Skip to content

Rückbau Wohnungseigentum: Nachträgliche Genehmigung kostet Nachbarn tausende Euro Prozesskosten

Wegen einer unerlaubten Überdachung des Nachbarn wird vor Gericht gezogen und gewonnen. Doch während der Rechtsstreit noch läuft, wird das Bauwerk überraschend legalisiert – und plötzlich ist der eigentliche Grund für den Ärger verschwunden. Wer aber zahlt all die Anwaltskosten für einen Kampf, der sich gewissermaßen von selbst erledigt hat?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 318 S 37/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Hamburg
  • Datum: 04.11.2024
  • Aktenzeichen: 318 S 37/22
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Zivilprozessrecht (Kostenverteilung), Baurecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine Wohnungseigentümerin. Sie forderte den Abriss einer von Nachbarn ohne Genehmigung gebauten Überdachung.
  • Beklagte: Die Nachbarn der Klägerin und ebenfalls Wohnungseigentümer. Sie hatten eine Überdachung ohne die nötigen Genehmigungen gebaut und wehrten sich gegen deren Abriss.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Eine Wohnungseigentümerin klagte auf Abriss einer von Nachbarn unerlaubt gebauten Überdachung. Während des Berufungsverfahrens erlaubte die Wohnungseigentümergemeinschaft die Überdachung nachträglich, und die nötige Baugenehmigung wurde erteilt. Die Parteien erklärten den Streit danach für beendet, und das Gericht musste nur noch über die Verteilung der Prozesskosten entscheiden.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Wer muss die Gerichtskosten tragen, wenn ein Rechtsstreit um eine unerlaubte bauliche Veränderung im Wohnungseigentum nachträglich durch eine Genehmigung und Erlaubnis der Gemeinschaft beendet wird?

Wie hat das Gericht entschieden?

  • Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung: Das Landgericht Hamburg entschied, dass die Beklagten den Großteil der Kosten des Rechtsstreits tragen müssen.
  • Kernaussagen der Begründung:
    • Kosten des Berufungsverfahrens: Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens vollständig, da die nachträgliche Erlaubnis der Eigentümergemeinschaft und die Baugenehmigung erst nach Einlegung der Berufung erfolgten und die Beklagten ohne diese nachträglichen Ereignisse voraussichtlich unterlegen gewesen wären.
    • Kosten der ersten Instanz: Die Beklagten tragen 91% der Kosten der ersten Instanz, da ihre Berufung auch gegen das erstinstanzliche Urteil ohne die nachträgliche Erledigung keinen Erfolg gehabt hätte. Lediglich ein kleiner Teil der Klage (bezüglich Heizstrahler) war von vornherein abgewiesen worden.
    • Klagerecht der Klägerin: Die Klägerin war berechtigt, den Rückbauanspruch geltend zu machen, da ihr Recht dazu für bereits anhängige Verfahren trotz der neuen Regelungen im Wohnungseigentumsgesetz (WEMoG) fortbestand.
    • Notwendigkeit der Baugenehmigung: Die streitige Überdachung war nach Ansicht des Gerichts nicht „verfahrensfrei“, sondern hätte von Anfang an eine Baugenehmigung benötigt, was auch die Baubehörde durch die spätere Erteilung der Genehmigung bestätigte.
    • Keine Markise: Die Überdachung konnte nicht als „Markise“ eingestuft werden und war somit nicht durch die Gemeinschaftsordnung oder frühere Beschlüsse erlaubt.
  • Folgen für die Beklagte:
    • Die Beklagten müssen die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
    • Die Beklagten müssen 91% der Kosten des Verfahrens in erster Instanz tragen.

Der Fall vor Gericht


Wie wurde aus einem Nachbarschaftsstreit um eine Überdachung ein juristischer Wettlauf gegen die Zeit?

