Sicherungsanordnung und Nutzungsentschädigung: Ein tiefgehender Blick auf die rechtliche Dimension von Pachtverträgen
In dem Beschluss des Landgerichts Landshut (Az.: 53 O 3087/20) vom 03.03.2021 geht es um einen komplexen Fall, der sich aus einem Pachtvertrag ergibt. Die Klagepartei fordert die Räumung eines Boardinghauses und zusätzlich eine Nutzungsentschädigung. Das Hauptproblem liegt in der rechtlichen Verpflichtung der Beklagten, eine Sicherheitsleistung zu hinterlegen, um besondere Nachteile für die Klägerseite abzuwenden. Dabei spielt § 283a ZPO eine entscheidende Rolle, der die Voraussetzungen für eine solche Sicherungsanordnung regelt.
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Übersicht
Die Grundlagen der Sicherungsanordnung
Die Sicherungsanordnung ist ein Instrument, das dem Kläger ermöglicht, eine Sicherheitsleistung vom Beklagten zu verlangen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Klagehohe Erfolgsaussichten hat und die Anordnung notwendig ist, um besondere Nachteile für den Kläger zu vermeiden. Im vorliegenden Fall wurde die Klage am 04.11.2020 zugestellt und hat hohe Erfolgsaussichten, da dem Zahlungsanspruch nach bisherigem Sach- und Streitstand keine berechtigten Einwendungen entgegenstehen.
Die Rolle der Nutzungsentschädigung
Die Klagepartei hat nicht nur einen Räumungsanspruch, sondern auch einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Dieser Anspruch entsteht, wenn der Pächter den gepachteten Gegenstand nach Beendigung des Pachtverhältnisses nicht zurückgibt. Die Höhe der Nutzungsentschädigung bemisst sich nach der vereinbarten Pacht und dem Verhältnis der Nutzungen, die der Pächter während der Vorenthaltung gezogen hat oder hätte ziehen können.
Abwägung der beiderseitigen Interessen
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Abwägung der beiderseitigen Interessen. Die Klägerseite hat glaubhaft gemacht, dass die Pachteinnahmen zur Tilgung mehrerer Darlehen verwendet werden. Die Beklagtenseite hat dagegen keine ausreichenden Gründe vorgebracht, die gegen die Hinterlegung der Sicherheitsleistung sprechen würden. Daher ist die Anordnung zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt.
Art und Frist der Sicherheitsleistung
Die Beklagte wurde verpflichtet, einen Betrag von 27.823,53 EUR beim Amtsgericht zur Sicherheit zu hinterlegen. Die Frist für die Sicherheitsleistung wurde auf den 03.04.2021 festgelegt. Die Art der Sicherheitsleistung wurde nach § 108 Abs. 1 ZPO bestimmt, und die Aufgaben der Hinterlegungsstellen sind den Amtsgerichten übertragen.
Mit diesem Beschluss hat das Landgericht Landshut einen wichtigen Präzedenzfall geschaffen, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für Pachtverträge und die damit verbundenen Ansprüche klar definiert. Es zeigt, wie wichtig es ist, die beiderseitigen Interessen sorgfältig abzuwägen und die Voraussetzungen für eine Sicherungsanordnung genau zu prüfen.
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Sicherungsanordnung kurz erklärt
Eine Sicherungsanordnung ist eine gerichtliche Anordnung, die in bestimmten zivilrechtlichen Verfahren erlassen werden kann, um die Durchsetzung einer Geldforderung zu sichern. Sie ist in Deutschland im Rahmen der Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere in § 283a ZPO, geregelt. Die Anordnung verpflichtet den Beklagten, eine bestimmte Geldsumme als Sicherheit zu hinterlegen, um sicherzustellen, dass der Kläger seinen Anspruch auch tatsächlich durchsetzen kann, falls er im Hauptverfahren erfolgreich ist.
Die Voraussetzungen für eine Sicherungsanordnung sind in der Regel streng. So muss der Kläger glaubhaft machen, dass seine Forderung eine hohe Aussicht auf Erfolg hat und dass die Anordnung zur Abwendung besonderer Nachteile für ihn gerechtfertigt ist. Die Anordnung ist oft zeitlich begrenzt und muss vom Beklagten innerhalb einer bestimmten Frist erfüllt werden.
