AG Gelsenkirchen – Az.: 210 C 569/17 – Urteil vom 24.04.2018
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Kostenvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 2.880,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist aufgrund rechtskräftigen Zuschlagsbeschlusses aus dem Jahre 2015 im Wege der Zwangsversteigerung Eigentümer des Hauses H, C-straße … geworden; es handelt sich bei dem Haus um ein Mehrfamilienhaus, es befinden sich in dem Haus sechs Mietwohnungen sowie ein Ladenlokal Parterre. Der Beklagte zu 1. bewohnt die Wohnung im Dachgeschoss, die Beklagte zu 2., die ehemals Eigentümerin des gesamten Objektes war, wohnte im ersten Obergeschoss. Aufgrund des Zuschlagsverfahrens wurde der Beklagten zu 2. aufgegeben, die Wohnung im ersten Obergeschoss zu räumen, nach entsprechendem Titel zog die Beklagte zu 2. in die Wohnung des Sohnes in das Dachgeschoss ein.
Die klagende Partei begehrt die Räumung der von den Beklagten bewohnten Wohnung aufgrund Kündigung vom 07.06.2017, Blatt 4/5 der Akten, auf die insoweit Bezug genommen wird, Kündigungsgrund Eigenbedarf mit der Begründung, die Schwester des Klägers wolle, nachdem sie volljährig sei, aus der elterlichen Wohnung in diese Dachgeschosswohnung einziehen. Anderer Wohnraum stehe nicht zur Verfügung.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung insgesamt vier Wohnungen leergestanden haben, auch nach Zustellung der Klage wurde ein weitere Wohnung leergezogen, diese wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung auch von Klägerseite bestätigt.
Die klagende Partei, die den Eigenbedarf unter Beweis gestellt hat durch Vernehmung der Schwester der klagenden Partei, ist der Auffassung, zur Kündigung berechtigt gewesen zu sein:
Es gehe nicht darum, einen unliebsamen Mieter loszuwerden, es gehe vielmehr darum, der Schwester der klagenden Partei, die nunmehr volljährig geworden sei, einen Freund habe, in unmittelbarer Nähe ihrer Verwandtschaft ein freies selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Der Kläger behauptet, die beiden Beklagten seien zwar Besitzer der Wohnung, es sei aber kein Mietvertrag mit den Beklagten abgeschlossen worden, es sei lediglich hilfsweise die Kündigung ausgesprochen worden.
Der Kläger hatte versucht, einen schriftlichen neuen Mietvertrag mit beiden Beklagten abzuschließen, eine Unterschriftsleistung unter diesem Mietvertrag wurde aber seitens der Beklagten verweigert.
Der Kläger begehrt nunmehr die Räumung und beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Haus C-straße …, … H (Dachgeschoss Wohnung), bestehend aus 2 Zimmern, Küche, 1 Bad, 1 Diele, 1 Balkon, 1 Kellerraum, sofort zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.
Die Beklagten beantragen Klageabweisung, hilfsweise Einräumung einer Räumungsfrist, hilfsweise
Verlängerung des Mietverhältnisses nach der Sozialklausel.
Die Beklagten tragen vor:
Der Beklagte zu 1. habe mündlich die Wohnung im Dachgeschoss von der damaligen Eigentümerin, der Beklagten zu 2., angemietet zu einem festumrissenen Mietzins, dieser Mietzins sei auch in der Vergangenheit stets gezahlt worden, und zwar seien gezahlt worden 200,00 Euro plus Nebenkosten. Die Beklagte zu 2. sei dann in diese Wohnung eingezogen, es sei ein faktisches Mietverhältnis entstanden, das ergebe sich bereits daraus, dass der Kläger einen schriftlichen Mietvertrag mit beiden Beklagten abschließen wolle, um diese ganze Situation schriftlich zu bestätigen.
Der Eigenbedarf sei vorgeschoben.
Darüber hinaus seien sowohl bei Zugang der Kündigung als auch nach Prozessbeginn Wohnungen freigewesen, die den Bedarf der Schwester des Klägers hätten abdecken können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist nicht berechtigt, als Eigentümer der Grundbesitzung von den Beklagten die Herausgabe der Wohnung gem. § 985 BGB zu verlangen.
