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Schimmelvermeidungsmaßnahmen – Lüften, Heizen und Abstand sind zumutbar

LG Hanau – Az.: 2 S 2/21 – Beschluss vom 13.07.2022

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Zugleich wird die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg erkennen lässt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keine Aussicht auf Erfolg.

Die Klägerin macht als Vermieterin einer Wohnung einen Anspruch auf Zahlung ausstehenden Mietzinses geltend, nachdem die Beklagte als Mieterin die monatlichen Mietzinszahlungen im Zeitraum zwischen Oktober 2017 und Dezember 2019 wegen eines behaupteten Schimmelbefalls um 187,00 EUR reduziert hatte.

Das Amtsgericht Hanau hat der Klage durch Urteil vom 27.11.2020 vollumfänglich stattgegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Urteil des Amtsgerichts Hanau verwiesen.

Das angefochtene Urteil erweist sich als richtig. Zu Recht hat das Amtsgericht Hanau eine Minderung des Mietzinses wegen einer Mangelhaftigkeit der Mietsache verneint und der Klägerin den ausstehenden Mietzinsanspruch in der geltend gemachten Höhe zugesprochen.

Das Amtsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausführlich und gut nachvollziehbar die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen Gründe angeführt. Hieran ist die Kammer nach § 529 ZPO gebunden. Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen nicht. Die Entscheidung beruht darüber hinaus weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.

Die Berufungsbegründung gibt keinen Anlass für eine andere Beurteilung.

Entgegen der Annahme der Berufung stellt die Entscheidung des Amtsgerichts keine Überraschungsentscheidung dar. Für eine Verletzung von Hinweispflichten ist schon deshalb kein Raum, weil das Amtsgericht bereits mit Verfügung vom 02.10.2020 den Parteien seine rechtliche Einschätzung mitgeteilte hatte. Überdies lag den Parteien das im Beweisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen ……, das eindeutig von einer nutzerbedingten Schimmelpilzbildung ausgeht, bereits seit Juli bzw. August 2019 vor. Da die Beklagte im Beweisverfahren auf die Einholung eines Ergänzungsgutachtens verzichtet und die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt betreffend eine Entscheidungsreife bereits in ihrer Klageschrift zum Ausdruck gebracht hatte, bestand im Übrigen auch gar kein Anlass für einen gerichtlichen Hinweis.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme von einer Schimmelbildung aufgrund fehlerhaften Nutzerverhaltens ausgegangen ist.

Die Kammer hat keinerlei Anlass, die sehr sorgfältige und überzeugende Beweiswürdigung des Amtsgerichts in Zweifel zu ziehen. Dabei steht die im selbständigen Beweisverfahren (94 H 1/18) erfolgte Beweisaufnahme einer Beweisaufnahme im streitgegenständlichen Hauptsacheverfahren gleich (§ 493 Abs. 1 ZPO).

Schimmelvermeidungsmaßnahmen - Lüften, Heizen und Abstand sind zumutbar
(Symbolfoto: Pixel-Shot/Shutterstock.com)

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze, sowie Erfahrungssätze und ggf. gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat das Amtsgericht sich im angefochtenen Urteil gehalten. Allein daraus, dass die Berufungsklägerin selbst das Beweisergebnis anders wertet, folgt kein Rechtsfehler des Amtsgerichts.

Dabei hat das Amtsgericht insbesondere die sog. Sphärentheorie zutreffend angewandt. Demnach obliegt es zwar zunächst dem Vermieter darzulegen und zu beweisen, dass die Schadensursache nicht in seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich liegt. Dies ist der Klägerin indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nach Auffassung der Kammer durchaus gelungen.

Der Sachverständige …… hat nämlich in seinem im Beweisverfahren eingeholten Gutachten keine baulichen Mängel festgestellt, die als Ursache für die festgestellte Schimmelpilzbildung in Betracht kommen. Hinzu kommt, dass der Sachverständige in beiden von der Schimmelpilzbildung betroffenen Zimmern eine ungünstige wandnahe Aufstellung der Möbel festgestellt hat. So kommt es nach den Feststellungen des Sachverständigen insbesondere im Schlafzimmer durch das großformatige Bettrückteil und im ehemaligen Kinderzimmer durch das Schlafsofa zu einer verschlechterten Aufwärmung der Innenwandoberflächen, was die Gefahr der Bildung von Feuchtigkeit (Tauwasser) deutlich erhöht.