Sicherungsanordnungen kommen in verschiedenen Rechtsgebieten vor, sind aber besonders im Mietrecht relevant. Hier können sie etwa im Zusammenhang mit Räumungsklagen erlassen werden, um sicherzustellen, dass der Vermieter seine Forderungen auch dann noch durchsetzen kann, wenn der Mieter das Objekt bereits geräumt hat.
Es ist wichtig, bei einer Sicherungsanordnung schnell und kompetent zu handeln, da die Nichtbefolgung der Anordnung ernste rechtliche Konsequenzen haben kann. Daher ist die rechtliche Beratung in solchen Fällen oft unerlässlich.
Das vorliegende Urteil
LG Landshut – Az.: 53 O 3087/20 – Beschluss vom 03.03.2021
1. Die Beklagte wird im Wege der Sicherungsanordnung gemäß § 283a ZPO verpflichtet, einen Betrag von insgesamt 27.823,53 EUR beim Amtsgericht – zur Sicherheit zu hinterlegen.
2. Die Sicherheitsleistung gemäß Ziffer 1 ist bis zum 03.04.2021 gegenüber dem Gericht nachzuweisen.
Gründe
1) Die Sicherungsanordnung beruht auf § 283a Abs. 1 ZPO:
i) Wird eine Räumungsklage mit einer Zahlungsklage aus demselben Rechtsverhältnis verbunden, ordnet das Prozessgericht auf Antrag des Klägers an, dass der Beklagte wegen der Geldforderungen, die nach Rechtshängigkeit der Klage fällig geworden sind, Sicherheit zu leisten hat, soweit 1. die Klage auf diese Forderungen hohe Aussicht auf Erfolg hat und 2. die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist.
b) Mit der am 04.11.2020 zugestellten Klage vom 12.10.2020 macht die Klagepartei einen Räumungsanspruch und aus demselben Rechtsverhältnis (Pachtvertrag vom 30.12.2013, K3) abgeleitete Zahlungsansprüche geltend.
c) Die Klage hat eine hohe Aussicht auf Erfolg. Hohe Aussicht auf Erfolg iSv § 283a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO hat die Klage, wenn dem Zahlungsanspruch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand mit hoher Wahrscheinlichkeit keine berechtigten Einwendungen oder Einreden entgegenstehen (BT-Drs. 17/10485, 28). Ähnlich wie bei der Entscheidung über den Erlass eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung ist mithin eine Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits anzustellen (BeckOK ZPO/Bacher, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 283a Rn. 19). Hohe Aussicht auf Erfolg besteht in aller Regel, wenn und soweit der Rechtsstreit hinsichtlich eines Teils des Zahlungsbegehrens bereits zur Entscheidung reif ist, das Gericht aber wegen des Verbots einander widersprechender Teilentscheidungen kein Teilurteil erlassen kann (ebenso Schmidt-Futterer/Streyl Rn. 24; BeckOK ZPO/Bacher, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 283a Rn. 23).
i) Unabhängig vom Vortrag der Beklagtenseite, wonach es im streitgegenständlichen Anwesen seit März 2020 zu einem Wasserschaden gekommen sei, welcher die Verpachtung verschiedener Appartements mehrere Wochen lang unmöglich machte, ist der Streitstoff nach Durchführung der mündlichen Verhandlung insoweit bereits aufgeklärt, als das Pachtverhältnis, geschlossen mit Vertrag vom 30.12.2013 (K3), durch ordentliche Kündigung zum 01.05.2020 fristgerecht gekündigt wurde. Insoweit besteht – unabhängig von der ausstehenden Beweisaufnahme über den behaupteten zeitlich begrenzten Mietausfallschaden – eine hohe Erfolgsaussicht hinsichtlich der Herausgabe des streitgegenständlichen Boardinghauses gemäß §§ 546 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB.
