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Renovierungsklausel in Mietvertrag unwirksam – Schadensersatz für Schönheitsreparaturen

AG Bautzen – Az.: 20 C 6/20 – Urteil vom 18.12.2020

Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Schadensersatz nach Durchführung von Schönheitsreparaturen trotz … unwirksamer Verpflichtung hierzu.

Die Parteien sind durch einen Mietvertrag vom 4.7.2016 verbunden. Der Mietvertrag ist als „Individual-Mietvertrag“ überschrieben. In § 14 Abs. 1 enthält er folgende Regelung: „Bei Ende des Mietverhältnisses hat der Mieter die Mietsache vollständig geräumt, renoviert und bezugsfertig zurückzugeben.“

Bei Wohnungsübergabe am 1.9.2016 unterzeichnete die Klägerin ein Übergabeprotokoll, welches eine „Individual, zwischen Mieter und Vermieter ausgehandelte Vereinbarung“ enthielt, wonach u. a. bei Beendigung des Mietverhältnisses und Übergabe der Wohnung an den Vermieter der Mieter die Mietsache vollständig geräumt, fachmännisch renoviert und bezugsfertig zurückzugeben habe.

Die Klägerin kündigte den Mietvertrag zum 30.6.2019.

Ein erster Übergabetermin fand am 3.7.2019 statt. Der Vertreter der vom Beklagten beauftragten Hausverwaltung … lehnte die Übergabe wegen des aus seiner Sicht nicht deckenden weißen Farban-strichs in Küche, Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Flur ab. Er berief sich hierbei auf § 14 des Mietvertrags.

Ein erneuter Übergabetermin fand sodann am 19.7.2019 statt. Auch hier wurde der Anstrich erneut beanstandet. Die Klägerin lehnte einen erneuten Anstrich ab und übergab die Schlüssel.

Die Klägerin ist der Auffassung, die vereinbarte Schönheitsreparaturklausel sei als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, weshalb sie die für die Renovierung entstandenen Aufwendungen vom

Beklagten ersetzt verlangen könne. Sie behauptet, sie habe mit sieben weiteren Personen an mehreren Tagen bis zum 18.7.2019 Abklebe- und Malerarbeiten durchgeführt und Türrahmen gestrichen.

Insgesamt habe sie hierfür mindestens zwölf Stunden aufgewendet. Für Materialien seien mindestens 181,00 EUR für drei große Farbeimer, Abdeckfolie und Klebeband angefallen.

Der Beklagte behauptet, der Mietvertrag sei mit seiner Hausverwaltung individuell besprochen und verhandelt worden. Die Klägerin habe dies durch entsprechende Erklärung auch bestätigt. Zudem habe es jedenfalls eine wirksame Renovierungsvereinbarung im Übergabetermin bei Einzug der Klägerin gegeben. Aufwendungen seien zudem jedenfalls deshalb nicht geschuldet, weil die Malerarbeiten vollkommen mangelhaft erfolgt und daher für den Beklagten wertlos gewesen seien. Da die Helfer von der Klägerin kein Geld erhalten hätten, seien der Klägerin zudem schon keine Aufwendungen entstanden.

Aus den Gründen:

Die Klage ist… begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung i.H.v. 781,00 EUR. …

3. [Der Klägerin steht] ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen der nicht [geschul-deten] Durchführung von Schönheitsreparaturen aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 BGB dem Grunde nach zu.

Die streitgegenständliche Schönheitsreparaturklausel in § 14 Abs. 1 des Mietvertrags ist nämlich unwirksam. Durch die dennoch erfolgte, pflichtwidrige Verwendung der Klausel ist der Beklagte der Klägerin aufgrund der rechtsgrundlos durchgeführten Arbeiten zum Schadensersatz verpflichtet. Die

Durchführung der Arbeiten erfolgte ersichtlich nur in der falschen Annahme der Klägerin, die Arbeiten seien von ihr tatsächlich geschuldet.

a) Der hier streitgegenständliche Mietvertrag ist zunächst entgegen der Überschrift als Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnen. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat das für die Annahme einer Individualvereinbarung erforderliche Aushandeln weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen. Auch kann der Beklagte sich nicht mit Erfolg auf eine Bestätigung des Aushandelns im Mietvertrag selbst berufen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 25.6.1992 – VII ZR 128/91 -, Rn. 17) liegt ein Aushandeln dann vor, wenn der Verwender den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen „gesetzesfremden“ Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können (Senatsurt. v. 9.10.1986 – VII ZR 245/85 = BauR 1987, 113, 114 = ZfBR 1987, 40, 41 und v. 10.10.1991 – VII ZR 289/90 = BauR 1992, 226, 228 = ZfBR 1992, 63, 64, jew. m.w.N.). Es genügt nicht, wenn der Verwender den Inhalt einer Klausel lediglich erläutert und erörtert und dies den Vorstellungen des Partners entspricht.

