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Pflicht des Mieters zur Duldung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen

LG Berlin, Az.: 65 S 124/18, Urteil vom 06.12.2018

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 6. Juni 2018 – 2 C 27/18 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil des Amtsgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist unbegründet. Die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Duldung der im Antrag zu 1) genannten Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen verneint.

a) Das Schreiben der Klägerin vom 18. August 2018 genügt unter der Berücksichtigung des Zweckes der Ankündigungspflicht nicht den Anforderungen der §§ 555a Abs. 2, 555c BGB

Der Gesetzgeber der Mietrechtsreform 2001 hat mit der Neufassung des § 554 Abs. 3 BGB aF (§ 555c BGB nF) ausdrücklich die äußerst strengen Anforderungen der Rechtsprechung an den Inhalt der Modernisierungsmitteilung absenken wollen, dies allerdings bezogen auf den voraussichtlichen Beginn, den Umfang und die Dauer der Maßnahmen, weil der Vermieter zu dem vom Gesetz vorgeschriebenen Mitteilungszeitpunkt zu präziseren Angaben häufig nicht in der Lage sei (BT-Drucks. 14/4553 S. 36 f., 49f.).

Pflicht des Mieters zur Duldung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen
Symbolfoto: Marina Demkina/Bigstock

Betont hat er im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Regelung den Zweck der Modernisierungsankündigung. Sie soll den Mieter in erster Linie frühzeitig über die auf ihn zukommenden Belastungen informieren, damit er auf der Grundlage dieser Information vorab prüfen kann, ob und gegebenenfalls von welchen der ihm in dieser Situation zustehenden Rechte – zum Beispiel eines Widerspruchs aus Härtegründen oder der kurzfristigen Kündigung des Mietverhältnisses – er Gebrauch machen möchte (vgl. BT-Ds. 14/4553, S. 36f.).

Diesen grundlegenden Ansatz hat der BGH in der Folgezeit seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt, indem er den Inhalt der jeweiligen Modernisierungsankündigung an den Informationsbedürfnissen des Mieters gemessen hat, deren Zweck er dahingehend konkretisiert hat, dass sie dem Mieter eine sachgerechte Beurteilung der sich ergebenden Lage ermöglichen soll, insbesondere hinsichtlich seiner Duldungspflicht, der für ihn zu treffenden Maßnahmen und der gegebenenfalls zu ziehenden vertragsrechtlichen Konsequenzen (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2011 – VIII ZR 242/11, WuM 2011, 677, nach juris Rn. 29f.).

Die Neufassung der Regelungen im Rahmen des Mietrechtsänderungsgesetzes 2013 (BT-Ds. 17/10485, S. 18ff.) hat an dieser Grundlage – ungeachtet der Einführung einer ausdrücklichen Regelung zur Ankündigungspflicht bei Erhaltungsmaßnahmen und der Entkoppelung von Duldungspflicht und (Härte aufgrund der zu erwartenden) Mieterhöhung – nichts geändert.

Der Klägerin mag zuzugeben sein, dass ihr Ankündigungsschreiben die nach §§ 555a Abs. 2, 555c Abs. 1 bis 3 BGB erforderlichen Informationen enthält.

Wenn die Klägerin dann aber in der Anlage 4 der Ankündigung unter der Überschrift „Mitwirkungshandlung und Leistungen der Mieter“ unter anderem mitteilt, dass die Termine zur Schaffung von Baufreiheit in der Wohnung und im Keller gesondert durch Aushänge mitgeteilt würden, die Baufreiheit dann bitte zu gewährleisten sei, alle nicht bauseitigen Anbauten in und an der Wohnung zu beseitigen und Anpflanzungen in etwaigen Gärten in einer Breite von ca. 2 m ab Hauswand herauszunehmen seien, so handelt es sich um eine Fehlinformation, die nicht nur den Regelungen in §§ 555a Abs. 3, 4, 555c Abs. 5, 555d Abs. 6, 7 BGB widerspricht, sondern auch dem anerkannten Grundsatz, dass sich dem Begriff der Duldung schon seinem Wortsinn nach keine Verpflichtung oder auch nur Obliegenheit entnehmen lässt, die Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters – über die Gewährung des Zugangs zu den vermieten Räumen hinaus – aktiv zu unterstützen; der Begriff der „Duldung“ beschreibt passives Verhalten (vgl. Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., 20117, § 555d Rn. 17; MüKoBGB/Artz, 7. Aufl. 2016, BGB § 555d Rn. 2; Blank/Börstinghaus/Blank, 5. Aufl. 2017, BGB § 555a Rn. 10 Staudinger/V Emmerich (2018) BGB § 555d Rn. 4; Kammer, Urt. v. 17.02.2016 – 65 S 301/15, NJW 2016, 2582, nach juris Rn. 35).