In einer Hamburger Wohnungseigentümergemeinschaft beginnt eine Geschichte, die alltäglich erscheint, sich aber zu einer komplexen juristischen Auseinandersetzung entwickelt. Zwei Wohnungseigentümer, die Beklagten, errichten auf ihrem Teil des Grundstücks eine Überdachung. Eine andere Eigentümerin, die Klägerin, ist damit nicht einverstanden. Sie sieht in dem Bauwerk eine unzulässige Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums und verlangt dessen vollständigen Rückbau.

Holzpavillon symbolisiert Rückbau Wohnungseigentum Kosten bei ungenehmigter baulicher Veränderung im Garten.
Ein Nachbar baut an? Bevor Sie die Nachbarschaftsregeln über die Köpfe hinweg brechen, klären Sie die rechtlichen Hürden und Genehmigungen für bauliche Veränderungen im Wohnungseigentum. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Fronten verhärten sich, und der Fall landet vor Gericht. Das Amtsgericht gibt der Klägerin zunächst Recht und verurteilt die Beklagten zum Abriss. Doch während die Beklagten Berufung gegen dieses Urteil einlegen, geschieht im Hintergrund etwas Entscheidendes: Die Eigentümergemeinschaft erteilt dem umstrittenen Bauwerk nachträglich ihren Segen, und kurz darauf folgt auch die offizielle Baugenehmigung der Stadt. Plötzlich war der Grund für den Streit verschwunden. Doch eine Frage blieb: Wer bezahlt die Anwälte und die Gerichtskosten für einen Kampf, der sich gewissermaßen von selbst erledigt hat?

Konnte eine einzelne Eigentümerin nach einer Gesetzesreform überhaupt noch klagen?

Die Beklagten sahen ihre Chance in einer grundlegenden Gesetzesänderung, dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG), das am 1. Dezember 2020 in Kraft trat. Ihre zentrale Verteidigungslinie im Berufungsverfahren war, dass die Klägerin gar nicht mehr die Befugnis hatte, sie zu verklagen. Nach dem neuen Recht, so ihr Argument, könne nur noch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Ganzes solche Ansprüche gerichtlich durchsetzen. Juristen nennen dies die Prozessführungsbefugnis – also die formale Erlaubnis, einen Rechtsstreit im eigenen Namen vor Gericht zu führen. Die Beklagten argumentierten, dass diese Befugnis seit der Reform bei der Gemeinschaft liege und nicht mehr bei einer einzelnen Eigentümerin.

Zusätzlich behaupteten sie, der Klägerin fehle auch die Aktivlegitimation. Dieser Begriff beschreibt das materielle Recht selbst, also die Frage, ob jemand tatsächlich der Inhaber des Anspruchs ist. Da sich die Pflichten aus der Gemeinschaftsordnung nach neuem Recht primär an die Gemeinschaft richten, sei auch der Anspruch auf Einhaltung dieser Regeln eine Sache der Gemeinschaft, nicht der einzelnen Klägerin.

Warum durfte die Klägerin trotz neuer Gesetzeslage den Rückbau fordern?

Das Landgericht Hamburg wischte diese Argumente vom Tisch. Es folgte einer höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), die für solche Übergangsfälle eine faire Lösung gefunden hat. Der Grundgedanke ist einfach: Ein Rechtsstreit, der bereits vor einer Gesetzesänderung begonnen wurde, soll nicht plötzlich durch die neuen Regeln zunichtegemacht werden. Das Gericht wandte daher sinngemäß eine Übergangsregel an, die besagt: Die Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Eigentümers, die nach altem Recht bestand, bleibt auch nach der Gesetzesreform so lange bestehen, bis die Gemeinschaft der Eigentümer dem Gericht ausdrücklich mitteilt, dass sie den Fall selbst übernehmen will oder dem Vorgehen widerspricht.

Das ist vergleichbar mit einem Staffellauf: Nur weil die Regeln für den nächsten Läufer geändert wurden, darf der aktuelle Läufer seinen Abschnitt noch nach den alten Regeln zu Ende laufen. Im vorliegenden Fall hatte die Gemeinschaft nie einen solchen entgegenstehenden Willen geäußert. Im Gegenteil, sie hatte die Klägerin sogar ermächtigt, die Ansprüche für die Gemeinschaft geltend zu machen.

