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Pflicht Verwalter zur Umsetzung Beschlüsse Wohnungseigentümergemeinschaft

AG Wiesbaden – Az.: 92 C 803/20 – Urteil vom 25.05.2020

Die einstweilige Verfügung vom 09.03.2020 wird aufrechterhalten.

Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Verfügungsbeklagte ist die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft … in Wiesbaden. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus mehreren Gebäuden. Die Verfügungskläger sind Mitglieder der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Verfügungskläger zu 1) und 2) sind Eigentümer des Sondereigentums an der Dachgeschosswohnung im Haus A die Verfügungskläger zu 3) und 4) sind Eigentümer des Sondereigentums an der Dachgeschosswohnung im Haus B. In beiden Häusern befindet sich jeweils ein Fahrstuhl. Dieser Fahrstuhl fährt jeweils bis ins Dachgeschoss, allerdings mit der Besonderheit, dass das Dachgeschoss nur mittels eines speziellen Schlüssels angefahren werden kann, da der Fahrstuhl im Dachgeschoss unmittelbar vor der Wohnungseingangstür der jeweiligen Dachgeschosswohnung endet. Der Abstand zwischen Fahrstuhltür und Wohnungseingangstür beträgt bezüglich der Wohnung der Verfügungskläger zu 1) und 2) 22 cm, hinsichtlich der Wohnung des Verfügungsklägers zu 3) und 4) 18,8 cm. Am 27.08.2019 fand eine technische Überprüfung der Fahrstühle durch den TÜV Hessen statt. Dabei wurde bemängelt, dass in den Häusern A und B jeweils im obersten Stockwerk eine Einsperrgefahr zwischen Schachttür und der jeweiligen Wohnungseingangstür besteht. Der Mangel wurde als geringfügig eingestuft und der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgegeben, den festgestellten Mangel unverzüglich zu beheben mit dem Zusatz, dass bei unverzüglicher Mängelbehebung ein Weiterbetrieb bis zur nächsten wiederkehrenden Prüfung zulässig sei. Wegen des genauen Wortlauts der Prüfberichte wird auf Blatt 38 und 40 der Akte Bezug genommen. Die Verfügungsbeklagte ließ die Aufzüge so einzustellen, dass sie das oberste Stockwerk nicht mehr anfahren. Am 17.12.2019 fand eine außerordentliche Eigentümerversammlung statt, in der einstimmig beschlossen wurde, in den beiden Aufzügen im Haus A und B im Dachgeschossbereich einen Fahrstuhlnotknopf installieren zu lassen. Die Wohnungseigentümer waren sich darin einig, dass sodann die Aufzüge wieder in Betrieb genommen werden sollten. Wegen des genauen Wortlauts des Beschlusses wird auf das Versammlungsprotokoll (BI. 45 ff d.A.) Bezug genommen. Die Notrufknöpfe wurden installiert und die Aufzüge wieder in Betrieb genommen. Die Verfügungsbeklagte gab bei der Herstellerfirma der Aufzüge eine Gefährdungsbeurteilung in Auftrag. Diese kam zu dem Ergebnis, dass es zur Beseitigung der Einsperrgefahr erforderlich sei, im Dachgeschoss den Abstand zwischen Aufzugstür und Wohnungstür zu verringern und stufte diesen Mangel als gering ein, was bedeutet, dass der Mangel langfristig, z. B. innerhalb von 5 Jahren oder im Rahmen einer Modernisierung zu beseitigen sei. Wegen des genauen Wortlauts der beiden Gefährdungsbeurteilungen wird auf BI. 49 ff u. 62 ff d.A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 21.02.2020 forderte die Verfügungsbeklagte die Verfügungskläger unter Hinweis auf die Gefährdungsbeurteilungen auf, bis zum 06.03.2020 ihr Einverständnis zur Montage starrer Abstandshalterung zu erklären, anderenfalls werde man die Aufzüge erneut stilllegen lassen. Wegen des genauen Wortlauts des Schreibens wird auf BI. 65 f d.A. Bezug genommen.

Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehren die Verfügungskläger die Unterlassung der angedrohten Stilllegung der Fahrstühle. Die Verfügungskläger bestreiten die Relevanz der vom TÜV festgestellten Einsperrgefahr. Sie verweisen darauf, dass eine solche allenfalls gegeben sei, wenn ein Kind alleine mit dem Aufzug fahre. Dies sei jedoch äußerst unwahrscheinlich, da das Dachgeschoss nur mit einem gesonderten Schlüssel zu erreichen sei. Im Übrigen sind sie der Auffassung, die mittlerweile installierten Notrufknöpfe seien zur Verhinderung der befürchteten Einsperrgefahr ausreichend.

Mit Beschluss vom 09.03.2020 hat das Gericht die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 17.03.2020 Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungskläger beantragen, die einstweilige Verfügung vom 09.03.2020 aufrecht zu erhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung vom 09.03.2020 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, eine Stilllegung der Aufzüge sei dringend geboten. Der Notrufknopf sei nicht geeignet, die Einsperrgefahr wirksam zu beseitigen. Die vorgeschlagene Anbringung von Halterungen sei die einzig sinnvolle Möglichkeit der Mängelbehebung. Dies habe auch der TÜV bestätigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Akte 92 C 3992/19 – 81 des Amtsgerichts Wiesbaden zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.

Das Amtsgericht Wiesbaden ist gemäß § 43 Nr. 3 WEG ausschließlich zuständig.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

Auch wenn man zu Gunsten der Verfügungsbeklagten als richtig unterstellt, dass die vorgeschlagene Anbringung von Abstandshalterungen die einzig sinnvolle Möglichkeit zur Beseitigung der Einsperrgefahr ist, so ist die Verfügungsbeklagte nicht berechtigt, eine Stilllegung der Fahrstühle zu veranlassen, Der Verwalter ist das Vollzugsorgan der Wohnungseigentümergemeinschaft, die Umsetzung der Beschlüsse der Wohnungseigentümer ist gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG die primäre Aufgabe des Verwalters (s. Bärmann „WEG“ 12. Aufl. München 2013 § 27 Rdnr. 10). Dies gilt auch für etwaige fehlerhafte Beschlüsse. Da § 23 Abs. 4 S. 2 WEG dem Vollzugsinteresse den Vorrang einräumt, sind auch etwaige fehlerhafte Beschlüsse grundsätzlich vom Verwalter umzusetzen (s. Bärmann „WEG“ a.a.O. § 27 Rdnr. 19). Somit ist die Verfügungsbeklagte aufgrund des eindeutigen Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 17.12.2019 verpflichtet, nach Installierung der Fahrstuhlnotknöpfe die Aufzüge wieder in Betrieb zu nehmen und ist nicht berechtigt, sich über den eindeutigen Willen der Wohnungseigentümer hinwegzusetzen. Die Verfügungsbeklagte, die nach Einholung der Gefährdungsbeurteilungen der Auffassung ist, der Beschluss vom 17.12.2019 sei nicht ausreichend, um die Einsperrgefahr zu beseitigen, muss erneut zu einer Wohnungseigentümerversammlung einladen und den Wohnungseigentümern vorschlagen, den Beschluss vom 17.12.2019 aufgrund der neuen Informationen abzuändern. So können die Wohnungseigentümer, denen die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt (§ 21 Abs. 1 WEG) im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessenspielraums (s. Jennißen „WEG“ 4. Aufl. Köln 2014 § 21 Rdnr. 3) entscheiden, ob der Beschluss vom 17.12.2019 abgeändert wird oder nicht. Dieser Beschluss kann dann im Wege der Anfechtung dahingehend überprüft werden, ob er ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Dieses Verfahren ist auch zumutbar, da sowohl der TÜV als auch die Gefährdungsbeurteilung des Herstellers diesen Mangel nur als gering eingestuft haben, so dass es ausreicht, den Mangel langfristig zu beseitigen und der Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abgewartet werden kann.

Da die Verfügungsbeklagte aus den dargelegten Gründen nicht berechtigt war, ohne einen erneuten Beschluss die Stilllegung der Aufzüge zu veranlassen und eine solche Stilllegung der Aufzüge die Verfügungskläger in ihrem Recht auf Nutzung des Gemeinschaftseigentums (§13 Abs. 2 WEG) verletzen würde, war der Verfügungsbeklagten die beabsichtigte Stilllegung der Aufzüge zu untersagen.

Als unterlegene Partei hat die Verfügungsbeklagte die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

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