Skip to content
Menü

Räumungsfrist – Versagung gemäß § 721 ZPO und Obdachlosigkeit

LG Berlin, Az.: 67 T 69/19, Beschluss vom 09.07.2019

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird das am 6. Juni 2019 verkündete Teil- und Schlussurteil des Amtsgerichts Mitte – 25 C 214/17 – in Ziffer 4) des Tenors aufgehoben und der Antrag der Beklagten zu 1) auf Gewährung einer Räumungsfrist zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu 1) tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf bis 2.000,00 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Räumungsfrist - Versagung gemäß § 721 ZPO und Obdachlosigkeit
Symbolfoto: Dmytro Sidelnikov / Bigstock

Die gemäß §§ 721 Abs. 6 Nr. 1, 567 ff. ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Beklagten zu 1) war gemäß § 721 Abs. 1 ZPO keine Räumungsfrist zu gewähren. Ein überwiegendes Bestandsinteresse der Beklagten zu 1), das auch nur dem Grunde nach die Gewährung einer Räumungsfrist rechtfertigen würde, ist nicht gegeben, selbst wenn die Kammer den von den Klägern bestrittenen Vortrag der Beklagten zu 1) zu den von ihr behaupteten – allerdings niederschwelligen – Erkrankungen und den kammerbekannten Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Ersatzwohnraum in Berlin als zutreffend unterstellt. Die gemäß § 721 Abs. 1 ZPO ebenfalls gebotene Berücksichtigung und Wahrung der begründeten Gläubigerinteressen schließt hier – ausnahmsweise – die Gewährung jeglicher Räumungsfrist zu Gunsten der Beklagten zu 1) trotz drohender Obdachlosigkeit des Mieters aus:

Befindet sich der Mieter – wie hier – in Zahlungsverzug, steht dies in der Regel der Gewährung einer Räumungsfrist entgegen, wenn der Mieter das vertragswidrige Verhalten nach Erlass des Räumungsurteils fortsetzt (vgl. Götz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 721 Rz. 10 m.w.N.). Dieser Regelfall ist hier gegeben, da die Beklagte zu 1) nicht nur zwei Wohnungen der Kläger rechtswidrig in Besitz hält, sondern für eine der beiden Wohnungen bereits seit mehreren Jahren keine Nutzungsentschädigung mehr zahlt. Im Rahmen der gemäß § 721 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung wiegt es ebenfalls zu Lasten des Mieters, wenn seit der berechtigten Kündigung des Mietverhältnisses bereits eine erhebliche Zeit vergangen ist (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 721 Rz. 5 m.w.N.). So liegt der Fall hier, in dem die Beklagte zu 1) den Klägern den Besitz an den Wohnungen seit Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigungen im Jahre 2014 seit nunmehr über fünf Jahren rechtswidrig vorenthält. Es kommt erschwerend hinzu, dass die Beklagte zu 1) die Kläger trotz Erwirkung eines mittlerweile rechtskräftigen Räumungsurteils gegen ihren Lebensgefährten durch ihren rechtswidrigen Verbleib in den Wohnungen gezwungen hat, in einem weiteren mehrjährigen und mit erheblichen Mehrkosten verbundenen Rechtsstreit einen gesonderten Räumungstitel ihr gegenüber zu schaffen. Diese Umstände stehen zumindest in der gebotenen Gesamtschau der erstinstanzlichen Gewährung einer – wenn auch nur kurz bemessenen – Räumungsfrist entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2019, § 721 Rz. 13), die Wertfestsetzung, der das bis zum Ablauf der Räumungsfrist geschuldete Nutzungsentgelt zu Grunde zu legen war (vgl. Lackmann, a.a.O., § 721 Rz. 9), auf § 3 ZPO. Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestanden gemäß §§ 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO nicht.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!