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Räumungsklage nach wirksamer Eigenbedarfskündigung einer Mietwohnung

LG München I – Az.: 14 S 7018/19 – Beschluss vom 21.10.2019

1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Amtsgerichts München vom 25.04.2019 (Az. 472 C 22934/17) wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieser Beschluss und das angefochtene Endurteil des Amtsgerichts München vom 25.04.2019 sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 6.748,– festgesetzt.

Gründe

I. Hinsichtlich des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen amtsgerichtlichen Endurteils Bezug genommen.

Die Parteien streiten um Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung in … , nach einer klägerseits erfolgten Eigenbedarfskündigung. Mit Endurteil vom 25.04.2019 wies das Amtsgericht die Räumungsklage ab und setzte das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fort. In den Urteilsgründen stellte das Amtsgericht nach Vernehmung mehrerer Zeugen, der Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, Einholung eines psychiatrischen Ergänzungsgutachtens sowie Anhörung des Sachverständigen … in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2019 im Wesentlichen fest, dass die klägerseits ausgesprochene Eigenbedarfskündigung vom 28.04.2017 wirksam sei, wegen in der Person der Beklagten zu 1) liegender Härtegründe (schwere depressive Episoden mit Suizidgefahr im Falle einer erzwungenen Räumung) das Mietverhältnis aber gem. § 574a Abs. 2 BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen ist.

Hiergegen richtet sich die von den Klägern mit Schriftsatz vom 23.05.2019 eingelegte und mit Schriftsatz vom 22.07.2019 auch begründete Berufung.

Die Kläger beantragen im Berufungsverfahren:

Unter Abänderung des am 25.04.2019 verkündeten Urteils des Amtsgerichts München Az.: 472 C 22934/17 werden die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt, die im II. Obergeschoss rechts belegene Wohnung im Anwesen … in … in einer Gesamtgröße von 72,4 qm, bestehend aus 2 Zimmer, Flur, Küche und Bad mit WC sowie Kellerraum am 31.01.2018 zu räumen und geräumt an die Kläger herauszugeben.

Die Beklagten beantragen: Zurückweisung der Berufung.

Mit Beschluss vom 22.08.2019 wies die Kammer die Kläger darauf hin, dass die Berufung ohne Aussicht auf Erfolg sei und beabsichtigt sei, diese ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Gleichzeitig wurde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben. Nach entsprechender Fristverlängerung nahm die Klagepartei mit Schriftsatz vom 16.10.2019 zum Hinweisbeschluss der Kammer Stellung.

II. Die Berufung der Kläger war durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht erfordern und auch im Übrigen eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Zur Begründung kann hierbei auf den grundsätzlich nicht ergänzungsbedürftigen und ausführlichen Hinweisbeschluss der Kammer vom 22.08.2019 Bezug genommen werden. Hinsichtlich der Ausführungen im Schriftsatz vom 16.10.2019 sind noch folgende kurze Ergänzungen veranlasst:

1) Die von der Berufung zitierten Entscheidungen des V. Senats des BGH sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar, weil es im Rahmen von § 765a ZPO um die Prüfung einer sittenwidrigen Härte im Rahmen von Zwangsvollstreckungs-Maßnahmen geht, bei denen der Gläubiger gem. Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich auch einen im öffentlichen Interesse stehenden Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz hat. Vorliegend ist aber im Rahmen der materiell-rechtlichen Prüfung nach § 574 Abs. 1 S. 1 BGB eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen von Klägern (Vermieter) und Beklagten (Mieter) vorzunehmen. Auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des zuständigen VIII. Zivilsenats des BGH (insbesondere BGH NZM 2019, 518) wurde bereits im Hinweisbeschluss der Kammer ausdrücklich hingewiesen.

Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof auch für das Vollstreckungsverfahren entschieden, dass im Hinblick auf eine mögliche stationäre Unterbringung des Schuldners gegen seinen Willen auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Dauer einer zwangsweisen stationären Unterbringung außer Verhältnis zum damit verfolgten Zweck der Fortführung des Zwangsvollstreckungsverfahrens steht. Ferner ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dann zu beachten, wenn im Rahmen der Zwangsvollstreckung aller Voraussicht nach davon auszugehen ist, dass die Anordnung einer stationären Unterbringung zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer führt (vgl. BGH NZM 2018, 511 unter Rn. 11). Die Kammer bleibt im Übrigen bei ihrer Rechtsauffassung, dass im Rahmen der Härtefallabwägung gem. § 574 Abs. 1 S. 1 BGB der hohen Gefahr der Selbsttötung durch die Beklagte zu 1) – wie vom Sachverständigen … mehrfach attestiert – nicht durch eine zwangsweise Unterbringung im Rahmen der Zwangsräumung sowie einer dauerhaften Fixierung begegnet werden kann, weil die Maßnahmen im konkreten Fall außer Verhältnis zum Räumungs- und Herausgabeanspruch nach einer vermieterseits erfolgten Eigenbedarfskündigung stehen. Im Übrigen wird seitens der Kammer nochmals darauf hingewiesen, dass für die Annahme einer Härte nach § 574 Abs. 1 BGB nicht die Grenze der Sittenwidrigkeit des § 765a ZPO überschritten sein muss.

2) Ebenso wenig macht eine zwangsweise Zuführung der Beklagten zu 1) zu „psychologischer Hilfe“ vorliegend Sinn. Wie der Sachverständige im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht ausgeführt hat (S. 153 d. A.) sind aus seiner Sicht die medizinischen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung im gesetzlichen Sinne nicht gegeben, weil weder eine Zwangsmedikation noch ein Zwang zur Psychotherapie ohne Behandlungsbereitschaft des Patienten Aussicht auf Erfolg hat.

3) Ob eine Missbrauchsgefahr durch Suizidandrohung besteht, muss in dem konkreten Einzelfall grundsätzlich nach Erholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens geprüft werden. Der BGH hat für den Fall des bestrittenen Vortrags eines nicht zumutbaren Umzugs wegen einer schweren Erkrankung des Mieters die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen angemahnt (BGH NZM 2019, 518 Leitsatz 9). Im Übrigen ist die Behauptung der Berufung, der „Einwand einer Suizidgefährdung würde (…) zum Totschlagargument bei jeder Kündigung“, weil die Behauptung suizidaler Gedanken von einem Psychiater kaum überprüft werden könne, ersichtlich ins Blaue hinein behauptet. Zum einen ist der Sachverständige … kein Psychiater, sondern ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie, zum anderen hat der Sachverständige eine ausführliche Anamnese aufgrund der Schilderungen der Beklagten zu 1) durchgeführt und sodann eine zweistufige Begutachtung mit Diagnose und Prognose durchgeführt. Die Kammer hat auch im Hinblick darauf, dass der Sachverständige … ihr seit Jahren im Rahmen von Begutachtungen nach § 574 BGB, 765a ZPO als fachkundig und erfahren bekannt ist, keinerlei Zweifel daran, dass das Ergebnis des Gutachtens sowie Diagnose und Prognose hinsichtlich der Erkrankung der Beklagten zu 1) zutreffend sind.

4) Eine Revisionszulassung ist im Rahmen eines Zurückweisungsbeschlusses gem. § 522 Abs. 2 ZPO gesetzlich nicht möglich, im Übrigen liegt ein Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des zuständigen VIII. Zivilsenates nicht vor.

Nach alledem ist die Berufung der Kläger ohne Aussicht auf Erfolg. Sie war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO. Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat die Kammer in Anwendung der § 47 Abs. 1, 41 Abs. 2 GKG bestimmt.

 

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