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Regeln für die Kostenverteilung in der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Amtsgericht Bonn – Az.: 27 C 115/19 – Urteil vom 14.12.2021

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Bonn am 14.12.2021 beschlossen:

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 80 % und die Beklagten 20 % zu tragen.

Der Streitwert wird auf 55.923,85 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft. Die zu grunde liegende Teilungserklärung vom 18.03.1982 sieht unter Punkt III 12.A. vor:

„In Ergänzung und teilweiser Abänderung des § 16 Wohnungseigentumsgesetzs wird folgendes bestimmt:

Die Wohnungseigentümer müssen alle Betriebskosten gemeinsam tragen, dabei werden die Kosten der Beiheizung und Warmwasserversorgung im Verhältnis der vorhandenen Heizkörper und Wärmemesser umgelegt, die Kosten für die Müllabfuhr sowie die Schornsteinreinigung und das Wassergeld werden nach der Zahl der Bewohner umgelegt. Die übrigen nicht durch eigene Zähler oder sonst gesondert berechneten Kosten und öffentlichen Abgaben, wie Grundsteuern, Kanalgebühren, Versicherung und dergleichen haben die Wohnungseigentümer im Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen.  Kostenanteile sind Teile der Belastungen und von dem Verwalter zu zahlen. Die Verwaltungskosten sind von den Wohnungseigentümern im Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen.“

Mit Schreiben vom 15.07.2019 hat die Verwalterin zur Eigentümerversammlung vom 08.08.2019 eingeladen (Anlage K7). Die Gemeinschaft fasste in der Versammlung vom 08.08.2019 mehrere Beschlüsse.

Unter TOP 2 B) hat die Gemeinschaft hinsichtlich der Genehmigung der Jahres- und Einzelabrechnung 2017 u. a. Folgendes beschlossen:

„Es wird der Antrag gestellt, den von der Verwaltung vorgelegten Entwurf der Jahresabrechnung 2017, Variante 2 (Ausdruck vom 08.07.2019), bestehend aus der Gesamtabrechnung, den Einzelabrechnungen, dem Status und dem zugrunde liegenden Buchführungssystem materiell und formell zu genehmigen und den und die ausgewiesenen Salden (Guthaben / Fehlbetrag) anzuerkennen. Soweit in der Abrechnung Abrechnungsergebnisse von Vorjahren aufgeführt sind, handelt es sich hierbei um nachrichtliche Werte, diese werden nicht erneut beschlossen. Die ausgewiesenen Fehlbeträge sind von den Wohnungseigentümern bis zum 4. des nächsten Monats auf das bekannte Gemeinschaftskonto zu zahlen, unbeschadet sonstiger bereits rechtshängige und anderer Rückstände. Soweit die Eigentümer am Lastschriftverfahren teilnehmen, erfolgt der Einzug der Beträge sowie die Rücküberweisung der Guthaben an die Wohnungseigentümer unter Verrechnung eventuell bestehender Rückstände Anfang des nächsten Monats.“

Unter TOP 2 B) hat die Gemeinschaft hinsichtlich der Genehmigung der Jahres- und Einzelabrechnung 2018 u. a. Folgendes beschlossen:

„Es wird der Antrag gestellt, den von der Verwaltung vorgelegten Entwurf der Jahresabrechnung 2018, Variante 2 (Ausdruck vom 08.07.2019), bestehend aus der Gesamtabrechnung, den Einzelabrechnungen, dem Status und dem zugrunde liegenden Buchführungssystem materiell und formell zu genehmigen und den und die ausgewiesenen Salden (Guthaben / Fehlbetrag) anzuerkennen. Soweit in der Abrechnung Abrechnungsergebnisse von Vorjahren aufgeführt sind, handelt es sich hierbei um nachrichtliche Werte, diese werden nicht erneut beschlossen. Die ausgewiesenen Fehlbeträge sind von den Wohnungseigentümern bis zum 4. des nächsten Monats auf das bekannte Gemeinschaftskonto zu zahlen, unbeschadet sonstiger bereits rechtshängige und anderer Rückstände. Soweit die Eigentümer am Lastschriftverfahren teilnehmen, erfolgt der Einzug der Beträge sowie die Rücküberweisung der Guthaben an die Wohnungseigentümer unter Verrechnung eventuell bestehender Rückstände Anfang des nächsten Monats.“

Unter TOP 3 hat die Gemeinschaft folgenden Beschluss gefasst:

„Genehmigung des Wirtschaftsplans 2019

Die Eigentümerversammlung beschließt von den von der Verwaltung als Anlage zur Einladung vorgelegten Gesamtwirtschaftsplan (Ausdruck vom 08.07.2019) in Höhe von insgesamt Euro 79.380 nebst Einzelwirtschaftsplänen rückwirkend für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis 31.12.2019. Die Wohngeldvorschüsse sind als Jahresbeiträge zur sofortigen Zahlung mit Beschlussfassung fällig.“

Unter TOP 4 hat die Gemeinschaft nach dem Protokoll vom 12.08.2019 folgenden Beschluss gefasst: „Zur Klarstellung wird festgestellt, dass der bisher verwendete Verteilerschlüssel „Personenzahl / Tage“ zu unbestimmt ist und somit nichtig ist. Ab dem 01.10.2018 werden sämtliche Kosten, die nach diesem Verteilerschlüssel umgelegt wurden, wieder nach dem in der Teilungserklärung festgestellten Verteilerschlüssel (Miteigentumsanteile) umgelegt.“

Das Protokoll ist unter dem 01.07.2020 bzw. 02.07.2020 dahin geändert worden, dass folgender Beschluss gefasst worden ist: „Zur Klarstellung wird festgelegt, dass der bisher verwendete Erteilungsschlüssel gemäß Teilungserklärung „zahlt der Bewohner“ zu unbestimmt und nichtig ist. Ab dem 01.10.2017 werden sämtliche Kosten, die nach diesem Verteilerschlüsse umgelegt werden, wieder nach dem gesetzlichen Verteilerschlüssel (Miteigentumsanteile) umgelegt werden.“

