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Schneeräum- und Streupflichten im Mietrecht

1. Grundsätzliche Verkehrssicherungspflicht: Verkehrssicherungspflichtig ist jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, sei es, dass er sie selbst hervorruft oder in seinem Einflussbereich andauern lässt. Der Verkehrssicherungspflichtige hat erforderliche Sicherungsmaßnahmen zu treffen, damit sich potentielle Gefahren nicht zum Nachteil anderer auswirken können (so das OLG Hamm, Az.: 3 U 195/85, Urteil vom 02.02.1987). Diese sog. Verkehrssicherungspflicht gilt generell. Sie betrifft nicht nur die Streu- und Schneeräumpflicht bei Eis und Glätte im Winter, sondern auch die Beseitigung von sonstigen Gefahren, die zu Personen- oder Sachschäden führen können (z.B. herabfallende Äste von Bäumen oder herabfallende Gebäudeteile). „Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es reicht aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind“ (Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.06.2008, Az.: VI ZR 223/07).

2. Verkehrssicherungspflicht aus dem Mietverhältnis: Dem Eigentümer eines Grundstücks obliegt die Verkehrssicherungspflicht für dieses. Durch eine Vermietung oder Verpachtung seines Eigentums wird der Eigentümer grundsätzlich nicht von der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht befreit. Neben der generellen Verkehrssicherungspflicht trägt der Vermieter aus dem Mietvertrag gegenüber dem Mieter eine besondere Pflicht, Gefahren die durch mangelhaften Zustand der Mietsache entstehen könn­ten, abzuwenden. Diese Pflicht gilt auch gegenüber Personen, die ein Grundstück berechtigterweise (z.B. Besucher) oder in Ausübung ihres Berufes (z.B. Briefträger, Handwerker, Polizisten etc.) betreten.

3. Übertragung der Streu- und Schneeräumpflicht auf den Mieter: Nach der Rechtsprechung ist es zulässig, die bestehende Streu- und Schneeräumpflicht auf einen Mieter oder Pächter zu übertragen. Hierzu bedarf es aber grundsätzlich einer eindeutigen Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter (am besten schriftlich!). Das OLG Frankfurt (WM 1988, 399) ist der Ansicht, dass es für die Übertragung der Streu- und Schneeräumpflicht auf den Mieter aus­reicht, wenn die diesbezügliche Verpflichtung des Mieters im Mietvertrag festgelegt wird oder eine entspre­chende Klausel in der Hausordnung fester Bestandteil des vereinbarten Formularmietvertrages ist. Der Bundes­gerichtshof geht ausnahmsweise davon aus, dass der Pächter einer Gastwirtschaft mit der Pacht des Gaststättenbetriebes stillschweigend die Pflicht über­nimmt, ebenfalls für die Verkehrssicherheit der Zugänge zur Gaststätte zu sorgen (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.1984, MDR 1985 S. 311). Es ist jedoch dringend davon abzuraten, in einem Formularmietvertrag oder in einem individuellen Mietvertrag nur auf die jeweilige Hausordnung zu verweisen, ohne dass diese vom Mieter gesondert unterschrieben worden ist. In diesen Fällen ist die bestehende Streu- und Schneeräumpflicht nicht wirksam auf den Mieter übertragen worden. Gleiches gilt für den Versuch eines Vermieters, seinen Mietern durch eine nachträgliche Änderung der Hausordnung die Streu- und Schneeräumpflicht aufzuerlegen. Die wirksame Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf einen anderen entlastet den Verkehrssicherungspflichtigen jedoch nicht völlig von der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Der (ursprünglich) Verkehrssicherungspflichtige bleibt zur Überwachung des von ihm Beauftragten verpflichtet. Ein Vermieter muss daher in regelmäßi­gen Abständen kontrollieren, ob der Mieter seiner Streu- und Schneeräumpflicht auch wirklich nachkommt. Kommt er diesen Überwachungspflichten nicht nach, so haftet der Vermieter im Schadensfalle neben dem Mieter. Auch bei einer selbst erkannten oder erkennbaren (dringenden) Gefahrenlage muss der (ursprünglich) Verkehrssicherungspflichtige selbst Abhilfe schaffen. Der Hauseigentümer muss z.B. bei festgestelltem Glatteis auf dem Bürgersteig seines Hauses selbst streuen, wenn sein Mieter, dem er die Verkehrssicherungspflicht übertragen hat, der Streupflicht nicht nachkommt.

4. Entstehen und Umfang der Streu- und Schneeräumpflicht: Grundsätzlich entsteht die Streu- und Schneeräumpflicht erst bei einer konkreten Glatteisgefahr oder bei einsetzendem Schneefall. Es sind also keine Vorsorgemaßnahmen gegen eine nur drohende Vereisung oder Schnee zu treffen. Eine Verpflichtung zum vorsorglichen Streuen besteht nur in den Fällen, in denen an einer gefährlichen Stelle mit einer Glatteisbildung zu rechnen ist.

