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Räumungsfristverlängerung – gewichtige Gläubigerinteressen

LG Berlin – Az.: 65 S 92/21 – Beschluss vom 06.08.2021

Der Antrag auf Verlängerung der Räumungsfrist wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Verlängerung der Räumungsfrist ist zulässig, insbesondere vor Ablauf der Frist des § 721 Abs. 3 Satz 2 ZPO gestellt worden. Er ist unbegründet.

Nach § 721 Abs. 3 ZPO kann eine bereits gewährte Räumungsfrist auf Antrag verlängert werden. Im Rahmen des pflichtgemäß auszuübenden Ermessens hat das jeweils zuständige Instanzgericht, § 721 Abs. 4 Satz 1 ZPO, nach allgemeiner Ansicht am Sinn und Zweck der Vorschrift orientiert sorgfältig die Interessen des Gläubigers gegen die des Schuldners abzuwägen (MüKoZPO/Götz, 5. Aufl. 2016, ZPO § 721 Rn. 1; Seibel in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 721 Rn. 9, m.w.N.; Kammer, Beschl. v. 17.07.2017 – 65 S 149/17; Beschl. v. 29.02.2016 – 65 S 11/16, n.v.).

Im Falle der Entscheidung über eine – wie hier beantragte – Verlängerung der Räumungsfrist ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass nicht erstmals über eine Räumungsfrist entschieden, sondern die Abänderung einer Entscheidung begehrt wird (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 14. Aufl. 2020, § 721 Rn. 62 f.). Eine – wie hier nicht angefochtene – Entscheidung über die (Bemessung der) Räumungsfrist kann abgeändert werden, wenn veränderte Umstände bzw. neue Tatsachen vorliegen (BeckOK ZPO/Ulrici, 35. Ed. 1.1.2020, ZPO § 721 Rn. 14; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 14. Aufl. 2020, § 721 Rn. 63).

Im Rahmen der Interessenabwägung kommt es im Falle der Entscheidung über eine Verlängerung Räumungsfrist zudem darauf an, ob der Mieter die laufende Miete bzw. Nutzungsentschädigung entrichtet, sich hinreichend um Ersatzwohnraum bemüht bzw. in absehbarer Zeit eine Wohnung finden wird, so dass andere weniger gewichtige Gläubigerinteressen zurückstehen können (vgl. Schmid/Scholz, Mietrecht, 2. Aufl., § 721 ZPO Rn. 23 ff.; BGH, Beschluss v. 27.06.1990 – XII ZR 73/90; Zöller/Stöber/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 721 Rn. 9, m.w.N.).

Der Vortrag bzw. das unstreitige Verhalten des Beklagten nach seiner Verurteilung zur Räumung unter Gewährung einer Räumungsfrist rechtfertigt deren Verlängerung unter Zugrundelegung der vorstehend dargestellten Maßstäbe nicht; die Abwägung des Interesses der Kläger, in den Besitz der Wohnung zu gelangen, zu deren Räumung der Beklagte verurteilt wurde, gegen das Bestandsinteresse des Beklagten als Mieter geht unter den hier gegebenen – weitgehend unstreitigen – Umständen zu seinen Lasten aus.

Der Beklagte hat hier bereits mit der Berufungsbegründung vom 10. Mai 2021 die Verlängerung der mit Urteil des Amtsgerichts vom 30. März 2021 bis zum 7. Juli 2021 gewährten Räumungsfrist beantragt, dies mit der – nicht näher ausgeführten – Begründung, es sei den Klägern zumutbar, die Rechtskraft der Entscheidung abzuwarten, während die Wohnungssuche für ihn während der Corona-Pandemie und nachdem das Mietendeckelgesetz verfassungswidrig sei, erheblich erschwert sei. Auf den Vortrag konkreter Bemühungen um Ersatzwohnraum, die diese allgemein aufgestellten Behauptungen tragen, hat der Beklagte vollständig verzichtet. Er hat zu einem Zeitpunkt, als ihm noch zwei Monate für die Suche nach Ersatzwohnraum zur Verfügung standen, unterstellt, dass diese erfolglos sein werde und davon abgesehen, Bemühungen in der – angesichts der Verurteilung zur Räumung aufgrund vertragsverletzenden Verhaltens – gebotenen Intensität zu unternehmen. Er übersieht im Rahmen seiner oberflächlichen Argumentation, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit der Vollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Räumungsurteil über Wohnraum eine Grundentscheidung getroffen hat, von der abzuweichen, nur unter den oben dargestellten Voraussetzungen gerechtfertigt ist.