Der Kläger hat sich gegen die vorgenannten Beschlüsse gewendet und mit der Klage deren Ungültigkeitserklärung verlangt. Er ist der Auffassung, dass die angefochtenen Beschlüsse ordnungsgemäßer Verwaltung widersprächen, weil die darin enthaltenen Verteilungsschlüssel nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Die Kostenverteilung der Teilungserklärung enthalte keine Öffnungsklausel, demnach wäre die Änderung unwirksam. Es komme vorliegend nur eine Kompetenzzuweisung der Eigentümerversammlung nach den gesetzlichen Vorschriften des WEG in Betracht. Er ist der Auffassung, dass nach § 21 Abs. 7 WEG die Wohnungseigentümer die Regelung der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen könnten. In sämtlichen Abrechnung seien keine Abrechnungspositionen enthalten, die auf eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums schließen ließen. Nach § 16 Abs. 3 WEG könnten die Wohnungseigentümer abweichend zu den vorliegenden Regelungen der Teilungserklärung die Betriebskosten nach einem anderen Maßstab verteilen, soweit dies ordnungsgemäßer Verwaltung entspräche. Dies setzte allerdings voraus, dass erkennbar werde, auf welche konkreten Kosten abgestellt werde. Vorliegend sei jedoch weder dem Einladungsschreiben noch dem Protokoll der Eigentümerversammlung zu entnehmen, welche konkreten Kosten der vorliegenden und vorgelegten Abrechnungsunterlagen eine Änderung erfahren sollten. Ein Hinweis auf eine Änderung des Umlegungsmaßstabes sei ebenfalls nicht ersichtlich und auch nicht erkennbar. Nach der Rechtsprechung des BGH sei es erforderlich, dass auch aus dem Beschluss konkret hervorgingen, dass die Wohnungseigentümer das Bewusstsein gehabt hätten, eine Änderung der bisherigen Kostenverteilung für künftige Abrechnung zu beschließen. Dass die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 08.08.2019 Beschlüsse gefasst hätten, auf deren Grundlage sie die Teilungserklärung ändern wollten, können vorliegend den Beschlusstexten zu TOP 2 B und 2 C selbst nicht entnommen werde. Auch eine etwaige Heilung der konkreten Ausweisung von Betriebskosten, deren Verteilungsschlüssel sich abweichen von der Teilungserklärung ändern sollte, können vorliegend auch nicht gemäß TOP 4 der Beschlussfassung vom 08.08.2019 eingreifen. Diesen Beschluss lasse sich auch nicht entnehmen, welche konkreten Kosten gemeint seien. Auch der Beschluss zu TOP 3 widerspreche aus diesen Gründen einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Denn vorliegend werde im Wirtschaftsplan von dem Umlegungsmaßstab der Teilungserklärung abgewichen, obwohl eine wirksame Änderung nicht vorliege bzw. auch nicht beschlossen worden sei.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die angefochtene Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen hätten. Mit den Einladungen zur der Versammlung sei allen Eigentümer die WEG Abrechnung 2017, 2018 sowie der Wirtschaftsplan 2019 in zwei Varianten übersandt worden. Die jeweiligen Unterscheide seien, dass die Positionen Müllgebühren, Abwassergebühren und Wasser allgemein in den ersten Varianten gemäß Punkt III 12.A der Teilungserklärung nach Bewohnern / Personen und in den jeweiligen zweiten Varianten nach Miteigentumsanteilen umgelegt worden seien. Dies sei auch der an alle Eigentümer versandten Tagesordnung auch klar ersichtlich gewesen. In der Tagesordnung sei den Eigentümern zu Punkt 4 auch ausführlich erläutert worden, dass der Personenschlüssel aus der Teilungserklärung nicht anwendbar und nichtig sei, da keine Regelungen getroffen worden sei, wie die Personenzahlen konkret zu ermitteln seien. Deswegen beinhalte die Tagesordnung die beschlussweise Festlegung der Ermittlung der Personenzahlen und alternativ die beschlussweise Klarstellung, dass aufgrund der Unanwendbarkeit des Personenschlüssels rückwirkend keine Kosten mehr nach Personenzahl, sondern nach Miteigentumsanteilen umzulegen seien. Es sei aus den jeweiligen Beschlüssen auch ersichtlich, dass die Abrechnungen bzw. Wirtschaftspläne jeweils in den Varianten zwei beschlossen worden seien. Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass bei Änderungen von Verteilerschlüsseln zur Konkretisierung der getroffenen Regelungen auf ein außerhalb des Protokolls befindlichen Dokuments Bezug genommen werden dürfe. Es könne auch keine Rede davon sein, dass den Eigentümern vor der Beschlussfassung kein entsprechender Hinweis erteilt worden sei. Die rückwirkenden Änderungen der Verteilerschlüssel in den Abrechnungen und Wirtschaftsplänen entsprächen ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Personenschlüssel sei nicht umsetzbar bzw. anwendbar / handhabbar und unpraktikabel und damit seien die Klausen in der Teilungserklärung bzw. Beschluss nichtig und es sei nach dem Gesetz nach Miteigentumsanteilen umzulegen. Denn es fehle eine Regelung über die Ermittlung der Personenzahl. Es sei bereits unklar, in welchem Verhältnis sich die Personenzahl zur Zeit bewegen solle. Zudem hätte der Kläger die Anfechtung auf die Einzelabrechnung beschränken müssen, denn eine unzutreffende Kostenverteilung wirke sich nicht auf die Gesamtabrechnungen und Gesamtwirtschaftspläne aus.

In der Versammlung vom 18.12.2020 hat die Gemeinschaft unter TOP 2B, C und D bestandskräftige Beschlüsse über die Abrechnung 2017, 2018, 2019 gefasst und sowie unter TOP 4 mit Wirkung zum 01.01.2021 eine Änderung des Umlageschlüssel Bewohnerzahl auf Miteigentumsanteile für die Kosten Müllabfuhr, Schornsteinreinigung und Wassergeld.

Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war nach § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden. Dies führte zu der aus dem Tenor ersichtlichen Kostenverteilung, da der Kläger voraussichtlich zwar damit durchgedrungen wäre, dass die Kostenverteilung insgesamt nach Miteigentumsanteilen in den Einzelabrechnungen 2017 und 2018 sowie dem Wirtschaftsplan für 2019 unzutreffend gewesen wäre, allerdings wäre die beantragte Ungültigkeitserklärung lediglich auf die Positionen Müll und Wasser beschränkt gewesen, so dass die Anfechtung im Übrigen abzuweisen gewesen wäre. Erfolgreich wäre der Kläger im Hinblick auf die Anfechtung von TOP 4 (rückwirkende Änderung des Verteilungsschlüssels gewesen).

1. Anfechtung von TOP 4: Der Beschluss zu TOP 4 wäre voraussichtlich für ungültig zu erklären gewesen, da er nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen hat.