Des weiteren hat der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend begründen können, dass die betroffenen Räume der Wohnung ausreichend großzügig bemessene Fenster besitzen und jeweils einzeln und separat beheizbar sind und dass weder die Außenwände noch die Kellerdecke mit Blick auf die bereits im Jahr 2010 erfolgte Aufbringung eines sog. Wärmedämmverbundsystem als schädliche Kältebrücken in Betracht kommen, weshalb er die Schimmelpilzbildung ausschließlich auf ein unsachgemäßes Nutzerverhalten (Wohn-Heiz und/oder Lüftungsverhalten) zurückführt.

Es besteht keinerlei Veranlassung, die nachvollziehbaren und gut begründeten Feststellungen des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.

Soweit die Berufung darauf abstellt, dass der Sachverständige die Bausubstanz nicht hinreichend untersucht habe, kann sie nicht durchdringen. Insofern hat bereits das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass der Sachverständige sehr ausführlich dargestellt hat, welche konkreten Feststellungen seiner gutachterlichen Beurteilung zugrunde liegen. So hat der Sachverständige die Außenfassade, die maßgeblichen Räume und den Keller eingehend angesehen und begutachtet und dies im Rahmen seines Gutachtens auch mittels Fotos dokumentiert. Der Sachverständige hat sich ferner zu den dabei festgestellten Umständen umfassend geäußert und aus diesen – nach dem Ausschlussprinzip – durchweg nachvollziehbare und überzeugende Schlüsse gezogen. Einen Defekt an der Außenhülle hat der Sachverständige ausdrücklich ausgeschlossen, da er an den Außenteilen der in Rede stehenden Räume keinerlei Mängel oder Defekte feststellen konnte. Entsprechendes gilt für die Kellerdecke.

Auch Rohrleckagen, die Wasser aus den Leitungen austreten und Bauteile befeuchten lassen, hat der Sachverständige ausschließen können, da an den betroffenen Stellen solche Leitungen nicht liegen und es überdies keinen Anhalt für einen Wasserschaden gab. Darüber hinaus hat der Sachverständige eingehend und überzeugend begründen können, dass ein Wasserschaden ein anderes Schadensbild erzeugen würde. Einzig denkbare Ursache der Schimmelpilzbildung ist demnach die Kondensatbildung, also Tauwasserbildung auf den Innenoberflächen infolge Taupunktunterschreitung.

Konkrete Anhaltpunkte dafür, dass weitergehende – mit Bauteilöffnungen einhergehende – Untersuchungen der Bausubstanz andere bzw. weitergehende Feststellungen ermöglicht hätten, wurden von der Beklagten weder im Beweisverfahren noch im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen. Greifbare Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich und werden im Übrigen auch im Rahmen der Berufungsbegründung nicht vorgebracht. Soweit die Beklagte darin erstmals behauptet, dass zum Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung im Februar 2021 auf dem Putz der Außenfassade Feuchtigkeitsausbildungen zu erkennen gewesen seien, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Dies schon deshalb nicht, weil völlig im Dunkeln bleibt, was hiermit konkret gemeint sein soll. Hinzu kommt, dass das Übergabeprotokoll vom selben Tag auf diesen Umstand gar nicht eingeht und mangels Kenntnis der konkreten Umstände gar nicht nachvollzogen werden kann, ob es um eine dauerhafte oder nur vorrübergehende Erscheinung gehandelt haben soll.

