es verneint, da der Mietvertrag zwar wirksam widerrufen worden sei, die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche wegen Wert- und Nutzungsersatzes aber auch ohne ausdrückliche widerrufsrechtliche Regelung begründet seien. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das Urteil des Amtsgerichts Bezug genommen (Bl. 110-118 d.A.).

Gegen das ihm am 16. Juni 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Juni 2021 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung mit am 16. September 2021 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger rügt, das Amtsgericht hätte der Beklagte zu Unrecht aufrechenbare Ansprüche auf Wertersatz bis zur Ausübung des Widerrufsrechts zuerkannt. Diese seien jedenfalls dann gesetzlich ausgeschlossen, wenn der Mieter – so wie hier – nicht auf sein Widerrufsrecht hingewiesen worden sei.

Er beantragt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn weitere 10.798,86 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Mai 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist ganz überwiegend begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der im Zeitraum 1. Februar 2019 bis einschließlich zum 16. Januar 2020 gezahlten Mieten gemäß §§ 312 Abs. 4, Abs. 3 Nr. 7 i.V.m. 312g BGB 355 Abs. 1, Abs. 3, 357 Abs. 8, 361 BGB zu.

Gemäß § 355 Abs. 3 BGB sind die empfangenen Leistungen im Falle des wirksamen Widerrufs eines Vertragsverhältnisses unverzüglich zurückzugewähren. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat das mit der Beklagten geschlossene Mietverhältnis wirksam widerrufen und kann deshalb die im genannten Zeitraum geleisteten Mietzahlungen zurückverlangen.

Für zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossene Wohnraummietverträge ist das Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 4, Abs. 3 Nr. 7 i.V.m § 312g BGB eröffnet, es sei denn, der Mieter hat die Mietsache vor Vertragsschluss besichtigt, § 312 Abs. 4 Satz 2 BGB. Auf den Ausschlusstatbestand des § 312 Abs. 4 Satz 2 BGB kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, da der Kläger die Mietsache vor dem am 6. Januar/17. Januar 2019 erfolgten Vertragsschluss unstreitig nicht besichtigt hat.

Die persönlichen und situativen Voraussetzungen der §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3, 312g, 312c Abs. 1, 2 BGB zur wirksamen Ausübung des Widerrufsrechts sind ebenfalls erfüllt. Der Kläger ist Verbraucher i.S.d § 13 BGB, während es sich bei der beklagten Vermieterin um eine Unternehmerin i.S.d § 14 BGB handelt.

Der zu beurteilende Mietvertrag stellt einen gemäß §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3, 312g, 312c Abs. 1, Abs, 2 BGB widerruflichen Fernabsatzvertrag dar. Gemäß § 312c Abs. 1 BGB sind Fernabsatzverträge solche Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Dabei sind Fernkommunikationsmittel im Sinne des § 312c Abs. 1 BGB ausweislich § 312c Abs. 2 BGB alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien. Die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen sind allesamt erfüllt, da die Parteien für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich über E-Mails miteinander kommuniziert haben.

Steht – wie hier – fest, dass der Unternehmer sowohl für die Vertragsverhandlungen als auch für den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet hat, wird nach der gesetzlichen Regelung in § 312c Abs. 1 BGB widerleglich vermutet, dass der Vertrag im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems abgeschlossen worden ist. Es obliegt daher dem Unternehmer, in derartigen Fällen darzulegen und zu beweisen, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt ist (st. Rspr., vgl. Nur BGH, Urt. v. 19. November 2020 − IX ZR 133/19, NJW 2021, 304, beckonline Tz. 12). Gemessen daran ist vom Vertragsschluss innerhalb eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems der Beklagten auszugehen, da Gegenteiliges von ihr als insoweit darlegungs- und beweisbelasteter Partei nicht dargetan worden oder es sonstwie ersichtlich ist.

Der Kläger hat seinen weniger als ein Jahr nach dem am 6. Januar/17. Januar 2019 erfolgten Vertragsschluss am 2. Januar 2020 ausgesprochenen Widerruf rechtzeitig erklärt. Das Widerrufsrecht des Klägers ist gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB erst zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss erloschen. Die kurze Widerrufsfrist des § 555 Abs. 2 BGB ist nicht in Gang gesetzt worden ist, da es die Beklagte verabsäumt hat, den Kläger über sein Widerrufsrecht den Anforderungen der Art. 246a § 1 EGBGB oder Art. 246b § 2 EGBGB entsprechend zu unterrichten, § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB. Auch die Erlöschentatbestände des § 356 Abs. 4 und 5 BGB sind nicht erfüllt, da beide vorausgesetzt hätten, dass der Verbraucher zuvor über den Verlust seines Widerrufsrechts bei teilweiser oder vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer in Kenntnis gesetzt wird. Auch daran fehlte es.

Der Kläger hat sein Widerrufsrecht auch nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt, indem er den Widerruf treuwidrig spät erklärt hätte. Zwar kann die Ausübung eines Widerrufsrechts im Einzelfall ausnahmsweise eine unzulässige Rechtsausübung darstellen (vgl. BGH, Urt. v. 12. Juli 2016– XI ZR 564/15, NJW 2016, 3512, beckonline Tz. 32 ff.). Diese Ausnahmevoraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt, da es dafür erforderlich gewesen wäre, dass der Kläger bereits erhebliche Zeit vor Ausübung seines Widerrufs Kenntnis davon gehabt hätte, zum Widerruf berechtigt zu sein. Das aber hätte jedenfalls eine Widerrufsbelehrung durch die Beklagte oder eine vergleichbare Kenntnisverschaffung vorausgesetzt, an denen es hier gerade fehlte.