Die Änderung eines Verteilungsschlüssels setzt voraus, dass die Wohnungseigentümer hierfür die entsprechende Kompetenz besitzen, die sich entweder aus dem Gesetz oder einer Vereinbarung ergeben kann. Soweit die erforderliche Kompetenzzuweisung nicht vorliegt, ist ein dennoch gefasster Beschluss nichtig (BGH, Urteil vom 08.06.2018, V ZR 195/17, Rn. 10).

Eine Öffnungklausel ist unstreitig in der Teilungserklärung nicht enthalten.

Eine Kompetenz ergibt sich auch nicht aus § 21 Abs. 7 WEG. Hiernach können die Wohnungseigentümer die Regelung der Kosten für eine besondere Nutzung des Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen. Besondere Nutzungen im Sinne von § 21 Abs. 7 WEG sind solche, die mit einer gesteigerten Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums einhergehen und zumindest bei typisierender Betrachtung den Anfall besonderer Kosten wahrscheinlich machen (BGH, a. a. O., Rn. 13). Ein besonderer Verwaltungsaufwand liegt vor, wenn das normale, übliche Maß bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums überschritten ist (BGH, a. a. O., Rn. 14). Bei den hier in Rede stehenden Kosten handelt es sich ersichtlich um keine der beiden Positionen.

In Betracht kommt hierbei allenfalls eine Kompetenz zur Änderung des durch die Teilungserklärung festgelegten Verteilungsschlüssels aus § 16 Abs. 3 WEG. Nach dieser Vorschrift können die Wohnungseigentümer hinsichtlich der darin näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten den gesetzlichen oder den im Wege der Vereinbarung festgelegten Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss ändern, soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (BGH, a. a. O., Rn. 15). Insoweit führt der Bundesgerichtshof in der Entscheidung, Urteil vom 09.07.2010, V ZR 202/09, Rn. 9 aus: „Das ergibt sich zwar nicht schon aus dem Wortlaut der genannten Bestimmung, der lediglich den in § 16 Abs. 2 WEG normierten dispositiven gesetzlichen Umlageschlüssel der Abänderung zu unterwerfen scheint. Dass auch vereinbarte Abrechnungsschlüssel der Abänderung nach § 16 Abs. 3 WEG unterliegen, geht jedoch klar aus den Gesetzesmaterialen (…) hervor und wird vor diesem Hintergrund auch durch die Regelung des § 16 Abs. 5 WEG bestätigt (…). Dass von der Beschlusskompetenz rückwirkende Regelungen ausgenommen sein sollen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Eine solche Einschränkung widerspräche auch der im Gesetzgebungsverfahren betonten Stärkung der Privatautonomie der Wohnungseigentümer (…) Davon zu trennen ist die – nicht die Beschlusskompetenz betreffende – Frage, ob eine solche Regelung einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht (…).“ Weiter führt er aus (Rn. 10 f.): „(1) Das Wohnungseigentumsgesetz enthält keine der mietrechtlichen Vorschrift des § 556 a Abs. 2 Satz 2 BGB vergleichbare Einschränkung, wonach der Vermieter einen neuen Umlageschlüssel durch einseitige Erklärung nur vor Beginn eines Abrechnungszeitraumes festlegen kann. Den Materialien ist zwar zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber bei den Fragen, was unter Betriebskosten zu verstehen ist und ob den Wohnungseigentümern die Befugnis zustehen soll, darüber zu befinden, ob verbrauchsabhängig abzurechnen ist, an den Regelungen der §§ 556 Abs. 1, 556a Abs. 2 Satz 1 BGB orientiert hat (…). Auf das in § 556a Abs. 2 Satz 2 BGB normierte Rückwirkungsverbot hat er jedoch gerade keinen Bezug genommen. Für die hier in Rede stehenden Kosten besteht auch im Übrigen – anders als etwa bei Heiz- und Warmwasserkosten nach § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkostenVO – kein striktes Rückwirkungsverbot. (2) Das ändert allerdings nichts daran, dass ein Wohnungseigentümer grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die bis zu einer Änderung des Verteilungsschlüssels angefallenen Kosten nach dem bis dahin geltenden (bisherigen) Schlüssel umgelegt werden (…). Erst recht führt dieser Vertrauensschutzgedanke dazu, dass in der Regel nicht in bereits abgeschlossene Abrechnungszeiträume rückwirkend eingegriffen werden darf. Eine Abweichung hiervon kommt nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht, etwa wenn der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt (…)“. Vorliegend handelt es sich bei der Änderung des Verteilungsschlüssel ab 2017 bzw. 2018 um eine solche rückwirkende Änderung, da die Abrechnungsjahre 2017 und 2018 bereits abgeschlossen sind, so dass grundsätzlich ein Vertrauen des Wohnungseigentümers anzunehmen ist, dass die bis zur Änderung des Verteilungsschlüssels angefallenen Kosten nach dem bisherigen Schlüssel umgelegt werden. Das Gericht sieht auch keinen Ausnahmefall gegeben, dass der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt. Für letzteres besteht schon kein Anhaltspunkt. Das Gericht ist aber auch nicht der Auffassung, dass der Abrechnungsschlüssel nach Bewohnern unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist. Insoweit ist zwar zuzugeben, dass eine Abrechnung nach Miteigentumsanteilen einfacher ist und weniger Probleme bei der zutreffenden Anwendung aufwirft, da über die Frage, wie viel Bewohner vorhanden sind, durchaus Streit entstehen kann. Dies begründet aber weder die fehlende Praktikabilität noch eine Unbrauchbarkeit des Verteilungsschlüssels. Insoweit ist auch die Abrechnung nach Personenzahlen z. B. im Mietrecht bei Verteilung von Betriebskosten durchaus üblich. Im Übrigen ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Abrechnung nach Bewohnern in der Zeit des Bestehens der Gemeinschaft seit 1982 zu unüberwindbaren Hindernissen geführt hat, welche die Unbrauchbarkeit des Schlüssels begründen könnten. So ist die Frage, wer „Bewohner“ ist, der Auslegung durchaus zugänglich ist, es handelt sich hierbei um die Personen, die in den Einheiten „wohnen“ mithin ihren Lebensmittelpunkt haben, so dass mithin Besucher, üblicherweise hierunter nicht fallen. Auch entfällt die Qualifikation als „Bewohner“ nicht dadurch, dass man urlaubsabwesend ist. Es fehlt zwar eine Regelung, wie sich die Ermittlung der Bewohner zur Zeit verhalten soll, aber auch hier ist die Regelung der Auslegung zugänglich, üblicherweise wird beispielsweise die Anwesenheit nach Monaten abgerechnet. Diesbezüglich hat auch die Verwaltung im Alternativentwurf die Abrechnung nach Personen/Monaten vorgenommen. Angesichts des Umstandes, dass die Anlage aus 24 Einheiten besteht, ist nicht ersichtlich, dass die Umlage auf Grundlage dieses Schlüssels nicht umsetzbar ist. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen konnte daher die Gemeinschaft die Änderung des Verteilungsschlüssels nicht für die Vergangenheit beschließen, so dass der Beschluss zu TOP 4 nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen hat und daher aufzuheben gewesen wäre.

