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Schonfristzahlung bei fristloser und hilfsweiser ordentlicher Kündigung wegen Zahlungsverzug

AG Tempelhof-Kreuzberg – Az.: 15 C 83/19 – Urteil vom 23.10.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt, die ca. 97 qm große Wohnung (…) Berlin, Vorderhaus, EG links zu räumen und an die Klägerin geräumt herauszugeben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin hinsichtlich der Räumung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.560,- EUR (sechs Monatsmieten), die sich – sofern die Räumung vorher nicht erfolgt sein sollte – ab dem 01. Mai 2020 um monatlich 760,- EUR erhöht, abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Im Übrigen ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

4. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Januar 2020 eingeräumt.

Tatbestand

Der Parteien streiten über die Räumung einer Mietwohnung.

Der Beklagte mietete gemeinsam mit zwei weiteren Mietern, die inzwischen nicht mehr in der Wohnung wohnen, mit Vertrag vom 28. September 2015 die streitgegenständliche Wohnung von der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Die Klägerin ist seit dem 18. Juli 2018 neue Eigentümerin der Immobilie.

Zuletzt war eine monatliche Nettokaltmiete i.H.v. 760,- EUR zuzüglich Vorauszahlungen auf Heizkosten vereinbart, woraus sich ein monatlicher Gesamtbetrag i.H.v. 1.000,- EUR errechnet.

Das Mietkonto wies am 7. Mai 2019 einen Rückstand in Höhe von 2.600,- EUR auf, weil für die Monate Juli 2018 bis April 2019 monatlich statt der geschuldeten 1.000,- EUR nur 840,- EUR gezahlt worden waren (1.000,- EUR – 840,- EUR = 160,- EUR. 10 x 160,- EUR = 1.600,- EUR) und die Miete für den Monat Mai 2019 (1.000,- EUR) in Gänze nicht eingegangen war.

Die Klägerin erklärte daraufhin gegenüber den Mietern mit Schreiben vom 7. Mai 2019 wegen der Zahlungsrückstände die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Wegen der Einzelheiten wird auf das vorgenannte Kündigungsschreiben verwiesen (Bl. 9 f. d.A.). Den anderen beiden Mietern wurde parallel ein gleichlautendes Schreiben unter der Adresse ihrer aktuellen Wohnung zugestellt.

Die Klage ist dem Beklagten am 8. Juni 2019 zugestellt worden. Die Beklagte hat den Zahlungsrückstand durch Zahlungen am 21. Juni 2019 (1.000,- EUR) und am 22. Juni 2019 (1.600,- EUR) beglichen.

Die Kläger sind der Ansicht, die Zahlungen des Beklagten würden zwar die fristlose Kündigung heilen, aber die ordentliche Kündigung wirke fort.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die ca. 97 qm große Wohnung (…) Berlin, Vorderhaus, EG links zu räumen und an die Klägerin geräumt herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2019, er habe der Vermieterseite im März 2019 einen Mangel an der Badezimmerdecke angezeigt und habe die Miete gemindert.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Räumung gegen den Beklagten aus § 546 Abs. 1 BGB zu.

Das streitgegenständliche Wohnungsmietverhältnis ist durch die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 7. Mai 2019 gemäß §§ 573 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB zum 30. September 2019 beendet worden.

Die Klägerin waren zur ordentlichen Kündigung bereits infolge der unstreitig vor einer Mängelanzeige nicht in voller Höhe geleisteten Mietzahlungen für die Monate Juli 2018 bis Februar 2019 gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB berechtigt. Schon dies führte zu einem Rückstand von 8 x 160,- EUR = 1.280,- EUR.

1. Gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt das zur Kündigung des Mietvertrags erforderliche berechtigte Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, stellt auch ein Zahlungsverzug in Höhe von über einer Monatsmiete für eine Dauer von über einem Monat eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters dar, die den Vermieter zur ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB berechtigt (siehe BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12 -, Rn. 19 f. – juris).

Ein Zahlungsverzug in dieser Größenordnung des Beklagten liegt vor. Selbst wenn man nur die Zahlungsrückstände berücksichtigt, die bis einschließlich Februar 2019 bestanden, beträgt der Rückstand 1.280,- EUR und damit mehr als eine Monatsmiete, so dass offen bleiben kann, ob der Beklagte der Klägerin im März 2019 tatsächlich einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel angezeigt und die Miete ab diesem Zeitpunkt unter Vorbehalt gezahlt hat. Allerdings wäre dieser Vortrag wohl ohnehin verspätet, § 296 Abs. 1 ZPO. Auch in einem sogenannten „frühen ersten Termin“ kann bei einer ordnungsgemäßen Fristsetzung zur Klageerwiderung unentschuldigt nicht rechtzeitig angebrachtes Vorbringen des Beklagten nach § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1986 – VI ZR 107/86 -, BGHZ 98, 368-374, Rn. 8, zitiert nach juris). § 296 Abs. 1 ZPO verweist ausdrücklich auch auf die Vorschrift des § 275 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Etwas anderes gilt nur, wenn der Termin erkennbar als „Durchlauftermin“ geplant war, was vorliegend nicht der Fall war.