Auch das Argument der fehlenden Aktivlegitimation verfing nicht. Das Gericht stellte klar, dass der grundlegende Anspruch eines Eigentümers auf Schutz vor Störungen seines Eigentums (§ 1004 BGB) durch die Reform nicht verschwunden ist. Solange die Klägerin prozessführungsbefugt war, blieb sie auch Inhaberin dieses Abwehranspruchs. Die Klage war also von Anfang an zulässig gewesen.

War die Überdachung ursprünglich tatsächlich unzulässig?

Nachdem das Gericht geklärt hatte, dass die Klägerin klagen durfte, wandte es sich der Kernfrage zu: War die Überdachung zum Zeitpunkt der Klage und des ersten Urteils wirklich illegal? Die Antwort des Gerichts war ein klares Ja.

Die Gemeinschaftsordnung der Wohnanlage enthielt eine präzise Regelung: Bauliche Veränderungen sind nur dann ohne Zustimmung erlaubt, wenn sie baurechtlich zulässig sind. Die Beklagten hatten die Überdachung jedoch ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet. Ihr Versuch, sich darauf zu berufen, der Bau sei genehmigungsfrei gewesen, scheiterte. Das Gericht schloss sich der Ansicht der Vorinstanz an, dass die Konstruktion sehr wohl einer Genehmigung bedurfte. Als entscheidendes Indiz wertete es den Umstand, dass die Baubehörde später tatsächlich eine Baugenehmigung erteilt hat – ein klares Zeichen dafür, dass sie diese für notwendig hielt. Da die Genehmigung zum Zeitpunkt der Klage und auch bei Einlegung der Berufung noch nicht vorlag, war der Bau ein klarer Verstoß gegen die Gemeinschaftsordnung und damit unzulässig. Der Rückbauanspruch der Klägerin war somit ursprünglich vollkommen berechtigt.

Handelte es sich bei der Konstruktion nicht einfach um eine erlaubte Markise?

Die Beklagten hatten noch ein weiteres Argument in petto. Sie behaupteten, ihre Überdachung sei im Grunde wie eine große Markise zu behandeln. Für Markisen gäbe es eine Sonderregelung in der Gemeinschaftsordnung oder zumindest einen alten Beschluss, der deren Anbringung erlaube. Das Gericht erteilte dieser kreativen Auslegung eine klare Absage. Es verwies auf die Rechtsprechung, die eine feste, im Boden verankerte Konstruktion aus Pfosten und Querträgern klar von einer Markise unterscheidet. Eine Markise ist im Kern eine auf- und einrollbare Stoffbahn. Die feste Struktur der Überdachung blieb jedoch auch dann stehen, wenn das Sonnensegel eingefahren war. Sie war damit baulich etwas völlig anderes. Ob die Regelungen für Markisen überhaupt gültig waren, musste das Gericht daher gar nicht mehr prüfen – die Konstruktion war schlichtweg keine.

Wer musste am Ende die Kosten für einen Rechtsstreit tragen, dessen Anlass verschwunden war?

Dies war die letzte und entscheidende Frage. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, musste das Gericht nach „billigem Ermessen“ über die Kosten entscheiden. Das bedeutet, es prüft, wer den Prozess ohne das erledigende Ereignis – hier die nachträgliche Genehmigung – voraussichtlich gewonnen hätte. Die Logik des Gerichts war dabei glasklar.

Ohne den Beschluss der Eigentümerversammlung und die spätere Baugenehmigung wäre die Berufung der Beklagten erfolglos geblieben. Die Klägerin hatte von Anfang an im Recht gehandelt, denn die Überdachung war zum Zeitpunkt des gesamten bisherigen Verfahrens unzulässig errichtet worden. Die Beklagten hatten den Konflikt durch ihr vertragswidriges Verhalten erst verursacht. Das Ereignis, das den Streit beendete, trat erst ein, als das Berufungsverfahren bereits lief. Daher trafen sie die Hauptverantwortung.

