AG Wiesbaden – Az.: 93 C 2206/18 – Urteil vom 07.02.2019
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 2.053,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.4.2018 zu zahlen, ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € freizustellen und gegenüber der A-Bank, bezogen auf das im Rahmen einer Verpfändungsvereinbarung wegen Mietkaution angelegte Geldmarktkonto Nr. xxx, die Freigabe zur Auszahlung an den Beklagten zu erklären. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, im Hinblick auf die Verurteilung zur Abgabe einer Freigabeerklärung gegenüber der Commerzbank gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 11.655,92 € (Klage: 6.129,42 €; Widerklage: 5.526,50 €).
Tatbestand
Zwischen dem Kläger als Vermieter und dem Beklagten als Mieter bestand zwischen dem 15.3.2004 und dem 28.2.2018 ein Mietvertrag über eine Wohnung in Wiesbaden. Die Wohnung verfügte bereits bei Einzug des Beklagten über einen Laminatboden mit Sockelleisten aus Holzfurnier in Wohn- und Schlafzimmer sowie einen Teppichboden auf der Galerie. Zu Beginn des Mietverhältnisses verpfändete der Beklagte an den Kläger ein Geldmarktkonto mit einem Guthaben von 3.000 € als Mietsicherheit. Der Beklagte überwies nach Ende des Mietverhältnisses versehentlich 1.600 € Miete an den Kläger, die jedoch nicht geschuldet war.
Bei Auszug des Beklagten wies der Laminatboden mehrere Einkerbungen auf. Insofern wird auf die der Klage als Anlagen K5a-e (Bl. 23 ff. d.A.) und K10a-b (Bl. 39-40) beigefügten Lichtbilder verwiesen. Die Sockelleisten wiesen an Ecken sowie Spalten zwischen einzelnen Element Abplatzungen auf. Insofern wird auf die der Klage als Anlagen K6a-e (Bl. 28 ff.) beigefügten Lichtbilder verwiesen. Der Teppichboden wies zwei Flecken auf. Außerdem waren in der Küche drei Fliesen im Bereich des Kühlschranks beschädigt, der Kühlschrank wies Verfärbungen auf und der Backofen war stark verschmutzt.
Die vom Kläger mit Schreiben vom 21.1.2017 vorgenommene Nebenkostenabrechnung 2016 wies ein Guthaben des Beklagten in Höhe von 453,12 € auf. Dieses wurde bisher nicht an den Beklagten ausgezahlt. Die mittlerweile vorgelegte Nebenkostenabrechnung 2017 weist ein Guthaben zu Gunsten des Beklagten in Höhe von 403,82 € auf, das ebenfalls noch nicht ausgezahlt wurde.
Der Kläger machte mit anwaltlichem Schreiben vom 22.3.2018 Schadensersatzansprüche wegen Beschädigungen an der Mietwohnung gegenüber dem Beklagten geltend, erklärte die Aufrechnung mit dem überbezahlten Betrag in Höhe von 1.600 € und forderte ihn zur Zahlung des Saldos in Höhe von 6.129,42 € auf.
Der Beklagte wies die Ansprüche des Klägers mit anwaltlichem Schreiben vom 3.4.2018 zurück und forderte seinerseits den Kläger mit gleichem Schreiben zur Zahlung der überbezahlten Miete, des Nebenkostenguthabens für 2016 und der entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 808,13 € (Gegenstandswert einschließlich der zurückgewiesenen Forderungen: 8.182,54 €) bis spätestens 10.4.2018 auf.
Der Kläger ist der Auffassung, bei den Löchern im Laminat und den Verfärbungen im Teppichboden handle es sich nicht um Gebrauchsspuren, sondern um ersatzfähige Beschädigungen. Der Laminatboden sei noch in voll funktionstüchtigem Zustand gewesen und hätte noch mehrere Jahre genutzt werden können. Die Lebensdauer eines solchen Bodenbelags liege weit über 15 Jahre. Die Sockelleisten seien zertrümmert worden, wohl beim Verschieben von Möbeln oder durch Spielzeugfahrzeuge. Die Kosten für den Austausch der Laminatböden einschließlich der Sockelleisten hätten 5.408.89 € brutto betragen, die Kosten für den Austausch des Teppichbodens 1.802,88 € brutto.
In der mündlichen Verhandlung am 6.12.2018 legte der Klägervertreter eine Rechnung der Firma J vom 18.2.2018 (Bl. 138) über einen Betrag von 517,65 € vor, in der als Positionen insbesondere das Verspachteln von Dellen sowie das Abschleifen, Grundieren und Lackieren der Stufen der gesamten Wendeltreppe enthalten waren.
