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Quotenabgeltungsklauseln als Individualvereinbarung unzulässig

LG Berlin – Az.: 67 S 240/21 – Urteil vom 15.03.2022

Auf die Berufung der Kläger wird das am 16. September 2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 12 C 421/18 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.253,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. November 2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10% leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren von der Beklagten die Rückzahlung der von ihnen geleisteten Mietsicherheit.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Rückzahlungsansprüche bestünden nicht, da die Beklagte wirksam mit Ansprüchen in nämlicher Höhe aus einer zwischen den Parteien geschlossenen „Quotenabgeltungsklausel“ aufgerechnet habe. Bei dieser handele es sich um keine Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine wirksame Individualvereinbarung. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vereinbarung habe die Beklagte bewiesen. Wegen der Einzelheiten, insbesondere zum erstinstanzlichen Vorbringen und zu den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen, wird auf das amtsgerichtliche Urteil (Bl. II/9-16 d.A.) Bezug genommen.

Quotenabgeltungsklauseln als Individualvereinbarung unzulässig
(Symbolfoto: Justlight/Shutterstock.com)

Gegen das ihnen am 27. September 2021 zugestellte Urteil haben die Kläger mit am 30. September 2021 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung mit am 18. November 2021 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Kläger rügen, die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung bestünde nicht. Die „Quotenabgeltungsklausel“ sei unwirksam, da es sich bei ihr um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, die sie unangemessen benachteilige. Aber auch als Individualvereinbarung habe sie keinen Bestand, da sie keine nachvollziehbare Ermittlung des Abgeltungsbetrages erlaube.

Sie beantragen, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist begründet. Den Klägern steht der geltend gemachte Kautionsrückzahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Aufrechenbare Gegenanspruche der Klägerin im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Quotenabgeltungsklausel bestehen nicht, unabhängig davon, ob es sich bei dieser um eine Individual- oder eine an den § 305 ff. BGB zu messende Formularvereinbarung handelt.

Die Klausel ist bereits als Individualvereinbarung gemäß § 556 Abs. 4 Alt. 1 BGB unwirksam. Danach sind Vereinbarungen unwirksam, die zum Nachteil des Mieters von § 556 Abs. 1 BGB abweichen. § 11 Nr. 6 des Mietvertrags und § 3 Nr. 2 der ergänzenden und abändernden Vereinbarung vom 23. September/5. und 10. Oktober 2015 weichen zum Nachteil der Kläger von § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB ab.

§ 556 Abs. 1 Satz 1 BGB gestattet den Parteien eines Wohnraummietvertrages lediglich eine Vereinbarung dahingehend, „dass der Mieter Betriebskosten trägt“. Damit ist es im Wohnraummietrecht nur möglich, neben der Grundmiete Betriebskosten, nicht aber Verwaltungs- oder Instandssetzungs- und Instandhaltungskosten auf den Mieter abzuwälzen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 19. Dezember 2018 – VIII ZR 254/17, NJW-RR 2019, 721, beckonline Tz. 13; Kammer, Urt. v. 12. Oktober 2017 – 67 S 196/17, ZMR 2018, 45, beckonline Tz. 13 f.). Dass es sich bei der Vereinbarung der quotalen Abgeltung von Schönheitsreparaturen – und noch dazu von zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht einmal fälligen – weder um die Vereinbarung des Grundmietzinses noch um die Abwälzung von Betriebskosten i.S.d § 556 Abs. 1 BGB handelt, ist offensichtlich. Damit unterfällt eine solche Vereinbarung, nicht anders als die einer „Verwaltungskostenpauschale“ (vgl. dazu BGH und Kammer, jeweils a.a.O) oder einer Kostenumlage von Kleinreparaturen, selbst als Individualvereinbarung zwingend dem Unwirksamkeitsverdikt des § 556 Abs. 4 BGB (vgl. zutreffend Lehmann-Richter, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 538 Rz. 60, 71; a.A. noch BGH, Urt. v. 7. Juni 1989 – VIII ZR 91/88, NJW 1989, 2247, Tz. 24 f.).