2. Anfechtung TOP 2 B), 2 C), 3: Die Anfechtung der Beschlüsse zu den TOP 2 B, 2 C sowie 3 wäre nur zum Teil erfolgreich gewesen.

a. Nachdem die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für die Vergangenheit nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen hat, wäre auch die Anfechtung der Jahresabrechnungen insoweit erfolgreich, jedoch nicht in dem beantragten Umfang, sondern lediglich bezogen auf die Einzelabrechnungen im Hinblick auf die Kostenpositionen Müll, Wasser und Abwasser.

b. Die Anfechtung wäre jedoch nur im Hinblick auf die jeweiligen Einzelabrechnungen bzw. –Wirtschaftspläne und hier auch nur im Hinblick auf die beanstandeten Positionen begründet gewesen. Insoweit hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf den Umfang der Ungültigkeitserklärung im Hinblick auf abgrenzbare Positionen ausgeführt (Versäumnisurteil vom 11.05.2012, VZR 193/11, Rn. 13 ff.): „(1) Sinn und Zweck von § 139 BGB ist es, ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit im Übrigen aufrechtzuerhalten, wenn dies dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspricht (…). Bei der Beurteilung, welche Entscheidung die Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte getroffen hätten (…), ist in der Regel davon auszugehen, dass die Parteien das objektiv Vernünftige gewollt hätten (…). Gemessen daran, können die Erwägungen des Berufungsgerichts schon deshalb keinen Bestand haben, weil es regelmäßig dem Willen der Beteiligten entsprechen wird, den im Vordergrund stehenden überwiegenden (nicht zu beanstandenden) Teil des Geschäfts aufrechtzuerhalten, wenn nur ein geringfügiger Teil unwirksam (oder für ungültig zu erklären) ist (vgl. …). Besondere Umstände, die vorliegend eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; auch die Beklagten verweisen auf kein dahingehendes tatsächliches Vorbringen.