Das Gericht fällte eine differenzierte Kostenentscheidung:

  • Die Kosten des Berufungsverfahrens mussten die Beklagten vollständig tragen. Sie hätten dieses Verfahren ohne die nachträgliche Genehmigung verloren.
  • Die Kosten der ersten Instanz wurden aufgeteilt. Die Klägerin musste 9 % tragen, die Beklagten 91 %. Dieser kleine Anteil für die Klägerin ergab sich daraus, dass sie in erster Instanz nicht mit allen ihren Forderungen durchgedrungen war; ihr Antrag auf Rückbau von Heizstrahlern war abgewiesen worden. Da dieser Teil der Klage aber nur einen geringen Wert ausmachte, fiel der überwiegende Kostenteil auch hier den Beklagten zur Last.

Am Ende stand eine Entscheidung, die einem einfachen Gerechtigkeitsprinzip folgt: Wer durch ein zunächst regelwidriges Handeln einen kostspieligen Rechtsstreit auslöst, muss auch dann dafür aufkommen, wenn die Regeln nachträglich zu seinen Gunsten geändert werden.



Die Schlüsselerkenntnisse

Gesetzesreformen können laufende Rechtsstreitigkeiten nicht rückwirkend ihrer rechtlichen Grundlage berauben.

  • Übergangsschutz bei Prozessführungsbefugnis: Wer vor einer Gesetzesänderung rechtmäßig einen Prozess beginnt, behält seine Klagebefugnis auch nach der Reform, solange die betroffene Gemeinschaft nicht ausdrücklich widerspricht oder den Fall selbst übernimmt.
  • Nachträgliche Genehmigungen heilen keine ursprünglichen Rechtsverstöße: Eine später erteilte Baugenehmigung macht ein zuvor unzulässiges Bauwerk nicht rückwirkend rechtmäßig – entscheidend bleibt der Zustand zum Zeitpunkt der ursprünglichen Rechtsverletzung.
  • Kostenverteilung richtet sich nach hypothetischem Prozessausgang: Erledigt sich ein Rechtsstreit durch nachträgliche Ereignisse, trägt derjenige die Kosten, der ohne diese Entwicklung den Prozess verloren hätte – unabhängig davon, dass der Streitgrund später wegfällt.

Wer durch regelwidriges Verhalten einen Rechtsstreit verursacht, bleibt auch dann kostenpflichtig, wenn sich die Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten wandelt.


Stehen Sie nach einer nachträglich genehmigten baulichen Veränderung im Wohnungseigentum vor der Frage der Kostenverteilung in einem Gerichtsverfahren? Erhalten Sie eine erste Orientierung, indem Sie Ihren individuellen Fall in einer unverbindlichen Ersteinschätzung prüfen lassen.


Unsere Einordnung aus der Praxis

Was auf den ersten Blick wie ein Nachbarschaftszank um eine Überdachung wirkt, entpuppt sich als messerscharfe Lektion in Kostenrisiko und Verantwortung. Dieses Hamburger Urteil macht unmissverständlich klar: Wer durch vertragswidriges Handeln einen Rechtsstreit initiiert, zahlt die Zeche – selbst wenn das Bauwerk später doch noch genehmigt wird. Das Gericht hat hier sauber analysiert, dass die ursprüngliche Rechtswidrigkeit maßgeblich für die Verteilung der Prozesskosten ist. Das ist ein klares Signal an alle, die meinen, man könne Regeln erst brechen und dann nachträglich legalisieren, ohne dafür geradestehen zu müssen: Das juristische System vergisst nicht, wer den ersten Stein geworfen hat.

Informationsgrafik zu FAQ Mietrecht mit Waage, Buch und dem Schriftzug "Häufig gestellte Fragen".

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie wirken sich Gesetzesänderungen auf bereits laufende Gerichtsverfahren aus?