Eine der Beklagten günstigere Beurteilung wäre nur in Betracht zu ziehen, wenn die von den Parteien vereinbarte Quotenabgeltung als Bestandteil der Mietzinsabrede oder als eine dieser zuzurechnende Offenlegung der vermieterseitigen Kalkulation zu verstehen wäre. Eine solches Verständnis indes ist unter Zugrundelegung der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB nicht herzuleiten, da die ursprünglichen Vertragsparteien den Mietzins in § 3 des Mietvertrages vom 29. Mai 2015 gesondert vereinbart haben, ohne dass sich aus dem Wortlaut, der Systematik, dem Sinn und Zweck oder den Begleitumständen des Gesamtvertrages auch nur ein belastbarer Anhalt dafür ergäbe, dass die Parteien die Quotenabgeltung als Bestandteil der Vereinbarung des Grundmietzinses verstanden hätten oder hätten verstanden wissen wollen. Nichts anderes folgt aus der Entscheidung des VIII. Zivilsenates des BGH zur Zulässigkeit eines formularvertraglichen „Schönheitsreparaturzuschlags“ (vgl. BGH, Beschl. v. 30. Mai 2017 – VIII ZR 31/17, NJW-RR 2017, 981). Insoweit können nicht nur die bislang unaufgelösten Widersprüche zur Entscheidung des VIII. Zivilsenates des BGH zur Unwirksamkeit der Erhebung einer „Verwaltungskostenpauschale“ dahinstehen (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 2018, a.a.O.), sondern auch die mit Blick auf die §§ 305c Abs. 1 und 2, 307 BGB dagegen erhobenen Auslegungs- und Wertungszweifel (vgl. dazu etwa Fervers, in: Schmidt-Futterer, a.a.O., Vorbemerkung zu § 535 Rz. 229; § 535 Rz. 217; Lehmann-Richter, a.a.O., § 538 Rz. 72). Denn in dem vom VIII. Zivilsenat des BGH beurteilten Sachverhalt hatten die Vertragsparteien im unmittelbaren vertragssystematischen Zusammenhang mit dem Ausweis einer monatlichen Grundmiete einen ebenso monatlich zu entrichtenden „Zuschlag Schönheitsreparaturen“ vereinbart. Aus diesem Grunde erscheint das dort gefundene Auslegungsergebnis, der monatlich erhobene Zuschlag sei Bestandteil der monatlichen Grundmiete, zwar nicht zwingend als zutreffend, so doch jedenfalls als nicht unvertretbar.

Hier indes liegt der Sachverhalt in entscheidender Hinsicht anders: Die Pflicht zur quotalen Abgeltung noch nicht fälliger Schönheitsreparaturen steht weder im systematischen Regelungszusammenhang mit der Vereinbarung zur monatlich zu entrichtenden Grundmiete noch ist sie von den Parteien überhaupt als eine monatlich zu leistende (Zuschlags-)Zahlung vereinbart worden. Die Abgeltung war vielmehr erst am Ende des Mietverhältnisses und noch dazu als Einmalzahlung zu bewirken, ohne dass die Parteien – anders als etwa bei der Vereinbarung zusätzlich zur monatlichen Grundmiete zu erbringender monatlicher Nebenkostenvorauszahlungen und einer späteren Abrechnungspflicht des Vermieters – einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen beiden Zahlungspflichten hergestellt hätten oder hätte herstellen wollen. Davon ausgehend scheidet auch die Herstellung eines entsprechenden Zusammenhangs gegen den unmissverständlichen Wortlaut und gegen die ebenso unmissverständliche Systematik des Mietvertrages unter Zugrundelegung der Parameter der §§ 133, 157 BGB als jedenfalls hier nicht mehr vertretbares Auslegungsergebnis aus. Aus der in § 2 der ergänzenden und abändernden Nachtragsvereinbarung geregelten Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen, mit der die Beklagte die bereits tatsächlich zweifelhafte „Entgelthese“ nachzuzeichnen versucht hat (vgl. dazu Kammer, Urt. v. 9. März 2017 – 67 S 7/17, NZM 2017, 258, Tz.21, 30, 31, jeweils m.w.N.), folgt nichts anderes. Denn die Regelung betrifft bereits ausweislich ihrer Überschrift ausdrücklich die Abwälzung von „Schönheitsreparaturen“ und die damit in zusammenhängenden Kosten, nicht aber die Entrichtung des Mietzinses.

Sofern es sich bei der streitgegenständlichen Klausel – dem Vorbringen der Beklagten zuwider – hingegen um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln sollte, würde ihre Unwirksamkeit nicht nur aus §§ 556 Abs. 1, 556 Abs. 4 BGB, sondern wegen unangemessener Benachteiligung der Kläger auch aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB folgen (vgl. BGH, Urt. v. 18. März 2015 – VIII ZR 242/13, NJW 2015, 1871, beckonline Tz. 30).

Die Entscheidung zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.

Die Kammer hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der (Un-)Wirksamkeit) individualvertraglicher Quotenabgeltungsklauseln zu ermöglichen.

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