(2) Wohnungseigentumsrechtliche Überlegungen untermauern diese Sichtweise. (a) Bei Wohnungseigentumsbeschlüssen liegt eine Unwirksamkeit bzw. Ungültigkeit des gesamten Beschlusses vor, wenn der unbeanstandet gebliebene Teil allein sinnvollerweise keinen Bestand haben kann und nicht anzunehmen ist, dass ihn die Wohnungseigentümer so beschlossen hätten (…). Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits entschieden, dass die Ungültigkeitserklärung auf rechnerisch selbständige und abgrenzbare Teile der Jahresabrechnung beschränkt werden kann, dies insbesondere bei Zugrundelegung eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels gilt und sich eine unzutreffende Kostenverteilung in der Regel nicht auf die Gesamtabrechnung auswirkt, sondern nur auf die Einzelabrechnungen – und dies auch nur in dem Umfang der betroffenen Positionen (…). […]

(b) Die Auffassung des Berufungsgerichts vernachlässigt die typische Interessenlage der Wohnungseigentümer gerade bei Beschlüssen über die Jahresabrechnung. Den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft ist in der Regel daran gelegen, die der Beschlussfassung unterliegenden Angelegenheiten möglichst abschließend auf der Jahresversammlung zu bewältigen und weitere Zusammenkünfte auf das unabdingbare Mindestmaß zu beschränken. Zudem entspricht es einer effizienten und ordnungsgemäßen Verwaltung, Beschlussfassungen über entscheidungsreife Positionen alsbald herbeizuführen und das Beschlossene sodann zügig umzusetzen. Das gilt umso mehr, als bei einem solchen Vorgehen die rechtmäßigen Positionen spätestens nach Durchführung einer Beschlussmängelklage in Bestandskraft erwachsen, womit sie dem (weiteren) Streit entzogen werden und dies auch dann, wenn als Folge der teilweisen Unwirksamkeit oder Ungültigkeit auch der Abrechnungsspitze die Grundlage entzogen wird. Demgegenüber wäre bei Annahme gesamter Nichtigkeit oder Unwirksamkeit – dem Rechtsfrieden unter den Wohnungseigentümer alles andere als zuträglich – abermals die Möglichkeit der Anfechtung sogar mit ganz neuen Begründungen eröffnet. Lässt man es demgegenüber bei der Teilunwirksamkeit bewenden, brauchen sich die Wohnungseigentümer nachfolgend nur noch mit der nachgebesserten Position sowie der daraus resultierenden Abrechnungsspitze (oder einem sich daraus ergebenden Guthaben) zu befassen (…).

(c) Dem mutmaßlichen Willen der Wohnungseigentümer wird die Verneinung der Teilnichtigkeit allerdings dann nicht entsprechen, wenn Mängel vorliegen, die zu einer nicht mehr oder nur noch schwer nachvollziehbaren Restabrechnung führen (…), wie es auch bei einer Vielzahl von Einzelfehlern der Fall sein kann (vgl. auch …). Danach begründet allein die Ungültigkeit der Position über die Verwalterkosten nicht die gesamte Ungültigkeit aller Einzelabrechnungen. Dazu, ob dies im Zusammenspiel mit weiteren Mängeln anzunehmen wäre, hat das Berufungsgericht – auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung konsequent – keine Feststellungen getroffen.