Dem Amtsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass das Ergebnis des Parteigutachtens der Sachverständigen ……, insbesondere das von dieser beanstandete Fehlen einer Anlage an den Fenstern für eine nutzerunabhängige Grundlüftung keine andere Beurteilung rechtfertigt. Dies gilt selbst dann, wenn man im Fehlen einer nutzerunabhängigen Grundlüftung grundsätzlich eine Abweichung von den Vorgaben der DIN 1946-6:2009 erblicken will. Es greift aus den bereits vom Amtsgericht genannten Gründen zu kurz aus einer etwaigen Nichteinhaltung der DIN 1946-6 ohne weiteres auf einen Mangel der Wohnung zu schließen. Auf die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Der Sachverständige …… hat zudem im einzelnen begründet, warum er trotz Fehlens einer nutzerunabhängigen Grundlüftung davon ausgeht, dass sich die streitgegenständliche Wohnung ohne Schimmelpilzbildung bewohnen lässt. Er hat zudem aufgrund von Angaben der Beklagten festgestellt, dass sich an den Fensterscheiben der Wohnung kein auffälliges Kondensat bildet, welches abgewischt werden muss, was wiederum dafür spricht, dass die Wohnung nicht so sehr ein Entfeuchtungs-, also Lüftungsproblem besitzt, sondern ein Beheizungsdefizit vorliegt, d. h. die in Rede stehenden, betroffenen Wandstellen nicht genügend aufgeheizt wurden, sodass sich keine Temperaturen über den zugehörigen Taupunkten einstellten und es zu Kondensatausfall gekommen ist.

Das im Streitfall vom Mieter zu fordernde sachgemäße Nutzerverhalten (Wohn-Heiz und/ oder Lüftungsverhalten) ist der Beklagten – entgegen der Annahme der Berufung – auch zuzumuten. Weder das Verlangen nach einer regelmäßigen Fensterlüftung, insbesondere in Form einer Stoßlüftung und einer ausreichenden Beheizung der Räume (einschließlich Schlafzimmer) noch das Erfordernis, größere Möbelstücke von der Außenwand etwas abzurücken oder an anderer Stelle zu platzieren, stellen sich im konkreten Fall als nicht zumutbar dar. Welches Nutzungsverhalten dem Mieter zumutbar ist, kann nicht abstraktgenerell und unabhängig von dem Alter und der Ausstattung des Gebäudes sowie dem Nutzungsverhalten des Mieters, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden (vgl. BGH NZM 2019, 136 m. w. N.). Von besonderer Bedeutung sind dabei das Alter und die Art des Gebäudes sowie die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 6. A., § 538 BGB Rn. 44a m. w. N.).

Im Streitfall handelt es sich um ein Gebäude aus den 1960iger Jahren, das – trotz der Sanierungsmaßnahmen im Jahr 2009 – hinsichtlich der Schadensempfindlichkeit und insbesondere hinsichtlich seiner Anfälligkeit für Schimmelbefall höhere Anforderungen an das Nutzerverhalten stellt als ein Neubau. Zwischen den Parteien besteht ein genossenschaftlicher Nutzungsvertrag, mit der Folge, dass die Beklagte eine verhältnismäßig geringe Miete zahlt. Vor diesem Hintergrund konnte die Beklagte keinen Neubaustandard erwarten. Sie ist vielmehr zu einem Wohnverhalten verpflichtet, das diesem konkreten Gebäudezustand Rechnung trägt. Hierzu zählt ohne weiteres ein ausreichendes Lüften und Beheizen sämtlicher Räume und eine schadensverhütende Möblierung (vgl. Blank/ Börstinghaus, Miete, 6. A., § 538 BGB Rn. 45 m. w. N.).

II.

Das Rechtsmittel erweist sich bei der gegebenen Sachlage daher als erfolglos.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen nach Erhalt dieses Beschlusses.

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass auch im Anhörungsverfahren des § 522 Abs. 2 ZPO neuer Tatsachenvortrag gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht zulässig ist.

Zur Vermeidung weiterer Kosten wird der Beklagten die Rücknahme der Berufung angeraten. Im Fall der Rücknahme der Berufung entstehen, abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten, lediglich zwei Gerichtsgebühren nach KV 1222 Nr. 1 GKG. Wird demgegenüber die Berufung förmlich durch Beschluss zurückgewiesen, verbleibt es bei der vierfachen Gerichtsgebühr nach KV 1220 GKG.

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