Allerdings dürfen die Verspätungsvorschriften nicht vom Gericht dazu „benutzt“ werden, verspätetes Vorbringen auszuschließen, wenn ohne jeden Aufwand erkennbar ist, dass die Verspätung allein nicht kausal für eine Verzögerung ist (BGH, Urteil vom 3.7.2012, ZfSch 2013, 149-152, zitiert nach juris). Dies ist hier aber nicht der Fall, weil die Klägerin bei rechtzeitigem Vortrag zu etwaigen Mängeln und Minderungen der Miete darauf vor oder im Termin hätte erwidern können, so dass die Sache vermutlich auch dann entscheidungsreif gewesen wäre.

Die Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt zwingend ein Verschulden voraus. Das fehlende Verschulden muss gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB der Mieter darlegen und beweisen. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag des Beklagten.

2. Ein Berufen auf die ordentliche Kündigung ist auch nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Die vom Beklagten erbrachte Schonfristzahlung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, durch die die außerordentliche fristlose Kündigung vom 7. Mai 2019 unwirksam geworden ist, lässt die ordentliche Kündigung grundsätzlich unberührt. Das Aufstellen einer allgemeinen Regel, dass eine ordentliche Kündigung immer dann rechtsmissbräuchlich sei, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete oder der fälligen Entschädigung befriedigt werde, keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass es künftig zu erneuten Zahlungsrückständen kommen werde und der Mieter auch im Übrigen keine mietvertraglichen Pflichten verletzt habe, würde letztlich eine unzulässige analoge Anwendung der nur für die fristlose Kündigung geltenden Schonfristregelung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) bedeuten (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016 – VIII ZR 321/14 -, zitiert nach juris). Es bedürfte vielmehr besonderer Umstände, damit ein Berufen auf die ordentliche Kündigung gemäß § 242 BGB ausgeschlossen ist.

Solche Umstände, die die Pflichtverletzung des Beklagten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor. Den Zahlungsrückstand hat der Beklagte nicht umgehend nach Erhalt der Kündigung, sondern erst nach Rechtshängigkeit der Klage beglichen. Weitere Umstände sind nicht vorgetragen.

Die Klägerin hat die ordentliche Kündigung gegenüber den Mietern mit Schreiben vom 7. Mai 2019 auch in wirksamer Weise erklärt, die Kündigungsfrist von drei Monaten gemäß § 573 c Abs. 1 BGB ist zwischenzeitlich abgelaufen.

Unschädlich ist, dass die Klägerin den Beklagten zuvor nicht abgemahnt hat. Eine Abmahnung ist nach dem Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht gefordert. Im Falle der Kündigung wegen Zahlungsverzugs ist sie schon deshalb nicht notwendig, weil sie selbst im Falle einer fristlosen Kündigung nicht notwendig wäre, vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 573, Rn. 13a.

3. Auf die Frage, ob der Beklagte weitere Pflichten aus dem Mietvertrag verletzt hat, wie es die Klägerin substantiiert vorträgt, und damit auf das Schicksal der später erklärten Kündigungen kommt es mithin nicht an.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 S. 1 und 2, 709 S. 1 und 2 ZPO.

III. Der Beklagten wird gemäß § 721 ZPO von Amts wegen eine Räumungsfrist bis zum 31. Januar 2020 eingeräumt, weil sein befristetes Bestandsinteresse insoweit das Interesse der Klägerin an der zeitnahen Wiedererlangung der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung übersteigt. Dabei ist die angespannte Lage am Berliner Wohnungsmarkt berücksichtigt worden. Das Gericht geht bei der Festsetzung der Räumungsfrist davon aus, dass der Beklagte die monatlich fällig werdenden Ansprüche auf Nutzungsentschädigung (d.h. die bisherige „Miete“ in Höhe von 1.000,- EUR) fristgemäß an die Klägerin erbringen wird. Andernfalls wäre auf Antrag an eine Verkürzung oder Aufhebung der Räumungsfrist zu denken.

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