Die Klägerin informiert die Beklagte damit unzutreffend über die auf sie zukommenden Belastungen mit der Folge, dass ihr eine sachgerechte Beurteilung der Lage gerade nicht ermöglicht wird, denn sie geht – aufgrund der Fehlinformation – von einer unrichtigen Tatsachengrundlage aus.

Es liegt auf der Hand, dass es für den einzelnen Mieter einen erheblichen Unterschied macht, ob er die erforderliche Baufreiheit einschließlich etwaiger (De-)Montagearbeiten in dem von der Klägerin vorgegebenen Zeitfenster selbst zu schaffen hat oder auf eigene Kosten gewährleisten muss oder – wie es der Rechtslage entspricht – der Vermieter dafür verantwortlich ist.

Wird der Umfang der Maßnahmen – hier unter anderem der mehrwöchige Ausschluss der Nutzbarkeit von Bad und Küche – sowie die Empfehlung der Klägerin, während der Bauarbeiten in ein nicht näher bezeichnetes Ausweichquartier umzuziehen, in die vom Mieter zu treffende Beurteilung einbezogen, so ist die Fehlinformation der Klägerin geeignet, den Mieter zu veranlassen, sich für die Ausübung des Sonderkündigungsrechtes zu entscheiden.

Wenn er denn die umfangreichen, von der Klägerin verlangten Mitwirkungshandlungen ausführen muss, die zu großen Teilen auch bei einem Auszug anfallen würden, mag es ihm sinnvoller erscheinen, auszuziehen, um damit wenigstens die weiteren Unannehmlichkeiten bzw. die mit der Durchführung der Maßnahmen verbundenen Provisorien zu vermeiden. Dass es für den Mieter auf dem angespannten Wohnungsmarkt in Berlin derzeit schwierig ist, eine Ersatzwohnung zu finden, ist für die Frage der Wirksamkeit der Ankündigung gemessen an den für alle Wohnungsmärkte geltenden Regelungen der §§ 555a ff BGB ohne Belang.

Die Kammer überspannt damit auch nicht etwa die formellen Anforderungen an die Ankündigung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durch den Vermieter; das Gegenteil ist der Fall. Der Klägerin wird kein „Mehr“ an Informationen abverlangt, sondern – im hier gegebenen Fall – ein „Weniger“, genauer gesagt, die Beschränkung auf die nach §§ 555a, 555c BGB vorgegebene Information bzw. eine zutreffende Information des Mieters.

Ebenso wie ein Zurückbleiben hinter den Informationsanforderungen der §§ 555a, 555c BGB dazu führt, dass die Ankündigung ihren Zweck nicht erfüllen kann, verhält es sich mit einer Ankündigung, die – wie die der Klägerin – tatsächlich nicht bestehende Verpflichtungen als auf den Mieter zukommende Belastungen darstellt. Letztere birgt zusätzlich die Gefahr, dass der Mieter aufgrund der Fehlinformation veranlasst wird, das Mietverhältnis zu beenden. Eine solche Interpretation (des Zweckes) der Ankündigungspflichten ließe sich mit dem aus Art. 14 GG abgeleiteten Schutz des vertragstreuen Mieters vor einem Verlust der Wohnung, einschließlich des Schutzes vor einem „Hinausmodernisieren“ nicht vereinbaren (vgl. BGH, Beschl. v. 19.02.1992 – VIII ARZ 5/91, MDR 1992, 476, [477], nach juris; BVerfG, Beschl. v. 08.01.1985 – 1 BvR 792/83, 1 BvR 501/83, in WuM 1985, 75, juris; Beschl. v. 26.05.1993 – 1 BvR 208/93, in NJW 1993, 2035, juris Rn. 21ff.). Den Stellenwert dieses Schutzes hat der Gesetzgeber mit dem am 29. November 2018 in 2./3. Lesung verabschiedeten Mietrechtsanpassungsgesetz betont (vgl. BT-Ds. 19/4672, S. 2, 12, 36).