ii) Hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerseite wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung in der klägerseits zitierten Entscheidung des OLG München vom 14.06.2018, Az.: 32 U 2516/16, Bezug genommen. Demnach ist die Klagepartei berechtigt, im eigenen Namen auf Leistung an die Bruchteilsgemeinschaft zu klagen.
iii) Die ordentliche Kündigung war auch wirksam. Im vorliegenden Fall konnte die Klagepartei auf Grundlage der Befugnis des § 745 Abs. 1 BGB alleine handeln, weil die Beklagte in entsprechender Anwendung des § 34 BGB von der Mitwirkung der Beschlussfassung ausgeschlossen war (vgl. OLG München, aaO). In Abweichung von § 584 BGB war in § 1 des Pachtvertrages vom 30.12.2013 eine dreimonatige Kündigungsfrist vereinbart worden.
1. Da die Beklagte das Boardinghaus nicht zurückgegeben hat, sondern gegen den Willen der Klagepartei in ihrem Besitz behalten möchte und das Fortbestehen des Pachtverhältnisses geltend macht, liegt eine Vorenthaltung der Pachtsache vor.
iv) Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches auf Nutzungsentschädigung besteht eine hohe Erfolgsaussicht der Klage. Gibt der Pächter den gepachteten Gegenstand nach der Beendigung des Pachtverhältnisses nicht zurück, so kann der Verpächter gemäß § 584b S. 1 BGB für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Pacht nach dem Verhältnis verlangen, in dem die Nutzungen, die der Pächter während dieser Zeit gezogen hat oder hätte ziehen können, zu den Nutzungen des ganzen Pachtjahrs stehen. Der Pächter ist zur Zahlung der Pacht inklusive Umsatzsteuer verpflichtet. Die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs richtet sich nach der vertraglichen oder gesetzlichen Regelung für den Anspruch auf die Pacht (MüKoBGB/Harke, 8. Aufl. 2020, BGB § 584b Rn. 4).
d) Die Anordnung ist nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt. Ausreichend ist hierbei nicht schon das Risiko späterer Insolvenz der Beklagtenseite und deren Erhöhung durch die Prozessdauer. „Besondere“ Nachteile müssen zwar Folge etwaigen Zahlungsausfalls sein, aber über ihn hinausgehen (Musielak/Voit/Foerste, 17. Aufl. 2020, ZPO § 283a Rn. 7).
(a) Vorliegend hat die Klägerseite für das Gericht in ausreichendem Maße nach § 283a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass die Pachteinnahmen aus der Verpachtung des Boardinghauses der Tilgung mehrerer Darlehen der Beteiligten der Bruchteilsgemeinschaft bei der Volksbank Raiffeisenbank Dachau eG dienen. Der Kläger bekräftigte in der mündlichen Verhandlung, dass die zwischenzeitlich gewährte Tilgungsaussetzung beendet ist, die monatlichen Darlehensraten daher seit Januar 2021 weiterhin zu entrichten sind. Das Konto der Grundstücksgemeinschaft befindet sich bereits im Soll. Die Kosten und Nachteile, die der Beklagtenseite durch die Hinterlegung drohen, sind deutlich geringer als die Nachteile, die der Klägerseite drohen, wenn die Darlehen nicht mehr bedient werden können. In Anbetracht der weiterhin zu zahlenden hohen monatlichen Tilgungsraten von insgesamt 5.045,- EUR (Anlage K9), einer Beendigung des Pachtverhältnisses bereits zum 01.05.2020 und der überaus hohen Erfolgsaussichten der Klage hinsichtlich der Räumung und der Nutzungsentschädigung (s.o.) ist der Erlass einer Sicherungsanordnung gerechtfertigt.
2) Die Art der Sicherheitsleistung war nach § 108 Abs. 1 ZPO zu bestimmen (BT-Drs. 17/10485, 29; Zehelein WuM 2013, 133 (139); Zöller/Greger Rn. 6; BeckOK ZPO/Bacher, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 283a Rn. 40). Die Aufgaben der Hinterlegungsstellen sind den Amtsgerichten übertragen, Art. 2 Abs. 2 BayHintG.