5. Zeitliche Begrenzung der Streu- und Räumungspflicht in örtlichen Satzungen: Der zeitliche Umfang der Streu- und Räumungspflicht wird in den örtlichen Satzungen der Gemeinden geregelt. Nach der aktuellen Straßenreinigungssatzung der Stadt Siegen gelten nachfolgende Streu- und Räumpflichten im Stadtgebiet: Im Rahmen der Winterwartung sind die Gehwege in einer Breite von 0,80 m von Schnee freizuhalten. In der Zeit von 07.00 Uhr (an Sonn- und Feiertagen von 08.00 Uhr) bis 19.30 Uhr sind Schnee und Glätte unverzüglich nach Beendigung des Schneefalles bzw. nach dem Entstehen der Glätte zu beseitigen. Nach der Ortsatzung der Stadt Kreuztal sind in der Zeit von 7.00 bis 20.00 Uhr gefallener Schnee und entstandene Glätte unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls bzw. nach dem Entstehen der Glätte zu beseitigen. Nach 20.00 Uhr gefallener Schnee und entstandene Glätte sind in Kreuztal werktags bis 8.00 Uhr, sonn- und feiertags bis 9.00 Uhr, des Folgetages zu beseitigen. Der Verkehrssicherungspflichtige ist generell dazu gehalten, das Streuen in angemessener Zeit zu wiederholen, wenn das Streugut seine Wirkung verloren hat. Mit dem Streuen ist so rechtzeitig zu beginnen ist, dass der vor dem allgemeinen Tagesverkehr liegende Hauptberufsverkehr geschützt wird. Erneutes Streuen darf unterbleiben, wenn vernünftigerweise alle Mittel wirkungslos wären (z.B. bei Eisregen). In Wohnungseigentumsanlagen obliegt den Wohnungseigentümern die Verpflichtung, Hauseingänge, Garagenzufahrten und angrenzende öffentliche Wege gemeinsam zu streuen.

6. Verhinderung in der Ausübung der Streu- und Räumungspflicht: Problematisch ist, wenn der Mieter infolge von Alter, Gebrechlichkeit oder Krankheit nicht in der Lage ist, seiner Streu- und Schneeräumverpflichtung nachzukommen. Im diesem Falle hat er dafür Sorge zu tragen, dass die Räum- und Streupflicht von einer anderen Person ausgeführt wird. Gleiches gilt für alle Diejenigen die wegen ihrer Berufstätigkeit oder sonstiger Tätigkeiten tagsüber nicht zu Hause sind. Über den Zeitraum ihrer Abwesenheit müssen sie für eine Vertretung sorgen (z.B. Vertretung durch Nachbarn). Wurde ein Mieter auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes seiner Wohnung verwiesen, bleibt seine Streu- und Schneeräumpflicht trotzdem bestehen. Eine gesteigerte Streu- und Schneeräumpflicht besteht bei denjenigen Grundstücken bei einen ein starker Besucherverkehr herrscht (z.B. Gaststätten, Ladenlokale etc.). Dort besteht nach der Rechtsprechung auch nach 20.00 Uhr noch eine Streu- und Schneeräumpflicht. Es besteht jedoch keine allumfassende Streu- und Schneeräumpflicht. Bei einem Glätteunfall auf einem Parkplatz, auf dem nach Tauwetter vereinzelt noch Schnee vorhanden ist, besteht keine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen. Hier hätte der Besucher auch um die Schnee herumgehen können.

7. Kostenübertragung für Arbeitsgeräte und Streumaterial: Hat ein Mieter die Streu- und Schneeräumpflicht übernommen, muss zusätzlich im Mietvertrag geregelt werden, wer die hierfür erforderlichen Arbeitsgeräte und das Streumaterial bezahlt. Wird mit der Übertragung der Streu- und Schneeräumpflicht auf den Mieter nicht gleichzeitig vereinbart, dass dieser auch das Streumaterial und die Arbeitsgeräte kaufen und warten muss, trägt grundsätzlich der Vermieter die diesbezüglichen Kosten.

8. Wohin mit dem Schnee? Dies stellt häufig ein großes Problem dar. Der Schnee ist auf dem Bürgersteig oder Radweg zur Fahrbahnseite zu lagern. Ist dies nicht möglich ist, ist der Schnee auf dem Fahrbahnrand so schmal wie möglich zu lagern. Der Fahr- und Fußgängerverkehr soll durch den lagernden Schnee nach Möglichkeit nicht gefährdet oder behindert werden. Die Einläufe zu Entwässerungsanlagen Hydranten, Löschwasserentnahmestellen, Verschlussdeckeln, Versorgungsleitungen und den dazugehörigen Hinweisschildern sind stets von Eis und Schnee gut sichtbar freizuhalten.

9. Haftungsfragen: Wird die Streu- und Schneeräumpflicht vorwerfbar verletzt und tritt hierdurch ein Unfall mit Personen- oder Sachschaden ein, haftet der Verkehrssicherungspflichtige auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Verletzt sich ein Fußgänger, umfasst dessen Schadensersatzanspruch insbesondere den Ersatz seiner beschädigten Kleidung, seiner Fahrtkosten, seines Verdienstausfalls und seiner medizinischen Behandlungskosten. Der verletzte Fußgänger trägt jedoch die volle Beweislast dafür, dass eine nicht erkennbare Glätte herrschte oder dass Schnee auf dem Bürgersteig lag und ein Streuen oder Räumen an dieser Stelle durch den Verkehrssicherungspflichtigen erforderlich war. Wenn ein Fußgänger innerhalb der zeitlichen Grenzen der örtlichen Streu- und Räumpflicht (z.B. 07.00 – 19.00 Uhr) zu Fall kommt und sich dabei verletzt, spricht eine Vermutung (sog. Anscheinsbeweis) dafür, dass bei Beachtung der Verkehrssicherungspflicht der Unfall nicht geschehen wäre. Diese Vermutung kann jedoch der Verkehrssicherungspflichtige widerlegen.

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