Dass vorliegend ein Aushandeln dahingehend erfolgt wäre, dass der Beklagte bzw. die von ihm beauftragte Hausverwaltung die Klägerin auf die von der gesetzlichen Regelung abweichenden Bestimmungen des Mietvertrags hingewiesen hätte, hierzu die rechtliche und wirtschaftliche Tragweite, und der

Mieter hier eigene Vorschläge unterbreiten konnte, ist trotz entsprechender Hinweise … weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Soweit sich der Beklagte auf die im Mietvertrag enthaltene und ebenfalls formularmäßige Erklärung beruft, dass die Bestimmungen im Einzelnen ausgehandelt worden seien, ist diese Bestimmung nach dem Vorgesagten ebenfalls als Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnen und daher nach § 309 Nr. 12 b) BGB unwirksam. Ihr kommt insbesondere keine gegenteilige Beweiskraft zu (BGH, Urt. v. 28.1.1987 – IVa ZR 173/85 -, BGHZ 99, 374-384 -).

b) Soweit der Beklagte darüber hinaus der Auffassung ist, jedenfalls aus dem Übergabeprotokoll bei Einzug vom 1.9.2016 folge eine wirksame Endrenovierungspflicht, handelt es sich hierbei bei dem maßgeblichen, eindeutig maschinenschriftlich vorformulierten Absatz erkennbar ebenfalls um eine All- gemeine Geschäftsbedingung. Ein individuelles Aushandeln ist von dem darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten hier … weder vorgetragen noch ersichtlich.

Vielmehr bestätigt sich aufgrund der Vorlage des Übergabeprotokolls mit dem Nachmieter sogar, dass ein inhaltlich identischer Text auch [dort] Einzug gefunden hat. Zwar ist dort der Passus zum Umfang der Renovierung gestrichen; der wesentliche Teil der Klausel, nämlich dass die Renovierung durch den Mieter vorzunehmen ist, wird hiervon jedoch nicht berührt. c) Die somit als Allgemeine Geschäftsbedingung einzuordnende Renovierungsklausel in § 14 Abs. 1 des Mietvertrags ist als solche unwirksam. Eine Endrenovierungsverpflichtung des Mieters unabhängig vom tatsächlichen Zustand des Mietobjekts bei Ende des Mietverhältnisses benachteiligt diesen unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB. Denn sie verpflichtet den Mieter, die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses auch dann zu renovieren, wenn er dort nur kurze Zeit gewohnt hat oder erst kurz zuvor (freiwillig) Schönheitsreparaturen vorgenommen hat, so dass bei einer Fortdauer des Mietverhältnisses für eine (erneute) Renovierung kein Bedarf bestünde (BGH, Urt. v. 12.9.2007, VIII ZR 316/06 [= WuM 2007, 682]).

Es verbleibt daher nach § 306 Abs. 2 BGB bei der gesetzlichen Grundregelung, dass nur eine Rückgabe in Natur, jedoch nicht die Durchführung von Schönheitsreparaturen geschuldet war.

d) Das Verschulden bei der Verwendung einer unwirksamen Klausel ist nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich zu vermuten. Auch hat der Beklagte, trotz Hinweises …, nichts zu seiner Entlastung vor- getragen.

Unabhängig davon ist das Gericht auf Grundlage der offenkundigen Umgehungsversuche der Hausverwaltung der Beklagten aber auch davon überzeugt, dass diese ganz bewusst an sich unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen als Individualvereinbarungen auszugeben versucht. Dies ergibt sich namentlich daraus, dass es sich sowohl bei dem Mietvertrag insgesamt als auch bei der entsprechenden Renovierungsvereinbarung … offensichtlich um von der Hausverwaltung bereits allgemein und maschinenschriftlich vorformulierte Texte handelte, die durch ausdrückliche und mehrfache Hinweise auf eine vermeintliche Individualvereinbarung sowie ein entsprechendes angebliches Verhandeln als solche ausgegeben werden sollten, wohingegen es für das tatsächliche Vorliegen von Individualvereinbarungen an jeglichen Anhaltspunkten fehlt … Es drängt sich damit für das Gericht gerade- zu auf, dass hier das mieterschützende AGB-Recht ganz bewusst und in rechtswidriger Weise umgangen werden sollte.

