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Räumungsvollstreckung – Vollstreckungsschutz bei drohendem Arbeitsplatzverlust

AG Hannover, Az.: 712 M 125675/10, Beschluss vom 30.07.2010

In der Zwangsvollstreckungssache …wird der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von Räumungsschutz gegenüber dem vollstreckbaren Schuldtitel

Behörde: Amtsgericht Hannover

Geschäftsnummer: 543 C 14557/09

Schuldtitel, Datum des Schuldtitels: Urteil vom 22.12.2009

kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Wert für das Verfahren wird auf 4.656,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Nach dem oben angegebenen Titel ist die Schuldnerin verpflichtet, die Wohnung zu räumen und an die Gläubigerin herauszugeben. Der zuständige Obergerichtsvollzieher … hat den Räumungstermin auf den 04. 08. 2010, 8.30 Uhr (DR II 774/10) angesetzt. Hiergegen richtet sich der Antrag der Schuldnerin, der auf § 765a ZPO gestützt wird.

Räumungsvollstreckung - Vollstreckungsschutz bei drohendem Arbeitsplatzverlust
Foto: AntonioGuillem/Bigstock

Der gemäß § 765a Abs. 3 ZPO zulässige Antrag ist unbegründet.

Vollstreckungsschutz darf einem derartigen Räumungstitel nur gewährt werden, wenn die engen Voraussetzungen des § 765a ZPO gegeben sind.

§ 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (vgl. BGHZ 44, 138, 143; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 765a Rn. 5 ff; Zöller/Stöber, ZPO 25. Aufl. § 765a Rn. 5 ff; Musielak/Lackmann, ZPO 4. Aufl. § 765a Rn. 5 ff). Der Gesetzgeber hat mit der restriktiven Fassung der Vorschrift klarstellen wollen, dass nicht jede Vollstreckungsmaßnahme, die für den Schuldner eine unbillige Härte bedeutet, die Anwendung der Härteklausel rechtfertigt. Die Vollstreckung soll erst an der Grenze der Sittenwidrigkeit haltmachen (vgl. Gaul, Treu und Glauben sowie gute Sitten in der Zwangsvollstreckung, Festschrift für Baumgärtel, S. 75, 85).

Keinesfalls reicht es demnach aus, dass in der Durchführung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme in der Regel stets eine für den Schuldner durchaus deutlich fühlbare Härte liegen wird, dies liegt nun einmal in der Natur der Sache; es gibt auch keine grundsätzlichen und/oder absoluten Schutzgründe.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung genügt allein die Tatsache, dass eine Ersatzwohnung nicht zur Verfügung steht nicht, um die strengen Voraussetzungen des § 765a ZPO zu bejahen, weil das Nichtvorhandensein von Ersatzwohnraum nicht als „ganz besonderer Umstand“ gesehen werden kann. Eine Räumungsvollstreckung stellt in aller Regel für die Schuldnerin eine meist fühlbare Härte dar. Nur wenn diese unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses der Gläubigerin mit den guten Sitten nicht vereinbar ist, darf im Wege des Vollstreckungsschutzes ein Räumungsaufschub gewährt werden.

Für das Vorliegen einer solchen sittenwidrigen Härte sind seitens der Schuldnerin hinreichende Gründe nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Weder die Zahlung des laufenden Mietzinses, die als oberste Mieterpflicht als obligatorisch anzusehen ist, noch der Abbau von Mietrückständen, beeinflussen den ausgeurteilten Räumungsanspruch. Die Schuldnerin hat also aufgrund des beendeten Mietverhältnisses die innegehaltene Wohnung an die Gläubigerin herauszugeben.

Auch die Tatsache, dass die Schuldnerin Kinder hat, macht eine Räumung in diesem Zusammenhang nicht unbillig. Andernfalls wäre es der Gläubigerin unmöglich, ihren titulierten Räumungsanspruch gegenüber der Schuldnerin durchzusetzen.

Auch mögliche Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis der Schuldnerin, die im Übrigen nicht belegt sind, wären unbeachtlich, da sie über allgemeine Härten, die die Schuldnerin als Folge der Zwangsvollstreckung zu tragen hat, nicht hinaus gehen. Im Übrigen kann die Gewährung von Vollstreckungsschutz nicht von dem von den Parteien nicht zu beeinflussenden Verhalten Dritter, hier des Arbeitgebers, abhängig gemacht werden. Dritte könnten dann nämlich eine Räumungsvollstreckung aushebeln, wenn sie als Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Schuldner kündigen würden. Dies widerspricht aber den Vorschriften des 8. Buches der ZPO. Die Zwangsvollstreckung nach dem 8. Buch der ZPO ist ein Verfahren zur Durchsetzung oder Sicherung privatrechtlicher Ansprüche mit staatlichen Machtmitteln. Anstelle des Gläubigers, dem die Selbsthilfe trotz gerichtlicher Feststellung seines Anspruchs verboten ist, ist der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols Träger der Vollstreckungsgewalt und gewährleistet damit vollständigen Rechtsschutz und die Durchsetzung des Rechts des Gläubigers. Zweck der Zwangsvollstreckung ist die Befriedigung der titulierten Ansprüche des Gläubigers. Es ist nämlich (auch) Pflicht des Staates, titulierte Ansprüche – notfalls mit Zwang – durchzusetzen und dem Gläubiger damit zu seinem Recht verhelfen.

Überdies steht der Annahme einer sittenwidrigen Härte hier entgegen, dass zwischen Erlass des Räumungsurteils und der vorgesehenen Zwangsräumung ein erheblicher Zeitraum liegt, der angesichts des gerichtsbekannt entspannten regionalen Wohnungsmarkts ausgereicht haben müsste, um eine Ersatzunterkunft zu beschaffen, wenn die Schuldnerin den zu erwartenden guten Willen und die gebotene Energie, insbesondere auch zum Wohl ihrer Kinder, hierfür aufgewendet hätte. Überdies steht dem Vollstreckungsschutzantrag das nach § 765a ZPO voll zu würdigende Schutzbedürfnis der Gläubigerin auf nunmehr alsbaldige Verwirklichung des sich aus dem Schuldtitel ergebenden Räumungsanspruchs entgegen.

Notfalls muss es der Schuldnerin überlassen bleiben, zur Vermeidung der Obdachlosigkeit die Verwaltungsbehörde anzurufen, die nach öffentlichem Recht die Unterkunft der Schuldnerin zu regeln hat.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 788 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 91 ZPO und § 3 ZPO (Jahreswert der mtl. Nettomiete von 388,00 Euro).

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