Durch den wirksamen Widerruf des Klägers hat sich der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag ex-nunc gem. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt; danach hatten die Parteien die empfangenen Leistungen – die gezahlte Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen und gegebenenfalls eine Kaution einerseits und der eingeräumte Besitz an der Wohnung andererseits – gemäß § 355 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 357 Abs. 1 BGB spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren. Ihrer Pflicht zur Rückgewähr der empfangenen Mieten einschließlich der vom Kläger geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen ist die Beklagte bis heute nicht nachgekommen.

Dem Rückgewähranspruch des Klägers steht der vom Amtsgericht zuerkannte Anspruch der Beklagten auf Wertersatz für die Nutzung der Wohnung nicht entgegen. Die Berufung rügt im Ergebnis zu Recht, dass sich ein Anspruch auf Wertersatz für den Unternehmer allein aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB ergeben kann, wenn zu dem dort erwähnten „Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen“ auch Mietverträge zählten. Allerdings schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz allenfalls dann, wenn er vom Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt (§ 357 Abs. 8 Satz 1 BGB) und der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht und eine etwaige Wertersatzpflicht informiert hat (§ 357 Abs. 8 Satz 2 BGB). Außerdem muss der Verbraucher sein Leistungsverlangen dem Unternehmer auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt haben (§ 357 Abs. 8 Satz 3 BGB). An diesen für einen Wertersatzanspruch der Beklagten erforderlichen Voraussetzungen fehlte es hier sämtlich, so dass der Kläger als Ergebnis seines Widerrufs befugt war, die Mietsache – abhängig vom Zeitpunkt seines Widerrufs – bis zu 13 Monaten kostenfrei zu nutzen (allg. Auffassung, vgl. nur Bub, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019, Rz. 876.1 m.w.N.; Rolfs/Möller, NJW 2017, 3275, 3277).

Auf einen wie auch immer gearteten Ersatzanspruch neben den §§ 355 ff. BGB kann sich die Beklagte ebenfalls nicht berufen, da ausweislich der eindeutigen und deshalb auch nicht auslegungsfähigen Regelung des § 361 Abs. 1 BGB über die §§ 355 ff. BGB hinaus keine weiteren Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher infolge des Widerrufs bestehen (vgl. Bub, a.a.O.; Rolfs/Möller, a.a.O.). Wegen der Eindeutigkeit und Ausdrücklichkeit der getroffenen gesetzgeberischen Wertung ist weder Raum für die vom Amtsgericht zu Gunsten der Beklagten gebildete Analogie noch für eine teleologische Reduktion der gesetzlichen Widerrufsvorschriften, die der VIII. Zivilsenat des BGH für den Widerruf einer nach § 558b Abs. 1 BGB abgegebenen Erklärung des Mieters noch vorgenommen hatte (vgl. BGH Urt. v. 17. Oktober 2018 – VIII ZR 94/17, WuM 2018, 765, beckonline Tz. 39 f.).

Davon ausgehend hat die Beklagte dem Kläger – unter Einschluss des erstinstanzlichen Verurteilungsbetrages – gemäß §§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. § 357 Abs. 1 BGB die im Zeitraum 1. Februar 2019 bis 16. Januar 2020 geleisteten Mietzahlungen in Höhe von 10.365,09 EUR zurückzuerstatten. Keinen Erstattungsanspruch hingegen hat der Kläger für die auf den Zeitraum vom 17. Januar 2020 bis 31. Januar 2020 geleisteten Mietzahlungen (§ 242 BGB, dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Er hätte von der Beklagten insoweit empfangene Leistungen sofort zurückzuerstatten. Denn der Beklagten steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch in nämlicher Höhe auf Zahlung anteiligen Nutzungs- und Wertersatzes wegen verspäteter Rückgabe der Mietsache nach Ausspruch des Widerrufs gem. §§ 987 ff. BGB in Höhe der vom Amtsgericht beanstandungsfrei auf den Betrag der vereinbarten Miete geschätzten Marktmiete zu (vgl. Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, vor § 535 Rz. 87; Bub, a.a.O., Tz. 875) .

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280 ff. BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 1, 91a Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit erstinstanzlich hinsichtlich der widerklagend erhobenen Räumungsklage für erledigt erklärt haben, waren die Kosten gemäß § 91a Abs. 1 ZPO insoweit dem Kläger aufzuerlegen, da der Räumungs- und Herausgabeanspruch aus den zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung, auf die die Kammer Bezug nimmt und der insoweit nichts hinzuzufügen ist, bis zu seiner Erfüllung durch den Kläger begründet war.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.

Die Kammer hat die Revision im Umfang der zweitinstanzlichen Abänderung und Klagestattgabe gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da es bislang höchstrichterlich ungeklärt ist, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen der Mieter in Fällen fehlender Widerrufsbelehrung für den Zeitraum bis zum wirksamen Widerruf des Mietvertrages Wert- oder Nutzungsersatz für die Ingebrauchnahme der Mietsache an den Vermieter zu leisten hat. Soweit die Kammer die Berufung zurückgewiesen hat, war die Zulassung der Revision nicht veranlasst.


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