Ein etwaiges Verschulden seiner Hausverwaltung musste sich der Beklagte im Übrigen nach § 278 BGB zurechnen lassen.

4. … Die Klägerin hat … zur Überzeugung des Gerichtes nachgewiesen, dass ihr mindestens Aufwendungen i. H. v. 600,00 EUR für Arbeitskraft und mindestens i. H.v. 181,00 EUR für Material entstanden sind.

a) So haben die Zeugen … glaubhaft und übereinstimmend bestätigen können, dass für die Arbeiten drei Eimer weißer Farbe angeschafft worden seien. Auch sei Abdeck- und Abklebematerial sowie Werkzeuge vorhanden gewesen. Das Gericht schätzt das eingesetzte Material insoweit auf mindestens 181,00 EUR. …

b) Darüber hinaus steht der Klägerin eine Aufwandsentschädigung i. H. v. mindestens 600,00 EUR für den eigenen Arbeitskrafteinsatz sowie denjenigen ihrer Verwandten und Bekannten zu.

aa) Soweit die Arbeiten für die Klägerin kostenfrei durch Verwandte und Bekannte der Klägerin durch- geführt worden sind, steht dies einem entsprechenden Anspruch insbesondere nicht entgegen. Zwar ist das deutsche Schadensersatzrecht durch ein Verbot der Überkompensation geprägt, d. h. es sind dem Geschädigten nur solche Schäden auszugleichen, die tatsächlich in seinem Vermögen aufgrund des Schadensereignisses eingetreten sind; ebenso anerkannt ist es jedoch, dass das Verbot der Überkompensation nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen darf und in diesem Fällen jedenfalls ein sog. normativer Schaden anzunehmen ist.

Ein solcher Fall liegt vor, wenn – wie hier – durch Dritte Leistungen erbracht werden, die erkennbar nur dem Geschädigten und nicht dem Schädiger zugute kommen sollen. Da die Klägerin durchaus auch berechtigt gewesen wäre, die Arbeiten stattdessen kostenpflichtig durch eine Fachfirma durch- führen zu lassen, kann es dem Beklagten als Schädiger hier jedoch nicht zugute kommen, dass Dritte in Form von Verwandten und Bekannten die Arbeiten für die Klägerin kostenfrei erbracht haben.

bb) Der Höhe nach schuldet der Beklagte insoweit einen Betrag, den die Klägerin bei Bezahlung der

Arbeitsleistung ihrer Verwandten oder Bekannten hätte aufwenden müssen. Diesen kann das Gericht dabei nach § 287 ZPO schätzen (BGH, RE in Mietsachen v. 30.10.1984 – VIII ARZ 1/84 – BGHZ 92, 363-373 [= WuM 1985, 46] Rn. 31). Das Gericht erachtet insoweit einen Stundenlohn i.H.v. 10,00 EUR als angemessen.

cc) Hieraus ergibt sich der erforderliche Nachweis von insgesamt jedenfalls 60 Einzel-Arbeitsstunden à 10,00 EUR. Diesen Nachweis hat die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts erbracht. …

dd) Ein Arbeitsaufwand von 60 Einzel-Arbeitsstunden für eine 67,84 m2 große Wohnung erscheint unter der Prämisse, dass die Arbeiten aufgrund der Beanstandungen durch die Hausverwaltung des Beklagten zudem doppelt ausgeführt werden mussten, im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO ab- schließend auch als plausibel.

5. Demgegenüber war es nicht entscheidungserheblich, ob die von der Klägerin vorgenommenen Schönheitsreparaturen fachgerecht erfolgt waren. Anders als bei einem Anspruch auf bereicherungs- rechtlicher Grundlage nach §§ 812 ff. BGB kommt es nicht darauf an, ob eine entsprechende Bereicherung beim Beklagten tatsächlich eingetreten ist. Maßgeblich ist allein der der Klägerin (normativ) entstandene Vermögensschaden. …

 

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