Der Klägerin, einer als Aktiengesellschaft organisierten Großvermieterin sollte dieses „Weniger“ an Informationen bzw. die Beschränkung auf zutreffende Angaben ohne weiteres möglich sein.

b) Die Aufnahme von (tatsächlich nicht bestehenden) Mitwirkungs- bzw. Leistungspflichten des Mieters in das Ankündigungsschreiben führt zur Gesamtunwirksamkeit der Ankündigung, denn der „Mangel“ betrifft – wie ausgeführt – unmittelbar die Beurteilungsgrundlage des Mieters im Rahmen seiner Entscheidung über die Abgabe der von der Klägerin verlangten Einverständniserklärung, eines Widerspruchs oder einer Kündigungserklärung.

Denn bei verständiger Betrachtung des Gesamtinhaltes des Schreibens muss dessen Adressat, bei dem juristische Kenntnisse nicht vorausgesetzt werden können, § 13 BGB, davon ausgehen, dass er sich mit Abgabe der dem Schreiben in der Anlage 6 vorformulierten „Einverständniserklärung“ zugleich wirksam verpflichtet, auch die von der Klägerin formulierten Mitwirkungshandlungen und Leistungen zu erfüllen.

b) Ob und inwieweit insbesondere hinsichtlich der Maßnahmen unter Ziff. 1) c) der zudem von der Beklagten erhobene Härteeinwand greift, kann vor dem Hintergrund der Unwirksamkeit der Ankündigung offen bleiben. Die Kammer hat bereits entschieden, dass der Vermieter mit Blick auf den Verfassungsrang des Besitzrechtes des Bestandsmieters an der von ihm inne gehaltenen Wohnung gehalten ist, die in den Blick genommenen Maßnahmen schonend und rücksichtsvoll auszuführen. Das Mietrecht schützt den vertragstreuen Mieter weitreichend vor einem vollständigen, auch zeitlich beschränkten Entzug seiner Wohnung und erlaubt dies nur im Ausnahmefall (vgl. Kammer, Urt. v. 17.02.2017 – 65 S 301/15, NJW 2016, 2582 = WuM 2016, 282, nach juris Rn. 26f, mwN). Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind und die Klägerin einen Anspruch auf den alternativlos in den Raum gestellten Umzug der Beklagten in ein von ihr gestelltes Ausweichquartier hat, dies über mehrere Wochen, bedarf keiner Entscheidung.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, das heißt allgemein von Bedeutung ist (vgl. BGH, Beschl. V. 21.11.2017 – VIII ZR 28/17, WuM 2018, 28, nach juris Rn. 6, mwN).

Der Umstand, dass die hier gegenständlichen Formulierungen in weiteren vor der Kammer anhängigen, von der Klägerin betriebenen (teilweise bereits durch Vergleich erledigten) Verfahren entscheidungserheblich sind, begründet kein Interesse der Allgemeinheit an der Überprüfung der Beurteilung des Inhaltes des hier gegenständlichen Ankündigungsschreibens. Es ergibt sich zudem kein Anhaltspunkt, dass sich die Frage in einer Vielzahl von Fällen stellt.

Maßgeblich ist, dass sich die Entscheidung im Rahmen der vom Gesetzgeber definierten Anforderungen an die Ankündigung von Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten bewegt, die sich an ihrem Zweck orientieren und denen der BGH in ständiger Rechtsprechung folgt.

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