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Schönheitsreparaturen – Überbürdung auf Mieter bei Überlassung einer unrenovierten Wohnung

LG Heilbronn – Az.: 2 S 63/13 Me – Urteil vom 22.07.2014

1. Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Marbach am Neckar vom 05.11.2013, Az. 3 C 331/13, wird die Klage abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden.

5. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert:

erstinstanzlich: 13.784,81 Euro

zweitinstanzlich: 6.306,70 Euro

Gründe

I.

1.

Schönheitsreparaturen - Überbürdung auf Mieter bei Überlassung einer unrenovierten Wohnung
Symbolfoto: Von Zivica Kerkez /Shutterstock.com

Der Kläger begehrt von der Beklagten Vorschuss zur Vornahme von Schönheitsreparaturen an der vom Kläger an die Beklagte vermieteten Erdgeschosswohnung im Gebäude … in

2.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen auf die Ausführungen im Urteil des Amtsgerichts Marbach am Neckar vom 05.11.2013 (Az. 3 C 331/13).

3.

Das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung eines Vorschuss zur Vornahme von Schönheitsreparaturen in Höhe von 5.743,96 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

4.

Das Urteil wurde der Beklagten am 11.11.2013 zugestellt (Bl. 87 d. A.). Sie hat hiergegen mit Anwaltsschriftsatz vom 11.12.2013, eingegangen beim Landgericht Heilbronn per Vorabfax am selben Tage, Berufung eingelegt (Bl. 89 d. A.). Auf begründeten Antrag vom 13.01.2014 hin (Bl. 96 d. A.) hat die Kammer die Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.01.2014 verlängert (Bl. 97 d. A.). Mit Schriftsatz vom 24.01.2014, eingegangen beim Landgericht Heilbronn am selben Tage, hat die Beklagte die Berufung begründet (Bl. 98 ff d. A.). Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.02.2014 in Höhe von 562,74 Euro Anschlussberufung eingelegt und diese begründet (Bl. 112 d. A.).

5.

In der Berufung haben beide Parteien den bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.

Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung erläutert, die streitgegenständliche Wohnung sei ihr zu Beginn des Mietverhältnisses am 1.1.1985 unrenoviert übergeben worden. Die Wohnung habe sich damals in einem „schlimmen Zustand“ befunden, die Vorbewohnerin und damalige Eigentümerin der Wohnung sei jahrelang gebrechlich und krank gewesen und schließlich verstorben, weshalb vor Beginn des hier streitgegenständlichen Mietverhältnisses im Hinblick auf Schönheitsreparaturen „jahrelang nichts gemacht“ worden sei und sie, die Beklagte, deshalb bei Einzug in erheblichem Umfang Schönheitsreparaturen habe durchführen müssen. Der Kläger hat diesen Vortrag der Beklagten nicht bestritten.

Ob und ggf. welche vermieterseits gemäß § 18 des Mietvertrags zu erbringenden Reparaturen tatsächlich erbracht wurden, entzieht sich der Kenntnis der Parteien. Die in § 18 des Mietvertrags erwähnte Anlage selbst ist nicht auffindbar.

6.

Die Beklagte verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter und beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

und im Wege der Anschlussberufung die Beklagte zu verurteilen, weitere 562,74 Euro an den Kläger zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Kammer hat im Termin zur Verhandlung über die Berufung vom 27.05.2014 die Parteien angehört.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und mit einer ausreichenden Begründung versehen. Auch die Anschlussberufung ist zulässig.

2.

Die Berufung ist begründet, weil die streitgegenständliche Schönheitsreparaturklausel unwirksam ist, weshalb die Anschlussberufung zugleich unbegründet ist.

1.

Nach unbestrittenem erstinstanzlichem Vortrag der Beklagten hat die frühere Vermieterin, eine Frau Häfner, den formularmäßigen streitgegenständlichen Mietvertrag gemäß Mustermietvertrag 1976 (Anlage K 1) gegenüber der Beklagten bei Vertragsschluss gestellt, so dass im Rechtssinne Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, deren Verwender die ehemalige Vermieterin Frau … ist, deren Rechtsnachfolger wiederum der Kläger ist.

2.

Der Vortrag der Beklagten, dass ihr die streitgegenständliche Wohnung zu Beginn des Mietverhältnisses unrenoviert überlassen wurde, ist unstreitig und deshalb in der Berufung zuzulassen.

3.