Grundsätzlich werfen Gesetzesänderungen bereits begonnene Gerichtsverfahren nicht einfach über den Haufen. Auch wenn ein neues Gesetz in Kraft tritt, während ein Rechtsstreit läuft, bestimmt das Prinzip der Rechtssicherheit oft, dass der Fall weiterhin nach den Regeln behandelt wird, die beim Start des Verfahrens galten.

Stellen Sie sich einen Staffellauf vor: Nur weil die Regeln für den nächsten Läufer geändert wurden, darf der aktuelle Läufer seinen Abschnitt noch nach den alten Regeln zu Ende laufen. Das Team müsste ausdrücklich mitteilen, dass es den Läufer zurückzieht oder die Regeln für ihn sofort gelten sollen.

Gerichte wenden bei solchen Übergangsfällen eine faire Lösung an, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Das bedeutet beispielsweise, dass die Befugnis einer einzelnen Partei, einen Rechtsstreit im eigenen Namen zu führen (juristisch „Prozessführungsbefugnis“ genannt), nach altem Recht bestehen bleibt. Dies gilt auch dann, wenn das neue Gesetz diese Befugnis nun einer anderen Partei, etwa einer Wohnungseigentümergemeinschaft, zuschreibt. Diese alte Befugnis bleibt erhalten, solange die neu zuständige Partei nicht ausdrücklich mitteilt, den Fall selbst übernehmen oder ihm widersprechen zu wollen.

Diese Regelung stellt sicher, dass laufende Verfahren nicht willkürlich unterbrochen werden und die Parteien Vertrauen in die Stabilität des Rechtsstaates haben können.


zurück zur FAQ Übersicht

Wer trägt die Gerichtskosten, wenn sich ein Rechtsstreit vor Urteilsverkündung von selbst erledigt?

Wenn sich ein Rechtsstreit erledigt, bevor ein Urteil fällt, entscheidet das Gericht, wer die Kosten trägt, indem es prüft, wer den Prozess ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich gewonnen hätte. Es macht die Entscheidung nach „billigem Ermessen“, also nach einer fairen und angemessenen Einschätzung der ursprünglichen Lage.

Stellen Sie sich vor, jemand verursacht einen Unfall, und Sie verklagen ihn auf Schadenersatz. Während das Verfahren läuft, repariert der Verursacher den Schaden plötzlich selbst. Obwohl der Schaden nun behoben ist, bleibt die Tatsache bestehen, dass der Verursacher den Unfall verursacht hat und Sie die Klage ohne seine Reparatur gewonnen hätten. Daher trägt er auch die Kosten des Rechtsstreits.

Die Gerichte schauen also genau darauf, wie die rechtliche Situation war, als der Streit begann, und wer den Konflikt durch sein Verhalten ursprünglich ausgelöst hat. Es geht darum, wer ohne die spätere Änderung, die den Streit beendet hat, voraussichtlich im Recht gewesen wäre. Die Parteien tragen die Verantwortung für die Kosten, die sie durch ihr Handeln zum Zeitpunkt der Klageerhebung verursacht haben. So wurde die Überdachung im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Klage und auch bei der Berufung unzulässig errichtet.

Dieses Vorgehen stellt sicher, dass derjenige, der einen unnötigen Rechtsstreit durch sein anfänglich regelwidriges Verhalten auslöst, auch die finanziellen Folgen trägt, selbst wenn sich die Situation später ändert.


zurück zur FAQ Übersicht

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei baulichen Veränderungen ohne erforderliche Genehmigungen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft?

Bauliche Veränderungen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft sind komplex und erfordern meist sowohl die Zustimmung der Miteigentümer als auch behördliche Genehmigungen. Fehlen diese notwendigen Zustimmungen oder Baugenehmigungen, riskieren Sie einen Anspruch auf Rückbau durch die Miteigentümer oder die Gemeinschaft.

Stellen Sie sich eine bauliche Veränderung ohne die nötigen Genehmigungen wie einen „Schwarzbau“ auf dem eigenen Grundstück vor. Selbst wenn er noch so schön ist, können die Bauaufsicht oder die Nachbarn den Abriss fordern, wenn die Regeln nicht eingehalten wurden. Im Wohnungseigentum ist es ähnlich, nur eben im Kontext einer Gemeinschaft.