Der Kläger hat ursprünglich beantragt, den Kläger zur Zahlung von 7.729,42 € abzüglich eines Rückforderungsanspruchs in Höhe von 1.600 € sowie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 €, jeweils nebst Zinsen zu verurteilen. In der mündlichen Verhandlung am 6.12.2018 hat der Klägervertreter die Aufrechnung gegen das Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung 2016 in Höhe von 453,12 € erklärt. In dieser Höhe hat er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.
Der Kläger beantragt nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.276,30 € abzüglich eines Rückforderungsanspruchs des Beklagten über 1.600 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Freigabeerklärung gegenüber der A-Bank bezogen auf das im Rahmen einer Pfändungsvereinbarung wegen Mietkaution angelegte Geldmarktskonto Nr. xxx, festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in Höhe des Guthabens aus der Nebenkostenabrechnung 2016 von 453,12 €
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Außerdem hat der Beklagte widerklagend die Verurteilung des Klägers zur Zahlung der zu viel entrichteten Miete sowie zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Beklagten in Höhe von 808,13 € beantragt. Mit Schriftsatz vom 9.11.2018 hat der Beklagte die Widerklage um die Zahlung des Nebenkostenguthabens von 2016 sowie Freigabe des verpfändeten Geldmarktskontos erweitert.
Widerklagend beantragt der Beklagte nunmehr, den Kläger zu verurteilen,
an ihn 2.053,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.4.2018 zu zahlen und ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 € freizustellen,
gegenüber der A-Bank, bezogen auf das im Rahmen einer Verpfändungsvereinbarung wegen Mietkaution angelegte Geldmarktkonto Nr. xxx, die Freigabe zur Auszahlung an den Beklagten zu erklären.
Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, bei den geltend gemachten „Schäden“ im Laminat und in den Sockelleisten handle es sich lediglich um Gebrauchsspuren. Ein Schadensersatzanspruch komme deshalb nicht in Betracht, weil das Mietverhältnis 14 Jahre bestanden habe, ein Laminatboden in einfacher Qualität wie der in der Mietwohnung verlegte und ein Teppichboden mittlerer Art und Güte aber nur eine wirtschaftliche Lebensdauer von 8-10 Jahren hätten.
Der Kautionsrückforderungsanspruch des Beklagten sei fällig.
Entscheidungsgründe
Die Klage und die Widerklage sind zulässig.
Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Schadensersatz wegen etwaiger bei Rückgabe an den Kläger vorhandener Beschädigungen der Mietwohnung.
Im Hinblick auf den verlegten Laminatboden hat das Gericht davon auszugehen, dass es sich – wie vom Beklagten behauptet – dabei um einen solchen einfacher Qualität handelte, da der Kläger nichts zu der Qualität des Laminatbodens vorgetragen hat und damit auch nicht, dass es sich um einen hochwertigen Laminatboden gehandelt habe. Die vom Kläger vorgetragenen Löcher bzw. Einkerbungen stellen aber bei einem Laminatboden einfacher Qualität nach einem 14 Jahre dauernden Mietverhältnis gewöhnliche Abnutzungserscheinungen und keine ersatzfähigen Schäden dar. Selbst wenn man von Schäden ausgehen sollte, wäre wegen des vorzunehmenden Abzugs „neu für alt“ ein Schadensersatzanspruch des Klägers auf Null reduziert. Die wirtschaftliche Lebensdauer eines Laminatbodens einfacher Qualität beträgt jedenfalls nicht mehr als 14 Jahre, also den Zeitraum des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses. Im Einzelfall mag ein Laminatboden auch noch nach diesem Zeitraum ansehnlich sein, es kommt hier jedoch nicht auf den Einzelfall, sondern auf die durchschnittliche Lebensdauer an.
Aus dem gleichen Grund kann der Kläger auch nicht die Kosten für den Austausch des Teppichbodens ersetzt verlangen. Insofern kann allenfalls für einen äußerst hochwertigen Teppichboden eine durchschnittliche Lebensdauer von mehr als zehn Jahren angenommen werden (vgl. LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 29.9.2016 – 5 S 177/15 -, juris, Rn. 26; OLG Frankfurt, Urteil vom 12.7.2011 – 22 U 95/18 -, juris, Rn. 46). Auch zur Qualität des Teppichs erfolgte aber keinerlei Vortrag der Klägerseite, die insofern darlegungs- und beweisbelastet ist.