bb) Mit Blick auf die Einzelwirtschaftspläne gilt nichts anderes. Nicht jeder Fehler in Wirtschaftsplänen führt zur Ungültigkeitserklärung des Genehmigungsbeschlusses insgesamt (…). Auch insoweit gilt bei Zugrundelegung eines fehlerhaften Verteilungsschlüssels, dass sich die unzutreffende Kostenverteilung in der Regel nur auf die davon betroffenen Positionen auswirkt (…). Dabei ist bei der Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens die Bedeutung der Einzelwirtschaftspläne in Rechnung zu stellen, wonach mit deren Genehmigung und den zugleich genehmigten in ihnen enthaltenen Zahlungsverpflichtungen die in § 28 Abs. 2 WEG normierte Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers zur Zahlung von Vorschüssen entsteht (…). Das Interesse der Mehrheit der Wohnungseigentümer wird grundsätzlich nicht dahin gehen, wegen der Fehlerhaftigkeit einer oder mehrerer Positionen der Wohnungseigentümergemeinschaft die wesentliche wirtschaftliche Grundlage für das betreffende Wirtschaftsjahr ganz zu entziehen. Vielmehr wird es zur Begründung und Sicherung von Vorschusszahlungen darauf gerichtet sein, diese wenigstens in dem Umfang der beanstandungsfreien Positionen entstehen zu lassen und möglichst die fehlerfreien Positionen dem Streit zu entziehen. So verhält es sich jedenfalls hier, soweit das Berufungsgericht die Gesamtunwirksamkeit der Einzelwirtschaftspläne allein mit der Position der Verwalterkosten begründet.“

So liegt der Fall auch hier: Die beanstandete falsch Anwendung des Abrechnungsschlüssels entfaltet Wirkungen nur für die Müllgebühren, Abwassergebühren und Wasser / allgemein, dies auch nur in den jeweiligen Einzelabrechnungen. Die ordnungsgemäße Erstellung der Gesamt-Jahresabrechnung wird hierdurch jedoch nicht in Frage gestellt: Die gesamt angefallenen Kosten werden durch die Anwendung des falschen Verteilungsschlüssel nicht berührt. Diese sind –  unabhängig von der späteren Frage – jedenfalls angefallen. Denkt man sich die Wahl des Verteilungsschlüssels weg, dann ändert sich an der Gesamtjahresabrechnung erst einmal nichts, denn der Fehler wirkt sich dann erst in der Verteilung der Kosten in den Einzelabrechnungen aus. Auch im Hinblick auf die Einzelabrechnungen ist kein Grund ersichtlich, warum die Einzelabrechnungen nicht lediglich im Hinblick auf die drei beanstandeten Positionen zu beschränken ist, dies lässt sich durch eine einfache Neuberechnung unter Anwendung des zutreffenden Schlüssels beheben. Es liegt auch kein Fall vor, dass eine Vielzahl von Fehlern vorliegt, welche zu einer nicht mehr nachvollziehbaren Abrechnung führen würde. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

3. Im Hinblick auf die Kostenentscheidung waren folgende Punkte maßgeblich: In der Jahresabrechnung 2017 sind Gesamtkosten in Höhe von Euro 75.045,82 enthalten, hiervon entfallen Euro 13.579,28 auf die streitigen Positionen, in der Jahresabrechnungen 2018 sind Euro 67.022,77 enthalten, hieraus entfallen Euro 10.916,40 auf die streitigen Positionen, im Wirtschaftsplan 2019 sind Euro 79.380 enthalten, wovon Euro 11.510 auf die streitigen Positionen entfallen. Für den Beschluss zu TOP 4 ist ein Wertansatz von Euro 10.000 zu machen.

Im Hinblick auf Gesamtkosten (unter Berücksichtigung des Wertes von TOP 4) von Euro 231.448,59 hätte der Kläger mit Euro 46.005,68 obsiegt, mithin mit 20 %.

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 49a, 71 GKG: Nach § 49 a Abs. 1 GKG ist der Streitwert auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Allerdings darf er das Interesse des Klägers an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes seines Interesses nicht überschreiten. Das Gesamtinteresse der Gemeinschaft beläuft sich auf Euro 120.724,29. Insoweit kann auf die Berechnung im Schriftsatz der Beklagten vom 02.12.2019 Bezug genommen werden. Das Interesse des Klägers besteht in der Gesamtbelastung des Klägers durch die Jahresabrechnung (vgl. LG Köln, Beschluss vom 14.04.2010, 29 T 119/09, Rn. 2). Das Interesse des Klägers an der Jahresabrechnung 2017 beläuft sich auf Euro 14.720,80 (Euro 29,44,16 x 5), an der Jahresabrechnung 2018 auf Euro 13.470,85 (Euro 2.694,17 x 5) sowie am Wirtschaftsplan auf Euro 17.732,20 (Euro 3.546,44 x 5) sowie Euro 10.000 für die Anfechtung von TOP 4. Insgesamt ergibt sich hieraus ein Interesse des Klägers in Höhe von Euro 55.923,85. Der Streitwert ist daher auf diesen Betrag begrenzt.

 

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