Wie der Fall einer Überdachung in Hamburg zeigt, war die Errichtung eines Bauwerks ohne die erforderliche Baugenehmigung und entgegen der Gemeinschaftsordnung ein klarer Verstoß. Eine solche unzulässige Veränderung löst einen berechtigten Anspruch auf Rückbau aus. Das bedeutet, Sie müssen das Bauwerk auf eigene Kosten entfernen oder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn der Bau später eventuell genehmigt wird, denn die ursprüngliche Regelwidrigkeit bleibt bestehen und hat den Konflikt verursacht.

Deshalb ist es entscheidend, vor Beginn von Baumaßnahmen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft immer die Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung und das Bauordnungsrecht genau zu prüfen und alle nötigen Genehmigungen einzuholen. So vermeiden Sie kostspielige Rückbauverpflichtungen und langwierige Rechtsstreitigkeiten, deren Kosten am Ende der Verursacher tragen muss.


zurück zur FAQ Übersicht

Wer ist befugt, Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtlich geltend zu machen?

Nach dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) muss in der Regel die Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzes Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung gerichtlich verfolgen. Einzelne Eigentümer können viele solche Ansprüche, wie etwa den Rückbau unzulässiger baulicher Veränderungen, nicht mehr allein geltend machen.

Stell dir das wie bei einem Fußballteam vor: Vor der Gesetzesreform konnte oft jeder Spieler selbständig entscheiden, einen Regelverstoß des Gegners direkt beim Schiedsrichter anzuzeigen. Nach der Reform ist es eher so: Die Spieler können zwar Fehler bemerken und melden, aber die offizielle Beschwerde beim Schiedsrichter (dem Gericht) muss vom Kapitän des Teams (der Gemeinschaft) eingereicht werden.

Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG), das im Dezember 2020 in Kraft trat, hat die Zuständigkeiten grundlegend verschoben. Wo früher einzelne Eigentümer, die einen Verstoß bemerkten, direkt klagen konnten, muss nun in vielen Fällen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Ganzes aktiv werden. Juristisch spricht man davon, dass die Gemeinschaft nun die sogenannte „Prozessführungsbefugnis“ besitzt – also die formale Erlaubnis, einen Rechtsstreit im eigenen Namen vor Gericht zu führen.

Auch die Frage, wem der Anspruch inhaltlich zusteht (die „Aktivlegitimation“), richtet sich nach den neuen Regeln primär an die Gemeinschaft. Es gibt jedoch Übergangsregeln für bereits laufende Verfahren, die unter altem Recht begonnen wurden.

Diese Regelung soll sicherstellen, dass die Gemeinschaft als Einheit handelt und ihre Interessen gemeinsam vertritt, anstatt dass einzelne Mitglieder isoliert vorgehen.


zurück zur FAQ Übersicht

Welche Rolle spielt die Prozessführungsbefugnis bei der Geltendmachung von Ansprüchen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft?

Die Prozessführungsbefugnis regelt, wer einen Anspruch vor Gericht durchsetzen darf, und ihre Rolle in einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat sich durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) grundlegend verändert. Für Wohnungseigentümer ist oft unklar, wer im Streitfall überhaupt klagen darf. Nach dem WEMoG muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer viele Ansprüche nun selbst geltend machen, nicht mehr einzelne Eigentümer.

Stellen Sie sich einen Sportverein vor, der gegen einen anderen Verein klagt. Der Vorstand, also die Gemeinschaft, muss die Klage einreichen, auch wenn ein einzelnes Mitglied den Anlass dafür gegeben hat. Das individuelle Mitglied kann nicht einfach selbst im Namen des Vereins klagen.

