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Räumungsprozess – Berücksichtigung neuer fristlosen Kündigung im Berufungsverfahren

LG Berlin – Az.: 67 S 522/11 – Urteil vom 13.08.2012

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. September 2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wedding – 9 C 261/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das Urteil des Amtsgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus den Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung.

Mit dem Vertrag vom 18. Oktober 2004 mieteten die Beklagten von der Klägerin die Wohnung in der … , Vorderhaus, viertes Obergeschoss rechts, … Berlin. Die Wohnung hat vier Zimmer und ist 152,54m² groß.

Die Miete betrug (nach verschiedenen Änderungen) zunächst bis zum November 2011 bzw. bis zum Dezember 2011

Nettokaltmiete 631,78 €

Betriebskostenvorschuss 250,00 €

Heizkostenvorschuss 251,00 €

1.132,78 €.

Unter dem 23. September 2010 rechnete die Klägerin über die Betriebskosten 2009 ab und ermittelte eine Nachzahlung von 789,99 €. Die Betriebskostenvorschüsse legte die Klägerin ab dem Januar 2011 wie folgt neu fest:

Nettokaltmiete 631,78 €

Betriebskostenvorschuss 212,00 €

Heizkostenvorschuss 196,00 €

1.039,78 €.

In der Klage geht die Klägerin davon aus, dass sich die Vorschüsse erhöht hätten. Auf die fehlende Nachvollziehbarkeit dessen hat das Amtsgericht hingewiesen.

Unter dem 22. Februar 2011 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nach § 573 BGB. Sie verweist auf die soeben dargestellte Miete (ab Januar 2011) und beanstandet, dass im Januar 2011 lediglich

Nettokaltmiete 583,41 €

Betriebskostenvorschuss 228,81 €

Heizkostenvorschuss 106,78 €

919,00 €

gezahlt worden seien. Der weitere Text der Begründung (Mitte Seite 2, Bl. 30 d. A.) schränkt diese auf die Zahlung zu geringer Vorschüsse ein.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, insbesondere zu den gestellten Anträgen wird auf das am 15. September 2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wedding (Bl. 70-73 d.A.) Bezug genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da es eine erhebliche Pflichtverletzung der Beklagten in der teilweise unvollständigen Mietzahlung nicht gesehen und die weitere Kündigung vom 07. September 2011 nicht (mehr) zugelassen hat.

Gegen dieses ihr am 21. September 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 13.Oktober 2011 (vorab per Fax) bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 21. November 2011 (vorab per Fax) bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Parteien vertiefen im zweiten Rechtszug ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klägerin bezieht sich insbesondere (erneut) auf die Kündigung vom 07. September 2011.

Die Klägerin beantragt nunmehr, das amtsgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Wohnung in der … , Vorderhaus, viertes Obergeschoss rechts, … Berlin, geräumt an die Klägerin herauszugeben, hilfsweise: festzustellen, dass die Kündigung vom 07. September 2011 rechtswirksam ist und die Beklagten sind, die Wohnung in der … , Vorderhaus, viertes Obergeschoss rechts, … Berlin, geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze jeweils einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

II.

1) Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.

2) Die Berufung hat keinen Erfolg.

a) Die Kündigung vom 22. Februar 2011 bzw. aus der Klage vom 20. April 2011 ist unwirksam.

Die Klägerin geht selbst nicht davon aus, dass der Anwendungsbereich des § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) oder Buchst. b) BGB eröffnet wäre. Eine Kündigung nach dieser Vorschrift kann niemals auf einen Rückstand nur aus einem Monat gestützt werden.

Für die ordentliche Kündigung ist hier insbesondere § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB entscheidend. Es ist prinzipiell nicht ausgeschlossen, dass eine ordentliche Kündigung wegen solcher Rückstände durchgreift, für die § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht in Betracht kommt. Jedoch muss nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Vertragsverletzung vorliegen, die mehr als nur unerheblich ist. Dies kann nur an den Umständen gemessen werden, mit denen die Kündigung begründet worden ist. Selbst unter Einbeziehung der verringerten Nettokaltmiete, zu deren Hintergrund die Parteien nur vage von Mietminderungen sprechen, ergäbe sich im Januar 2011 ein Rückstand von (1.039,78 € – 919,00 € =) 120,78 €. Dieser Betrag rechtfertigt weder für sich noch im Verhältnis zur Monatsmiete (Anteil 11,6%) die Annahme einer in ihrer Erheblichkeit zur Kündigung berechtigenden Pflichtverletzung.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Klage als eine neue Kündigung zu verstehen wäre, so enthält die Klage keine weiter gehende Darstellung als das Kündigungsschreiben, sondern stellt überhaupt nur noch auf die Betriebskostenvorschüsse ab.

An der Einschätzung ändert sich auch nichts unter Hinzuziehung der Erwägungen aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 18. August 2011. Auf die dort dargestellten Rückstände vor Januar 2011, die sich auf 4.098,24 € belaufen sollen, und auf die früheren offenen Beträge aus Betriebskostenabrechnungen, die 2.964,97 € ausmachen sollen, kann nicht abgestellt werden, da sie vor der Kündigung bekannt waren, aber in ihr nicht genannt sind, § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB. Als neue Rückstände, die der Betrachtung hinzugezogen werden könnten, werden lediglich (27,57 € + 13,81 € + 20,79 € =) 62,17 € für Februar bis April 2011 genannt, denen schon eine Überzahlung von 11,07 € im Mai 2011 gegenüber steht. Auch ein Rückstand von (120,78 € + 62,17 € =) 182,95 €, der 17,6% einer Monatsmiete ausmacht, berechtigt nicht zu einer fristgemäßen Kündigung.

b) Die weitere Kündigung vom 07. September 2011 war nicht zu berücksichtigen. Zutreffend hat das Amtsgericht diese Kündigung in seiner Entscheidung nicht herangezogen. Die mündliche Verhandlung ist am 05. September 2011 geschlossen worden. Die Klägerin hat lediglich die Gelegenheit erhalten, zu einem Hinweis Stellung zu nehmen, den das Amtsgericht schon zu einem früheren Zeitpunkt erteilt hatte. Die Einreichung einer neuen Kündigung war hiervon nicht gedeckt. Das Amtsgericht musste die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnen. § 156 Abs. 2 ZPO ist ersichtlich nicht einschlägig. Entgegen der Darstellung der Berufung hat das Amtsgericht im Urteil sehr wohl sein Ermessen nach § 156 Abs. 1 ZPO ausgeübt und die Wiedereröffnung abgelehnt. Wenn eine Partei – wie hier – nach Schluss der mündlichen Verhandlung neue, durchaus erhebliche Angriffsmittel nachreicht, begründet dies (trotzdem) keine Wiedereröffnung (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 156, Rn. 4f.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 156, Rn. 13f.; Prütting/Gehrlein/Dörr, ZPO, 4. Aufl., § 156, Rn. 2).

Die neue Kündigung kann auch im zweiten Rechtszug keine Berücksichtigung finden. Sie ist als Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO zu behandeln und gemäß § 533 Nr. 2 ZPO unzulässig. Die dieser Kündigung zugrunde liegenden Tatsachen hat die Kammer gerade nicht ohnehin seiner Entscheidung zugrunde zu legen, weil es auf die jetzt zur Begründung herangezogenen früheren Rückstände zuvor nicht ankam (hierzu: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 64/09 -, Rn. 31f.).

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

 

 

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