3) Sicherheit kann gem. § 283a Abs. 1 ZPO nur für Zahlungsansprüche begehrt werden, die nach Rechtshängigkeit der Klage fällig werden. Dies sind typischerweise Ansprüche auf Zahlung von Miete, Nutzungsentschädigung oder sonstigen wiederkehrenden Leistungen (BeckOK ZPO/Bacher, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 283a Rn. 13). Das Verlangen nach Sicherheit darf hierbei nur auf solche Ansprüche erstreckt werden, die vor Erlass der Anordnung fällig geworden sind (BT-Drs. 17/10485, 28; AG Langenfeld NJW 2014, 710; Emmerich NZM 2014, 881 (886); BeckOK ZPO/Bacher, aaO Rn. 17).
i) Die Klage ist mit Zustellung am 04.11.2020 rechtshängig geworden, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO. Da sich die Fälligkeit der Nutzungsentschädigung nach der vertraglichen Regelung für den Anspruch auf die Pacht richtet (s.o.), kann ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung für November 2020, fällig am dritten Werktag, mithin am 04.11.2020, nicht gesichert werden.
ii) Gesichert werden auf Antrag der Klagepartei vom 12.10.2020 Ansprüche auf Nutzungsentschädigung, die nach Rechtshängigkeit und bis zum Erlass der Anordnung fällig geworden sind: Dezember 2020, Januar 2021, Februar 2021, März 2021, letztere ist fällig mit Beginn des heutigen Tages und damit zeitlich auch vor Erlass dieser Anordnung.
iii) Die Höhe der Nutzungsentschädigung bemisst sich für den Vorenthaltungszeitraum erstens nach der vereinbarten Pacht und zweitens nach dem Verhältnis in dem die Nutzungen, die im Vorenthaltungszeitraum gezogen wurden oder bei ordnungsgemäßer Wirtschaft hätten gezogen werden können, zu den Nutzungen während des ganzen Pachtjahres stehen (BeckOGK/Schlinker, 1.1.2021, BGB § 584b Rn. 10). Die Bestimmung bezweckt, dem Verpächter auf einfache Art und Weise eine Mindestentschädigung einzuräumen und damit Streitigkeiten über die Höhe eines etwaigen Schadenseratz- oder Bereicherungsanspruchs in einfacher und angemessener Weise abzuschneiden. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Pächter die Pachtsache während der Vorenthaltung nutzt (BGH, Urteil vom 10. 11. 1999 – XII ZR 24/97, NZM 2000, 134, beck-online).
iv) Da das Boardinghaus trotz des verhängten pandemiebedingten Lockdowns unstreitig weiterbetrieben werden konnte, schätzt das Gericht den Anteil der Nutzungen im (zu sichernden) Vorenthaltungszeitraum auf ein Drittel der Gesamtnutzungen in einem Pachtjahr, § 287 ZPO. Ausgehend von einem vertraglich vereinbarten monatlichen Nettopachtzins von 5.882,35 EUR (jährlich insgesamt 70.588,20 EUR) beläuft sich daher die Nutzungsentschädigung auf 23.529,40 EUR netto (ein Drittel von 70.588,20 EUR),
v) mithin für Dezember 2020: 5.882,35 EUR + 16% MwSt: 6.823,53 EUR
(i) für Januar bis März 2021: jew. 5.882,35 EUR + 19% MwSt: 21.000,00 EUR
vi) insgesamt (einschließlich gesetzlicher MwSt) auf 27.823,53 EUR
4) Gemäß § 283a Abs. 2 ZPO war der Beklagten in dem Beschluss eine Frist zu setzen, innerhalb der er die Sicherheitsleistung nachzuweisen hat.
5) Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung bedurfte es nicht. Der Beschluss ist im Hinblick auf § 570 Abs. 1 grundsätzlich ohne Weiteres vollstreckbar (BeckOK ZPO/Bacher, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 283a Rn. 43).
i) Für das Verfahren und die Entscheidung über den Antrag fallen keine zusätzlichen Gerichtsgebühren an (BeckOK ZPO/Bacher, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 283a Rn. 79).