Früher konnten einzelne Eigentümer Ansprüche, die eigentlich die gesamte Gemeinschaft betrafen, oft selbst vor Gericht verfolgen. Seit der Gesetzesreform im Dezember 2020 liegt diese formale Erlaubnis, also die Prozessführungsbefugnis, grundsätzlich bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Ganzes. Das bedeutet, die Gemeinschaft handelt nun als eine Einheit und muss die meisten Klagen, die das Gemeinschaftseigentum oder die Einhaltung der Gemeinschaftsordnung betreffen, selbst einreichen. Eine einzelne Person kann dies nicht mehr ohne Weiteres tun. Bevor Sie als Wohnungseigentümer einen Anspruch gerichtlich verfolgen, prüfen Sie daher immer, ob es sich um einen rein individuellen oder einen gemeinschaftlichen Anspruch handelt. Ist es ein Anliegen der Gemeinschaft, sollten Sie die Einberufung einer Eigentümerversammlung anstreben, um die Klärung der Zuständigkeiten zu ermöglichen.

Diese zentrale Zuständigkeit schafft eine einheitliche Rechtsvertretung und schützt die Interessen aller Eigentümer.


zurück zur FAQ Übersicht

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Waage, Richterhammer und ein Buch veranschaulichen das Glossar Mietrecht mit einfach erklärten Fachbegriffen.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Aktivlegitimation

Die Aktivlegitimation beschreibt das materielle Recht einer Person, einen bestimmten Anspruch vor Gericht geltend zu machen. Es geht um die Frage, ob jemand tatsächlich der rechtmäßige Inhaber des eingeklagten Anspruchs ist. Seit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) richten sich viele Pflichten aus der Gemeinschaftsordnung primär an die Gemeinschaft, weshalb auch die entsprechenden Ansprüche grundsätzlich der Gemeinschaft zustehen.

Beispiel: Die Beklagten argumentierten, dass der Klägerin die Aktivlegitimation fehle, da der Anspruch auf Einhaltung der Gemeinschaftsordnung nach neuem Recht bei der Gemeinschaft liege und nicht mehr bei der einzelnen Eigentümerin.

Zurück zur Glossar Übersicht

Baugenehmigung

Eine Baugenehmigung ist die behördliche Erlaubnis, ein bestimmtes Bauvorhaben durchführen zu dürfen. Sie stellt sicher, dass das geplante Bauwerk den geltenden baurechtlichen Vorschriften entspricht und öffentliche Belange wie Sicherheit, Gesundheit und Stadtplanung berücksichtigt werden. Ohne diese Genehmigung ist ein genehmigungspflichtiges Bauwerk rechtswidrig errichtet.

Beispiel: Die Überdachung wurde ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet, was das Gericht als klaren Verstoß gegen die Gemeinschaftsordnung wertete. Dass die Behörde später tatsächlich eine Genehmigung erteilte, bestätigte, dass diese von Anfang an notwendig gewesen wäre.

Zurück zur Glossar Übersicht

Gemeinschaftsordnung

Die Gemeinschaftsordnung legt die Regeln für das Zusammenleben und die Verwaltung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft fest. Sie regelt beispielsweise, welche baulichen Veränderungen erlaubt sind, wie Entscheidungen getroffen werden und welche Rechte und Pflichten die einzelnen Eigentümer haben. Diese Ordnung ergänzt die gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes um spezifische Regelungen für die jeweilige Anlage.

Beispiel: Die Gemeinschaftsordnung der Hamburger Wohnanlage enthielt eine präzise Regelung, dass bauliche Veränderungen nur dann ohne Zustimmung erlaubt sind, wenn sie baurechtlich zulässig sind – was bei der ungenehmigten Überdachung nicht der Fall war.

Zurück zur Glossar Übersicht

Prozessführungsbefugnis

Die Prozessführungsbefugnis ist die formale Erlaubnis, einen Rechtsstreit im eigenen Namen vor Gericht zu führen. Sie bestimmt, wer berechtigt ist, eine Klage einzureichen und das Verfahren zu betreiben. Seit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) liegt diese Befugnis für viele Ansprüche, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, bei der Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzes und nicht mehr bei einzelnen Eigentümern.