Ebenso geht das Gericht bei den Sockelleisten davon aus, dass es sich um übliche Abnutzungserscheinungen handelt. Dies geht bereits aus den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern hervor. Es handelt sich nicht um Sockelleisten aus Massivholz, sondern solchen mit Holzfurnier. An diesem sind Abplatzungen ersichtlich. Diese befinden sich aber nicht inmitten der einzelnen Leisten, wie es bei Beschädigungen durch äußere Einwirkung zu erwarten wäre, sondern ausschließlich an den Ecken bzw. Übergängen zwischen zwei Sockelleisten. Abplatzungen wie aus den Lichtbildern ersichtlich sind in Sockelleisten nach einer Mietdauer von 14 Jahren geradezu zu erwarten, da diese gerade auch dem Schutz der dahinterliegenden Wände vor kleineren Anschrammungen dienen, wie sie auch bei einer vertragsgemäßen Nutzung üblich sind.
Für die vorgetragenen Beschädigungen in der Küche macht der Kläger keine bezifferten Schadensersatzpositionen geltend.
Im Hinblick auf die vorgetragenen Schäden an der Wendeltreppe beschränkt sich der Vortrag des Klägers auf die Vorlage einer entsprechenden Rechnung. Dies reicht nicht für einen substantiierten Vortrag dahingehend aus, dass es sich bei den Dellen tatsächlich um Beschädigungen und nicht bloße Gebrauchsspuren handelt. Im Übrigen kommt auch insofern der Ersatz von 320 € zuzüglich Mehrwertsteuer für das Abschleifen, Grundieren und Lackieren nicht in Betracht, da dies ohnehin in regelmäßigen Abständen, jedenfalls nach einem Zeitraum von 14 Jahren zu erfolgen hat. Es handelt sich also um nicht ersatzfähige Sowieso-Kosten.
Ein Ersatz der dem Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten kommt damit ebenfalls nicht in Betracht.
Der Feststellungsantrag aufgrund der einseitigen Erledigungserklärung ist abzuweisen, da mangels einer ursprünglich bestehenden klägerischen Forderung auch durch die Verrechnung des Guthabens aus der Nebenkostenabrechnung 2016 keine teilweise Erledigung eingetreten ist.
Dagegen ist die Widerklage weitgehend begründet.
Der Beklagte hat einen Anspruch auf Auszahlung des Nebenkostenguthabens 2016 und auf Freigabe der Mietkaution.
Der Rückforderungsanspruch bezüglich der Mietkaution ist fällig, da über die in dem vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Schäden keine weiteren Ersatzansprüche des Klägers zu erwarten sind. Auch Nachforderungen aus Nebenkostenabrechnungen sind nicht zu erwarten. Die Nebenkostenabrechnung 2017 endete ebenfalls mit einem Guthaben des Beklagten. Für die Monate Januar und Februar 2018 ist daher ebenfalls keine Nachforderung des Klägers zu erwarten. Auch ein teilweiser Einbehalt ist daher nicht gerechtfertigt.
Von den widerklagend geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ist der Beklagte jedoch nur teilweise freizustellen, nämlich aus einem Gegenstandswert in Höhe von 2.053,12 € (Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung 2016 und überbezahlte Miete). Insofern kann der Beklagte Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € verlangen.
Bezüglich der Abwehr der Ansprüche des Klägers hat der Beklagte jedoch keinen Anspruch auf Freistellung von den ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten. Für einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, etwa wegen einer Schutzgesetzverletzung in Form einer versuchten Nötigung, ist hier nichts ersichtlich. Ansonsten fehlt es an einer vertraglichen Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Rechtsanwaltskosten. Eine nachvertragliche Rücksichtnahmepflicht des ehemaligen Vermieters ist insofern abzulehnen, da es sich bei seinen Forderungen nicht um solche handelte, die noch während des laufenden Mietverhältnisses entstanden sind, sondern um Schadensersatzansprüche wegen Schäden bei der Rückgabe der Mietsache, also gerade bei der Abwicklung des Mietverhältnisses.
Die Zinsforderung ergibt sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB, Zinsen werden aber erst ab dem 11.4.2018 geschuldet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da der Beklagte nur mit einem im Verhältnis zum gesamten Streitwert verhältnismäßig geringen Teil der Widerklage unterlegen ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 48 Abs. 1, §§ 39 ff. GKG in Verbindung mit §§ 3, 4 ZPO. Die Beträge der Klage und der Widerklage sind gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 und 3 GKG zusammenzurechnen, da sie nicht den gleichen Gegenstand betreffen. Der vom Beklagten geltend gemachte Freistellungsanspruch ist in Höhe von 473,38 € streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern nicht um eine Nebenforderung neben den anderen widerklagend geltend gemachten Forderungen handelt.