Entgegen der Auffassung des Klägers besteht sehr wohl ein Mietvertragsverhältnis zwischen ihm als Rechtsnachfolger des Eigentümers und dem Beklagten zu 1.:
Wie sich aus den Zwangsversteigerungsunterlagen ergibt, aus der Tatsache ergibt, dass der Beklagte zu 1. über einen langen Zeitraum eine monatliche Miete an den Kläger zahlt, aus der Tatsache, dass ihm gegenüber schon mehrfach Kündigungen ausgesprochen worden sind und ihm gegenüber auch eine Mieterhöhung geltend gemacht werden sollte, ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass der Beklagte zu 1. eine Wohnung nutzt gegen Zahlung eines Endgeldes, mithin ein mündliches Mietverhältnis zwischen den Parteien besteht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag das Gericht einen Mietvertrag mit der Beklagten zu 2. nicht anzunehmen:
Die Beklagte zu 2. ist als ehemalige Eigentümerin des Objektes nach rechtskräftiger Verurteilung zur Räumung ihrer Wohnung im 1. Obergeschoss vorübergehend in die Wohnung des Beklagten zu 1. gezogen, eine Vereinbarung mit dem Kläger als Rechtsnachfolger über ein Mietverhältnis hat in keiner Weise stattgefunden, es sind keine übereinstimmenden Willenserklärungen abgegeben worden, allein die Tatsache, dass die Beklagte zu 2. in die Wohnung eingezogen ist, begründet kein faktisches Mietverhältnis.
Auch die Tatsache, dass der Kläger einen neuen Mietvertrag mit beiden Beklagten abschließen wollte, ist kein Indiz dafür, dass ein bereits bestehendes Mietverhältnis nachträglich abgeändert werden sollte:
Das ist in Bezug auf den Beklagten zu 1. sicherlich so gegeben, in Bezug auf die Beklagte zu 2. stellt sich die Rechtslage vielmehr so dar, dass hier ein neuer Mietvertrag erstmalig mit der Beklagten zu 2. abgeschlossen werden sollte.
Die Kündigung ist mithin in Bezug auf den Beklagten zu 1. ausgesprochen worden, diese Kündigung reicht aus, es musste nicht gegenüber der Beklagten zu 2. gekündigt werden, die Klage musste allerdings gegenüber beiden erhoben werden, da beide Besitzrecht an der Wohnung haben.
Die gegenüber dem Beklagten zu 1. ausgesprochene Kündigung ist aber unwirksam:
Dabei kommt es nicht darauf an, ob hier falsche oder richtige Kündigungsfristen angegeben sind, da im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung diese Fristen in jedem Fall abgelaufen waren. Hier fehlt es vielmehr an der konkreten Darlegung einer Bedarfssituation:
Es ist unbestritten, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehrere Wohnungen im Haus leer gestanden haben; es ist ferner unstreitig, dass nach Rechtshängigkeit eine weitere Wohnung leer gezogen wurde; es ist ferner unstreitig, dass es sich bei dem Haus um ein Mehrfamilienhaus handelt; es wäre dann Sache des Klägers gewesen, in seiner Kündigung, spätestens aber im Prozess darzulegen, warum er den behaupteten Eigenbedarf seiner Schwester ausgerechnet mit der Wohnung des Beklagten zu 1. decken muss: Er hätte ein Auswahlermessen treffen müssen, dieses Ermessen darlegen müssen, er hätte bei freigezogenen Wohnungen diese Wohnungen dem Beklagten zu 1. anbieten müssen, sowohl vor als auch nach Rechtshängigkeit des Verfahrens; der Sachvortrag im Termin zur mündlichen Verhandlung, diese Wohnungen seien für den Beklagten nicht geeignet gewesen, ist in keiner Weise nachvollziehbar, zumal es Sache der beklagten Partei ist, zu entscheiden, ob sie eine angebotene Ersatzwohnung annimmt oder nicht.
Da weder das Auswahlermessen in Bezug auf die konkrete Wohnung dargelegt wurde, es auch in keiner Weise dargelegt wurde, warum die Schwester des Klägers den behaupteten Eigenbedarf nicht mit einer anderen Wohnung als der des Beklagten zu 1. befriedigen kann, ist hier ein Anspruch auf Räumung der Wohnung gegen den Beklagten zu 1. nicht gegeben, da das Räumungsbegehren insoweit rechtsmissbräuchlich ist.
Dabei kann dahinstehen, ob tatsächlich die Schwester in die Wohnung einziehen will oder nicht, eine Bedarfssituation in Bezug auf die konkrete Wohnung des Beklagten zu 1. ist nicht schlüssig vorgetragen.
Die Klage war mithin mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.