Beispiel: Die Beklagten argumentierten, dass die Klägerin seit der Gesetzesreform keine Prozessführungsbefugnis mehr habe, da nur noch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer solche Ansprüche gerichtlich durchsetzen könne.

Zurück zur Glossar Übersicht

Rückbauanspruch

Ein Rückbauanspruch berechtigt dazu, die Beseitigung einer unzulässig errichteten baulichen Anlage zu verlangen. Er entsteht, wenn jemand ohne die erforderlichen Genehmigungen oder entgegen vertraglichen Vereinbarungen baut und dadurch die Rechte anderer verletzt. Der Anspruch zielt darauf ab, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Beispiel: Die Klägerin verlangte den vollständigen Rückbau der Überdachung, da diese ohne Baugenehmigung und damit gegen die Gemeinschaftsordnung errichtet worden war. Das Amtsgericht gab ihr zunächst Recht und verurteilte die Beklagten zum Abriss.

Zurück zur Glossar Übersicht

Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG)

Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) ist eine grundlegende Reform des Wohnungseigentumsrechts, die am 1. Dezember 2020 in Kraft trat. Das Gesetz modernisierte die Regeln für Wohnungseigentümergemeinschaften, veränderte Entscheidungsverfahren und verschob wichtige Zuständigkeiten von einzelnen Eigentümern zur Gemeinschaft. Besonders betroffen sind die Befugnisse zur gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen.

Beispiel: Die Beklagten sahen ihre Chance in dieser Reform und argumentierten, dass die Klägerin nach dem neuen WEMoG gar nicht mehr berechtigt sei, sie zu verklagen, da diese Befugnis nun bei der Gemeinschaft liege.

Zurück zur Glossar Übersicht


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Prozessführungsbefugnis bei Klagen von Wohnungseigentümern (WEMoG Übergangsrecht)
    Die Prozessführungsbefugnis regelt, wer berechtigt ist, einen Rechtsstreit im eigenen Namen vor Gericht zu führen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagten argumentierten, dass die Klägerin nach der WEMoG-Reform nicht mehr selbst klagen durfte. Das Gericht stellte jedoch klar, dass für bereits laufende Verfahren eine höchstrichterliche Übergangsregel gilt, die ihre Befugnis aufrechterhielt.
  • Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 BGB)
    Dieser Paragraph ermöglicht es einem Eigentümer, die Beseitigung von Störungen seines Eigentums zu verlangen oder eine Wiederholung zu untersagen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin forderte aufgrund dieses Rechts den Rückbau der Überdachung, da sie das gemeinschaftliche Eigentum störte und ohne die erforderlichen Genehmigungen errichtet worden war. Das Gericht bestätigte, dass dieser Anspruch trotz der WEMoG-Reform bei der Klägerin verblieb.
  • Zulässigkeit baulicher Veränderungen im Wohnungseigentum (Grundsatz der Einhaltung der Gemeinschaftsordnung und baurechtlicher Vorschriften)
    Bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum sind nur zulässig, wenn sie den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung und den öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften entsprechen oder nachträglich genehmigt werden.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Überdachung war zum Zeitpunkt der Klage unzulässig, weil sie ohne die nach der Gemeinschaftsordnung erforderliche Baugenehmigung errichtet wurde. Dies rechtfertigte den ursprünglichen Rückbauanspruch der Klägerin vollumfänglich.
  • Kostenentscheidung bei Erledigung des Rechtsstreits (§ 91a ZPO)
    Ist ein Rechtsstreit erledigt, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen darüber, wer die Kosten des Verfahrens trägt, basierend auf dem wahrscheinlichen Ausgang der Klage ohne die Erledigung.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Überdachung erst nachträglich genehmigt wurde und die Klage der Klägerin bis dahin berechtigt war, wurden die Beklagten als Verursacher des Rechtsstreits zur überwiegenden Übernahme der gesamten Verfahrenskosten verurteilt.

Das vorliegende Urteil


LG Hamburg – Az.: 318 S 37/22 – Beschluss vom 04.11.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!