Die Kläger haben – dessen ungeachtet – in ihrer Stellungnahme zu dem Antrag mit Schriftsatz vom 25. Mai 2021 (unter anderem) mitgeteilt, dass der Beklagte die Nutzungsentschädigung für den Monat Mai 2021 bislang nicht gezahlt habe, sie dennoch für den Fall einer etwa beabsichtigten Zwangsvollstreckung nach Ablauf der Räumungsfrist, dies rechtzeitig mitteilen würden.

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2021 kündigten sie sodann an, nach dem 20. Juli 2021 die Vollstreckung einleiten zu wollen, da der Beklagte die Nutzungsentschädigung für den Monat Mai 2021 ohne Angabe von Gründen erst am 31. Mai 2021 ausgeglichen habe, die Zahlungen für die Monate Juni und Juli 2021 offen seien.

Die – erneute – Entstehung von Rückständen der Zahlung der laufenden Nutzungsentschädigung ist unstreitig. Angesichts des Umstandes, dass der Beklagte bereits die auf die Zustellung der amtsgerichtlichen Entscheidung am 12. April 2021 folgende Nutzungsentschädigung für den Monat Mai zunächst nicht geleistet hat, sondern erst am 31. Mai 2021, kann ein – nicht näher ausgeführtes – „Versehen“ zu seinen Gunsten nicht unterstellt werden. Der Beklagte erhält öffentliche Leistungen (unter anderem) für Unterkunft und Heizung; was ihn hinderte, diese – ihrer Zweckbestimmung gemäß – an die Kläger als Vermieter weiterzuleiten, erschließt sich mangels Vortrags (ebenfalls) nicht.

Trotz Hinweises des Gerichts hat der Beklagte auch hinreichende, erfolglos verlaufende Bemühungen um Ersatzwohnraum nicht vorgetragen. Angesichts des Umstandes, dass Corona-bedingte Einschränkungen mitnichten zu-, sondern vielmehr abnehmen, trifft seine pauschale Behauptung einer erschwerten Wohnungssuche so bereits nicht (mehr) zu. Aufwelcher Grundlage seine (behauptete) Erkenntnis beruht, dass die Entscheidung des BVerfG zum Berliner Mieten-WoG die Wohnungssuche zusätzlich erschwert, erschließt sich ebenfalls nicht.

Vereinzelte konkrete Bemühungen um Ersatzwohnraum trägt der Beklagte lediglich für den 2. Juni 2021 und den 3. Juni 2021 vor. Dass diese sich auf das gesamte Berliner Stadtgebiet erstreckten ergibt sich nicht.

Dem mit Schriftsatz vom 2. August 2021 ohne nähere Erläuterung eingereichten Anlagenkonvolut lässt sich allenfalls entnehmen, dass der Beklagte sich insbesondere auf der Plattform ImmoScout24 registriert hat; mit welchem Anfrageprofil das geschehen ist, lässt sich den knappen Angaben des Ausdrucks nicht einmal ansatzweise entnehmen. Ebenso offen bleibt, auf welche konkreten Angebote der Beklagte mit welchem Ergebnis überhaupt reagiert hat. Dass Anfragen – wie vom Beklagten unter vollständigem Verzicht auf eine Begründung schlicht behauptet – stets negativ (von wem?) beantwortet wurden, kann dem ohnehin nahezu aussagelosen Ausdruck noch nicht einmal entnommen werden, wenn im Betreff etwa gefragt wird, ob noch Interesse besteht oder der ausgedruckte Beginn der Nachricht mit „wir freuen uns“ beginnt.

Der Beklagte verkennt ganz grundlegend, dass er die Verlängerung einer bereits gewährten Räumungsfrist begehrt. Die Vortragslast liegt ausschließlich bei ihm. Welche Umstände sich wie im Zusammenhang mit – noch nicht einmal vorgetragenen – Bemühungen um Ersatzwohnraum zu seinen Ungunsten verändert haben, so dass die gewährte Räumungsfrist nicht ausreicht, lässt sich seinen durch nichts unterlegten Behauptungen nicht einmal andeutungsweise entnehmen.

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