Die Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen gemäß § 7 Abs. 1 des streitgegenständlichen Mietvertrags auf die Beklagte als Mieterin des streitgegenständlichen Mietobjekts ist agb-rechtlich unwirksam. Sie benachteiligt die Beklagte unangemessen, weil Beklagte damit auch zur Beseitigung von Gebrauchsspuren verpflichtet wurde, deren Erforderlichkeit nicht auf ihren Mietgebrauch zurückzuführen ist.

a) Die Beklagte erhielt die Wohnung zu Beginn des Mietverhältnisses in unrenoviertem bzw. stark renovierungsbedürftigem Zustand überlassen.

Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung war bei Vermietung einer bei Vertragsbeginn nicht renoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung (zur Gleichsetzung unrenovierter und renovierungsbedürftiger Wohnungen vgl. BGHZ 101, 253 ff, Rn. 42) die formularmäßige Abwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter nach Maßgabe eines Fristenplans jedenfalls dann wirksam, wenn die Renovierungsfristen mit dem Anfang des Mietverhältnisses zu laufen beginnen. Von letzterem ist vorliegend auszugehen, weil die Schönheitsreparaturen nach Maßgabe des vertraglich geregelten weichen Fristenplans („im Allgemeinen …“) „während der Mietdauer“ zu erbringen sind und der Fristenplan selbst keine Hinweise darauf enthält, dass auch ein vorvertraglicher Abnutzungszeitpunkt mit einzubeziehen sei (so BGHZ 101, 253 ff., Rn. 36; fortgeführt und für entsprechende Quotenabgeltungsklauseln ergänzt durch BGHZ 105, 71 ff.).

Im Urteil vom 26. September 2007 (BGH NJW 2007, 3632 ff.) hat der Bundesgerichtshof Bedenken geäußert, ob eine Quotenabgeltungsklausel bei unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassener Wohnung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhält. Er hat diese Zweifel damit begründet, dass entweder – wenn der Mieter während der Mietzeit keine Schönheitsreparaturen durchgeführt hat – sich am Ende der Mietzeit nicht feststellen lässt, in welchem Umfang die Abnutzung durch den Mieter selbst und wie weit sie durch den Vormieter herbeigeführt worden ist, oder der Mieter – wenn er im Laufe seiner Mietzeit renoviert hat – doppelt belastet wird, indem er zusätzlich zu dem Schönheitsreparaturaufwand eine Kostenquote zu tragen hat, obwohl beziehungsweise weil er die von ihm (jedenfalls auch zur Beseitigung der Abnutzung durch den Vormieter) vorgenommenen Dekorationsarbeiten noch nicht vollständig abgenutzt hat (Senatsurteil vom 26. September 2007 – zitiert nach BGH VIII ZR VIII 352/12 vom 22.01.2014).

Mit Hinweisbeschluss vom 22.01.2014 (Az. VIII ZR VIII 352/12) hat der Bundesgerichtshof diese Bedenken vertieft und auf die allgemeine Erwägung formuliert, dass es eine unangemessene Benachteiligung des Mieters darstellen könnte, wenn der Mieter die Kosten für die Beseitigung von Gebrauchsspuren (mit) zu tragen hat, die nicht er, sondern der Vormieter verursacht hat.

Auf Grundlage dieser Bedenken hat der Bundesgerichtshof erwogen, dass bei einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung entgegen der vorgenannten Entscheidungen BGHZ 105, 71 ff. bzw. BGHZ 101, 253 ff. (Anm. der Kammer: nicht nur eine hier nicht streitgegenständliche Quotenabgeltungsklausel, sondern auch) „bereits die Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen als den Mieter unangemessen benachteiligend anzusehen“ sein könnte. Denn auch durch eine solche Klausel würde der Mieter zur Beseitigung von Gebrauchsspuren verpflichtet, die nicht er, sondern der Vormieter verursacht hat“ (BGH VIII ZR 352/12 vom 22.01.2014, Rn. 5).

Die Kammer teilt diese Bedenken. Sie erachtet die streitgegenständliche Klausel über die Abwälzung der Schönheitsreparaturen deshalb für unwirksam.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

4.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

5.

Die Revision wird zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zugelassen, § 543 Abs. I Nr. 1, II S. 1 Nr. 2 ZPO.

Die Entscheidung der Kammer weicht von der (noch) aktuellen höchstrichterlichen Rspr. ab, wonach auch bei Vermietung einer bei Vertragsbeginn nicht renovierten Wohnung die formularmäßige Abwälzung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter nach Maßgabe eines Fristenplans jedenfalls dann wirksam ist, wenn – wie hier – die Renovierungsfristen mit dem Anfang des Mietverhältnisses zu laufen beginnen (BGHZ 101, 253 ff und nachfolgend BGHZ 105, 71 ff.). Wie sich im Übrigen aus dem Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs BGH VIII ZR 352/12 vom 22.01.2014 ergibt, steht möglicherweise eine Änderung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung an.

 

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